Laurids Bruun
Oanda
Laurids Bruun

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III.

Eine Automobilhupe ertönte, und kurz darauf klangen Stimmen aus der Halle.

Ralph ging seinen Gästen entgegen; Eleanor und Schultz folgten ihm langsam.

Die kleine untersetzte Frau Jennimore Schultz stand atemlos in der Halle, während der Diener ihr den Schleier und den Automobilmantel abnahm. Sie war wie ein junges Mädchen gekleidet. Die munterblickenden, stahlblauen Augen, die etwas hervortraten, der runde Kopf mit dem beginnenden Doppelkinn und dem kleinen festen Mund zeugten von unersättlichem Lebenshunger.

»Es war eine wundervolle Fahrt,« rief sie Ralph zu, »ich glaube, ich habe ein ganzes Kilo verloren.«

Und indem sie Schultz und Eleanors ansichtig wurde, fuhr sie fort:

»Guten Tag, mein Junge!« Sie winkte ihm mit ihrer kleinen fleischigen Hand, die so dicht mit kostbaren Ringen besetzt war, daß sie die Finger kaum bewegen konnte. »Schade, daß du nicht mitgefahren bist.. Wie geht es mit den Kopfschmerzen, liebe Kleine?«

Bevor Eleanor antworten konnte, hatte sie sich schon wieder an Ralph gewandt. Sie faßte ihn vertraulich unterm Arm und trippelte neben ihm durch den Wintergarten.

»Diesen Chauffeur müssen Sie mir überlassen,« bat sie und drückte sich kokett gegen seinen Arm. »Welche Haltung, Würde, geradezu Rasse! Woher haben Sie den? – Wir überfuhren einen Hund, die Leute des Dorfes kamen aus den Häusern und drohten und fluchten schrecklich. Ein Mann mit einer Mütze, wahrscheinlich ein Dorfpolizist – machte uns Zeichen zu, daß wir halten sollten. Ihr Chauffeur aber fuhr geradeswegs auf ihn los und man konnte seinem Rücken nicht die geringste Bewegung anmerken, ein Pferd wurde scheu und fuhr den Wagen in den Graben – das alles rührte ihn keine Spur.«

»Liebe Frau Schultz,« sagte der Advokat, und schloß sich ihnen an, »da muß ich doch im Namen des Gesetzes ernsthaft protestieren.«

Der Advokat war ein hochgewachsener Mann in den Fünfzigern, mit breiten Schultern, zwischen denen ein magerer Hals versank, mit glanzlosen, tiefliegenden Augen und einer schmalen, gebogenen Nase. Sein Gesicht hatte zwei tiefe Backenfurchen, die er nach Belieben zu einer ehrfurchtgebietenden, lebenserfahrenen Linie stramm zog oder zu Lachgrübchen rundete, die muntere Lebensfreude ausdrücken sollten.

»Hühner und Hunde überfahren,« setzte er mit einer Maske tiefen Ernstes fort, »mag angehen; das ist eine Zivilangelegenheit, für die Herr Cunning aufkommen muß; aber in voller Fahrt auf den Handlanger des Gerichts, einen Mann des Gesetzes –«

»Er ist ja gar nicht zu schaden gekommen, weil er im letzten Augenblick zur Seite sprang. Ich schwitzte Angst, der Chauffeur aber mußte ja weiter, denn Ihre Frau und ich hatten gewettet, in welcher Zeit wir die Fahrt machen könnten.«

Sie hielt inne und wandte sich an Frau Tillny, die mit den anderen Gästen nachkam – eine ansehnliche Dame mit graumeliertem Haar, die vor nicht langer Zeit hübsch gewesen war. Sie gebrauchte eine Lorgnette, war geschmackvoll und einfach gekleidet und sprach selbstbewußt in Ton und Gesten.

»Ich habe gewonnen, Frau Tillny,« rief sie triumphierend, »er hat die Fahrt in vierzehn und einer halben Minute gemacht – ich habe auf höchstens fünfzehn gewettet.«

Dann wandte sie sich wieder ab und trippelte weiter.

