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Wie die Nürnberger sich umsonst freuten und Eppele den Medikus Rehm kurierte

Der weitberühmte Medikus Doktor Rehm zu Nürnberg kramte umständlich unter Büchern und Pergamenten und eröffnete dem Boten aus Drameysl, erst müßte er wegen seines Entscheids in dieser Sache mit einem hochweisen Rat sprechen. Der inzwischen auch schon verwitterte und angegraute Knecht Michel machte sein einfältigstes Gesicht und beteuerte treuherzig, daß der Ritter von Gailing auf den Tod liege und nur noch von der großen Kunst und Gelahrsamkeit des sehr würdigen Herrn Medikus Rettung erhoffe, was Herr Doktor Rehm mit stolzem Kopfnicken als gebührende Ehr und Ansicht gnädig vernahm und dem Drameysler Boten nochmals eröffnete, er würde sofort nach Feste Drameysl aufbrechen, wenn ein hochmögender Rat ihm solches verstatte. Herr Johannes Harstörfer, derzeit Bürgermeister von Nürnberg, riet dem berühmten Medikus Rehm, sich unverzüglich nach Drameysl zu heben und, wenn es seiner Kunst möglich wäre, ohne viel Aufhebens die löbliche Christenheit von der Gailinger Landplage zu befreien. Herr Doktor Rehm drang um weitere Anweisung in den ehrbaren Herrn Johannes Harstörfer, wurde aber kurz abgewiegelt mit dem Bedeuten, daß der ehrbare Rat zu Nürnberg keine Botschaft lieber hörte und besser entschädigte denn die Nachricht vom Absterben des von Gailing. Auf welche Eröffnung hin der Medikus Rehm, sein stark vorstehendes Kinn heftig scheuernd, dem Nürnberger Bürgermeister versicherte, sein oberster Wunsch sei, einem hochachtbaren und hochmögenden Rat zu Nürnberg stets gefällig zu bleiben.

Eppele lag in der Drameysler Burgstube unter fünf getürmten Kissen und bedachte derweil, ob die zu Nürnberg seinen Plan durchschauen oder darauf einspringen möchten. Der große Warenzug nach Leipzig mußte der Preis dieses Schwitzen werden, anders hatten ihn die fünf Betten umsonst gedrückt und den Schweiß für nichts aus allen Poren gepumpt. Stöhnte und würgte darum aber doch gotterbärmlich, als der berühmte Medikus Rehm in die Krankenstube trat und dem von Gailing Puls und Stirn fühlte. Über dieser Untersuchung schnappte Eppele elend nach Luft und bat den Medikus bei allen Heiligen um ein Kraut, das gegen solche dual gewachsen wärt. Dem Doktor Rehm kam keinerlei Bedenken mehr. Dieser Kranke war von Sinnen und also bereit, alles zu schlucken, was ein so begehrter Medikus ihm nur immer eingab. Breitete also seine Schachteln und Fläschchen gewichtig aus und braute einen Trank, der gräulich grau aus dem Glas schimmerte und von Eppele unter den Wimpern vor schmunzelnd abgeschätzt wurde. Der Medikus Rehm trug dem Kranken das Gebräu ans Bett, verlor aber seine ganze lateinische Fassung und wich entsetzt abseits, als Eppele mit einem Satz aus dem Bette war, dem Herrn Doktor die aufgehobene Rückwand zukehrte und ihn anschrie, doch in dieses Loch den heilsamen Trank zu gießen, ansonsten der berühmte Medikus das Tränklein selbst saufen müßte. Der Doktor Rehm wollte ein Langes und Breites von Gesunden und Kranken erörtern, doch Eppele schnitt ihm das Wort ab und zwang den Medikus kurzerhand, nicht nur das Tränklein, sondern auch alle mitgebrachten Pillen und Säfte zu schlucken, was in des Gelahrten Leib einen furchtbaren Aufstand erregte und ihn ohnmächtig vor des Gailingers Füße warf. Eppele rief daraufhin die Knechte Peter und Michel, welche auf sein Geheiß den berühmten Doktor in die Leichenkammer von Drameysl trugen.

Den nächsten Tag wehte von Burg Drameysl eine schwarze Flagge ins Land und kündete weithin, der Burgherr wäre in Gott entschlafen. Bereits am andern Abend war die Kunde davon in Nürnberg und wurde in der Ratsversammlung ausgiebig besprochen, zum Schluß sogar durch einen festen Umtrunk gefeiert. Noch hatten sich Stimmen des Zweifels vernehmen lassen und das unerwartete Ausbleiben des Doktors erregte manches Kopfschütteln. Die Umstände aber zusammen mit dem herzinnigen Wunsch, nun endlich einen langjährigen Plagegeist los zu sein, rangen alle Zweifel nieder und halfen der frohen Botschaft zu Sieg und Glauben. Zwei Tage später fuhr der große Warenzug nach Leipzig durch das Neutor, weniger stark geschützt als eigentlich vorgesehen war und den übernächsten Abend gab es im Nürnberger Rat lange Gesichter und arge Vorwürfe, als die entronnenen Geleitsknechte berichten mußten, daß gleich hinter Baiersdorf Eppele mit dem Drameysler Haufen gelauert und den Zug geworfen hätte.

Den Medikus Rehm jagte Eppele, ohne ihn zu schatzen, aus Drameysl, nicht ohne spitz zu fragen, wie dem würdigen und gelahrten Herrn die eigenen Tränklein bekommen wären. Ihm hätten sie nichts geschadet, aber eine Beute eingebracht, für welche er dem würdigen und gelahrten Herrn allen Dank schulde. Nach der Heimkunft wagte sich der Medikus Rehm wochenlang nicht aus dem Haus, bezog aber trotzdem den allgemeinen Spott und auch eine Vermahnung des Rates, darin er scharf und fast kränkend angelassen ward.


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