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VII.
Der schwarze Schnitter.

An Bord des »Washington« waren über sechszig Soldaten, eben so viele Matrosen und ein Dutzend zwölf bis fünfzehn Jahre alter Schiffsjungen. Der Capitain, ein Mensch mit wilden und gemeinen Zügen, aus dessen Augen ein grimmiger Haß gegen die Priester blitzte, befahl den Proscribirten, auf dem Deck zusammenzutreten und sich dort ruhig zu verhalten, bis ihnen Weiteres eröffnet würde. Nachdem er sie eine gute Weile hatte warten lassen, trat er vor sie hin und sagte: »Galgenfutter ihr, Feinde der Republik! Heuchler, was sollen die Cocarden an euern Hüten? Ihr entehrt den schönen Namen »Bürger«, beschimpft die Tricolore der Republik!« – Zu den umstehenden Soldaten: »Zieht euere Säbel und haut diesen verfluchten Pfaffen die edeln Abzeichen französischer Bürger von den Hüten herunter!« Unter dem Hohngelächter und Spottpfeifen der Schiffsmannschaft ward der Befehl sofort ausgeführt. Als es geschehen war, commandirte der Capitain, das Gepäck und die Koffer der »Herren« aufzuheben, die »Herren« selbst zu entkleiden und zu durchsuchen. Die Soldaten und Matrosen waren, der größern Mehrzahl nach, entzückt, ihren Patriotismus von neuem durch die That beweisen zu können. Einige von den Priestern trugen, aus Gesundheitsrücksichten, Leibbinden und dergleichen; das Schiffsvolk riß ihnen dieselben ab, zerfetzte sie, um zu untersuchen, ob nicht Geld oder Geldeswerth darin stecke und warf sie hernach in's Meer. Die guten Hüte wurden gegen schlechte umgetauscht, oder man riß wenigstens das Haarnetz heraus. Ferner wurden die Perrücken – sie gehörten zum Zeitgeschmack – muthwillig verdorben, die Schuhe mit Pfriemen durchlöchert oder mit Messern aufgetrennt. Ueberall hoffte man etwas Werthvolles zu finden. Die Habgier scheute nicht zurück vor den unschicklichsten Proceduren, welche näher zu beschreiben der Anstand verbietet. Als einer der Proscribirten seinen Unwillen hierüber nicht zurückhalten konnte, gab ihm der Capitain drei derbe Schläge mit der flachen Klinge über den Rücken. Jedem, der etwas verbergen würde, wurde mit den Strafeisen gedroht. Diejenigen, bei denen nichts mehr zu haben war, überhäufte man mit Beleidigungen.

Als die Untersuchung beendet war, mußten die Priester sich in einen Verschlag verfügen, der aus Eichenbrettern von zwei Zoll Dicke und acht bis neun Fuß Höhe auf dem Schiffsdeck hergerichtet war. Schildwachen mit Säbel, Pistolen und Bayonnetgewehr standen an beiden Enden. Vier Kanonen, die man in Gegenwart der Deportirten mit Kartätschen lud, und deren Mündung in den Verschluß reichte, waren auf die Gefangenen gerichtet; ohne daß diese es gewahrten, konnte man, hinter dem Verschluß, die Lunte auf die Zündlöcher halten.

In diesem Raume sollten die Priester sich wieder ankleiden. Man hatte von den Hosen auch die Schnallen abgerissen; die Gefangenen mußten dieselben mit Holzsplittern befestigen, welche sie hie und da abbrachen und mit den Zähnen oder Fingern bearbeiteten, indem man ihnen jedes scharfe Instrument, »um ihnen die Versuchung zum Selbstmord zu ersparen«, weggenommen hatte. Indessen erhielt Jeder zwei Hemden, eine Hose, drei Sacktücher, von denen eines als Halsbinde diente, einen Leibrock, einen Ueberwurf und zwei Kappen zurück. Aber nur für einige Wochen; da nahm man den Leuten ein Hemd, ein Sacktuch, ein Paar Socken, eine Kappe und den Ueberrock wieder fort.

