Margarete Beutler
Leb' wohl, Bohème!
Margarete Beutler

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IV Leichtes Volk

Offenbarung

        Sinnend schritt ich durch des Morgens Stille
Meinen goldbeschuhten Wünschen nach;
Mir zur Seite durch die Felsen brach
Silberrieselnd sich der Wasser Fülle,
Auf den Moosen glühten Diamanten
Und Smaragde an der Steine Kanten –
Seufzend sah ich all das Gleißen: »Ach,«
Bat ich, »lieber Gott, in deiner Hulden
Warum zahlst du mir nicht meine Schulden? –«
Und ein Rauschen, wie wenn tausendfach
Fittiche sich in die Lüfte hoben,
Lief durch den Gesang des Wasserfalles . . . .
Gläubig wandte sich mein Blick nach oben.
Und Gott sprach: »Mich rührt dein ew'ger Dalles –
Greife zu! Ich schenke dir dies alles!« – 64

 

Meine Bekehrung zum Islam

        Planlos stand ich vor dem Laden eines grauen Orientalen
Und beäugte die Paraden alter Tassen, Waffen, Schalen,
Als mein Blick drei Worte faßte. – Unter silbernen Grelots
Auf dem Grunde eines Gürtels stand da deutlich und kurios:
                    Allah ist groß!

Diese Worte, die in blauer Seide silbern eingestickt,
Senkten in das Herz mir Trauer, das schon längst ein Gram gedrückt;
Denn in meiner Taschen Dunkel wuchs höchst spärlich nur das Moos,
An der Börse meiner Börse gab es Baisse stets satt Hausse:
                    Allah ist groß?

Ja, gewiß, ich zweifle – sprach ich – nicht an seiner Größe Macht
Aber zur Bedingung mach' ich, daß für mich sein Wille wacht –
»Jene Strümpfe, Gott der Türken, schenk mir, die so namenlos
Ich ersehne, dann verkünd' ich fortan mit Posaunenstoß:
                    Allah ist groß!

Jene Strümpfe, altgoldseiden, die der Gatte mir verwehrt,
Schenk sie mir! Dies wird entscheiden, ob mein Herz dich gläubig ehrt. –«
Und sieh da, gerade als ich also leise flehte, schoß
Ein Gedanke in den Schädel, so, daß mich nicht mehr verdroß:
                    »Allah ist groß!« 65

Ein Gedanke, so erhaben, wie ihn unter heitrer Stirn
Stets nur edle Götter gaben, ward in meinem Menschenhirn,
Schnell barg ich mich, selig lächelnd, in der Kemenate Schoß,
Aus den Tiefen meiner Seele rang es sich versöhnend los:
                    Allah ist groß!

Hier in meiner Kemenate schrieb ich voller Seelenruh,
Und die Sterne standen Pate, und der Mond sah schmunzelnd zu.
Ei, wie schwärzte sich der Bogen! Aus der feuchten Feder floh's,
Ward zu rhythmischen Girlanden, ward zu lyrischen Tableaus!
                    Allah ist groß!

Und mit dem beschriebnen Bogen trieb der Gott mich eilends fort,
Bis der Großstadt dunkle Wogen spülten mich an richt'gen Ort:
In den indiskreten Räumen eines Redaktionsbureaus
Ward ich die erhabnen Verse für zwei Louisdor'chen los.
                    Allah ist groß!

Um dies Geld, das ekle, runde, das nur dort verabfolgt ward,
Tauscht' ich noch zur selben Stunde jene Strümpfe, himmlisch zart
Mit den goldnen Lorbeerkränzen an der Wade – (dies sub rose)
Ach, vergnügter war kein Weibchen seit den Zeiten Salomos:
                    Allah ist groß! 66

Ja, er kann Gedanken wandeln, bis sie Gold und Silber sind,
Kann für dieses Strümpfe handeln wie ein Traum so zart und lind,
Kann durch diese Strümpfe heben einen armen Erdenkloß
Über die gemeinen Höhen ordinären Glücksniveaus:
                    Ja, er ist groß!

»Wär' ich nicht ein Weib geboren, hätt' ich dir,« so sprach ich leise,
»Gott der Türken, gern geschworen, dir zu danken edler Weise;
Einen Harem würd' ich halten, unerhört und riesengroß,
Vierzehnhundert kleine Türken schrieen schon im Mutterschoß:
                    Allah ist groß!«

Als dann Freksa kam, der Gatte, der aus Sparsamkeitsprinzip
Nicht gekauft die Strümpfe hatte, rief ich: »Allah hat mich lieb!
Sieh nur, was für schöne Strümpfe! Keine Tochter Pharaos
Trug jemals dergleichen. Sieh nur, sitzen sie nicht ganz famos?:
                    Allah ist groß!« 67

 

Das Leb-Embryo

        In München haust und anderswo
Das zierliche Leb-Embryo.

