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Eppele empfängt die Schwertleite, kehrt nach Illesheim zurück und begräbt Vater und Mutter

Der allzeit lustige Herr Burkart von Seckendorf zog das feiste Gesicht in bedenkliche Falten, als der Vestenberger ihn zum Zeugen für die Schwertleite des jungen Gailingers forderte. Er gedachte verschiedener Fehden zwischen den Gailingern und seinem Geschlecht und glaubte sich auch zu erinnern, daß bei einem früheren Turnier einmal das Schild eines Gailingers als nicht turnierwürdig abgehängt worden sei. Der Vestenberger hörte den Freund gelassen an und fragte zuletzt nur, ob er Herrn Arnold von Gailing für einen Ritter halte, so vortrefflich wie es nur irgendeinen in Franken gäbe, was der nicht eben schnell denkende Seckendorfer eifrig bejahte. Außerdem – so setzte Herr Ulrich seine bedachtsame Rede fort – wäre der junge Gailinger doch der Sohn eines kaiserlichen Lehensmannes und so geschickt zu jeder ritterlichen Leistung, daß ihm mit gutem Gewissen keiner die Schwertleite verweigern könnte. Dieser Meinung sei übrigens auch Herr Eberhard von Mosbach, der sich seit der preislichen Tat von Mühldorf besonderer kaiserlicher Gunst zu Recht rühmen könnte. Dem Seckendorfer wurde ganz schwül bei solchen Einwürfen, zumal der von Vestenberg auch noch zu wissen tat, er wäre unbedingt willig, dem jungen Gailinger das Schwert umzugürten. Auf welche Äußerung hin der Seckendorfer bestürzt seine Bereitschaft erklärte, die Schwertleite Eppeles vor Gott und aller Ritterschaft mit seinem namentlichen Zeugnis zu bekräftigen.

So stand am Tage Peter und Paul 1329 der Seckendorfer zu Eppeles linker Hand in der festlich geschmückten Burgkapelle von Rügland, Ritter Eberhard von Mosbach zu Eppeles Rechter, und Herr Ulrich von Vestenberg gerade vor ihm, das blanke Schwert im Arm, um es nach beendetem Hochamt über den jungen Gailinger zu schwingen. Arnold von Gailing war mit Frau Jutta zum Ehrentag des Sohnes erschienen und tauschte Blick und Wink mit vielen Freunden aus fränkischer Ritterschaft, dem Kunz von Hauenstein, Albrecht von Schauenburg, Herman Vest, Berthold von Neuenstein, Fritz von Gottenhofen, Eglot von Leonstein, Hans von Cronheim, Götz Holtz von Jachsberg, Adam von Crailshaim und noch manchem andern wackern Manne. Nach dem Hochamt trat der von Vestenberg an den Altar, hieß Eppele niederknien und fragte laut und vernehmlich die beiden Zeugen Eberhard von Mosbach und Burkart von Seckendorf, ob sie vor Gott und der hier versammelten Ritterschaft bekunden wollten, daß Eppele christlich und unbescholten geboren, aus ritterbürtigem Geschlecht und eines eigenen Schildes würdig sei. Als die Gefragten ihr Zeugnis abgelegt hatten, hob der Vestenberger das blanke Schwert, schwang es dreimal über den Knienden und traf ihn damit auf den Hals, auf die rechte und zuletzt auf die linke Schulter. Dann nahm der von Mosbach den Helm aus des Burgkaplans Hand und drückte ihn Eppele auf das rabenschwarze Haar, in welcher Zeit Herr Burkart von Seckendorf die zwei goldenen Sporen an des Gailingers Versen schnallte. Eppele erhob sich nun aus seiner knienden Stellung und breitete die Arme von sich, daß ihm der Vestenberger das eigene ritterliche Schwert umgürten könnte. Darnach gelobte der Gailinger hoch und heilig, treu dem Reiche zu sein, die Frauen zu achten und alle Kraft seines ritterlichen Armes dem Schutze der Kirche, der Witwen und Waisen zu leihen. Ein großes Mahl beschloß den Tag von Eppeles Schwertleite, wobei sich ergab, daß der junge Ritter von Gailing auch herrenmäßig zu trinken und auf jede Rede schlagfertig zu erwidern wußte. Herr Arnold von Gailing war an diesem Tage seines Sohnes sehr froh, und Frau Jutta unterdrückte ein letztes Tränlein, das ihr über dem verfehlten Gottesmanne aufsteigen wollte.

