Laurids Bruun
Oanda
Laurids Bruun

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II.

Durch die Pergola ging ein Paar. Ein gebeugter, magerer, bartloser Mann, Ende der Zwanziger, mit schlanken Gliedern und sehr schmalen Händen. Er zog die Füße etwas nach, als ob er nicht recht wüßte, ob er sich bewegen wollte. Die eine Schulter ließ er hängen, es sah aus, als ob sein Hals den Kopf nicht recht tragen könnte. Seine braunen Augen waren groß und matt im Blick, und er spitzte seine dünnen Lippen, als ob er über etwas nachdächte, was gleichzeitig komisch und traurig war.

Sie war hochgewachsen und elastisch, sehr elegant, in einem phantasievollen Kostüm, halb exotisches Gartenkleid, halb Kimono. Sie trug ihren schönen Rassekopf stolz auf den Schultern, das reiche, bronzefarbene Haar war nachlässig in Locken unter einem prachtvollen Gartenhut mit echten Spitzen aufgesteckt. Die Nase war vornehm gebogen, die dunklen Brauen wölbten sich energisch auf der elfenbeinweißen Stirn, der kleine Mund, mit den dunkelroten Lippen, war leicht zum Spott verzogen, und das Kinn trat keck hervor. Ihr Gang war entschlossen und leicht, als nähme sie mit jedem Schritt ein neues Stück Welt in Besitz.

Als sie den Wintergarten erreicht hatten und unter dem großen Pergolabogen vor der Terrasse standen, reichte sie ihm die Hand und sagte:

»Es war ein sehr schöner Spaziergang, Herr Schultz!«

Er behielt ihre Hand in der seinen und betrachtete die Grübchen über den Knöcheln, die blankrosigen Nägel.

»Ich habe Ihnen nicht gesagt, was ich eigentlich sagen wollte.«

»Hatten Sie etwas Besonderes auf dem Herzen?«

»Können Sie sich wirklich nicht denken, weshalb ich hierher gekommen bin?«

»Wahrscheinlich, um die neuen Herrlichkeiten Ihres Freundes zu besehen,« neckte sie.

Er zögerte einen Augenblick, während er ihre klangvolle Stimme mit dem südländischen Akzent genoß.

»Wenn ich mich für Maschinen interessierte, würde ich meine eigenen betrachten, Sie sind älter, aber nicht geringer.«

»Sie meinen die Maschinen Ihrer Mutter?«

»Ja, die meiner Mutter. Und Sie, die Tochter des großen Alabama-Mannes – des Minenkönigs aus dem Süden – interessieren Sie sich vielleicht für –«

»Ich interessiere mich für alle, die etwas wollen und können.«

»Finden Sie, daß es sich lohnt, etwas zu wollen und zu können?«

Sie betrachtete ihn, wie man einen Kranken ansieht, über dessen Zustand man sich nicht klar ist.

»Versuchen Sie es nur.«

»Sie wollen mir schmeicheln!« Er lachte kurz und hart auf. In ihren schwarzen Augen blitzte es unwillig.

»Glauben Sie, daß man ein Leben, wie Sie es führen, lange aushalten kann?«

»Nicht so lange, wie Sie dabeibleiben werden, bezaubernd und begehrenswert zu sein.«

Er genoß den Unwillen in ihrem Blick, er wirkte auf ihn wie eine Liebkosung.

»Was wollen Sie anfangen, wenn Sie merken, daß es nicht mehr geht?«

»Sterben,« antwortete er, indem er seinen Blick in den ihren senkte.

Sie wich ihm aus, und er fügte hinzu:

»Wer weiß, ob ich nicht in einem früheren Dasein Sklavenarbeit auf dem Baumwollenfeld verrichtet habe, unter der Gnade Ihrer spanischen Augen.«

Sie lachte.

»Dann haben Sie sicher die Peitsche zu fühlen bekommen.«

»Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen.«

Sie blickte ihn erstaunt an. Mit seinem blassen Gesicht und dem kranken Blick sah er aus, als ob ihn friere.

Indem sie an ihm vorbeiging, fragte sie:

»War es das, was Sie mir sagen wollten?«

»Ja, daß ich Sie liebe.«

Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte, daß ihre spitzen, weißen Zähne schimmerten.

