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Eppele hält Hochzeit und tanzt mit Pater Remigius aus Muggendorf

Dem Pater Remigius zu Muggendorf ging dieser schnell in ganz Franken besprochene und besungene Streich des Gailingers am meisten auf die Galle, war Remigius doch eines Nürnberger Goldschmieds Sohn und sein älterer Bruder jener kunstreiche Meister, der das silberne Vogelhaus gefertigt und damit vielen Ruhm geerntet hatte. Überdies gedachte Pater Remigius ingrimmig der bösen Täuschung Eppeles mit der damaligen Beichte und der so ganz anders ausgelaufenen Romfahrt und wetterte darum den 15. Sonntag nach Trinitatis in seiner Kirche zu Muggendorf unter hallenden Faustschlägen auf die Kanzel über die seit Adam verderbte menschliche Natur ganz allgemein und über den heillosen Räuber auf Burg Drameysl im besonderen. Beschwor auch alle Ungnade des Himmels und alle Schrecken der Hölle auf Eppele und ging von der Kanzel mit dem Gefühl, eines höheren Auftrags würdiger Mund gewesen zu sein. Zu selber Zeit bedrängten die geschworenen Vertreter des ehrsamen und angesehenen Gewerbes der Gold- und Silberschmiede den Nürnberger Rat um Ersatz des Schadens, der ihm durch den Raub Eppeles entstanden war und vermehrten dadurch beträchtlich den Ärger des Rates, der ohnehin immer noch an einem Briefe des Gailingers kaute, worin Eppele einem »unehrbaren, unwohlweisen und höchst unfürsichtigen« Rat zu Nürnberg den Empfang des silbernen Vogelhauses bestätigt, die kostbare Schönheit der erbetenen Morgengabe höchlich gerühmt und einen hohen Rat zu Nürnberg dankbar zu seiner Vermählung nach Drameysl geladen hatte.

Burg Drameysl rüstete seit Tagen schon zur Vermählung des Burgherrn mit dem edlen Fräulein Kunigunde von Wurmstein. Eppele hatte zu dem Feste Einladungen an den ganzen Bund der Dreizehn, darüber hinaus aber auch an alle ritterlichen Häuser in Franken ergehen lassen, denen er sich freundschaftlich verbunden wußte. Schon am Abend vor dem Hochzeitstage waren zahlreiche Gäste in Drameysl erschienen, unter ihnen zur besonderen Freude Eppeles die edlen Herren Ulrich von Vestenberg, der ihn zum Ritter geschlagen hatte, Eberhard von Mosbach und Burkart von Seckendorf, die Zeugen seiner Schwertleite waren. Es wurde bei dieser Vorfeier bereits trefflich bankettiert und große Kurzweil im Burgsaale getrieben.

Noch hatte die herbstlich milde Sonne am andern Morgen die zarten Nebelschleier nicht ganz gehoben, die über das Wiesenttal gebreitet waren, da verkündete der Hornruf des Turmwächters schon wieder neuen Besuch. Wolf von Wurmstein trabte über die Zugbrücke und geleitete dem Freunde die Schwester und Braut zu, der Eppele bis ans Burgtor entgegengeeilt war und ihr nun kniend aus dem Sattel half. An seiner Hand ging Kunigunde die große Treppe hinauf und wurde im Saale von den zahlreich versammelten Gästen laut und herzlich bewillkommt. Vor ihr auf dem Ehrenplatz der Tafel prangte das silberne Vogelhaus, dem Eppele nunmehr unter launigen Reden die schönsten Schmuckstücke entnahm und sie seiner rosig blonden Braut umhing. Dann entführten die edlen Damen von Bernheim, von Seckendorf und von Schauenburg die Braut in die Frauenkemenate, wo die letzte Hand an das hochzeitliche Kleid gelegt werden sollte. Zu Eppele beugte sich nach dem Fortgang der Braut Knecht Pankraz und flüsterte seinem Herrn einige Worte zu, woraufhin sich Eppele von der Tafel und in die Burgstube begab.

Dort saß, bewacht von den Knechten Peter und Michel, der Kaplan Remigius von Muggendorf, den diese beiden Rauhbeine schon um Sonnenaufgang vom Pfühle geholt und nach Drameysl verbracht hatten. Der Pater schaute unwirsch um sich und wollte beim Eintritt des Ritters von Gailing aufmucken, war jedoch baß erstaunt, von dem Gailinger ausgesucht höflich angesprochen und um die Ehre gebeten zu werden, die Trauung des von Gailing mit dem edlen Fräulein von Wurmstein vorzunehmen. Ein zweiter Priester seines gottgefälligen und männiglich bekannten Wandels wäre weit und breit nimmer zu finden und müßte schon ein rechter Segen auf einer Ehe sein, die von dem frommen Pater Remigius am Altar beschlossen wäre. Der Muggendorfer Pfaffe wußte diese schmeichelhafte Rede Eppeles nur mit einem Kopfnicken zu erwidern und tat grüblerisch einen tiefen Schluck aus dem großen Weinhumpen, der inzwischen vor ihn auf den Tisch gestellt worden war.

Drei ritterliche Jünglinge und drei ritterliche Jungfrauen brachten die Braut zum Hochzeitszug, der im Schloßhof bereits harrte und dann bewegte sich die prächtige Gesellschaft zur Burgkapelle, wo Pater Remigius die feierliche Einsegnung des Brautpaares vornahm, alle Heiligen des Himmels um ihren Beistand für das neuvermählte edle Paar anrief und insgesamt eine Predigt vollführte, an der sich die anwesenden Frauen und Jungfrauen fränkischer Ritterschaft höchlich erbauten.

