Karel Čapek
Hordubal
Karel Čapek

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XX

Polana, natürlich, in der Kammer eingeschlossen, und Stille, als wäre sie tot.

Hordubal spannt gleich in der Frühe den Dreijährigen und den schweren Wallach vor den Wagen, ungleiches Gespann: der Wallach nickt mit dem Kopf das Hengstlein den Kopf hoch – seltsames Paar.

»Richte der Mutter aus, Hafia, ich fahre in die Stadt; ich komme erst abends zurück, so Gott will.«

Mögen die Kühe vor Hunger brüllen, mögen die Pferde mit den Hufen trampeln, mögen die Säue grunzen und die Spanferkel quietschen: Polana wird ja aufhören zu trotzen, es wird ihr keine Ruh geben, sie ist doch eine Bäuerin; sie wird hingehn und die Tiere betreuen, und kann man noch böse sein, wenn man unter Gottes Geschöpfen ist?

Der Wallach nickt mit dem Kopf und der Hengst trägt ihn hoch. Auch Stefan trägt den Kopf so – den Dreijährigen hat er mit der Stute vorgespannt, meinte, sie passen gut zusammen. Na, na, was beißt du denn den Wallach, du Schelm? Sicher wird Polana, wenn ich nicht zu Hause bin, die Tiere füttern gehn und ihre Freude daran haben. Und siehst du, auch langsam erreicht man die Stadt.

Zuerst zum Advokaten, und großmächtiger Herr, ich möchte gerne meinen letzten Willen machen: man weiß ja nie. Also so einen letzten Willen: ich hab' eine Frau. Polana heißt sie; es gehört sich, daß die Ehefrau einen beerbt.

Und was vermachen Sie ihr, Herr Hordubal: den Gutshof Geld, Wertpapiere –

Hordubal blickt mißtrauisch: wozu willst du's wissen? Schreib nur, alles, was ich habe.

»Nun, schreiben wir also: alles bewegliche und unbewegliche Vermögen –«

Hordubal nickt: so ist es, großmächtiger Herr, so ist es gründlich gesagt, alles bewegliche und unbewegliche Vermögen, für alle ihre Treue und eheliche Liebe.

Und jetzt unterschreiben Sie, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Hordubal zögert noch. »Und wie, großmächtiger Herr, ist es möglich, wieder nach Amerika zu übersiedeln?«

»Ah, wo denken Sie hin, Herr Hordubal, zu viele Arbeiter hat man in Amerika, läßt jetzt niemanden herein –«

Hm, so. Und gibt es vielleicht hier in der Stadt eine factory?

Ah, eine Fabrik. Fabriken gibt es hier wohl, aber sie stehn still. Schlimme Zeiten, Herr Hordubal, seufzt der Advokat, als trüge er allein die Last der schlimmen Zeiten.

Hordubal nickt. Was tun, man braucht keine Menschen mehr. Niemand braucht einen Hordubal; schade um diese geschickten Hände. Aber vielleicht braucht man Pferde; Pferde, die den Kopf hochtragen.

Juraj sucht den Herrn Kommandanten der Soldaten. Dort in der Kaserne, lautet der Bescheid. Was führt Euch her, Gevatter, sucht Ihr hier Euren Sohn? Keinen Sohn, aber diesen Dreijährigen da möcht' ich verkaufen, Herr Dragoner. Hier werden keine Pferde gekauft, sagt der Soldat, aber schon fahren seine Hände über das Pferd hin und er befühlt Beine und Kruppe – ein Pferdchen wie ein Reh, Batschi.

Und schon ist ein Offizier da und schüttelt den Kopf. Das Pferd verkaufen? Schwere Sache, Nachbar, jetzt sind keine Pferdeassentierungen. Das Pferd ist schon im Frühjahr assentiert worden, sagt Ihr? Ein schönes Tier, und schon eingeritten? Nein, sagt Ihr, es hat noch keinen Sattel getragen, nur so ist der Knecht drauf herumgeritten. Und schon stehn etwa fünf Offiziere da und: wie wär's, Gevatter, kann man das Pferdchen ausprobieren? Warum nicht, meint Hordubal, aber es ist ein wildes Pferd, Herr. Ach was, wild, sagst du: gebt ihm Zaum und Decke, Jungens, wollen mal sehn, ob er den Toni abwirft.

Eh' du fünf gezählt hast, ist der Herr Offizier aufgesessen. Der Hengst macht einen Sprung, richtet sich auf und der Herr Offizier liegt auf der Erde. Geschickt ist er gefallen, auf den Hintern, er lacht nur, und nun, Jungens, fangt das Pferdchen im Kasernenhof ein. Der dicke Herr Kommandeur lacht, sein Bauch wackelt. »Nun, Nachbar, ein ausgezeichnetes Pferd; aber laßt es noch daheim bei Euch, wir müssen da ein Gesuch schreiben, damit man uns erlaubt, das Pferd zu kaufen –«

Hordubal spannt verstimmt das Pferd vor den Wagen. »Was tun, Herr. So werd' ich ihn halt einem Zigeuner – oder dem Fleischer verkaufen.«

Der Kommandeur kratzt sich am Hinterkopf »Hört mal, schade um den Hengst. Wollt Ihr ihn denn um jeden Preis loswerden?«

»Ja, loswerden«, brummt Hordubal. »Er paßt mir nicht.«

»Nun, so laßt ihn doch hier«, entschließt sich der Kommandeur, »und wir geben Euch . . . eine Bescheinigung, daß das Pferd bei uns ist. Und später werden wir Euch schreiben, wieviel wir dafür geben. Paßt es Euch so?«

»Es paßt schon, warum soll's nicht passen«, sagt Juraj. »Ein schönes Pferdchen, Herr, es trägt den Kopf hoch. Acht Tausender, sagen sie –«

»Da nehmt es gleich wieder zurück«, beeilt sich der Kommandeur zu sagen.

»Na, vielleicht auch um fünf«, schwankt Hordubal. Da ist noch ein anderer, dicker militärischer Herr, der nickt ganz leicht mit dem Kopf »Nun, das ginge«, sagt der Kommandeur. »Wir werden Euch noch schreiben. Wenn Ihr dann nicht wollt – könnt Ihr das Pferd wegführen. Abgemacht? Und nun die Bescheinigung.«

– Hordubal fährt heim, auf der Brust hat er das Testament, eine gestempelte Bescheinigung und das Säckchen mit seinen Dollars. Der Wallach trabt und nickt mit dem Kopf – Und kein Hengstlein mehr da. Gleich als wäre Stefan zum zweiten Male fortgegangen, wenn der Dreijährige weg ist. Auch das Stütchen ließe sich besser verkaufen, auch die Stute mitsamt dem Fohlen – hüh, Wallach, ich kitzle dich nur mit den Zügeln am Hintern und du läufst. Warum nicht mit dem Pferd reden. Sagst du etwas, so wendet es den Kopf weil es nachdenkt. Noch lang ist der Weg, mein Lieber, aber bergan läuft es sich gut. Na – ah, hab keine Angst, nur eine Wasserrinne, die die Straße überschwemmt. Und laß die Bremse brummen, ich verjage sie schon. Hüh. Und Juraj beginnt leise, gedehnt zu singen.

Der Wallach wendet das große Auge nach dem Bauer: na, was brummst du da? Hordubal nickt und singt:

Ah, Polana, Polana,
Ah, Polana, unselige,
Möge Gott dir Freude schenken,
Ah, Polana, Polana –


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