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Zehntes Kapitel: Festungen

Früher und bis zur Zeit der großen stehenden Heere herunter waren Festungen, d. i. Schlösser und befestigte Städte, nur zum Schutz ihrer Einwohner da. Der Edelmann, wenn er sich von allen Seiten bedrängt sah, rettete sich in sein Schloß, um Zeit zu gewinnen, einen besseren Augenblick abzuwarten; die Städte suchten durch ihre Befestigungen die vorüberziehende Wetterwolke des Krieges von sich abzuhalten. Bei dieser einfachsten und natürlichsten Bestimmung der Befestigungen ist es nicht geblieben; die Beziehungen, welche ein solcher Punkt zum ganzen Lande und wieder zu dem Kriegsvolk hatte, welches sich im Lande hier und dort bekämpfte, gaben den befestigten Punkten bald eine erweiterte Wichtigkeit, eine Bedeutung, die sich außerhalb ihrer Mauern erstreckte, zur Einnahme oder Behauptung des Landes, zum glücklichen oder unglücklichen Ausgang des ganzen Kampfes beitrug und auf diese Weise selbst ein Mittel wurde, den Krieg mehr zu einem zusammenhängenden Ganzen zu verbinden. So haben die Festungen ihre strategische Bedeutung bekommen, die eine Zeitlang für so wichtig angesehen wurde, daß sie die Grundlinien zu den Feldzugsplänen abgab, die mehr darauf gerichtet warm, eine oder ein paar Festungen zu erobern, als die feindliche Streitkraft zu vernichten. Man kehrte zu der Veranlassung dieser Bedeutung zurück, nämlich zu den Beziehungen, welche ein befestigter Punkt zur Gegend und zum Heere hat, und glaubte nun in der Bestimmung der zu befestigenden Punkte nicht sorgfältig, fein und abstrakt genug sein zu können. Über dieser abstrakten Bestimmung wurde die ursprüngliche fast ganz aus den Augen verloren, und man kam auf die Idee der Festungen ohne Städte und Einwohner.

Von der anderen Seite sind die Zeiten vorüber, wo die bloße Befestigung der Mauern ohne andere Kriegsanstalten einen Ort vor der Überschwemmung des Krieges, der über das ganze Land herzieht, völlig trocken erhalten konnte, denn diese Möglichkeit gründete sich teils auf die kleinen Staaten, in welche die Völker früher geteilt waren, teils auf die periodische Natur des damaligen Angriffs, der fast wie die Jahreszeiten seine bestimmte, sehr begrenzte Dauer hatte, weil entweder die Lehnleute nach Hause eilten oder das Geld für die Condottieri regelmäßig auszugehen pflegte. Seitdem große stehende Heere mit ihren gewaltigen Artilleriezügen den Widerstand der einzelnen Punkte maschinenartig niedermähen, hat keine Stadt und keine andere kleine Korporation mehr Lust, ihre Kräfte aufs Spiel zu setzen, um einige Wochen oder Monate später genommen und dann um so strenger behandelt zu werden. Noch weniger kann es das Interesse der Heere sein, sich in eine Unzahl fester Plätze zu zersplittern, die das Vorschreiten des Feindes etwas langsam machen, aber notwendig mit Unterwerfung endigen würden. Es müssen immer soviel Kräfte übrigbleiben, um dem Feinde im Felde gewachsen zu sein, es sei denn, daß man sich auf die Ankunft eines Bundesgenossen stütze, der unsere festen Plätze entsetzt und unser Heer befreit. Es hat sich also die Zahl der Festungen notwendig sehr vermindern müssen, und dies hat von neuem von der Idee, durch Befestigungen die Menschen und Güter der Städte unmittelbar zu schützen, ab- und zu der anderen Idee hinführen müssen, die Festungen als einen mittelbaren Schutz des Landes zu betrachten, den sie durch ihre strategische Bedeutung gewähren, als Knoten, die das strategische Gewebe zusammenhalten.

So ist der Gang der Ideen gewesen, nicht bloß in Büchern, sondern auch im praktischen Leben; aber freilich in Büchern weiter ausgesponnen, wie das gewöhnlich ist.