Ein Schauder durchrieselte den Abbé Lecomtois, als er unter den Offizieren des »Washington« eines Lieutenants ansichtig wurde, den er seither noch nicht bemerkt hatte. Es war dies ein Mensch von kleiner Gestalt und abstoßenden Zügen, dazu hinkend und einäugig, – Marius Corcoret war es, jener Cannibale, welcher der ermordeten Prinzessin Lamballe das Herz aus der Brust gerissen hatte, wie der Abbé Lecomtois uns früher erzählte. Dieser Elende war nicht ohne Bildung, wußte gut zu parliren und galt bei dem ungebildeten Capitain als Orakel. In den Clubs von Rochefort war er einer der Haupthelden; die blutigsten Beschlüsse, welche dort gefaßt wurden, waren von ihm angeregt. Der Capitain des »Washington« that nichts, ohne den Lieutenant vorher zu Rathe zu ziehen; Corcoret war sein böser Genius.

Diese Beiden verabredeten sich, die Priester langsam zu Tode zu martern. Die Deportirten erhielten täglich ein Pfund Brod, welches oft genug verschimmelt und nicht zu essen war; bisweilen wurden statt dessen auch zwölf Unzen Schiffszwieback, der von Würmern wimmelte, gereicht. Mittags bekamen sie ein Stück Pöckelfleisch oder Stockfisch, so hart, daß mehrere darauf verzichteten, es zu kosten. Des Abends gab es Bohnensuppe, in welcher Hunderte von todten Kornwürmern schwammen. Jeder erhielt täglich eine halbe Flasche Wein, der aber häufig so abgestanden und schaal war, daß Viele ihm den Durst vorzogen. Das ganze Tafelgeschirr bestand in einem hölzernen Löffel pro Person, einem hölzernen Matrosennapf und einem eisernen Becher für je zehn Mann; auf jeden Tisch kam außerdem ein kleines Messer mit abgebrochener Spitze. Als dieses ein Mal auf dem vierzehnten Tische fehlte, weil man vergessen hatte, es aufzulegen, wurden alle Deportirten ihres Weines beraubt. Ein anderes Mal nahm man aus demselben Grunde sämmtliche Messer zur Strafe fort.

Während des Tages – es war mitten im Sommer – mußten die Proscribirten auf dem Deck verweilen; sie waren dort so dicht zusammen gepfercht, daß sie sich kaum regen konnten. Das Deck war mit Tonnen, Kabeln, Tauwerk und Brennholz überfüllt; hierzwischen hatten die Priester sich auf den Beinen zu halten. Wenn sie den Schildwachen nicht sechs Fuß vom Leibe blieben, so hatten diese Befehl, sie auf das Bayonnet zu spießen.

Dies waren die Unbequemlichkeiten des Tages; noch viel ärger hatten die Deportirten es während der Nacht. Sobald die Sonne sich in den Ocean senkte, oft auch schon früher, gab der Schließer das Zeichen zum »Schlafengehen«, indem er gewöhnlich mit den Schlüsseln rasselte. Die Gefangenen mußten dann auf einer äußerst engen Leiter zum Zwischendeck hinabsteigen. Dieses war fünf Fuß hoch; ein schlechter Bretterboden theilte es in zwei Stockwerke, deren jedes zwei und einen halben Fuß hoch war. Seite an Seite wurden die Priester dort, über und unter dem Bretterboden, neben einander gepackt, so dicht, daß sie sich nicht auf den Rücken legen, viel weniger sich rühren konnten. Viele hatten die Füße und Beine von fünf oder sechs Andern über sich, die nur mit dem Oberkörper auf dem Bretterboden lagen. Um Raum zu gewinnen, lag immer der Eine mit dem Kopfe nach jener Seite, wo sein Nebenmann die Füße hatte. Man konnte weder aufrecht sitzen, dazu waren die Kasten nicht hoch genug, noch sich gerade ausstrecken, denn es waren den Priestern in der Länge nur fünf Fuß zugemessen, die Meisten aber waren größer. Sie mußten sich krümmen und behelfen; daher eine gräßliche Spannung der Nerven, Anschwellen der Glieder, Krämpfe, Leiden aller Art, die den Opfern laute Schmerzensrufe auspreßten. Die Mehrzahl bat Gott um den Tod als die einzige Befreiung, welche noch zu hoffen war. Es war zwischen den Gefangenen ein sogenannter Durchgang gelassen, in welchem man Becken oder Kufen für die Nothdurft aufgestellt hatte. Wer diese Geschirre benutzen mußte, konnte in der Finsterniß auf Händen und Füßen sich zu denselben hintappen und hatte dabei über die in dem Gange Ausgestreckten hinwegzusteigen. Jene, welche den Kufen zunächst lagen, wagten kein Auge zu schließen; wie leicht konnte eins von den Gefäßen umgeworfen werden! An den beiden Enden des Gelasses standen große Mehlfässer; die Zwischenräume zwischen diesen waren mit Scheiten von Eichenholz ausgefüllt. Auch auf diesen Fässern hatte man so vielen Gefangenen als möglich ein Lager angewiesen, und die dort Liegenden hatten wenigstens keinen Unrath zu fürchten. Das Schlafgemach hatte zwei verriegelte Thüren, in denen sich ein kleines Holzgitter befand. Bei gutem Wetter ließen diese Gitter etwas frische Luft ein; aber wenn es regnete, wurden sie von außen mit einem Wachstuchlappen verhangen, und dann war es drinnen zum Ersticken. Mehrfach kam es vor, daß Einzelne unpäßlich wurden; auf die Bitte um ein Glas Wasser oder um die Erlaubniß, frische Luft zu schöpfen, antworteten die Wachposten: »Berstet, ihr Hunde! Vive la République!« Andere, die menschlicher fühlten, sagten wohl: »Wir möchten euch gern helfen, aber es ist uns verboten worden.« Langsam und qualvoll, unter unablässigen Seufzern und Schmerzensrufen, gingen so die Stunden der Nacht hin.

