Laurids Bruun
Oanda
Laurids Bruun

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III.

Als der Advokat in sein Privatkontor kam, standen Pat und Jim, die er bestellt hatte, und warteten im Vorzimmer.

Er sagte Jim mit wenigen Worten Bescheid, was er zu tun hatte: die Tür öffnen, nach den Namen fragen, Visitenkarten entgegennehmen, Besucher melden, ihnen beim Ablegen behilflich sein, ihnen die Tür öffnen und hinter ihnen schließen, das Haustelephon bedienen und im übrigen den Mund halten. Er zeigte ihm den Schrank, wo die Livree hing, und da sein Vorgänger tags zuvor an die Luft gesetzt worden war, konnte er gleich antreten.

Als das besorgt war, ging der Advokat mit Pat in sein Kontor.

Es war ein großes helles Zimmer im ersten Stock mit einem runden Erker, von wo man einen herrlichen Blick über den Park auf der andern Seite der vornehmen Avenue hatte.

Mitten im Zimmer stand ein riesiger Arbeitstisch mit Akten, Papieren, Büchern und Kontorgegenständen bedeckt.

Der Advokat nahm in einem tiefen Klubsessel Platz und wies Pat einen Stuhl daneben an.

»Na,« sagte er, als Pat Platz genommen hatte, »wie viele von euch sind denn zu alt geworden?«

»Ich und Tonny und Dick – aber es werden wohl noch mehr werden.«

Plötzlich beugte Tillny sich vor, sah ihm streng in die Augen und sagte:

»Wollen wir den Kampf mit diesem Mann aufnehmen?«

Pat blickte ihn erstaunt mit seinen schweren Augen an.

»Wollen wir ihm zeigen, wie alt wir sind?« sagte er herausfordernd.

Pat versuchte zu ergründen, was der Advokat bezweckte.

»Wie sollte das zugehen, Herr Advokat?« fragte er, »die Fabrik gehört doch ihm.«

»Wenn wir einander helfen.«

»Wollen Sie, Herr Advokat –?« Pat hielt inne und sah ihn erstaunt an.

»Ich will, daß Recht vor Recht geht,« entschied Tillny und erhob sich.

Er ging durchs Zimmer, bis zum Erker und wieder zurück.

»Sagen Sie mal,« sagte er und stellte sich vor Pat auf, »was meinen Sie, daß geschehen wird, wenn alle Cunnings-Arbeiter gegen den Präsidenten stimmen?«

Pat überlegte.

»Dann stimmen die anderen wie wir,« sagte er bestimmt, »denn wir von unserer Fabrik sind immer die Führenden gewesen.«

»Das meine ich auch,« sagte Tillny anerkennend, »und dann wird er nicht gewählt, denn die Stimmenzahl der Fabriken hier in der Gegend ist ausschlaggebend. Das wissen Sie wohl.«

»Ja, Herr Advokat,« – Pat sann einen Augenblick, während der Advokat ihn im Auge behielt. – »Aber dann bekommt der Trust ja Oberwasser,« sagte er bedenklich.

»Glauben Sie nicht, daß er Sie dafür bezahlen wird?«

»Das wohl« – sagte Pat gedehnt – »aber sehen Sie, die Arbeiter sind ja immer gegen den Trust gewesen.«

Tillny ging ganz nah an ihn heran, hielt seinen Blick fest und sah ihn streng an.

»Hat der Trust je seine alten treuen Arbeiter verabschiedet? – Weil man neue Maschinen brauchte?«

»Nee,« sagte Pat zäh, »weil er keine bekommen hat. Sehen Sie, der Trust – der –«

»Und wenn der Präsident nicht wiedergewählt wird,« unterbrach der Advokat, »was soll dann aus Cunnings neuer Fabrik werden?«

Pat sah ihn unsicher an.

»Tja, was soll dann daraus werden?«

»Dann geht sie zum Teufel!« entschied Tillny und schlug Pat auf die Schulter, »und dann bekommt Ihr eure Rache, mein Lieber! Dann ist da kein Werkführer mehr, der verdienstvolle Arbeiter an die Luft setzt.«

Pat bewegte seine schweren Fäuste wie zum Kampf.