So notwendig diese Richtung der Sache war, so haben die Ideen doch zu weit geführt, und es haben Künstlichkeiten und Spielereien den gesunden Kern des natürlichen und großen Bedürfnisses verdrängt. Nur diese einfachen großen Bedürfnisse werden wir ins Auge fassen, wenn wir die Zwecke und Bedingungen der Festungen nebeneinander aufzählen, wir werden dabei von den einfachen zu den zusammengesetzteren fortschreiten und im folgenden Kapitel sehen, was sich daraus für die Bestimmung ihrer Lage und Anzahl ergibt.

Offenbar ist die Wirksamkeit einer Festung aus zwei verschiedenen Elementen zusammengesetzt, dem passiven und dem aktiven. Durch das erste schützt sie den Ort und alles, was in ihm enthalten ist, durch das andere übt sie einen gewissen Einfluß auf die auch über ihre Kanonenschußweite hinausliegende Umgegend.

Dieses aktive Element besteht in den Angriffen, welche die Besatzung auf jeden Feind unternehmen kann, der sich bis auf einen gewissen Punkt nähert. Je größer die Besatzung ist, um so größer werden die Haufen sein, welche zu solchen Zwecken aus ihr hervorgehen, und je größer diese sind, um so weiter können sie in der Regel gehen, woraus dann folgt, daß der aktive Wirkungskreis einer großen Festung nicht nur intensiv stärker, sondern auch größer ist wie der der kleinen. Aber das aktive Element besteht selbst gewissermaßen wieder aus zwei Teilen, nämlich den Unternehmungen der eigentlichen Besatzung und den Unternehmungen, welche andere, nicht dazugehörige, aber mit ihr in Verbindung stehende große und kleine Heerhaufen ausführen können. Es können nämlich Korps, die zu schwach sein würden, dem Feinde selbständig gegenüberzutreten, durch den Schutz, welchen sie im Notfall hinter den Mauern der Festung finden, in den Stand gesetzt werden, sich in der Gegend zu behaupten und dieselbe bis auf einen gewissen Grad zu beherrschen.

Die Unternehmungen, welche die Besatzung einer Festung sich erlauben darf, sind immer ziemlich beschränkt. Selbst bei großen Festungen und starken Besatzungen sind die Haufen, welche dazu ausgesandt werden können, in Beziehung auf die im Felde stehenden Streitkräfte meistens nicht beträchtlich, und der Durchmesser ihres Wirkungskreises beträgt selten über ein paar Märsche. Ist die Festung aber klein, so werden die Haufen ganz unbedeutend und ihr Wirkungskreis meist auf die nächsten Dörfer beschränkt. Solche Korps aber, die nicht zur Besatzung gehören, also nicht notwendig in die Festung zurückkehren müssen, sind dadurch viel weniger gebunden, und so kann durch sie die aktive Wirkungssphäre einer Festung, wenn die übrigen Umstände dazu günstig sind, außerordentlich erweitert werden. Wir müssen also, wenn wir von der aktiven Wirksamkeit der Festungen im allgemeinen sprechen, diesen Teil derselben vorzüglich im Auge behalten.

Aber auch die kleinste aktive Wirksamkeit der schwächsten Besatzung ist immer noch ein ganz wesentliches Stück für alle Zwecke, welche die Festungen zu erfüllen haben; denn strenge genommen ist ja die passivste aller Tätigkeiten einer Festung, die Verteidigung beim Angriff, nicht ohne jene aktive Wirksamkeit zu denken. Indessen fällt es in die Augen, daß unter den verschiedenen Bedeutungen, welche eine Festung überhaupt oder in diesem und jenem Augenblick haben kann, die eine mehr die passive, die andere mehr die aktive Wirksamkeit in Anspruch nimmt. Diese Bedeutungen sind teils einfach, und die Wirksamkeit der Festung in diesem Fall gewissermaßen direkt, teils zusammengesetzt, und die Wirksamkeit ist dann mehr oder weniger indirekt. Wir wollen von den ersteren zu den letzteren übergehen, in jedem Fall aber sogleich erklären, daß natürlich eine Festung mehrere oder auch alle diese Bedeutungen zugleich oder wenigstens in verschiedenen Momenten haben kann.

