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Vierzehntes Kapitel: Flankenstellungen

Nur damit man diesen in der gewöhnlichen militärischen Ideenwelt so sehr hervorragenden Begriff hier leichter wiederfinde, haben wir ihm nach Wörterbücherart ein eigenes Kapitel gewidmet, denn wir glauben nicht, daß damit ein selbständiges Ding bezeichnet werde.

Jede Stellung, welche auch dann behauptet werden soll, wenn der Feind an ihr vorbeigeht, ist eine Flankenstellung, denn von dem Augenblick an, wo er dies tut, kann sie keine andere Wirksamkeit haben als die auf die feindliche strategische Flanke. Es sind also notwendig alle festen Stellungen zugleich Flankenstellungen, denn da sie nicht angegriffen werden können, der Gegner also auf das Vorbeigehen angewiesen ist, so können sie nur durch die Wirksamkeit auf seine strategische Flanke ihren Wert bekommen. Wie die eigentliche Fronte der festen Stellung sei, ob sie parallel mit der feindlichen strategischen Flanke laufe wie Kolberg, oder senkrecht wie Bunzelwitz und Drissa, ist eine vollkommen gleichgültige Sache, denn eine feste Stellung muß nach allen Seiten Fronte machen.

Aber man kann auch in einer Stellung, die nicht unangreifbar ist, die Absicht haben, sie dann noch zu behaupten, wenn der Feind an ihr vorbeigeht, sobald nämlich der Punkt ihrer Lage ein so überwiegendes Verhältnis der Rückzugs- und Verbindungslinie darbietet, daß nicht nur ein wirksamer Angriff auf die strategische Flanke des Vorrückenden stattfinden kann, sondern daß er, für seinen eigenen Rückzug besorgt, nicht imstande ist, uns den unserigen ganz zu nehmen; denn wäre dies letztere nicht der Fall, so würden wir, weil die Stellung keine feste, d. h. unangreifbare ist, in Gefahr sein, uns ohne Rückzug zu schlagen.

Das Jahr 1806 erläutert uns dies durch ein Beispiel. Die Aufstellung des preußischen Heeres auf dem rechten Ufer der Saale konnte in Beziehung auf Bonapartes Vorrücken über Hof vollkommen zu einer Flankenstellung werden, wenn man nämlich Fronte gegen die Saale machte und in dieser Stellung das Weitere abwartete.

Wäre hier nicht ein solches Mißverständnis der physischen und moralischen Macht gewesen, hätte sich nur ein Daun an der Spitze des französischen Heeres befunden, so würde die preußische Stellung sich in der glänzendsten Wirksamkeit gezeigt haben. Ihr vorbeizugehen war ganz unmöglich, das hat selbst Bonaparte anerkannt, indem er sich entschloß, sie anzugreifen; ihr den Rückzug abzuschneiden, ist selbst Bonaparte nicht vollkommen gelungen, und würde bei einem geringeren Mißverhältnis der physischen und moralischen Kraft ebensowenig tunlich gewesen sein als das Vorbeigehen, denn die preußische Armee war durch eine Überwältigung ihres linken Flügels viel weniger in Gefahr als die französische durch eine Überwältigung ihres linken. Selbst bei dem physischen und moralischen Mißverhältnis der Streitkräfte würde eine entschlossene und besonnene Führung noch große Hoffnungen zu einem Sieg gegeben haben. Nichts hätte den Herzog von Braunschweig verhindert, am 13. solche Einrichtungen zu treffen, daß den 14. morgens mit Tagesanbruch 80000 Mann sich den 60000 Mann gegenüber befanden, die Bonaparte bei Jena und Dornburg über die Saale führte. Wenn dies Übergewicht und das steile Tal der Saale im Rücken der Franzosen auch nicht hingereicht haben würde, einen entscheidenden Sieg zu geben, so muß man doch sagen, daß es an sich ein sehr vorteilhaftes Resultat war, und daß, wenn man mit einem solchen keine glückliche Entscheidung gewinnen konnte, man überhaupt an keine Entscheidung in dieser Gegend hätte denken, sondern weiter zurückgehen, sich dadurch verstärken und den Feind schwächen sollen.

Die preußische Stellung an der Saale also, ob sie gleich angreifbar war, konnte als Flankenstellung für die über Hof kommende Straße betrachtet werden, nur war ihr wie jeder angreifbaren Stellung diese Eigenschaft nicht absolut beizulegen, weil sie erst dann dazu wurde, wenn der Feind ihren Angriff nicht wagte.

Noch weniger würde es einer klaren Vorstellungsart entsprechen, wenn man auch denjenigen Stellungen, welche das Vorbeigehen nicht aushalten können, und von welchen aus der Verteidiger den Angreifenden deshalb von der Seite anfallen will, den Namen der Flankenstellung geben wollte, bloß deswegen, weil dieser Angriff von der Seite geschieht; denn dieser Seitenanfall hat mit der Stellung selbst kaum etwas zu tun oder geht wenigstens der Hauptsache nach nicht aus ihren Eigenschaften hervor, wie dies der Fall mit der Einwirkung auf die strategische Flanke ist.

In jedem Fall geht hieraus hervor, daß über die Eigenschaften einer Flankenstellung nichts Neues festzustellen ist. Nur ein paar Worte über den Charakter dieser Maßregel finden hier eine bequeme Stelle.

Von eigentlich festen Stellungen sehen wir ganz ab, weil wir davon hinreichend gesprochen haben.

Eine Flankenstellung, die nicht unangreifbar ist, ist ein äußerst wirksames, aber freilich auch eben darum gefährliches Instrument. Wird der Angreifende durch sie gebannt, so hat man eine große Wirkung mit einem unbedeutenden Kraftaufwand, es ist der Druck des kleinen Fingers auf den langen Hebel eines scharfen Gebisses. Ist aber die Wirkung zu schwach, wird der Angreifende nicht festgehalten, so hat der Verteidiger seinen Rückzug mehr oder weniger aufgeopfert und muß entweder in der Eile auf Umwegen, also unter sehr nachteiligen Umständen noch zu entkommen suchen, oder er ist in Gefahr, sich ohne Rückzug zu schlagen. Gegen einen dreisten, moralisch überlegenen Gegner, der eine tüchtige Entscheidung sucht, ist dieses Mittel also höchst gewagt und keineswegs an seinem Ort, wie oben das Beispiel von 1806 beweist. Dagegen kann es bei einem behutsamen Gegner und in bloßen Beobachtungskriegen für eins der besten Mittel gelten, zu welchen das Talent des Verteidigers greifen kann. Des Herzogs Ferdinand Verteidigung der Weser durch eine Stellung auf dem linken Ufer derselben und die bekannten Stellungen von Schmottseifen und Landeshut sind Beispiele davon; nur zeigt freilich die letztere zugleich in der Katastrophe des Fouquéschen Korps 1760 die Gefahr einer falschen Anwendung.


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