»Ja, ja,« sagte er, »dann bekommen wir unsere Rache!«

Der Advokat musterte ihn, fand den Augenblick günstig und schlug einen anderen Ton an:

»Sie haben wohl von dem neuen Viertel im Norden der Stadt gehört?«

»Jawohl.«

»Dieses Viertel verwalte ich. Hübsche, geräumige, helle Wohnungen.«

»Und mit Gärten, wie ich gehört habe?«

»Mit Gärten und Lauben. Sehen Sie, Pat,« – er faßte ihn am Rockknopf – »solch ein Haus hatte ich Ihnen zugedacht. Sie sollen freie Wohnung haben und dafür die Oberaufsicht über die anderen Häuser übernehmen. Inspektor, verstehen Sie! – Sie sollen Wohnungen anweisen und mit den Mietern verhandeln. Es sind ja alles Arbeiter, verstehen Sie.«

»Jawohl, Herr Advokat, es sind Arbeiterwohnungen.«

»Und vollen Taglohn sollen Sie haben,« fuhr Tillny fort, »Sie wissen ja, daß ich Ihnen gestern Arbeit versprochen habe – dort gibt's Arbeit genug,« – der Advokat drehte wieder an Pats Knopf, so daß dieser schließlich darauf herabsah, ob etwas daran nicht in Ordnung sei – »und dann sprechen Sie mit Ihren Kameraden – verstehen Sie – über die Wahl des Präsidenten und dergleichen. Und wenn da irgendeiner ist, der die Miete nicht bezahlen kann oder sonst in Not ist – Sie kennen ja alle, nicht? – dann kommen Sie zu mir und wir überlegen, wie dem Mann am besten zu helfen ist.«

Der Advokat schwieg einen Augenblick; darauf fügte er mit Nachdruck hinzu:

»Es ist eine hübsche Aufgabe, seinen Kameraden zu helfen.«

»Das ist es, Herr Advokat.«

Pat nickte wiederholt, sein Gesicht aber hatte trotzdem einen bedenklichen Ausdruck, und die kleinen schweren Augen irrten hin und her.

»Was ich sagen wollte,« – begann er schließlich, und er schluckte ein paarmal, denn es war nicht leicht, so viel zu sagen – »wenn wir Arbeiter nun für den andern, den Mann des Trustes stimmen – und wenn unsere Fabrik dann zum Teufel geht – ich meine, wenn der Trust sie verschlingt – welche Sicherheit haben wir dann, daß der Trust uns Arbeit gibt – auch denen, die bereits entlassen waren?«

Der Advokat wartete einen Augenblick, um die Wirkung zu verstärken. Dann heftete er seine scharfen Augen fest auf Pats und sagte mit Nachdruck:

»Dafür garantiere ich!«

Pat begriff und sagte mit dem Schatten eines Lächelns um seinen groben Mund:

»Hm, so – jawohl!«

»Ich garantiere für euch alle,« sagte Tillny und warf den Kopf in den Nacken, »nur nicht für den Werkführer, der euch für zu alt gehalten hat; für den hat, wie ich fürchte, der Trust keine Verwendung.«

Tillny sah ihn an und lächelte. Pat lächelte ebenfalls.

»Ja,« sagte er rachlustig, »er soll es nur versuchen.«

Der Advokat nickte und reichte ihm die Hand.

»Dann sind wir also einig.«

»Jawohl, Herr Advokat!« Pat beeilte sich, seine Hand zu nehmen. »Ein Mann, ein Wort. Wann kann ich hinausziehen?«

»Morgen schon.«

Pats Gesicht verzog sich vor Freude. Seine kleinen Augen leuchteten.

»Vielen Dank auch,« sagte er und hob seine Hand.

Der Advokat tat, als ob er es nicht sähe; die Sache war ja in Ordnung, jetzt galt es, sich zu decken, er hatte sich etwas reichlich weit hinaus gewagt. Er bekam einen glänzenden Einfall und sagte feierlich:

»Der Prinzessin müssen Sie danken. Ihr gebührt die Ehre.«

»Gott segne sie!« sagte Pat feierlich.

»Guten Tag, Pat!« Der Advokat gab ihm die Hand und setzte sich an seinen Schreibtisch.

»Guten Tag, Herr Advokat!« sagte Pat und ging zur Tür.

Als er sie erreicht hatte, blickte der Advokat von seinem Schreibtisch auf und sagte geschäftsmäßig:

»Was ich Ihnen hier anvertraut habe, braucht vorläufig niemand zu wissen, verstehen Sie?«

Pat stutzte, als ob er nicht recht klar darüber sei, was der Advokat meinte. Als er diesen aber bereits wieder in seine Papiere vertieft sah, sagte er nur:

»Jawohl, Herr Advokat!« – und ging hinaus.

Auf der Treppe begegnete ihm Herr Edwin Schultz in eigener Person, und als er auf die Straße kam, sah er sein Auto vor der Tür halten, eine ganz neue Maschine. Pat konnte es sich nicht versagen, sie ganz genau zu betrachten, wie sehr er sich auch danach sehnte, nach Hause zu kommen, um Nelly die große Neuigkeit zu verkünden.


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