Noch ein volles Jahr blieb der junge Ritter von Gailing bei dem väterlichen Freund und Erzieher auf Burg Rügland, dann empfing er Botschaft von Herrn Arnold, heimzukehren nach Illesheim und dem Vater beizustehen in den Händeln mit der Reichsstadt Rothenburg. Der Vestenberger ritt eine gute Strecke Wegs mit dem scheidenden Schüler, vermahnte ihn zu ritterlichem Leben und prägte ihm zum Abschied ein, daß es besser und eines echten Ritters würdiger sei, auf der Straße ein Pfund Heller Wertes zu erbeuten statt in der Burgstube zu hocken und dieses Pfund Heller zu verschlemmen. Eppele sollte stets daran gedenken, daß einem Ritter im Leben nichts zuliefe außer ein räudiger Hund. Allen guten und nützlichen Dingen aber müßte ein Ritter nachreiten. Mit solchen Lehren entließ der von Vestenberg den jungen Gailinger und sprengte gegen den warmen Sommerwind nach Rügland zurück.

Die Rothenburger Fehde dehnte sich mit kleinen Plänkeleien bereits bis gegen Ostern 1331 hin. Von den Reichsstädtern an der Tauber wurde bald bemerkt, daß der junge Gailinger Witz unter dem Helm und ein flinkes Roß zwischen den Schenkeln haben müßte, denn er tat ihnen nach Kräften Schabernack und entging allen noch so feinen Anschlägen. Weshalb die Rothenburger einen rechten Ernst in die Fehde mit den Gailingern bringen wollten, ein stattliches Volk sammelten und es vor das Schloß Gailnau warfen, worin sich Ritter Arnold eben aufhielt. Nur zwanzig Knechte hatte Arnold von Gailing zur Hand, die wohl wacker auf die Köpfe der reichsstädtischen Sturmfähnlein hieben, für mehr denn eine Woche aber kaum standhalten konnten. Von Burg Gailnau führte ein Gang unter der Erde weg bis vor das Dorf Diebach. Am vierten Tage der Belagerung übergab Ritter Arnold seinem erprobten Knecht Kunold Schloß Gailnau mit der Weisung, es eher selbst anzubrennen, als den Rothenburgern die Tore zu öffnen. Spätestens am dritten Tage von heute gerechnet würde Hilfe kommen und Gailnau entsetzt. Ritter Arnold fand den unterirdischen Gang in bester Ordnung und war voll Zuversicht, daß ihm sein Plan gelingen möchte. Doch als er den Gang verlassen und die ersten Häuser des Dorfes Diebach hinter sich hatte, sah er sich plötzlich von sechs reichsstädtischen Knechten umringt, die aus dem Hinterhalte brachen. Der alte Gailinger erwehrte sich seiner Haut erbittert und zerschlug dem ersten Angreifer das Schulterbein, empfing aber selbst von einem andern einen harten Hellebartenhieb zwischen die Rippen und brach stöhnend ins Knie. Die Rothenburger drangen auf den Wehrlosen ein und waren gerade dabei, ihn zu binden: Da rasselte es dröhnend die Dorfgasse herauf und bevor sich die Reichsstädtischen noch recht besannen, war ihnen Eppele bereits mit zehn Knechten auf den Hals, schmiß ihrer zwei tödlich nieder und fing die übrigen ab wie einen Strich fetter Wachteln.

Herrn Arnold von Gailings Wunde war nach fünf Wochen scheinbar ausgeheilt, doch atmete der Ritter schwer und schmerzhaft und glaubte, in anderer Luft dieser Plage ledig zu werden. Am Tage Johannis des Täufers 1331 kamen die Gailinger auf ihrer Burg Drameysl an, die einem Habichtshorste ähnlich über dem wunderlieblichen Tale der Wiesent hing. Die Fehde mit den Rothenburgern hatte der Bischof von Würzburg geschlichtet, so daß eine Zeit ruhigen Friedens winkte. Wer auf Burg Drameysl hätte geträumt, daß es die Zeit des ewigen Friedens für den Hausherrn und die fromme Hausfrau werden sollte, ehe noch der erste Schnee die Stoppeln deckte. Herrn Arnolds Rippenwunde brach auf und blutete täglich mehr, so daß der »schwarze Gailing« drei Wochen nach dem Einzug in Drameysl steif und stumm auf der Bahre lag, und die stille Frau Jutta schwand wie ein Schatten, wenn die Sonne gesunken ist. Am Tage St. Wendelins 1331 neigte Eppele von Gailing die Knie in der Burgkapelle zu Drameysl vor den Gräbern der Eltern und erhob sich nach langem Gebet wieder als Herr und Haupt derer von Gailing.


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