»Edwin, mein Junge, du mußt mir ebensolche Maschine wie Cunnings verschaffen.«

»Warum keine bessere?« Eleanor lächelte spöttisch. »Ihr Sohn muß ja immer das Beste von allem haben.«

»Gott, Kindchen, wie sie ihn durchschaut haben,« sie wollte Eleanor auf den Arm patschen, konnte ihn aber nicht erreichen.

»Hast du gehört, Edwin: eine bessere! – und wenn es keine gibt, müssen Sie mir Ihre abtreten, Herr Cunning, mit dem Chauffeur als Zugabe, einverstanden?«

Als sie durch den Wintergarten auf die Terrasse hinaus gekommen waren, sank sie ganz außer Atem in einen breiten Korbstuhl, der der Tür am nächsten stand.

»Was kann es nützen,« stöhnte sie, »ein Kilo zu verlieren, wenn man hinterher erst recht hungrig ist!« Sie griff sich ans Haar und sah sich unwillkürlich nach einem Spiegel um. »Gott, ich sehe gewiß schrecklich aus.«

Der Advokat beugte sich galant über den Stuhl, indem er seine Hand auf die Brust legte:

»Gnädige Frau, Sie sehen aus wie ein strahlender Maitag! Ich, weiß nicht, ob es die Luft hier in den Bergen ist, aber ich finde, daß Sie mit jedem Tag jünger werden.«

»Bleiben Sie mir vom Leibe mit Ihren falschen Schmeicheleien.« Frau Schultz' Stahlaugen leuchteten vor Zufriedenheit, »man sollte überhaupt nicht mit Advokaten verkehren; sie treten für etwas ein, woran sie selbst nicht glauben, davon leben sie.« Sie drohte ihm mit ihrer kleinen, fleischigen Hand, »Ich glaube sicher, daß Sie einer von den Neunen werden.«

Frau Tillny trat jetzt hinzu und stellte sich zwischen sie und ihren Mann.

»Sie selbst haben ihn dazu verleitet Dummheiten zu sagen, gnädige Frau!«

»Adelaide,« die Stimme des Advokaten bekam stets einen eigentümlich gottergebenen Klang, wenn er mit seiner Frau sprach, »ich muß dich wirklich bitten, –«

»Du weißt, John, daß ich sage, was ich meine – und ich meine, was ich sage,« – sie stellte sich in Rednerpositur vor Frau Schultz auf – »ich begreife nicht, daß eine Dame wie Sie, Cornelius Schultz' Witwe, über derartige Schmeicheleien von seiten des anderen Geschlechtes nicht erhaben ist.«

»Was sagen Sie?« Frau Schultz blickte verblüfft auf.

»Was kann es nützen, daß wir Frauenrechtlerinnen dafür kämpfen, daß Frauen dasselbe Anrecht auf öffentliche Aemter haben sollen wie der Mann, wenn diejenigen, denen die Macht gegeben ist, Achtung vor unseren Fähigkeiten und unseren Menschenrechten zu fordern, mit solch schlechtem Beispiel vorangehen.«

»Was meint sie, Herr Advokat?«

»Ach,« sagte Herr Tillny sanft, »all' die Komitees und Sitzungen, wo Adelaide spricht, haben ihr diese unglückseligen Anschauungen eingegeben.«

»Nennst du die Wahrheit sagen, eine unglückselige Anschauung!« Frau Tillny stellte sich zwischen ihn und Frau Schultz. »Mögen die ganz jungen Mädchen sich amüsieren, wenn sie dazu Lust haben; wir Frauen aber, die wir die Realität des Lebens kennen, müssen beweisen, daß wir unseren Menschenwert kennen, auch ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Wir dürfen uns unseres Alters und unserer Runzeln nicht schämen. So lange wir uns jünger machen wollen als wir sind« – sie blickte mißbilligend in die jugendlichen Stahlaugen – »und uns wegen unseres Aussehens Komplimente machen lassen, kann jede untergeordnete Mannsperson sich über uns erheben.«

Eleanor brach in ein helles, schallendes Gelächter aus. Frau Schultz sah sie erstaunt an.

»Sie lachen?«

Der Advokat stimmte mit ein, um über das Peinliche der Situation hinwegzuhelfen.

