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Pfingstabend.

Verging so die Zeit, wie sie konnte, von Ostern bis Pfingsten, und mit den beiden jungen Menschen stand es noch immer beim Alten. Sie waren nicht ganz verzagt; denn sie setzten ihre Hoffnung auf die Zukunft und den, der über sie bestimmt.

Pfingstsonnabend ging Sejers hinüber zu Ibs – wie er so oft tat, kann ich mir denken –, um zu hören, ob sie nächsten Nachmittag, wenn sie aus der Sörslever Kirche gekommen waren, mit in den Aunsbjerger Wald durfte. Es war nämlich eine alte Sitte in der Gegend – und ist es noch, möchte ich glauben – daß sie sich am ersten Feiertag im Grünen versammeln und sich am Tanz belustigen.

Den Sonnabend, von dem wir nun sprechen, da Sejer zu seiner Liebsten hinüberkommt, stand sie da und hatte sich bereits geschmückt.

»Guten Tag, Maren!« sagt er, »was gibts denn, daß du so fein heute bist?«

»Ich habe vor«, sagt sie, »zu der gnädigen Frau hinaufzugehen und sehen, ob sie nicht ein gutes Wort für uns beim Herrn einlegen wollte.«

»Hm«, sagt er, »das könnte ja glücken. Ich will mit dir gehen und draußen warten, während du drin bist.«

Sie gingen.

Als sie nun auf den Hof ging, setzte er sich auf einen Stein an der Einfahrt. Und kam da ein Waldwagen mit einem großen Eichstamm angefahren, der zum Sägegraben sollte. Aber die Pferde waren klein und abgetrieben und gerade vor dem Tor ging es überhaupt nicht mehr weiter. Der Mann – es war ein Bauer, der diese Fronarbeit bekommen hatte – hieb auf die Mähren ein; aber die konnten den Wagen nicht fortbekommen. Da kam der Waldhüter dazu und schalt, und der Verwalter, und zuletzt der ehrbare und wohlgeborene Jörgen Marsviin. Und sie schimpften alle miteinander auf den Bauern, daß er mit solchen Schindmähren fronen gekommen war – ich glaube, es waren die besten, die er besaß.

Sejer sitzt da und besieht sich das; und schließlich grinst er zu all dem Gelärm, das sie da vollführen.

Das sah der Herr, und da sagt er: »Was sitzt du da und grinst?«

»Ich glaube«, sagt er, »das Gespann ist nicht schwerer, als daß ich es alleine ziehen könnte.«

»He! Spann aus!« ruft der Gutsbesitzer dem Fuhrmann zu. Und da das getan war, sagt er zu Sejer: »Faß du nun an! Und kannst du den Wagen ziehen, so gebe ich dir, was darauf liegt; aber kannst du es nicht, dann kommst du hinauf und kannst auf dem Holzpferd reiten.«

Da begann der Bursch sich zu entschuldigen und sagte, daß das nur Spaß von ihm war. Aber der Herr sagte zu ihm, er werde ihm schon abgewöhnen, in seiner Gegenwart zu spaßen, und eins von beiden müßte er nun.

»Jaja«, sagte Sejer, »muß ich, dann muß ich.«

Damit ging er zu dem Wagen, nahm die Deichsel ab und faßte die Querhölzer, beugte sich vor und zog – und der Wagen ging gut mit; aber seine Holzschuhe gingen in Stücke, so fest war er auf den Boden getreten.

»Du bist kein Duckmäuser«, sagte der Gutsbesitzer – und er selbst war das auch nicht; denn man erzählt noch jetzt von ihm, daß, wenn er aus dem Tor ritt, er sich an einem Eisenring des Türhammers festhalten und mit den Beinen sein Pferd von der Erde heben konnte – »Nimm nun den Baumstamm und sieh selbst zu, wie du ihn heim bekommst! Und was die Pacht betrifft, so wollen wir abwarten.«

Wer jetzt froh wurde, das war Sejer. Und er bedankte sich und rollte den Baumstamm herab und setzte sich darauf und sah zum Tor hinein nach seiner Maren.

Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie kam. Aber sie sah aus wie das reine Elend.