Zugleich mit den Torturen der Priester begannen des Abends die Zechgelage, der Unteroffiziere, Soldaten, Matrosen und Schiffsjungen auf dem Verdeck, gerade über dem Zwischendeck. Dies rohe Volk lachte zu den Klagen der Unglücklichen, machte sich lustig über deren schmerzliche Lage, floß über von Spöttereien und groben Blasphemieen. Einige rollten mit Kanonenkugeln auf dem Fußboden; andere trommelten auf den leeren Fässern; häufig tanzten sie auch zum Klang der Violine. Und dieser Höllenspectakel dauerte, bei schönem Wetter namentlich, oft genug bis Tagesanbruch. Die Hauptanstifter von alledem waren der Capitain und Marius Corcoret.

Da vier Deportirte todtkrank daniederlagen, so beschloß man, sich beim Capitain über das wüste Treiben der Mannschaft zu beklagen, und sandte eine Deputation ab, als deren Sprecher der Abbé Lecomtois fungirte. Der Capitain empfing sie kalt, in Gegenwart des Marius Corcoret. »Bürger,« redete Lecomtois den Capitain an, »Sie wollen erlauben, daß wir eine Reclamation an Sie richten, von der wir zu hoffen wagen, daß Sie dieselbe gerecht finden werden+...«

»Es gefällt euch hier nicht, he?«

»Geduldig tragen wir unser Loos; Sie werden aber mit uns der Meinung sein, daß man dasselbe nicht noch unnöthiger Weise verschlimmern soll. Wir können nicht schlafen+...«

»Hahaha! ihr strecktet euch wohl lieber auf Eiderdaunen?«

»Vier unserer Mitbrüder liegen am Sterben, Bürger; das Getümmel des Nachts über ihnen verursacht ihnen große Qual. Ließe es sich nicht abstellen?«

»Anmaßendes Pack, das ihr seid, ihr »Herren« Deportirten! Wenn es nach euern Launen ginge, so müßten wir hier wohl wie in einem Grabe leben. Scheert euch fort und sagt denjenigen, die euch geschickt haben, daß ich ihnen verbiete, mich inskünftig mit einer ähnlichen Deputation zu belästigen.«

Die Priester wagten nochmals zu bitten. Da aber fuhr der Capitain doppelt grimmig auf. »Meine Leute amüsiren sich,« schrie er, »und sie thun gut daran; ich sehe das gern!«

Ihren Unwillen bemeisternd, aber Thränen in den Augen, entfernten sich die Priester.