»Sie auch?« Frau Schultz wandte sich an ihn, »Sie untergeordnete Mannsperson.«

»Dieses Wort war nicht auf John gemünzt,« Frau Tillny legte beschützend ihre Hand auf seinen Arm.

»Sei bedankt, Adelaide!«

»Cunning – Sie sind ein vernünftiger Mensch – soll ich hier böse werden oder mitlachen?«

»Sie sollen lachen, Frau Jennimore – und verzeihen.«

Frau Schultz streckte Frau Tillny, die gegen ihren Willen lächeln mußte, ihre Hand hin.

»Ich verzeihe Ihnen! – Untergeordnete Mannsperson ist glänzend!« Sie lachte herzlich, während ihre großen Augen vom Advokaten zu seiner Frau wanderten. Dann erinnerte sie sich der Wette: »Ich aber habe gewonnen, Sie schulden mir fünfhundert Dollar – her damit.«

Frau Tillnys graue Wangen röteten sich. Sie legte ihre Hand auf den Arm ihres Mannes:

»Ach, John, du hast wohl –«

Der Advokat griff feierlich in seine Brusttasche. »Gern,« sagte er, »wenn es nicht deinen Menschenwert, ohne Rücksicht auf das Geschlecht, verletzt.«

Alle lachten, auch Frau Tillny.

»Der Chauffeur soll ihn haben.« Frau Schultz reichte den Schein ihrem Sohn, der neben ihr in einem Stuhl lag, das eine Bein über das andere geschlagen, »sorge dafür, mein Junge.«

Im selben Augenblick ertönte der Gong.

»Gott sei Dank,« sagte sie und erhob sich, »jetzt bekommen wir etwas zu essen.«

»Untergeordnete Mannsperson!« wiederholte sie lachend, während sie von Frau Tillny und den anderen Damen gefolgt, durch den Wintergarten zur Halle ging, um sich umzukleiden.

Ralph wanderte mit Eleanor beim Springbrunnen auf und ab. Schultz folgte ihnen mit den Augen. Er sah wie Eleanor auf dem herrlichen Flor von gelben Rosen zeigte, und wie Ralph die breiten Marmorstufen hinuntersprang, sein Taschenmesser zog und sich reckte, um die Rosen abzuschneiden, während seine Augen prüfend von den Blumen zu ihrem goldenen Haar wanderten, um die passendsten auszuwählen.

Schultz erhob sich aus seinem bequemen Stuhl und trat zum Advokaten, der etwas in seinem Taschenbuch notierte.

»Auf ein Wort, Tillny.«

»Gern.«

Der Advokat steckte sein Buch in die Tasche und wandte sich mit ehrerbietiger Bereitwilligkeit zu Schultz, der einen Kopf kleiner war als er. Sein Instinkt sagte ihm, daß es sich hier um Geschäft und nicht um Privatgeschwätz handelte.

»Wissen Sie,« Schultz bot ihm eine Zigarette, »daß der Präsident hier zum Festtag erwartet wird?«

»Was Sie sagen,« der Advokat überlegte hastig, während er sich höher aufrichtete und seine Backenfalten stramm zog.

»Er befindet sich gerade auf einer Wählerreise hier im Staat. Nun will er von Sonnabend auf Sonntag herkommen, um bei der Einweihung von Cunnings neuer Fabrik zugegen zu sein.«

»Ja, ja, hier gibts allerhand Stimmen einzufangen – dreitausend Arbeiter auf einem Brett. Und gerade unser Staat wird der ausschlaggebende bei den Wahlen sein.«

Schultz blickte sich nach Ralph und Eleanor um. Sie hatten jetzt dicht nebeneinander auf der Marmorstufe Platz genommen; Ralphs sonore Stimme klang herüber, die Worte aber konnte Schultz nicht verstehen.

Eleanor hatte ihre weißen Hände um die Knie verschränkt, die Rosen lagen in ihrem Schoß; sie legte den Kopf in den Nacken und lachte laut. Der Advokat merkte, daß Schultz' Augen gleichsam blasser wurden; er tat, als ob ihn das Sonnenlicht störte und drehte sich so, daß auch er die beiden drüben am Brunnen sehen konnte.

