Edward Bulwer-Lytton
Asmodeus aller Orten
Edward Bulwer-Lytton

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Sechstes Kapitel.

Hurrah! Hussah! Der Mond ging auf und die Sterne flimmern; dünnes graues Gewölk zieht über uns hin, als wollten sie, wie fade Recensenten ein edles Geistesproduct, das ewige Licht des Himmels durch eine Hand voll Dunst zum Erlischen bringen. 43

»Asmodeus, wir begeben uns also wirklich zu den Hexen?« fragt' ich.

»Zuverlässig. Aber wie kommt's, Freund, daß Dir immer noch Romantisches anklebt? Die Welt schimpft Dich ehrsüchtig, dennoch anstatt Dir Strickleitern zu knoten, um auf ihnen zur Machtgewalt emporzuklimmen, reitest Du mit mir und deiner Imagination durch die Lüfte, um mit den Hexen zu Abend zu essen.«

»Alles hat seine Zeit, Gevatter Asmodeus. Noch rollt Jugendgluth in meinen Adern, besonders wenn ich zu Gaule sitze, etwas Neues auffand oder der Liebe huldige. Zeit genug zum Emporklimmen ist's für den Mann, wenn er über den Rubikon der Dreißiger ging, und bis dahin nicht ganz und gar Müßiggänger war. Bis dahin aber ergötz' ihn der Scherz, so lange der Mai lacht. Der böse Tag muß endlich doch kommen. Hussah! Hurrah! wie die Hecken an uns hinrennen und der verschwenderische Mond über die gierigen Wasser seine Juwelen wie ein engländischer Lord über die Bajadere des Ballets seine Guineen herabschauert! Heisa! vor etlichen – ach! vor wie vielen? Jahren, Asmodeus, schiffte ich über einen Fluß, wie der, der jetzt unter uns wogt, zu der Grotte hinüber in der die heitersten Augen und die schönsten Rosenlippen weilten, die jemals einen Liebenden bewillkommneten! – Mais, revenons à nos moutons! Was hast Du Neues? Besuchtest Du die Theater Freund, seitdem ich Dich das letztemal sah? Legtest Du Deine Schlingen und begrüßtest Du Deinen Verwandten ›Robert‹?«

44 »Nein,« versetzte der Teufel; »zwar näherte ich gestern mich einem großen Hause, aus welchem ein lärmendes Gequiek oder ein quiekender Lärm hervordrang, und in das ich mehrere aufgedonnert aussehende Damen und Herren hineinströmen sah. Ich fragte was es gäbe. Man antwortete mir, was ich hörte wäre Musik, was ich sähe eine hochmodische Zuhörerschaft, und das Gebäude vor mir wäre das Opernhaus.«

»Und Du gingst hinein, Asmodeus?«

»Ich? Plagt mich die Langeweile nicht so schon genug?« gegenfragte der Teufel, und setzte mit einem Fluche hinzu – »wie kann man da noch von mir verlangen, daß ich in die Oper gehe?«

Unter diesem Geplauder gelangte mein Gefährte mit mir über eine weite, dürre Haide. Fern am Rande derselben dehnte sich düster ein Gürtel von Fichten und Tannen, und als wir nun dahinsaus'ten, brüllte das Wogen der See majestätisch zu uns herüber. Am anderen Ende des breiten Waldgürtels schoß ein bleicher Lichtschimmer auf, der einen schaurigen Gegensatz zu dem Dunkel abgab, das unter uns ausgebreitet lag. Der Teufel rieb sich die Hände. »Lustige Dirnen!« rief er, »wären wir nur erst bei ihnen!«

»Dort drüben also, wo der Lichtschein aufquillt, ist der Ort des Zusammentreffens?«

»Allerdings,« versetzte der Teufel in einem seltsamen Tone; »denn Du sollst wissen, daß das Feuer nicht das dumme und stumme Element ist, für welches Ihr 45 Erdbewohner es haltet. Es ist ein Leben, es ist ein Geist! und wenn wir es sehen, wie es sich erhebt und flackert und aufwallt in neckischer Bosheit, so ist's nicht stumm und empfindungslos, sondern singt seinem glühenden Herzen zur Lust und lacht und plappert zu der Verwüstung, die es anrichtet; denn der Thron und der Fürst der Gluthen befinden sich im Mittelpunkte der Erde, von wo aus der lichte König nach und nach verheert und verzehrt und den Raum um sich herum erweitert. Bisweilen, wenn sein Entzücken überwallt, denn er ist der lustigste der Teufel, klatscht er in die Hände und giebt sich rastlos und läßt seinen glühen Päan in Lauten ertönen, die als lebendige Flammen sich von den Bergen hernieder schlängeln. Sind doch die Vulkane die großen Zugänge zu seiner Wohnstätte! Feuer ist der Erzverzehrer der Welt – durch die Feuer soll die Erde untergehen, und der Geist, der da weiß, daß dieser Sieg ihm bevorsteht, wird ungeduldig in der Erwartung seines krönenden Festschmauses. Ihr ruft ihn als einen Freund herbei, und lachend folgt er Eurem Rufe; er sitzt an Eurem Herd und befriedigt Eure Haushaltsbedürfnisse; doch gleich andern Teufeln kommt er nur um seines Vortheils willen zu Euch. – Ihr müßt durch unablässiges Opfern ihn für Euch gewinnen; hört Ihr auf ihn zu atzen, so entwischt er Euch. Seht nur hin, wenn der Brennstoff ausgeht, wie der ärgerliche Kobold schwächlich und unansehnlich wird – wie er sich langsam über die Trümmer, die er erzeugt hat, hinwegschleppt, bis er den letzten Punkt erreicht, auf 46 welchem er noch vertilgen kann, und wie er, wenn er auch dies bewirkte, mit plötzlichem Sprunge und schaurigem Lächeln entschwindet – und wohin? Kein Mensch,« fuhr Asmodeus nach einer Pause fort, »weiß das! denn es wohnt eine Weisheit in den Dingen um Euch her, durch die zu Schanden gemacht wird all Euer nichtig Wissen, all Eure Physik und Metaphysik und Euer Gesalbader über Geist und Stoff und Grundprincipien und – St!«

