Laurids Bruun
Oanda
Laurids Bruun

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IV.

Eine halbe Stunde später begleitete der Advokat Schultz ganz bis an die Haustür.

»Ein neues Auto?« sagte er und betrachtete bewundernd das schimmernde Wesen mit dem leise klopfenden Puls.

»Limousine – sechzig Pferdekräfte!« sagte Schultz.

»Wundervoll! – Es scheint lautlos wie eine Gondel zu sein, denn ich habe es gar nicht kommen hören, obgleich die Fenster offen stehen.«

»Ich habe mir die Maschine heute morgen gesichert. Meine Mutter telephonierte mir, sie habe gehört, daß eine Rekordmaschine bei Johnstone & Fields stehen solle. Sie wissen, Cunnings neuer Racer ließ ihr keine Ruhe.«

Der Advokat seufzte.

»Man könnte seine Seele für so ein Ding verschreiben!« sagte er.

»Hüten Sie sich, daß ich Sie nicht beim Wort nehme.«

»Ich schlage ein!« sagte Tillny und lachte.

»Guten Morgen!« Schultz reichte ihm seine schmale, schlappe, sammetweiche Hand.

»Guten Morgen, Herr Schultz.«

Als Tillny in sein Zimmer kam, wartete seine Frau auf ihn. Sie stand am Erkerfenster und blickte Schultz' Auto sehnsuchtsvoll nach.

Ohne sich umzudrehen, sagte sie bissig:

»Wenn man sich vorstellt, daß dieser degenerierte Mensch die ganze Herrlichkeit erben soll!«

»Ja, ja, Adelaide,« neckte Tillny, »wer noch jung und hübsch wäre!«

»Ich würde es mir nicht einen Augenblick überlegen,« sagte sie, »und wenn er einen Buckel hätte.«

Der Advokat zündete sich eine Zigarette an.

»Du würdest einen jämmerlichen Pantoffelhelden aus ihm machen,« sagte er trocken, »man behauptet, daß er Wachs in der Hand derjenigen Frau ist, die nicht vor seinen Eigenarten zurückschreckt.«

»Eigenarten,« sagte sie verächtlich, »wenn man so reich ist.« –

»Für uns andere Sterbliche gilt das nicht,« lachte der Advokat.

Frau Tillny wandte sich vom Fenster ab und sagte gereizt, indem sie an ihm vorbeiging:

»Als ich dich nahm, mein Lieber, machte ich kein gutes Geschäft.«

»Darum bin ich auch so tugendhaft.«

»Wenn ich daran denke, daß ich Stock & Co. hätte bekommen können, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, mich von dir beschwatzen zu lassen.«

»Ja, es ist ärgerlich,« räumte Tillny höflich ein, »was aber kann man Besseres von einem Advokaten erwarten? Na, aber wir wollen versuchen, gute Miene zu bösem Spiel zu machen, meine Liebe. Du suchst Trost darin, andere Frauen selbständiger zu machen, als du selbst gewesen bist, und ich –«

»Spare deine Witze, mein Freund – ich versuche mir eine Position zu verschaffen, die besser ist als die, die du mir bieten kannst. In einigen Jahren bin ich vielleicht Vorsitzende der Union für Frauenrechte in den Staaten,« – sie kreuzte die Arme und warf den Kopf in den Nacken, »während du nur ein Advokat bist, wie hundert andere. Vielleicht glückt es mir dann sogar, dich durch meine Beziehungen zu ›einem von den Neunen‹ zu machen, da wir ja nun einmal Kompagnons sind.«

»Reizend von dir,« sagte er mit einer Freundlichkeit, durch die Gereiztheit klang, »im übrigen hast du mich nicht ausreden lassen, ich wollte noch hinzufügen: während ich Unwürdiger mich bemühe, zu einem von den Neunen erhöht zu werden, denen die höchste Rechtsprechung der Union anvertraut ist.«

Frau Adelaide sah ihn geringschätzig an und sagte spöttisch:

»Seit wann hast du damit begonnen?«

»Seit heute – oder richtiger, seit gestern.«

Sie trat näher auf ihn zu.

»Was wollte er von dir?« fragte sie interessiert.

»Ich weiß, daß ich mich auf deine Diskretion verlassen kann, wenn es sich um deine eigenen Interessen handelt; denn ich nehme an, daß du nichts dagegen hast, die Frau ›eines von den Neunen‹ zu werden, solange du noch nicht Vorsitzende der Union für Frauenrechte bist.«

»Spann mich nicht auf die Folter, John!« sie legte ihre Hand versöhnlich auf seine Schulter, »du weißt, vor dem Frühstück bin ich immer schlecht aufgelegt.«

»Du hattest ja ganz recht,« sagte er mit höflichem Spott.

»Was wollte er also von dir?«

Einen Augenblick zögerte Tillny noch; dann erbarmte er sich ihrer und sagte trocken:

»Er will den Präsidenten stürzen.«

»Und wie willst du ihm dabei helfen?« fragte sie mißtrauisch.

»Ich habe ihm vorgeschlagen, daß er die Prinzessin politisch ausnutzen soll – ihre interessante Geschichte – und dann ihr Verhältnis zu den Arbeitern. Wenn sie nicht schon ihre Heilige ist, dann wird sie es in den nächsten Tagen.«

»Dachte ich mir's doch, daß etwas dahinter steckte, als du sie so edelmütig in mein Haus schlepptest.«

»Nein, meine Liebe, du dachtest nur, ich wollte vorbeugen, daß sie in die Krallen eines Kollegen geriete.«

»Du hast recht, mein Freund, so viel Scharfsinn traute ich dir nicht zu.«

»Da siehst du!«

Er drehte sich zu ihr um und sagte geschäftsmäßig:

»Die Prinzessin soll mir und dir als Sprungbrett dienen. Schultz hat mir im Namen des Trusts den ledigen Platz unter den Neunen versprochen – wenn wir siegen.«

»Aber ich begreife nicht –«

»Das habe ich auch nicht erwartet,« sagte er mit unerschütterlicher Freundlichkeit – »gelegentlich werde ich dich einweihen, heute aber habe ich keine Zeit. Nur glaube ich, daß du gut daran tun würdest, sie für deine Frauensache zu gewinnen. Mach Reklame mit ihr! Zeige sie bei deinen Versammlungen! Je mehr über sie gesprochen wird, desto nützlicher ist es für uns. Studiere sie, meine Liebe, und mach deine Sache gut.«

Er machte eine freundlich verabschiedende Bewegung und beugte sich über die Papiere auf seinem Schreibtisch.

»Das brauchst du mir nicht erst zu sagen, mein Freund.«

»Um so besser, meine Liebe: dann wären wir uns ja mal wieder einig.«

Sie kehrte ihm gereizt den Rücken und ging hinaus.


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