Wir sagen also: die Festungen sind die ersten und größten Stützen der Verteidigung, auf folgende Weise:

1. Als gesicherte Vorratshäuser. Der Angreifende lebt während des Angriffs von einem Tage zum anderen; der Verteidiger muß gewöhnlich lange vorher in Bereitschaft sein, er kann also nicht bloß aus der Gegend leben, worin er steht und die er ohnehin gern schont; Vorratshäuser sind ihm folglich ein sehr großes Bedürfnis. Die Vorräte aller Art, die der Angreifende hat, bleiben beim Vorgehen zurück und werden also den Gefahren des Kriegstheaters entzogen, die des Verteidigers kommen mitten darin zu liegen. Sind diese Vorräte aller Art nicht in befestigten Orten, so müssen sie den nachteiligsten Einfluß auf das Handeln im Felde haben, und es sind namentlich oft die gezwungensten und gedehntesten Stellungen nötig, um sie zu decken.

Ein Verteidigungsheer ohne Festungen hat hundert verwundbare Stellen, es ist ein Körper ohne Harnisch.

2. Zur Sicherung großer und reicher Städte. Diese Bestimmung ist der ersten sehr nahe verwandt, denn große und reiche Städte, besonders Handelsplätze, sind die natürlichen Vorratshäuser der Heere; als solche trifft ihr Besitz und Verlust das Heer unmittelbar. Außerdem ist es doch immer der Mühe wert, sich diesen Teil des Staatseigentums zu erhalten, teils wegen der Kräfte, die mittelbar daraus gezogen werden, teils weil ein bedeutender Ort selbst bei den Friedensunterhandlungen ein merkliches Gewicht in die Waagschale legt.

Diese Bestimmung der Festungen ist in der neueren Zeit zu wenig gewürdigt worden, und doch ist sie eine der natürlichsten, die am kräftigsten wirken und den wenigsten Irrtümern unterworfen sind. Gäbe es ein Land, wo nicht allein alle großen und reichen Städte, sondern jeder volkreiche Ort befestigt, durch seine Einwohner und die benachbarten Bauern verteidigt wäre, so würde die Geschwindigkeit der kriegerischen Bewegung dadurch in einem solchen Maße geschwächt werden, und das angegriffene Volk mit einem solchen Teil seiner ganzen Schwere auf die Waagschale drücken, daß das Talent und die Willenskraft des feindlichen Heerführers zur Unmerklichkeit hinabsinken würden. Dieses Ideal einer Landesbefestigung wollen wir uns bloß vorhalten, damit der eben gedachten Bestimmung der Festungswerke ihr Recht widerfahren und die Wichtigkeit des unmittelbaren Schutzes, welchen sie gewähren, in keinem Augenblick übersehen werden möge; übrigens aber soll uns diese Vorstellung nicht in unserer Betrachtung stören, denn immer müßten unter der ganzen Masse der Städte einige sein, die stärker als die anderen befestigt, als die eigentlichen Stützen der bewaffneten Macht anzusehen sind.

Die beiden unter 1 und 2 genannten Zwecke nehmen fast nur die passive Wirksamkeit der Festungen in Anspruch.

3. Als eigentliche Schlösser. Sie sperren die Straßen und in den meisten Fällen auch die Flüsse, an welchen sie liegen.

Es ist nicht so leicht, wie man sich gewöhnlich denkt, einen brauchbaren Nebenweg zu finden, der die Festung umgeht, denn dieses Umgehen muß nicht bloß außer ihrem Kanonenschuß stattfinden, sondern auch in Beziehung auf die möglichen Ausfälle in mehr oder weniger großen Umkreisen.

Ist die Gegend im mindesten schwierig, so sind oft mit dem geringsten Ausbiegen aus der Straße Verzögerungen verknüpft, die einen ganzen Tagemarsch kosten, welches beim wiederholten Gebrauch der Straße sehr wichtig werden kann.