Er beugte den Kopf bei ihrem Lachen, und als sie geendet hatte, fragte er leise:

»Erinnern Sie sich noch, als ich Sie zum ersten Male traf?«

Sie antwortete nicht, und er fuhr fort:

»Sie saßen in der Loge – warm und strahlend – aller Augen waren auf Sie gerichtet. Sie aber sahen nur, was auf der Bühne vorging, und runzelten Ihre schönen Brauen, wenn ich zu Ihnen sprach – wie vorhin. Sie saßen wie eine Königin auf Ihrem Thron, wir anderen waren Luft für Sie, wir, die reichsten Männer der Staaten. Alle Herren unten im Parkett bekamen Nackenschmerzen vom Heraufschauen – Sie waren die neue Eva aus dem Süden. Die Prima Ballerina kochte vor Wut, weil Sie die Gemüter der Milliardäre, die sie mit ihren unvergleichlichen Beinen zu beherrschen pflegt, verzauberten, ohne Ihren Untertanen auch nur einen Blick zu opfern. Seit jenem Abend bin ich Ihr Sklave.«

»Der Sklave ist mir treu gefolgt, das ist wahr. Ich glaube, ich bin noch nirgends gewesen, ohne Ihnen zu begegnen. Wie haben Sie das möglich gemacht?«

»Ich habe Sie beobachten lassen,« sagte er offen und geradezu.

»Und jetzt sind Sie hierher gekommen, um mir zu sagen, daß Sie mich lieben?«

»Ja.«

Sie zögerte einen Augenblick, während sie in seinem Gesicht forschte.

»An jenem ersten Abend beim Souper erzählten Sie mir von Ihren Vollblutpferden, Ihren Automobilen, Ihrer Lustyacht, dem Vermögen Ihrer Mutter, dem Trust, den Sie Kraft Ihres Erbes beherrschen.«

»Ich wollte der Prinzessin zeigen, wie groß das Reich ist, das ich ihr bieten kann.«

»Alles können Sie ihr bieten, nur nicht den Prinzen!« Sie lächelte höhnisch. »Glauben Sie nicht, daß ich durchschaue, was Sie damals dachten und was Sie jetzt denken?«

»Was denke ich denn?«

»Hier ist eine Frau, denken Sie, um die alle mich beneiden werden, die ich aber nicht kaufen kann – ich, der ich die edelsten Pferde, die größten Autos, das schönste Schloß besitze. Sehen Sie, das ist das Geheimnis Ihrer Sklaverei. Und dennoch wissen Sie, daß es mit der Verzauberung vorbei wäre, in dem Augenblick, wo Sie sie besäßen. Das Beste von allem zu besitzen, was die Erde bietet, das ist das Gift, an dem Sie sich berauschen, um das Leben zu ertragen. Ihr Ueberfluß ist Ihnen zuwider, und dennoch können Sie den Gedanken nicht ertragen, daß ein fremder Wille diesen Ueberfluß begrenzt, denn was bliebe Ihnen dann noch?« Seine Augen hingen mit einem kranken Ausdruck an den ihren; er wurde so seltsam klein, wie er dort stand, als ob er in die Knie sänke. Er nickte zu ihren Worten und sagte mit nackter Ehrlichkeit, die ihr Mitleid abzwang:

»Ja, was bliebe mir dann – ich habe nie etwas anderes gehabt.«

»Armer, reicher Mann!«

Es sollte ein Scherz sein, klang aber wie Ernst.

»Ein Verlangen, daß ich nicht befriedigen kann, wird für mich eine Qual, die mir keine Ruhe läßt.«

»Und das nennen Sie Liebe?« Ihr Blick flammte auf. »Und Sie meinen, daß die Prinzessin sich mit solchen Liebesbrocken begnügen wird?«

»Habe ich gar keine Hoffnung?«

»Nein.«

Da erklang eine muntere Automobilhupe auf der Landstraße.

»Da sind die anderen,« sagte sie und wandte sich von ihm ab, wieder stolz und strahlend wie vorhin.

»Was soll ich Armer tun?«

Das Licht fiel durch die Spitzen auf ihr Bronzehaar; sie war so schön, daß er sich bis ins Innerste krank fühlte, und ein Todesgedanke jagte durch sein Herz.

»Gehen Sie in den Park und erfreuen Sie sich an den Blumen, bis es zum ersten Male läutet – und dann gehen Sie in Ihr Zimmer und kleiden Sie sich zum Mittagessen um.«

Sie nickte ihm heiter zu und ging in den Wintergarten.