Je nach der Laune des dienstthuenden Offiziers mußten die Gefangenen dreizehn bis vierzehn Stunden in ihrem Nachtquartier zubringen. Auf erhaltenen Befehl öffnete dann der Schließer die Thüren. Aber sogleich durften nur die zwölf bis fünfzehn Stärksten hinaufsteigen, und diese mußten das Deck sowie den Stall eines Schweines, welches man auf dem Schiffe anmästete, reinigen. Zweihundert Eimer Wasser hatten sie, theils auf den Boden des Schiffes, theils auf den Körper des Thieres, zu schütten und alle Unreinigkeiten wegzufegen. Danach wurde einer mit zwei Töpfen Theer hinuntergeschickt; in diese warf man zwei glühende Kanonenkugeln, verschloß alle Oeffnungen, durch die der Rauch entweichen konnte, hermetisch und ließ die Priester in dieser erstickenden Atmosphäre eine ganze halbe Stunde lang. Nicht Wenige bekamen das Blutspeien in Folge dieser Räucherung. Oeffneten sich endlich die Thüren, so mußten, ehe Jemand herauskam, die Nachtgeschirre von den Priestern die enge Leiter heraufgeschafft und oben gereinigt werden.

Das Morgengebet, wozu die Mannschaft des »Washington« durch den Klang der Schiffsglocke versammelt wurde, bestand in Absingung der Marseillaise, der Carmagnole und in Rufen wie: »Vive la République! vive Robespierre! vive la Montagne!« Oeffentlich zu beten, war den Priestern unter Todesstrafe verboten. Nichts desto weniger verrichteten sie regelmäßig zusammen ihr Tischgebet; und da der Capitain Alle zugleich hätte bestrafen müssen, so sah er von der Ausführung seiner Drohung ab.

Nach Ablauf eines Monats war die Zahl der Kranken auf dem »Washington« so groß, daß man sie von den Gesunden trennen mußte. Marius Colcoret meinte, man solle damit nicht zu sehr eilen. »Noch ein wenig Geduld,« sagte er zum Capitain, »und wir haben uns dieser Bösewichter entledigt; die Republik wird uns den Dienst nicht unvergolten lassen.«

»Wie mir der Arzt sagte, wüthet der Scharbock unter den Pfaffen,« bemerkte der Capitain.

»Um so besser,« versetzte Corcoret; »der wird sie bald niederstoßen, die räudigen Schafe!«

Auf diesen Rath hin wartete der Capitain in der That mit der Absonderung der Gesunden von den Kranken. Aber die Soldaten und Matrosen fingen bald laut zu murren an, indem sie selbst vom Scorbut befallen zu werden fürchteten. Der eben so feige wie boshafte Corcoret wagte nicht, dem Unwillen der Mannschaft zu trotzen. »Aber,« sagte er zum Capitain mit seinem teuflischen Lächeln, »uns und ihnen kann Genüge geschehen. An's Land setzen wir die kranken Briganten nicht, sondern bestellen aus dem Hafen von Rochefort zwei Lichterschiffe, die als Hospitäler dienen sollen.«

»Wer aber soll ihnen aufwarten?« frug der Capitain. »Man darf sie doch nicht ganz allein lassen.«

»Eigentlich ist die Nation ihren Feinden nichts schuldig als den Tod. Ha, in den Pariser Gefängnissen machten wir kürzern Proceß mit den Hunden! Aber meinethalb; auch dieses hat seinen Reiz …Aufwarten? Ei, natürlich werden sie sich selber aufwarten, die Gesunden den Kranken. So bleibt der Schein gewahrt und wird der Zweck erreicht.«

Der Capitain stimmte dem Vorschlage zu. Am folgenden Tage legten zwei Lichterschiffe beim »Washington« an und nahmen alle schwer erkrankten Deportirten auf nebst mehrern gesunden Priestern als Wärtern. Alles, was die Kranken täglich erhielten, bestand in Gerstenwasser und Fleischsuppe. Marius Corcoret verfiel einige Tage später darauf, ihnen auch ein heftiges Brechmittel eingeben zu lassen, sorgte aber zugleich dafür, daß kein Süßwasser an Bord der Schiffe kam. Das Heilmittel wandelte sich, ohne Süßwasser genossen, in tödtliches Gift um: die acht Kranken, welche es genommen hatten, starben unter gräßlichen Schmerzen.

Die beiden Achterschiffe hatten mit Hospitälern nichts gemein als den Namen. Kein Arzt versah die Kranken. Ganz angekleidet lagen die Unglücklichen auf dem nackten Fußboden, ohne Bettlaken und Decken, den Wogen des Meeres auf allen Seiten preisgegeben. Täglich wurden diejenigen, welche starben, durch neue Kranke ersetzt. Man könnte glauben, daß der Tod, indem er die Zahl der Deportirten auf dem »Washington« verminderte, auch die Hitze, welche sie quälte, verringert hätte. Aber auch dieser unbedeutende Trost wurde den Priestern verweigert; aus einem Depot zu Rochefort wurden immer neue Deportirte in Stelle der abgegangenen an Bord gebracht. Der Capitain und Marius Corcoret beglückwünschten sich gegenseitig über den trefflichen Erfolg ihres Planes.

