Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Kapitel: Lager

Wir betrachten die drei Zustände des Heeres außer dem Gefecht nur strategisch, d. h. insofern sie einzelne Gefechte darstellen, also: Ort, Zeit und die Menge der Streitkräfte bedingen. Alle Gegenstände, welche sich auf die inneren Anordnungen der Gefechte und auf den Übergang in den Zustand des Gefechts beziehen, gehören in die Taktik.

Die Aufstellung in Lagern, worunter wir jede Aufstellung außer Quartieren verstehen, sei es unter Zelten, in Hütten oder im freien Felde, ist mit dem dadurch bedingten Gefecht strategisch völlig identisch. Taktisch ist sie es nicht immer, denn man kann aus mancherlei Gründen den Lagerplatz etwas verschieden wählen von dem ausersehenen Schlachtfelde. Nachdem wir nun über die Aufstellung des Heeres, d. h. über den Ort, welchen die einzelnen Teile einnehmen werden, bereits das Erforderliche gesagt haben, geben uns die Lager nur noch zu einer historischen Betrachtung Veranlassung. Früher, d. h. seitdem die Armeen wieder zu einer bedeutenden Größe angewachsen, die Kriege dauernder, in ihren einzelnen Teilen zusammenhängender geworden sind, und bis zur französischen Revolution lagerten die Heere stets unter Zelten. Dies war ihr Normalzustand. Mit dem Eintritt der schönen Jahreszeit verließen sie die Quartiere und bezogen dieselben erst wieder mit Eintritt des Winters. Die Winterquartiere muß man gewissermaßen als einen Zustand des Nichtkrieges ansehen, denn in ihnen wurden die Kräfte neutralisiert, das ganze Uhrwerk in seinem Gange angehalten. Erholungsquartiere, welche den eigentlichen Winterquartieren vorangehen, und andere Kantonnements auf kurze Zeit und in engen Räumen waren Übergänge und außergewöhnliche Zustände.

Wie sich jene regelmäßige freiwillige Neutralisierung der Kraft mit dem Zweck und Wesen des Krieges vertrug und noch verträgt, ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, wir kommen später auf diesen Gegenstand; genug, es war so.

Seit dem französischen Revolutionskriege haben die Heere die Zelte des großen Trosses wegen, welchen sie veranlassen, ganz abgeschafft. Teils findet man es besser, bei einem Heer von 100000 Mann statt der 6000 Zeltpferde 5000 Mann Reiterei oder ein paar hundert Geschütze mehr zu haben, teils ist bei großen und raschen Bewegungen ein solcher Troß nur hinderlich und wenig nützlich.

Dadurch sind aber zwei Rückwirkungen entstanden, nämlich: ein stärkerer Verbrauch von Streitkräften und eine größere Verheerung des Landes.

Wie schwach auch der Schutz eines Daches von schlechter Leinewand sei, es ist nicht zu verkennen, daß mit ihm die Truppen auf die Dauer einer großen Erleichterung entbehren. Für einen einzelnen Tag ist der Unterschied gering, weil ein Zelt gegen Wind und Kälte wenig und gegen Nässe nicht vollkommen schützt; aber dieser geringe Unterschied macht ein Bedeutendes, wenn es sich 2 oder 300 Mal im Jahr wiederholt. Ein größerer Verlust durch Krankheiten ist die ganz natürliche Folge.

Wie die Verheerung des Landes durch den Mangel an Zelten zunimmt, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden.

Man sollte also glauben, die Abschaffung der Zelte müßte wegen dieser beiden Rückwirkungen den Krieg auf eine andere Weise wieder geschwächt haben; man müßte länger und häufiger in Quartieren stehen und aus Mangel an Lagerungsbedürfnissen manche Aufstellung unterlassen, die vermittelst der Zeltlager möglich war.

Dies würde auch der Fall gewesen sein, wenn der Krieg nicht in derselben Epoche überhaupt eine ungeheure Veränderung erlitten hätte, welche diese kleinen untergeordneten Wirkungen in sich verschlungen hat.

Sein elementarisches Feuer ist so überwältigend, seine Energie so außerordentlich geworden, daß auch jene regelmäßigen Perioden der Ruhe verschwunden sind, und alle Kräfte sich mit unaufhaltsamer Gewalt zur Entscheidung hindrängen, wovon eigentlicher im neunten Buche gehandelt werden soll. Unter diesen Umständen kann also von einer Veränderung nicht die Rede sein, welche die Entbehrung der Zelte in dem Gebrauch der Streitkräfte veranlassen sollte. Man lagert in Hütten oder unter freiem Himmel, vollkommen rücksichtslos auf Wetter, Jahreszeit und Gegend, wie es der Zweck und Plan des Ganzen fordert.

Ob der Krieg zu allen Zeiten und unter allen Umständen diese Energie behalten wird, davon werden wir in der Folge sprechen; da, wo er sie aber nicht hat, wird allerdings die Entbehrung der Zelte einigen Einfluß auf seine Führung äußern können; daß aber diese Rückwirkung je stark genug werden könnte, um wieder zur Einführung der Zeltlager zu führen, ist darum zu bezweifeln, weil, nachdem sich für das kriegerische Element einmal viel weitere Schranken aufgetan haben, es immer nur periodisch für gewisse Zeiten und Verhältnisse in die alten, engeren zurückkehren, von Zeit zu Zeit aber wieder mit der Allgewalt seiner Natur durchbrechen wird. Bleibende Einrichtungen der Heere können also nur auf diese berechnet werden.


 << zurück weiter >>