Er blickte ihr lange nach. Dann wandte er sich mit einem Seufzer ab und ging quer über die Terrasse in den Blumengarten hinunter, wie sie gesagt hatte.

Als Eleanor d'Acosta im Wintergarten stand, sah sie Ralphs hohe Gestalt in der Halle auf dem Weg zum Garten. Er war im Sportsanzug mit verstaubten Gamaschen und Stiefeln, hatte sich kaum Zeit gelassen, seinen Automobilmantel und die Handschuhe abzulegen.

Als er ihrer hellen Gestalt zwischen den dunklen Palmen, die bis zur Glasdecke hinausragten, gewahr wurde, trat ein Lächeln auf sein glattrasiertes Gesicht, das lang und scharf war, von hartnäckiger Arbeit und einem energischen Willen geprägt. Es leuchtete in seinen braunen, weitgeöffneten Augen auf, während er auf sie zueilte.

»Fräulein Eleanor!« sagte er und ergriff ihre Hände.

»Wo sind die andern,« fragte sie und warf einen Blick hinter ihn in die Halle.

»Ich bin voran gefahren, unter dem Vorwand, daß ich im Kontor zu tun habe,«

»Warum?« Sie beugte den Kopf, den Klang seiner dunklen, warmen Stimme im Ohr.

»Weil ich mich nach Ihnen sehnte und das leere Geschwätz nicht mehr ertragen konnte.«

Sie schritten jetzt Seite an Seite durch den Wintergarten; sie mußten dicht neben einander gehen, weil der Weg zwischen den Palmen schmal war.

»Warum sind Sie nicht mit uns gefahren?«

»Ich sagte Ihnen ja schon, daß ich Kopfschmerzen hatte.«

Er blickte durch die offene Flügeltür.

»Sind Sie allein?«

Sie nickte und zog ihre Schulter von der seinen zurück.

»Endlich kann ich Ihnen danken, daß Sie gekommen sind.«

»Das haben Sie ja schon getan, als Sie mich heute morgen am Bahnhof abholten,« sagte sie neckend.

»Damals waren wir nicht allein,« er blieb stehen und blickte sie ernst an. »Warum haben Sie mir nicht geantwortet?«

Sie zögerte emen Augenblick und griff nach einem Palmenblatt, das über dem Weg hing.

»Ich habe mich erst im letzten Augenblick dazu entschlossen.«

»Wußten Sie denn nicht, ob Sie kommen wollten?«

»Nein, nicht bevor ich telegraphierte,«

»Warum?«

»Weil ich nicht wußte, was ich Ihnen antworten sollte.«

»Worauf?«

Sie sah ihm offen ins Auge.

»Auf Ihre Frage.«

»Woher wußten Sie, daß ich Sie etwas fragen wollte?«

»Als wir uns an jenem Abend in New-York, als Sie mich in Ihrem Auto nach Hause brachten, trennten –«

Er griff nach Ihrer Hand und sie ließ sie ihm.

»Ich werde es Ihrem Chauffeur nie vergessen, daß er sich in der Zeit irrte und zu spät kam.«

»– da sagten Sie zu mir: Nennen Sie mir einen Ort und eine Zeit, denn ich muß Sie sprechen.«

»Sie aber nannten mir keine, steckten die Hände nur tief in den Muff und sagten: Gute Nacht und besten Dank für Ihre Begleitung.«

Sie beugte sich zu ihm, ihr Blick flammte dunkel:

»Sagen Sie es jetzt,« sagte sie hastig, »bevor die andern kommen.«

Er ließ ihre Hand los.

»Sie sind gewohnt zu herrschen.«

Sie näherte ihr Gesicht dem seinen, so daß der heiße Atem ihrer Lippen seinen Hals streifte. Er versuchte, ihren Blick zu fangen. Darauf trat er einen Schritt zurück und versuchte knapp und kalt zu sprechen.

»Gut,« begann er, und seine Stimme bekam einen geschäftsmäßigen Ton, ohne daß er es selbst wußte. »Ihr Vater besitzt die reichsten Gruben des Südens, er versteht sie aber nicht auszunutzen. Nun weiß ich, daß der Trust seine Fangarme nach ihm ausgestreckt hat, ich aber will ihm zuvorkommen. Wenn er sich mit mir, der ich die Maschinen habe, zusammen tut, dann kann ich sein und mein Vermögen verdoppeln und verdreifachen. Zusammen sind wir stark genug, um den Trust aus dem Felde zu schlagen.«

Sie erblaßte bis in die Lippen und sah auf, um ihn zu unterbrechen; er aber fuhr fort, bevor sie zu Worte kommen konnte.