Wie sie durch das Sperren der Schiffahrt auf den Strömen in die Unternehmungen eingreifen, ist an sich klar.

4. Als taktische Anlehnungspunkte. Da der Durchmesser des Feuers einer nicht ganz unbedeutenden Festung schon einige Stunden zu betragen pflegt, und der offensive Wirkungskreis in jedem Fall noch etwas weiter reicht, so sind die Festungen immer als die besten Anlehnungspunkte für den Flügel einer Stellung zu betrachten. Ein See von mehreren Meilen Länge kann gewiß für einen ganz vortrefflichen Stützpunkt gelten, und doch leistet eine mäßige Festung mehr. Der Flügel braucht niemals nahe an ihr zu stehen, da der Angreifende sich nicht zwischen sie und diesen Flügel begeben kann, weil er sonst keinen Rückzug hätte.

5. Als Station. Liegen die Festungen auf der Verbindungslinie des Verteidigers, welches doch meistens der Fall ist, so sind sie bequeme Stationen für alles, was darauf hin- und herzieht. Die Gefahren, womit die Verbindungslinien bedroht sind, kommen von Streifzüglern her, deren Einwirkung immer nur stoßweise geschieht. Kann ein wichtiger Transport bei der Annäherung eines solchen Kometen eine Festung erreichen, indem er seinen Zug vorwärts beeilt oder schnell umwendet, so ist er gerettet und wartet dann ab, bis die Gefahr vorüber ist. Ferner können alle hin- und herziehende Haufen hier einen oder mehrere Tage Rast halten und dadurch um so eher ihren übrigen Zug beschleunigen. Es sind aber gerade die Rasttage die, wo sie am meisten bedroht sind. Auf diese Weise wird eine 30 Meilen lange Verbindungslinie durch eine in ihrer Mitte gelegene Festung gewissermaßen um die Hälfte verkürzt.

6. Als Zufluchtsort schwacher oder unglücklicher Korps. Unter den Kanonen einer nicht zu kleinen Festung ist jedes Korps vor den feindlichen Streichen gesichert, wenn auch kein verschanztes Lager dazu besonders eingerichtet ist. Freilich muß ein solches Korps, wenn es verweilen will, seinen weiteren Rückzug aufgeben, aber es gibt Verhältnisse, wo dies Opfer nicht groß ist, weil ein weiterer Rückzug doch nur mit völliger Zerstörung geendigt haben würde.

Aber in vielen Fällen kann die Festung auch auf einige Tage Aufenthalt gewähren, ohne daß der Rückzug darum verlorengeht. Besonders ist sie für die einem geschlagenen Heer vorauseilenden leicht Verwundeten, Versprengten usw. ein Zufluchtsort, um das Heer wieder abzuwarten.

Hätte Magdeburg im Jahre 1806 auf der geraden Rückzugslinie des preußischen Heeres gelegen, und wäre diese nicht schon bei Auerstedt verloren worden, so hätte sich das Heer bei dieser großen Festung füglich 3 bis 4 Tage verweilen, folglich sammeln und neu ordnen können. Aber auch so wie die Umstände warm, hat es den Überresten des Hohenloheschen Heeres zum Sammelplatz dienen können, welches erst dort wieder in die Reihe der Erscheinungen zurücktrat.

Nur im Kriege selbst erhält man mit der lebendigen Anschauung den rechten Begriff von dem wohltätigen Einfluß einer nahen Festung unter schlimmen Umständen. Sie enthalten Pulver und Gewehre, Hafer und Brot, geben Unterkommen den Kranken, Sicherheit den Gesunden und Besonnenheit den Erschreckten. Sie sind eine Herberge in der Wüste.

In den zuletzt genannten 4 Bedeutungen wird die aktive Wirksamkeit der Festungen schon etwas mehr in Anspruch genommen, welches an sich klar ist.

