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XVIII

Aus dem Tagebuch der Prinzeß Marie. – –

»So unfein war das alles, so häßlich!

Wie die Buddenbrocks dahin kommen, ist mir völlig unfaßbar. Aber sie sind bei den Leuten wie zu Hause und verteidigen sie auf Tod und Leben. Und was da noch alles hinkommt! Es soll mich nicht wundern, wenn die Frau zum Hofmedium ernannt wird.

So kann ich auch Geister erscheinen lassen! Meiner Seel, ich tu's. Lida freut sich schon drauf, wie ein Schneesieber. Ich putze mich als Ahnfrau. Wenn ich wieder einkaufen fahre, besorge ich mir Geistertüll und spuke, daß der ganzen Dienerschaft die Haare zu Berge stehen. Ich bin zu neugierig darauf, wie der Bensheim die Sitzung ausschlägt. Sie sah bejammernswert mitgenommen aus, ganz gebrochen und geistesabwesend. Eigentlich spielt man ihr auch zu arg mit. Die Meiringen ist schuld, sie kapriziert sich darauf, den Svengali zu beseitigen, spielt va banque – sie oder er! Man soll die Arme doch ihren Seladon heiraten lassen; wer weiß denn, ob es nicht gut ausschlägt? Die Meiringen legt sich doch nur aus Egoismus dazwischen: sie konnte die Bensheim so schön tyrannisieren und wurde dafür noch gut gefüttert.

Aber Edgar und die Rose – das war zu komisch.

Und was sagt – er dazu? Mit weiser Miene: Die spiritistischen Vorgänge sind so dunkel, mit Übergängen in die menschliche Zutat, daß man sehr vorsichtig mit der Beschuldigung eines Betruges sein muß ... Natürlich er muß fortfahren zu glauben, sonst ist die bezaubernde Frau Professor kompromittiert, und das darf ja nicht sein!

Ich armes Schattenblümchen – ich Nichts ...

Wenn ich nur ahnte, was er mit dieser Frau beabsichtigt!

Sie erdrückt mich und ich hasse sie – Punktum.

Ich hatte mich darauf gefreut, der Herr Wellmer würde die Schwindlerin entlarven, aber eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus.« –

»Entsetzlich – die arme Bensheim!

Wir sind alle ganz erschüttert. Die Meiringen ist ein Satan, trotz ihrer Krokodilsmiene und ihrer Aufregung. Ich gönnte ihr's, wenn die arme Gräfin ihren Verstand in der Anstalt nicht wieder fände und die gute Freundin fortan für sich selber sorgen müßte.

Das ist ja eine Katastrophe, eine Tragödie. Die Meiringen ist eben fort und hat berichtet.

Sie hat der Gräfin noch vorgestern Abend nach der Sitzung versucht, den Kopf zurecht zu setzen, wie sie sagte. Wellmer hätte den Vorhang aufgeschlagen und, während sie ohnmächtig gewesen, gezeigt, daß es die Frau gewesen, die den Geist gespielt. Also der Beweis, daß sie mit der ganzen Edgar-Komödie hinters Licht geführt worden.

Die Bensheim hat dazu geschwiegen, ihren Kopf gehalten und gewimmert.

Sie solle einfach den kurzen Entschluß fassen, den schwindelhaften Glücksritter fahren zu lassen, dann würde sie auf einmal ruhig werden.

Nein, nein, mein Edgar war da; o, warum habe ich seine Rose nicht mitgenommen! Ihr macht mich verrückt!

Die Finger in die Handfläche gekrallt und umgebogen gegen die Schläfe gedrückt und weiter gewimmert.

Die Meiringen ist denn doch bedenklich geworden, hat sie mit der Jungfer zusammen zu Bett gebracht und die Jungfer wachen lassen.

In der Nacht kommt die und weckt, steht leichenblaß mit dem Licht in der Hand: Die Gräfin sitzt im Bett und hat ganz wirre rote Augen und führt sonderbare Reden, jammert, faßt immer in die Luft – berichtet sie.

Die Meiringen nimmt rasch etwas über und läuft hinüber: richtig!

Mein guter Edgar – da ist er ja, siehst du ihn? Aber er will mir die Rose nicht geben, wenn ich zugreife, so nimmt er sie weg. Da – da ... Warum soll ich denn den Axel nicht heiraten, du hast's doch selber gewollt ...

Und immer wieder: Da – da ...

Dabei hat sie jedesmal in die Luft gefaßt. Die Meiringen hat ihr eine kalte Kompresse anlegen wollen, aber da ist sie furchtbar erregt geworden, sodaß die Angst bekommen hat, sie könnte tobsüchtig werden. Sie hat ihr gut zugeredet und heimlich die Jungfer zum Portier geschickt, um ihn zu wecken, damit er nach dem Sanitätsrat telefonierte. Sie haben die Bensheim dann hingehalten, bis dieser gekommen, und die Meiringen hat ihn gefragt, ob die Arme den Verstand verloren oder im Fieber phantasiere?

Der hat die Achseln zugezuckt – hochgradige Nervenerregung – hat ein Schlafmittel verschrieben und solange gewartet, bis sie es besorgt und der Gräfin eingegeben haben.

