Karel Čapek
Hordubal
Karel Čapek

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VI

Bloß daß die Flasche mit dem Herzen unterwegs zerschlagen wurde und der Spiritus ausströmte; und das Herz des Juraj Hordubal traf in einem sehr schlechten Zustand im Arbeitszimmer des gelehrten Herrn ein.

»Wozu schickt man mir das her«, ärgerte sich der gelehrte, weißhaarige Herr. »Was steht in dem Begleitschreiben? Daß sie eine Stichwunde festgestellt haben? Diese Landärzte«, seufzte die Fachautorität und betrachtete von ferne das Herz des Juraj Hordubal.

»Schreiben Sie: Stichwunde ausgeschlossen – die Öffnung ist zu klein – – es ist ein Durchschuß des Herzmuskels, aus einer Schußwaffe kleinen Kalibers – vermutlich einer Flobertpistole. Und schaffen Sie es fort.«

»Also, da haben wir's aus Prag wieder zu Hause«, begrüßte Gelnaj Biegl, als dieser aus Rybáry zurückkam. »Und damit Sie es wissen, Karlchen, der Hordubal ist nicht erstochen worden, sondern mit einer Flobertpistole erschossen.«

Biegls Arme sanken herab. »Und was sagt unser Doktor dazu?«

»Was soll er sagen, er tobt. Sie kennen ihn doch, gelt? Er beharrt auf seiner Feststellung. Naja, also eine Flobertpistole. Die Kugel hat man zwar nicht gefunden, aber was soll man tun. Wir müssen jemand suchen, der eine Flobertpistole hat.«

Biegl schmiß den Helm in die Erde. »Ich lasse die Sache nicht auf sich beruhn, Gelnaj«, drohte er, »ich lasse mir von niemandem hineinblasen. Himmelherrgott, ich hab's ja schon beinah fertig, alles klappt, und nun so was! Können wir denn zu Gericht gehen – mit dem da? Mensch, wo nehmen wir eine Flobertpistole her?«

Gelnaj zuckt die Achseln. »Sehn Sie, das habt ihr davon, daß ihr den armen Hordubal nicht an Lungenentzündung sterben lassen wolltet. Recht geschieht euch, Ihnen wie dem Doktor.«

Biegl setzt sich wütend auf einen Stuhl. »Das hat mir die ganze Freude verpatzt, Gelnaj. Die größte Freude, die ich je gehabt habe.«

»Na, was denn?«

»Ich habe die Dollars gefunden, etwas über siebenhundert mitsamt dem Säckchen. Hinter einem Balken auf dem Dachboden in Rybáry waren sie.«

Gelnaj nimmt überrascht die Pfeife aus dem Mund.

»Na, das ist allerhand, Karlchen«, sagt er anerkennend.

»Es hat aber auch viel Suchen gekostet«, atmet Biegl auf »Ich hab's zusammengezählt: wissen Sie, wie lange ich in Rybáry gesucht hab'? Netto sechsundvierzig Stunden. Kein Hälmchen habe ich ungewendet gelassen. Jetzt kann sich Stefan mit seinem Alibi ausstopfen lassen. Was meinen Sie, Gelnaj, wird das dem Schwurgericht genügen? Das Geld hat sich gefunden, der Diamant, den Stefan gekauft hat, ist auch nicht schlecht, dann haben Sie die Widersprüche in den Aussagen und ein Motiv wie ein Scheunentor.«

»Letzten Endes vier Motive«, bemerkt Gelnaj.

Biegl winkt ab. »Wo denken Sie hin? Es war ein ganz gewöhnlicher, gemeiner Mord wegen Geld. Ich werde Ihnen sagen, wie es war. Hordubal wußte, daß Manya der Geliebte seiner Frau ist und hatte Angst vor ihm. Deshalb trug er sein Geld am Hals, deshalb verlobte er Manya mit Hafia, deshalb jagte er ihn schließlich hinaus, deshalb schloß er sich im Stall ein – ein ganz klarer Fall, Gelnaj.«

Gelnaj blinzelt nachdenklich. »Ich denke wiederum immerfort an die Pferde. Stefan hat die Pferde geliebt. Er soll von nichts anderem gesprochen haben, als davon, daß man Weideplätze in der Ebene hinzukaufen soll und nichts wie Pferde züchten. Eben jetzt wird ein Stück Flachland hinter Hordubals Wiesen verkauft. Vielleicht verlangte Manya von Hordubal, er solle es kaufen, und dieser wollte nicht und trug das Geld an der Brust herum. – Ich würde mich nicht wundern, Karlchen, wenn es deswegen geschehen wäre.«

»Das ist gehupft wie gesprungen: um des Geldes willen. Aus Liebe zu Polana ist es sicher nicht geschehen, Gelnaj.«

»Wer weiß.«

»Nein. Sie sind ein alter Gendarm, Gelnaj, und wissen im Dorf Bescheid, ich aber bin ein junger Gendarm und habe, sakrisch, einen gewissen Sinn für Weiber. Ich hab' mir die Polana angesehn: das ist eine häßliche, knochige Vettel – und alt, Gelnaj; es ist wahr, sie hat mit dem Knecht ein Verhältnis gehabt – ich glaube, er hat sie einen Haufen Geld gekostet. Für die, Gelnaj, hätte sich Hordubal nicht erschlagen lassen, für die hätte Stefan nicht gemordet; aber wegen dem Geld – das ist klar. Hordubal war ein ländlicher Geizkragen, Polana dachte nur ans Erben, um sich Liebhaber aushalten zu können, Stefan war auf die Moneten erpicht – und da haben Sie es. Gelnaj, bei der ganzen Geschichte war nicht so viel Liebe dabei.« Biegl schnalzt mit den Fingern. »Ein schmutziger Fall, Mensch, aber klar.«

»Das haben Sie gut abgestimmt, Biegl«, würdigt der alte Gelnaj. »Wie der Herr Staatsanwalt. Sie haben es so einfach –«

Biegl zeigt geschmeichelt die Zähne.

»– aber wenn's nach mir ginge, Karlchen, wäre es noch einfacher, wenn den Juraj Hordubal der liebe Gott zu sich genommen hätte. Lungenentzündung, Amen. Und die Witwe hätte nach einiger Zeit den Knecht geheiratet – das Kind wäre geboren worden. – Aber Ihnen, Biegl, gefällt so ein einfacher Fall nicht.«

»Nein, mir gefällt es, die Wahrheit festzustellen. Das, Gelnaj, ist Männerarbeit.«

Gelnaj blinzelt grübelnd. »Und haben Sie die Empfindung, Karlchen, daß Sie sie sozusagen gefunden haben? Die wahre Wahrheit?«

»– – noch diese Nadel möchte ich gern finden.«


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