Im großen Rittersaale von Drameysl drängte sich nach vollzogener Trauung der Gästeschwarm um Eppele und seine junge Frau, beglückwünschte das Paar zu seinem Ehrentag und verteilte sich sodann langsam an der langen blumenübersäten Tafel. Pater Remigius glaubte jetzt die schicklichste Gelegenheit zu haben und bat Eppele um Urlaub heim nach Muggendorf, was aber der Gailinger fast beleidigt ablehnte und den Kaplan an einen Ehrenplatz der Tafel in nächster Nähe der Braut nötigte, lebhaft unterstützt von Kunigunde, die in ihrem arglosen Herzen nichts von den Gedanken Eppeles ahnen konnte. Dem Pater ward beinahe schwül. Was wollte er aber anders tun gegen soviel gute Sitte und ritterliche Lebensart, als den angewiesenen Platz einzunehmen und sich mit allen anderen Speise und Trank, wovon es überreichlich gab, gut schmecken und bekommen zu lassen? Es dämmerte bereits stark, als endlich die Tafel aufgehoben und der Saal zum Tanz gerichtet wurde. Bald klangen Fiedel und Pfeife, die Paare fanden sich und wirbelten durch den Saal, allen unermüdlich voran der junge Ehemann und Hausherr, der hierbei bewies, daß er ein nicht schlechterer Tänzer denn Reiter wäre. Pater Remigius hatte nach beendigter Tafel wieder einen Vorwand zum Aufbruch gesucht, war aber von Eppele festgehalten und mit vielen kluggesetzten Worten in eine stille Ecke des Saales verbracht worden, woselbst um einen runden Tisch die edlen und ritterlichen Herren von Vestenberg, von Mosbach, von Seckendorf und von Schauenburg bei noch etlichen grauen Schnauzbärten saßen und ein gewaltiges Bechern veranstalteten. Der von Schauenburg erklärte den Tanz für eine rechte Plage, wenn das Zipperlein schon in den Knochen säße und lobte sich dafür einen festen Trunk unter würdigen und weisen Männern, sonderlich in einem solchen Stiftswein von Würzburg, davon der Hausherr erst jüngst sechs große Stückfässer einem Prälaten abgejagt hätte. Der Muggendorfer Kaplan war ein trunkfester Mann und tat den ritterlichen Knasterbärten unverzagt Bescheid, spürte aber doch gegen die elfte Abendstunde ein leises Sausen im Kopf und war wohl nicht mehr ganz Herr seiner Sinne, als während einer Tanzpause plötzlich Eppele neben ihm saß und die gänzlich unverhoffte Frage tat, ob der hochwürdige Pater Remigius den Tanz wohl für eine Sünde halten möchte. Vor dieser kitzlichen Frage flüchtete Pater Remigius zunächst einmal tief in seine Kanne und tauchte daraus erst wieder nach einem endlosen Schluck hervor mit der Antwort, eine Sünde könnte ein Tanz in Züchten und Ehren kaum sein, tanzten doch auch die Englein im Himmel um Gottvaters Thron. Auf welche wahrhaft weise Auskunft hin sich Eppele mit vollendetem Anstand vor dem Pater verneigte und um die Ehre des nächsten Tanzes bat, der entsetzten Abwehr des Kaplans mit dem Hinweis begegnend, was die Engel im Himmel täten, dürfte wohl auch ein Pfaffe auf Erden tun, zumal ein solcher noch lange nicht so heilig wie ein Engel sei, den Pater trotz allem Sträuben vom Stuhl zerrte und wirbelnd in die Tanzreihe schwang. Nach Eppele kam der Wurmsteiner bei Pater Remigius um einen Tanz ein, nach ihm der Fuchs von Bimbach, den wieder der Dietrich von Wiesenthau ablöste, und gegen den Morgen drehte sich sogar der graue Herr Arnold von Schauenburg mit dem Kaplan im Reigen und versicherte nach beendigtem Tanz, kein Maidlein könne besser springen als der hochwürdige Herr von Muggendorf. Dazu wurde andauernd gebechert, so daß Pater Remigius bei Sonnenaufgang unter dem runden Tische lag und sanft schnarchte.

Auf einen Wink Eppeles erschienen Pankraz und Peter, nahmen den geruhig weiterschlafenden Kaplan hoch und huckelten ihn auf den Burghof, wo schon der Knecht Michel mit einem Schubkarren stand. Diesem Karren wurde Pater Remigius anvertraut, der nicht aus dem Schlafe zu bringen war. Michel hob an und hinter ihm pilgerten zwei Dutzend ritterliche Herren hinunter nach Muggendorf. Vor dem Ort entzündeten die Ritter, denen Eppele würdevoll voranschritt, am hellichten Tag die mitgebrachten Herzen und stimmten einen feierlichen Grabgesang an, der die Heiterkeit der schnell zusammengelaufenen Dörfler weckte. Am Pfarrhaus wurde Pater Remigius abgeladen und der weiteren Hilfe seiner rundlichen Haushälterin überlassen, die entsetzt die Hände über den Kopf zusammenschlug.

Der Bischof von Bamberg hatte die Geschichte kaum gehört, da berief er den Sünder, der sich immer noch nicht ganz von den Freuden der Drameysler Hochzeit erholt hatte, hielt ihm eine gesalzene Strafpredigt und steckte Remigius für sein weiteres Leben ins Bamberger Dominikanerkloster, wo er ungestört bedenken konnte, ob Tanzen eine Sünde sei oder nicht.


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