»Gott Gnade uns elenden Menschen«, sagte sie – sie konnte kaum vor Weinen. – »Wir können einander nie bekommen.«

»Das ist ja eine schlimme Rede, mit der du da kommst«, sagt Sejer; »der Mann hat es mir halbwegs hier draußen gelobt – was ist mit ihm geschehen?«

»Die gnädige Frau hatte es auch«, sagt sie, »aber jetzt wirst du hören, wie es mir ergangen ist. Da ich die Treppe hinauf und in den schmalen Gang gekommen war, der da ist, kommt ein Großer mir entgegen und er sieht mich wohl auch – ich konnte nicht an ihm vorbei, denn er war zuerst gekommen – und da sagt er: »Du bist« – wie er fluchen konnte – »das schönste Mädchen oder die schönste Frau, was du nun bist, die ich hierzulande gesehen habe. – Sage mal, willst du mich gern haben?« – »Nein«, sage ich, »das darf ich nicht.« – »Wenn du willst«, sagt er, »dann darfst du auch. – Ich bin Baron – nun weiß ich nicht, wie er sich nannte – »komm nur heut abend hierher, dann wird mein Diener schon aufpassen und dich zu mir weisen.« – »Nein«, sage ich, »das ist Sünde – und ich habe auch einen Liebsten, und ihn darf ich nicht zum Narren halten.« – Da nahm er eine Handvoll Geld heraus und zeigte es mir; aber ich schlich mich um ihn herum und zur gnädigen Frau hinein. Sie war sehr gnädig zu mir, und der Herr kam dazu, und es sah so aus, als wollte er mich erhören. Aber da kommt dieser Herr Baron und steht da und lauert, und dann sagt er: »Ist das ein anständiger Kerl, den sie haben will, dann darf er sie nicht nehmen. Denn sie ist ein liederliches Ding; ich sah sie hier draußen im Gange stehen und mit einem der Diener liebtun.« Wie der Schuft mich so verleumdet hatte, schalten der Graf und die gnädige Frau mich aus und befahlen mir, ich sollte mich packen und ihnen nie wieder vor die Augen kommen.«

»Herr Gott, Maren«, sagte Sejer, »sollst du nichts andres für deine Tugend und deine Treue gegen mich haben, du Ärmste! Aber – unser Herr lebt noch! Wir wollen nicht traurig sein; es ahnt mir so, daß wir einander doch noch bekommen sollen – und wenn es so viele Herren und Frauen gäbe, wie es Blätter im Aunsbjerger Wald gibt.« –

Ma-Ibs seufzte, als ob ihr Herz brechen sollte, aber sagte nichts. Er sprach nicht viel, bis sie nach Uannet gekommen waren und sich trennen sollten, jeder nach Haus; da sagt sie:

»Gutnacht, Sejer, und danke für heute!«

»Danke dir auch, Maren!« sagt er, »es geht dir schlecht genug um meinetwillen. Ich fürchte, ich kann dir das niemals entgelten. – Unser Herr wird es!« –

»Willst du morgen zum Tanz in den Wald?« fragte er das Mädchen.

»Willst du?« fragte er wieder.

»Nein«, sagte sie, »ich habe keine Lust.«

»Ich auch nicht«, sagte er.

»Dann wünsche ich Gutnacht!« sagte sie und gab ihm die Hand.

»Und ich dir auch!« erwiderte er; und damit trennten sie sich.

Aber es war noch mehr Schlimmes übrig für die arme Maren, ehe sie zur Ruhe kommen durfte. Als sie hineinkam, da saß er da, der Kohlenbrenner Ole Ohnebrot.

»Kommst du jetzt, mein kleines Mädel!« sagt er. »Hast du es dir überlegt?«

»Was?« sagt sie.

»Hast du das denn vergessen?« sagt er, »das ist doch nicht länger her, als seit Ostern – doch deswegen, daß du zu mir ziehen solltest. Und sieh mal hier! Damit du nicht glaubst, ich freie mit Dünnbier und trocken Brot, da will ich dir dies hier als Verlobungsgeschenk geben.« – Damit holte er eine gewichtige Silberhalskette mit einem daran hängenden Herz aus demselben Metall hervor. – »Hättest du sie gekannt, die sie getragen hat, als sie noch lebte, dann würdest du sie nicht eine Lumpenliese geschimpft haben!«

Bei diesen Worten machte er dem Vater eine so seltsame Miene, daß die Tochter von einer heimlichen Angst ergriffen wurde.

Der Alte stutzte und wußte nicht, ob er seinen eigenen Augen trauen sollte; keiner von ihnen sprach ein Wort.

»Na, willst du sie haben?« wiederholte Ole.

»Nein«, stammelte das Mädchen hervor und wollte hinaus, um Trost bei ihrem Liebsten zu suchen.

Aber der fürchterliche Freier ergriff sie beim Arm mit der einen Hand und mit der andern den Schmuck verwahrend, sagte er: »Komme ich zum dritten Mal, will ich kein Nein haben.«

Und ohne weiter Abschied zu nehmen, ergriff er Mütze und Stock und ging seiner Wege.

»Jetzt kommt der Knecht mit den Kühen«, sagte Ib und setzte sich auf den Dreifuß.

Ma-Ibs ging hinaus, um zu melken; aber sie sang nicht, wie sonst bei dieser Arbeit. Sejer schwemmte seines Vaters Pferde; aber er pfiff nicht, wie sonst. Das war auch ein elender Feiertagsabend für die beiden.


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