»Wissen Sie schon,« sagte Schultz und schlug die Augen nieder, »daß der Präsident sich gegen den Trust erklärt hat?«

Der Advokat merkte, wo er hinaus wollte.

»Nein,« sagte er und entfernte ein Stäubchen von seinem Rockaufschlag, »das hat doch nicht in den Morgenzeitungen gestanden.«

»Er hat es gestern abend in Stanford bei einer Rede im Handelsklub gesagt – ich habe heute vormittag die telegraphische Mitteilung bekommen.«

»Also wird es heute in den Abendzeitungen stehen.«

Schultz faßte mit seinen dünnen Fingern einen Knopf am Rock des Advokats.

»Cunning ist auf seiner Seite,« sagte er und senkte seine Stimme, »sein Vater war ja einer der ersten, der vom Stahltrust niedergeschlagen wurde.«

»Ja, ja, ich entsinne mich.«

»Der Präsident will einen großen Mann aus ihm machen.«

»Aus Ihrem Freund?«

»Aus Ralph Cunning.« Wissen Sie, daß er an dem Festtag dreißig Jahre alt wird?«

»Sieh, sieh, also ein dreifaches Fest!«

Der Advokat begann Interesse zu zeigen, »und Sie meinen, daß –«

»Der einzige Grund, weshalb der Präsident sein Mündel noch nicht zum Senator gemacht hat, ist der, daß er das gesetzmäßige Alter noch nicht erreicht hatte. Das hat er jetzt.«

»Sie meinen also,« – der Advokat war jetzt ganz bei der Sache – »wenn der Präsident wiedergewählt wird, dann –«

Schultz ließ den Knopf los und sah dem Advokat zum ersten Male in die Augen.

»Nicht wahr, Herr Advokat, die Chancen des Gegenkandidaten sind nicht ohne Interesse für Sie?«

Der Advokat versuchte aus Schultz' Blick zu erfahren, was er antworten sollte; die glanzlosen Pupillen aber verrieten nichts weiter, als daß Schultz sein Zögern bemerkte; und um seine schmalen Lippen lag ein Ausdruck, als ob er mit etwas spielte, das er in seiner Hand hielt.

»Na, Interesse ist wohl etwas viel gesagt.« Der Advokat hob würdevoll die Achseln.

»Sie sind vielleicht gegen den Trust,« sagte Schultz schnell und streng.

»Keineswegs,« beeilte Tillny sich zu versichern, »im Gegenteil.«

Schultz machte eine kleine Pause, während er auf den goldenen Knauf seines Stockes hauchte.

»Ich sprach neulich mit unserem Boß,« sagte er und begann den Knauf mit seinem Taschentuch abzureiben.

»Ich wußte nicht, daß Sie sich für Politik interessieren.«

»Eigentlich auch nicht. Ich interessiere mich nur für den Trust – und ich kann den Präsidenten nicht gebrauchen –«, er hielt den Knauf gegen das Licht, um zu sehen, ob er blank geworden sei, »wissen Sie, was der Boß zu mir sagte? – Advokat Tillny, sagte er, ist ein sehr einflußreicher Mann hier im Staat; er kennt alle Welt und kann die meisten in die Tasche stecken,« – die Putzarbeit war beendet und Schultz steckte sein Taschentuch in die Tasche, als ob er seine Worte illustrieren wollte. – »Und seine Frau hat die Frauen auf ihrer Seite. Wenn Tillny sich für Smiths Wahl ins Zeug legen will, machen wir ihn an Stelle von Bryce, der vorigen Sommer gestorben ist, wie Sie wissen, zu einem von den ›Neunen‹.«

Schultz sah ihm fest in die Augen, wippte mit dem Stock und fragte:

»Sind Sie willig?«

Der Advokat zog seine Backenfalten stramm – sie verrieten die Neigung sich zu runden, und sagte nach kurzem Bedenken:

»Richter am höchsten Gericht zu sein, ist eine Stellung, die ein jeder Jurist sich wünscht; aber auch ohnedem wird es mir ein Vergnügen sein, in Ihrem Interesse und dem des Trust zu wirken.«

Schultz sah aus, als ob er noch mehr erwartete. Der Advokat sah ein, daß der Augenblick kostbar war.