7. Als eigentlicher Schild gegen den feindlichen Angriff. Festungen, welche der Verteidiger vor sich läßt, brechen wie Eisblöcke den Strom des feindlichen Angriffs. Der Feind muß sie einschließen, und dazu braucht er, wenn die Besatzungen sich tüchtig betragen, etwa das Doppelte an Truppen. Außerdem aber können und werden meistens diese Besatzungen zur Hälfte aus Truppen bestehen, die man ohne die Festungen gar nicht mit ins Feld hätte nehmen können: halbfertige Landwehren, Halbinvaliden, bewaffnete Bürgerschaft, Landsturm usw. Der Feind wird also in diesem Fall vielleicht viermal mehr geschwächt als wir.

Diese unverhältnismäßige Schwächung der feindlichen Macht ist der erste wichtigste Vorteil, den uns eine belagerte Festung durch ihren Widerstand gibt; aber er ist nicht der einzige. Von dem Augenblick an, wo der Angreifende die Linie unserer Festungen durchschnitten hat, bekommen alle seine Bewegungen einen viel größeren Zwang; er ist in seinen Rückzugswegen beschränkt und muß stets auf die unmittelbare Deckung der Belagerungen bedacht sein, die er unternimmt.

Hier also greifen die Festungen in den Akt der Verteidigung auf eine großartige und sehr entscheidende Weise ein, und man muß dies als die wichtigste aller Bestimmungen betrachten, die eine Festung haben kann.

Wenn wir nichtsdestoweniger diesen Gebrauch von den Festungen, weit entfernt, ihn regelmäßig wiederkehren zu sehen, verhältnismäßig selten finden, so liegt der Grund in dem Charakter der meisten Kriege, für welche dieses Mittel gewissermaßen zu entscheidend, zu durchgreifend ist, welches sich erst in der Folge wird deutlicher machen lassen.

Bei dieser Bestimmung der Festung wird im Grunde hauptsächlich ihre Offensivkraft in Anspruch genommen, wenigstens ist es diese, von welcher ihre Wirksamkeit ausgeht. Wäre die Festung für den Angreifenden nichts als ein unbesetzbarer Punkt, so könnte sie ihm zwar hinderlich werden, aber niemals in solchem Maße, daß er sich zu einer Belagerung bewogen fühlen sollte. Weil er aber 6, 8 bis 10000 Mann in seinem Rücken nicht schalten und walten lassen kann, darum muß er sie mit einer angemessenen Macht berennen, und um dies nicht immerwährend nötig zu haben, einnehmen, also belagern. Von dem Augenblick der Belagerung an ist es dann hauptsächlich die passive Wirksamkeit, welche tätig wird.

Alle die bisher betrachteten Bestimmungen der Festungen erfüllen sich ziemlich unmittelbar und auf eine einfache Weise. Dagegen ist in den nächsten beiden Zwecken die Wirkungsart zusammengesetzter.

8. Als Deckung ausgedehnter Quartiere. Daß eine mäßige Festung den Zugang zu den hinter ihr gelegenen Quartieren auf 3 bis 4 Meilen Breite verschließt, ist eine ganz einfache Wirkung ihres Daseins; wie aber ein solcher Platz zu der Ehre kommt, eine 15 bis 20 Meilen lange Quartierlinie zu decken, wovon doch in der Kriegsgeschichte so häufig die Rede ist, das bedarf, soweit es in der Tat stattfindet, einer Auseinandersetzung, und soweit es illusorisch sein möchte, einer Bemerkung.

Es kommt hier folgendes in Betrachtung:

1. Daß der Platz an sich eine der Hauptstraßen verschließt und die Gegend auf 3 bis 4 Meilen Breite wirklich deckt.

2. Daß er als ein ungewöhnlich starker Vorposten betrachtet werden kann oder eine vollkommenere Beobachtung der Gegend gestattet, die durch die bürgerlichen Verhältnisse, in welchen ein bedeutender Ort mit der Umgegend steht, auf dem Wege geheimer Nachrichten noch erhöht wird. Es ist natürlich, daß man in einem Ort von 6, 8 bis 10000 Einwohnern mehr von der Umgegend erfährt, als in einem Dorf, dem Standquartier eines gemeinen Vorpostens.