»Wahrhaftig, Señor Teufel, Ihr habt Euch während der jüngstverflossenen Minuten so köstlich gezeigt, daß ich mir einbildete, Ihr würdet mich in einige der tieferen Geheimnisse des Hades einweihen; und diese zu erkennen, mögte wohl der Mühe des Erlernens werth seyn, zumal da ich niemals beabsichtige von ihrer Genauigkeit einen Augenzeugen abzugeben. Weißt Du, Asmodeus, daß mir nichts so sehr behagt, als jene alten Geschichtchen, in denen Satanas oder Beelzebub, Dein hoher Meister, mit einem Gentleman oder einer Lady einen Pact schließt und hinterdrein angeführt wird; so wie z. B. in der Geschichte vom hinkenden Schmied. Ist Wahrheit in diesen Legenden? He?«

»Bei'm Pferdefuß, ja. Der Teufel wird oft angeführt, sobald die Menschen sich's nur ein wenig angelegen seyn lassen. Nur den Faulen packt er mit Sicherheit.«

Asmodeus hielt inne, und brach dann, als dächte 47 er an ganz etwas Anderes, in sein gewöhnliches leises und kurzes Lachen aus.

»Was ist Dir, Asmodeus?« fragte ich. »Machst Du Epigramme für den Berliner ›Figaro‹?«

»Nein. Ich dachte an meinen Herrn und an die Cholera.«

»Wie so?«

»Ich meine, Ihr Christen glaubt an zwei Principien, an das des Guten, welches ist Gott, und an das des Bösen, welches ist der Teufel. Für Licht und Luft, für Liebe und Frieden, und Alles was hienieden beglückt und nach dem Tode beseligt, dankt Ihr Gott, während ihr den Krieg und das Verbrechen und das Elend, die Sünde auf Erden und die Strafe in der Hölle als des Teufels Thun und Wirken anseht. Nun denn! Eine furchtbar böse Seuche durchzieht Euer Land und Ihr schreit, Gott sey es, der diese Geißel über Euch brachte. Der Geber alles Guten soll Euch eine wildfressende Krankheit zugeschickt haben, und Ihr werdet wüthend über die Gottlosigkeit derer, die anzudeuten wagen, wie der allgütige Eine nicht einer so grausamen Gabe angeklagt werden dürfe. Ihr setzt einen Bet- oder Fasttag fest, an welchem Ihr feierlich versichert, der Greuel der Seuche rühre von der erbarmenden Gottheit her und schreibt also dieser ein Unheil zu, das Eurem Lehrglauben nach von dem Teufel ausging! Der Teufel ist Euch unendlich verbunden.«

»Wohl fühlen oft wir uns aufgefordert,« fiel ich 48 ein, »zu fragen: Sind wir wirklich im neunzehnten Jahrhundert? Mögt' ich doch wetten, daß mancher Flachkopf unsere Abenteuer, wenn er von ihnen hört, für unglaublich halten wird. Als ob ein Spazierritt mit Dir und eine Abendlustpartie mit den Hexen eine halb so arge Verläugnung des gesunden Menschenverstandes wären, als es das Ansetzen eines Bußtages wegen einer Pestseuche ist, gegen die frommer und mäßiger Lebenswandel das beste Verwahrungsmittel abgiebt. Indessen weiset, Dank dem Himmel, ein so elender Wahnglaube sich nicht allgemein. Es gab eine Zeit, in welcher das Volk gehänselt ward, und die Regierung die Hänseler abgab; jedoch die Zeit ist vorüber. Das Volk begehrt jetzt eine billige Brodtaxe, und seine Beherrscher setzen einen allgemeinen Fasttag an – auf wessen Seite ist da die Weisheit? Doch genug von dergleichen Dingen, – wir nähern uns ja dem Ort unserer Bestimmung!«


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