»Sie wollen also« – er senkte die Stimme und blickte sich um – »den Sturz des Präsidenten.«

»Ja.«

»Und es ist auch der Wille des Trusts.«

»Ja, seit gestern.«

Der Advokat erwiderte seinen Blick und fragte langsam und mit Nachdruck:

»Und wenn es nun nicht glückt – könnten Sie sich nicht auch mit weniger begnügen? – Sie interessieren sich ja gar nicht für Politik.«

Schultz preßte die Lippen aufeinander.

»Womit zum Beispiel?«

Der Advokat besaß einen gut entwickelten psychologischen Instinkt, dem er jetzt folgte.

»Daß Ralph Cunning zum Beispiel nicht Senator würde.«

»Ja.« Schultz nickte anerkennend, »ich aber will meine Finger nicht im Spiel haben, daß Sie es wissen. Ralph ist ja mein Freund.«

»Selbstverständlich!« sagte der Advokat.

Seine Augen schweiften umher und streiften wie zufällig das Paar am Brunnen, dessen Stimmen sie die ganze Zeit hörten, ohne einzelne Worte unterscheiden zu können.

»Und wenn auch das schief ginge,« sagte er, »würde dann nicht ein drittes Sie persönlich zufriedenstellen können?«

Schultz verstand, worauf er anspielte, wünschte aber nicht, daß es zwischen ihnen in Worten ausgesprochen wurde.

»Wir werden sehen!« Er streckte ihm seine schmale Hand hin. – »Wir sind also einig?«

»Meine politische Ueberzeugung« – der Advokat drückte die ausgestreckte Hand zur Besiegelung – »ist ganz auf Ihrer Seite.«

Sie schritten zusammen zum Wintergarten und blieben auf der breiten Marmorplattform vor der Tür stehen, während der Advokat seine Ansicht über die Chancen des Präsidenten entwickelte, seit nun seine Stellungnahme zu den Trusten entschieden war.

Ralph und Eleanor saßen noch immer im vertraulichen Gespräch beisammen. Sie hielt die Rosen in ihrem Schoß und sagte, während sie sie mit ihren weißen Händen liebkoste:

»Ich glaube nicht, daß Sie wissen, was Liebe ist.«

»Wissen Sie es?« Er blickte auf ihre Hände herab und überlegte, ob er sie nehmen sollte.

»Ich glaube, daß die Liebe ein Schicksal ist, gut oder feindlich, immer aber stärker als unser Wille.«

Er widerstand ihrer Hand und antwortete:

»Es gibt nur eines, das stärker ist als mein Wille.«

»Und was ist das?« Sie blickte unter den langen, dunklen Augenwimpern zu ihm auf.

»Der Tod. – Wenn ich fühlen würde, daß eine Liebe mich wie ein Schicksal bedrohte –« Er hielt ihren Blick fest und schwieg.

»Was dann?« fragte sie und blickte ihm gerade in die Augen.

»Dann würde ich sie über die Schwelle zurückdrängen – ihr den Eintritt verwehren.«

»Und wenn sie ihr gutes Schicksal wäre, ohne daß Sie es selbst wüßten?«

»Ich bin nicht abergläubisch,« – er richtete sich höher auf und kreuzte die Arme. »Und ich will selbst über mein Leben bestimmen.«

Tillny und Schultz kamen jetzt auf sie zugeschlendert. Schultz räusperte sich.

»Fräulein Eleanor!« rief er und zeigte ihr seine Uhr. »Sie werden nicht zur rechten Zeit fertig; Hopkins wird ärgerlich sein.«

»Sie haben recht« – Eleanor sammelte die Rosen in ihrem Schoß und erhob sich – »ich komme.«

Zwischen Schultz und Tillny ging sie zum Wintergarten. In der Tür wandte sie sich zu Ralph um, der ihnen nicht gefolgt war.

»Kommen Sie nicht mit?«

»Ich habe noch im Kontor zu tun.«

Er blieb stehen und blickte ihr nach, bis sie zwischen den Palmen verschwunden war. Darauf strich er sich mit der Hand übers Gesicht, als ob da etwas sei, das er fortwischen wollte, und ging mit langen, festen Schritten auf die Platanenallee zu.


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