 

In Rochefort verbreitete sich endlich das Gerücht, daß die Pest auf den Deportationsschiffen grassire, und es wurde deshalb ein Arzt zur Untersuchung beordert. Als dieser auf dem Zwischendeck ankam, fragte er die Gefangenen, wo sie schliefen. Sie erklärten ihm die Art und Weise, wie sie ihre Nachtruhe abhalten mußten, worauf der Arzt bemerkte: »Ich bin nicht überrascht, daß ihr alle angeschwollene Beine habt; denn in der Lage, worin ihr euch des Nachts befindet, kann unmöglich das Blut circuliren.« Dann wandte er sich an den Capitain mit den Worten: »Man muß das Zwischendeck nothwendig mit Weinessig räuchern, um die Luft zu reinigen.« Der Capitain versprach, daß dies geschehen solle; aber er ließ nach wie vor mit Theer räuchern. Als derselbe Arzt das andere Schiff, die »Zwei Kameraden«, besichtigte, rief er unwillig aus: »Hätte man gestern vierhundert Hunde anstatt dieser Deportirten dort unten hineingeworfen, so wären sie heute Morgen insgesammt todt oder toll gewesen!«

In den ersten Augusttagen 1794, als der eben erfolgte Sturz Robespierre's und seiner Bergpartei auf dem »Washington« noch nicht bekannt war, versammelte der Capitain seine Offiziere und theilte ihnen mit, daß er beschlossen habe, sich mit einem Schlage der Deportirten zu entledigen, weil »der schwarze Schnitter ihm nicht rasch genug mähe«. »Unsere Kanonen,« fuhr er fort, »sind, wie ihr wißt, mit Kartätschen geladen; wir wollen sie auf die Schurken abschießen und diejenigen, welche verschont bleiben, über die Klinge springen lassen. Hier, wo der Commandant der Rhede uns beobachten kann, geht es aber nicht, wir müssen auf die hohe See hinaus.« Die Mehrzahl der Offiziere stimmte dem Capitain bei, und dieser traf sofort seine Anstalten. Auf das Anstiften Marius Corcoret's mußten die Priester den Matrosen und Schiffsjungen behülflich sein bei den Vorkehrungen zu ihrer Hinrichtung. Als alles zum Ankerlichten fertig war, begab sich der Capitain in einer Schaluppe nach Rochefort, um die Ordre zur Abreise einzuholen. Erst nach sechs Tagen erschien er wieder an Bord, finster, in sich gekehrt und aufgeregt. Marius Corcoret war der Einzige, der ihn anzureden wagte. »Was ist vorgefallen?« frug er den Capitain, als sie in dessen Cabine allein waren.

»Das Revolutions-Comité, zu dem ich mich begab, billigt zwar unsern Plan,« antwortete der Gefragte, »aber wir müssen mit der Ausführung desselben warten …In Paris sind große Veränderungen vor sich gegangen …Robespierre ist nicht mehr!«

»Nicht möglich!« rief Corcoret, erbleichend. »Vor wenigen Tagen war er ja noch allmächtig!«

»Alles hat sich über Nacht geändert. Die ›Gemäßigten‹ haben gesiegt; Robespierre ist mit vier und achtzig seiner Parteigänger auf der Place de la Revolution guillotinirt worden, nachdem er sich vorher vergebens durch einen Pistolenschuß selbst zu entleiben versucht hatte. Welche Wendung die Dinge nehmen werden, weiß man noch nicht. Das Revolutions-Comité verlangt, daß wir auf neue Ordre warten.«

»Was wird die Mannschaft sagen, wenn sie diese Neuigkeiten erfährt! Und wie werden die Briganten von Pfaffen sich freuen!«

»Der Mannschaft werde ich selbst Bericht erstatten. Wir müssen aber von jetzt ab noch strenger als bisher über die Priesterhunde wachen, daß sie mit unsern Leuten in keinerlei Berührung kommen. Und dann müssen wir Mittel und Wege finden, daß der schwarze Schnitter rascher mit seiner Mäharbeit vorwärts macht+...«


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