Dann ist die eingeschlafen, hat bis früh geschlafen, bis der Sanitätsrat wieder gekommen, ist von seinem Sprechen aufgewacht, hat aber niemand erkannt, sondern trübselig umhergestiert, worauf sie ihr etwas Kakao beigebracht haben.

Nun etwas ganz Jammervolles:

Um elf Uhr kommt eine Sendung von Gerson für sie. Die Meiringen fragt sie danach, bekommt aber keine Antwort – öffnet –

Ein Brautkleid mit Schleier! Sie hat das wahrscheinlich mit Svengali zusammen hinterm Rücken der Meiringen besorgt. Solch eine Ironie des Schicksals!

Sie hat dann nochmals aufstehen wollen, nur mit Mühe haben sie das verhindert. Gegen Abend ist wieder der Sanitätsrat da, meint, daß es schlecht stehe; er will noch eine Nacht mit dem Schlafmittel versuchen, wenn's dann nicht besser mit ihr ist, muß sie in die Maison de Santé.

Da klirrt's draußen – Svengali tritt auf, die Meiringen hört seine Stimme im Korridor. Um Gotteswillen, Herr Sanitätsrat, ich beschwöre Sie, der Herr muß wieder gehen, helfen Sie, er ist schuld an dem Zustande der Gräfin.

Sie gehen hinaus: der Rittmeister in full dress, womöglich fertig für's Standesamt. Mein Herr, sagt die Meiringen, die Gräfin ist irre, wird in eine Nervenheilanstalt gebracht werden müssen. Und der Sanitätsrat benickt das.

Ach, sagt der Rittmeister, aschgrau im Gesicht, zwischen den Zähnen, dabei habe ich als Verlebter der Gräfin denn doch ein Wort mitzureden. Die Meiringen stellt sich mit ausgebreiteten Armen vor die Tür, er bekommt aber doch die Türklinke zu fassen, öffnet –

Axel! schreit die Bensheim aufgerichtet vom Bett – Hilfe! Axel! bleib draußen, er wird dich erwürgen – Edgar ist hier – da – da–

Ich mache Sie verantwortlich, sagte der Sanitätsrat ...

Da verliert der Rittmeister die Kontenance, schmettert die Tür zu, packt die Meiringen bei der Hand und zischt sie an: Ich gratuliere, Baronin, es ist Ihnen gelungen, dies arme Weib verrückt zu machen. Sie haben gesiegt. Hol Sie der Teufel! – Und Sie mein Herr Doktor, oder wer Sie sind, wenn Sie jemand verantwortlich machen wollen, so empfehle ich Ihnen diese Dame dafür.

Weg ist er. Der Elende! sagt die Meiringen mit Emphase.

Sie und der Sanitätsrat haben ihre liebe Not gehabt, die Bensheim so weit zu beruhigen, daß sie ihr noch einmal das Schlafmittel haben einflößen können. Dann hat der Sanitätsrat unten nach der Maison de Santé telephoniert und noch gestern Abend haben sie die Unglückliche in einem Krankenwagen nach Schöneberg geschafft.

Der Spiritismus scheint mir gar keine so harmlose Sache zu sein, mein lieber Georg, meinte Großmama.

Das Reiten auch nicht, sagte der.

Das ging natürlich auf mich; er sah mich auch an mit einem Blicke ... Er soll mich nicht so ansehen! Es genügt, wenn er seiner Frau Professor solche Augen macht.

Der abscheuliche Spiritismus!

Er ist an allem schuld ... ja, an allem ...« –

»Ich habe Herzweh, eine gräßliche Unruhe.

Onkel Georg will auf einmal wieder verreisen, und diesmal auf länger. Erst hat er eingewilligt, daß Mama kommt; ich war so glückselig ... auf einmal will er ihr aus dem Wege gehen.

Alles umsonst gewesen! Es ist zum Weinen. Er bedauert: Ein andermal. Gibt gar keinen Grund an, warum er reist, nicht einmal Großmama weiß einen. Er kann so schrecklich verschlossen sein. Ob es ihm auf einmal so peinlich erscheint, mit Mama zusammen zu treffen, nachdem er sie so viele Jahre als Luft behandelt? Es quält ihn etwas, das ist sicher, denn er geht herum wie eingefroren.

Nur vorhin, als wir uns gute Nacht sagten, blieb er vor mir stehen, legte mir die Hand auf den Kopf und strich leise darüber und sah mich ein Weilchen mit guten Augen starr an. Mein Haar knisterte und ich zitterte, glaube ich. Durchläuchting, schlafe wohl, sagte er.

Und doch will er fort – und ich liebe ihn, ich liebe ihn so über die Maßen und soll hier bleiben, allein, lange – wer weiß, wie lange, er sagt es nicht.

Ich hätte weinen können, aber ich dachte an eins: Er kann sich von der schönen Professorsfrau trennen! Und darüber mußte ich jubeln innerlich ...« – – Die folgenden Seiten im Tagebuch der Prinzeß sind unbeschrieben geblieben.


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