»Sie sind sein einziges Kind, seine einzige Freude, was Sie wollen, das will auch er.«

»Ich verstehe.« Sie hob den Kopf und wich seinem Blick aus, um ihre Enttäuschung zu verbergen. »Sie wollen eine Einführung bei meinem Vater haben.«

Er zwang sie mit seinem Blick, ihn anzusehen und sagte herrisch: »Nein, ich will Ihre Hand.«

Ihre Augen flammten den seinen entgegen; sie legte ihre Hände auf den Rücken, damit er sie nicht greifen konnte.

»Sie wollen mich zu einem Geschäft gebrauchen – und bieten mir als Provision die Ehe.«

»Sie verstehen mich nicht.«

Ihre Augen trafen sich kampfbereit.

»Doch.«

»Nein.«

»Warum haben Sie mir das alles gesagt?«

»Weil ich Sie liebe.«

Sie wich seinem Blick aus.

»Sie haben recht, ich verstehe Sie nicht,« sagte sie und beugte ihren Kopf.

»Aber Sie sehen ein, daß ich etwas will – daß ich ein Ziel habe?«

Sie sah ihn voll an.

»Ich las das erste Mal auf Ihrer Stirn, als ich Sie sah, daß Sie etwas können und wollen.«

Er fühlte, daß er gesiegt hatte, und seine Stimme bekam wieder ihren dunklen, warmen Klang.

»Sie sind daran gewöhnt, Ihr eigenes Ziel zu sein, – eine herrschende Seele sind Sie. Die Frau aber, die ich zu meiner Gattin mache, muß meinen Zielen dienen, ob ich sie liebe oder nicht. Begreifen Sie jetzt, warum ich Ihnen all' dieses sagen mußte? Damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen, bevor Sie mir Ihr Jawort geben.«

Sie hatte ihm mit offenem Munde zugehört, ergriffen und getragen. Als er innehielt, atmete sie tief auf.

»Das nenne ich ein ehrliches Spiel.«

»Und welche Antwort geben Sie mir?« sagte er und ergriff ihre Hand.

So leichten Kaufes aber gewann man Eleanor d'Acosta nicht. Sie richtete sich höher auf und zog ihre Hand zurück.

»Das weiß ich noch nicht.«

»Sie lieben mich nicht.«

Sein Gesicht wurde so dunkel, daß sie innerlich jubelte.

»Warum?« sagte sie herausfordernd.

»Weil Sie dann die Antwort wüßten,« entschied er und wandte sich ab.

»Lassen Sie mir Zeit.«

Im selben Augenblick ertönten knirschende Schritte auf dem Kies. Schultz' müde Gestalt zeigte sich in der Tür zum Wintergarten. Als er der beiden ansichtig wurde, die zwischen den Palmen so nah beieinander standen, griff er nach dem Türrahmen und preßte seine schmalen Lippen im Gefühl seiner Ohnmacht zusammen. »Hallo!«, rief er, als er ihre Augen auf sich gerichtet sah, »ich störe doch nicht?«

»Mich nicht!« Eleanor befreite ihre Schulter von einem Palmblatt, das sie genierte und das sie erst jetzt bemerkte.

»Mich auch nicht!«

Schultz kam näher und blickte lächelnd von einem zum andern.

»Warum bist du nicht mitgekommen?« sagte Ralph zu ihm, »ich bin den Weg in vierzehn Minuten gefahren – das sind 2,8 Kilometer in der Minute.«

»Ich habe Fräulein Eleanors Gesellschaft vorgezogen.«

Schultz nahm eine Zigarette aus seinem goldenen Etui, und Ralph ärgerte sich, daß ihm keine Antwort einfiel.

»Sind Sie wieder besserer Laune?« neckte Eleanor ihn.

»Ja, danke,« sagte er fromm, während er sich die Zigarette anzündete. »Die Blumen waren so schön, und Ihre Kopfschmerzen?«

»Sind wie fortgeblasen.«

»Ein hübsches Resultat für unser Beisammensein, nicht wahr, Ralph?« Er lächelte Eleanor vertraulich zu, wie in geheimen Einverständnis, »das ist mehr wert, als 2,8 in der Minute.«


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