3. Daß kleinere Korps sich an ihn anlehnen, bei ihm Schutz und Sicherheit finden können, die von Zeit zu Zeit gegen den Feind ausziehen, um Nachrichten einzubringen oder auch, im Falle er an der Festung vorbeigeht, in seinem Rücken etwas zu unternehmen; daß also eine Festung, ob sie gleich ihre Stelle nicht verlassen kann, doch in etwas die Wirksamkeit eines vorgeschobenen Korps hat. (Fünftes Buch, achtes Kapitel.)

4. Daß die Aufstellung des Verteidigers, nachdem er seine Truppen versammelt hat, gerade hinter dieser Festung genommen werden kann, so daß der Angreifende bis zu diesem Aufstellungspunkt nicht vordringen kann, ohne daß ihm die Festung in seinem Rücken gefährlich werde.

Zwar ist jeder Angriff auf eine Quartierlinie als solcher in dem Sinn eines Überfalles zu nehmen, oder vielmehr, es ist hier nur von dieser Seite des Angriffs die Rede; nun ist es an sich klar, daß ein Überfall seine Wirkungen in einem viel kleineren Zeitraum vollbringt als der wirkliche Angriff eines Kriegstheaters. Wenn also in dem letzteren eine Festung, an der man vorbei muß, notwendig berennt und in Schranken gehalten sein will, so wird bei dem Überfall einer Quartierlinie dies nicht so notwendig, und darum wird also eine Festung denselben such nicht in gleichem Maße schwächen. Dies ist allerdings wahr, auch können die 6 bis 8 Meilen von derselben entfernten Quartiere der Flügel dadurch nicht unmittelbar geschützt werden; allein in dem Anfall von ein paar Quartieren besteht auch der Zweck eines solchen Überfalles nicht. Wir können erst im Buch vom Angriff umständlicher sagen, was ein solcher Überfall eigentlich beabsichtigt und sich versprechen darf; soviel aber dürfen wir hier schon voraussetzen, daß sein Hauptresultat nicht durch das wirkliche Überfallen der einzelnen Quartierstände, sondern durch die Gefechte erhalten wird, welche der Angreifende im Nachdringen den einzelnen, nicht in gehöriger Verfassung befindlichen, mehr zum Eilen nach gewissen Punkten als zum Schlagen eingerichteten Korps aufdringt. Dieses Vor- und Nachdringen wird aber immer mehr oder weniger gegen das Zentrum der feindlichen Quartiere gerichtet sein müssen, und dabei würde eine vor demselben gelegene bedeutende Festung allerdings dem Angreifenden im hohen Grade beschwerlich sein.

Wir sagen: bedenkt man diese 4 Punkte in ihrer gemeinschaftlichen Wirkung, so wird man einsehen, daß eine bedeutende Festung auf dem direkten oder indirektem Wege allerdings einer viel größeren Quartierausdehnung einige Sicherheit gibt, als man auf den ersten Anblick glauben sollte. Wir sagen: einige Sicherheit, denn alle jene mittelbare Wirkungen machen das Vorrücken des Feindes nicht unmöglich, sondern machen es nur schwieriger und bedenklicher, dadurch also unwahrscheinlicher und weniger gefährlich für den Verteidiger. Das ist aber auch alles, was gefordert und was in diesem Fall unter Deckung verstanden wird. Die eigentliche unmittelbare Sicherheit muß durch Vorposten und Einrichtung der Quartiere erhalten werden.

Es ist also nicht ohne Realität, wenn man einer bedeutenden Festung die Fähigkeit zuschreibt, eine hinter ihr gelegene Quartierlinie von bedeutender Ausdehnung zu decken; aber es ist auch nicht zu leugnen, daß man hier bei den wirklichen Kriegsentwürfen, noch mehr aber in den historischen Darstellungen oft auf leere Ausdrücke oder illusorische Ansichten stößt. Denn wenn jene Deckung nur durch das Zusammenwirken mehrerer Umstände entsteht, wenn sie such dann nur eine Verminderung der Gefahr ist, so sieht man wohl ein, wie in einzelnen Fällen durch besondere Umstände, vor allem durch die Kühnheit des Gegners diese ganze Deckung illusorisch werden kann, und man wird sich also im Kriege nicht damit begnügen, die Wirkung einer solchen Festung summarisch anzunehmen, sondern die einzelnen Fälle bestimmt durchdenken müssen.

9. Als Deckung einer nicht besetzten Provinz. Wenn eine Provinz im Kriege entweder gar nicht oder nicht mit einer namhaften Macht besetzt, gleichwohl feindlichen Streifereien mehr oder weniger ausgesetzt ist, so sieht man eine in ihr liegende nicht zu unbedeutende Festung als eine Deckung oder, wenn man will, als eine Sicherung dieser Provinz an. Als eine Sicherung kann man sie allerdings betrachten, weil der Feind nicht eher Herr der Provinz sein wird, als bis er die Festung genommen hat, wodurch wir Zeit gewinnen, zu ihrer Verteidigung herbeizueilen. Die eigentliche Deckung aber kann freilich nur sehr mittelbar gedacht oder uneigentlich verstanden werden. Die Festung kann nämlich nur durch ihre aktive Wirksamkeit den feindlichen Streifereien einigermaßen Grenzen setzen. Ist diese Wirksamkeit auf die bloße Besatzung beschränkt, so wird der Erfolg nicht merklich sein, da die Besatzungen solcher Festungen meistens nur schwach sind und aus bloßem Fußvolk und zwar nicht dem besten zu bestehen pflegen. Etwas mehr Wirklichkeit wird die Vorstellung gewinnen, wenn kleine Haufen mit der Festung in Verbindung treten, die sie zu ihrem Anhalt und Stützpunkt machen.

10. Als Mittelpunkt einer Volksbewaffnung. Lebensmittel, Waffen, Munition können zwar in einem Volkskriege nicht der Gegenstand regelmäßiger Lieferungen sein, sondern es ist eben die Natur eines solchen Krieges, sich in diesen Dingen zu helfen wie man kann und auf diese Weise tausend kleine Quellen der Widerstandskräfte zu wecken, die ohne ihn verschlossen blieben; allein es ist doch begreiflich, daß eine bedeutende Festung, die Vorräte jener Gegenstände zur Aushilfe hat, dem ganzen Widerstande mehr Dichtigkeit und Gediegenheit, mehr Zusammenhang und Folge gibt.

Außerdem ist die Festung der Zufluchtsort der Verwundeten, der Sitz der leitenden Behörden, die Schatzkammer, der Versammlungspunkt für größere Unternehmungen usw., endlich der Kern des Widerstandes, der die feindliche Macht während der Belagerung in einen Zustand versetzt, für welchen die Anfälle der Landesbewaffnung recht eigentlich gemacht sind.

11. Zur Verteidigung der Ströme und Gebirge. Nirgends kann eine Festung soviel Zwecke erfüllen, soviel Rollen übernehmen, als wenn sie an einem großen Strome liegt. Hier sichert sie unseren Übergang zu jeder Zeit, verhindert den feindlichen auf einige Meilen in ihrem Umkreis, beherrscht den Handel des Stromes, nimmt alle Schiffe in sich auf, sperrt Brücken und Straßen und gibt Gelegenheit, den Strom auf dem indirekten Wege, nämlich durch eine Stellung auf der feindlichen Seite zu verteidigen. Es ist klar, daß sie durch diesen vielseitigen Einfluß die Stromverteidigung in einem hohen Grade erleichtert und als ein wesentliches Glied derselben zu betrachten ist.

Auf eine ähnliche Art werden die Festungen in Gebirgen wichtig. Hier öffnen und schließen sie ganze Straßensysteme, deren Knoten sie bilden, beherrschen dadurch die ganze Gegend, durch welche diese Straßen im Gebirge ziehen, und sind als die rechten Strebepfeiler ihres Verteidigungssystems zu betrachten.


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