Am Tage macht es sich meist rar,
Zu Nacht erscheint's in seiner Bar.

Dort bilden Austern und Sellerie
Die Nahrung des Leb-Embryi.

Bei diesen Bissen auserlesen
Verpuppt es sich zum Lebewesen.

Als solchenes vertilgt es stumm
Zwei Flaschen extra dryen Mumm.

Auch sieht man es den Rauch der »queen«
Possierlich durch die Nase ziehn.

Und sieh, und sieh, beim Mokkakännchen,
Da wird es schon ein Lebemännchen.

Und es bewältigt lächelnd nun
Zwei Cocktail und ein kaltes Huhn.

Noch einen Kaviar frißt's vielleicht,
Dann ist sein hohes Ziel erreicht:

Um drei Uhr flücht'gen Laufs sodann
Verläßt's den Ort als Lebemann.

Denn ach! Um sechs wird's sowieso
Schon wieder zum Leb-Embryo – 68

 

An Mynheer van Robel

        Der jüngste Tag war endlich angebrochen,
Posaunen gellten rhythmisch mir ins Ohr,
Aus allen Gräbern kam es angekrochen –
Auch ich, Mynheer, kroch höchst verschlafen vor.

Wir bildeten ein rührendes Kompott
Von Menschen, Schweinen, Tigern und Kamelen:
Ein finstrer Teufel und ein heitrer Gott,
Die rauften sich um unsre schönen Seelen.

Die Reihe kam an mich. Der Teufel brüllte:
»In meinen Topp! Sie tat so viele Sünden,
Daß es die Ewigkeit zur Hälfte füllte,
Wenn man sie alle einzeln wollt' ergründen!« –

Da sprach der Gott: »Ein Wort sei dir vergönnt,
Ein einzig Wort! Besinn dich, kleine Fraue,
Wenn's dich nicht rein von allen Schlacken brennt,
So kriegt der Finstre dich in seine Klaue.

Besinn dich wohl! Nur Liebe kann erlösen!
Gab es auf Erden einen Menschen, der
Ohn' Eigennutz für dich nur dagewesen,
So bist du mein!« – Da jauchzte ich: »Mynheer! –«

Und sieh! Es schwand des Himmels blaue Wand . . .
Ich sah der Seligkeit wattierte Leiter
Und stieg entzückt . . . die Teufelsfratze schwand . . .
Es lächelte der Gott verbindlich, heiter . . . 67

 

Ja, der Frühling

        Ja, der Frühling ist im Land!
Alle Wesen sind bereit
In dem neuen Prunkgewand
Zu der Hochzeit-Lustbarkeit.

Jedes weiß, was es zu tun,
Und erkürt den rechten Platz;
Stolz behupft der Hahn sein Huhn,
Und den Kater rupft die Katz.

Nach erprobtem Lenzgesetz
Fallen alle offenbar
In das große Liebesnetz –
Nur der Mensch ist sich nicht klar!

Nur der Mensch, der arme Tropf,
Spricht von höh'rer Lebenspflicht;
Eifrig zählt er Knopf an Knopf:
Soll ich, oder soll ich nicht?

Stimm' ich in die Melodie
Dieser Frühlingsraserei –
Oder überhör' ich sie
Und geh' würdevoll vorbei? 70

 

Auktion

                    (Ha, nun werde ich im Golde wühlen;
Diese Stunde bringt mir volle Truhen,
Bringt mir Lorbeer, um darauf zu ruhen,
Und ich schwelge schon in Lustgefühlen.)
            – »Nur heranspaziert, geliebte Leute,
            Wenn ihr etwas euch ersteigern wollt
            Von der köstlichen und edlen Beute;
            Dichtergut verauktionier' ich heute
            Um gemeines, schnödes Erdengold.

            Dichterträume, leicht, jedoch gediegen,
            Damit fange den Verkauf ich an:
            Schöner als auf jedem Äroplan
            Könnt ihr gleich darauf zum Himmel fliegen.
            Nur heranspaziert, geliebte Zahler!
            Stück für Stück, solide Konstruktion,
            Kostet einen armen blanken Taler;
            Wenn wer kauft, so hat sogar die Wahl er.
            Siebzigtausend hängen zur Auktion! –«

(Siebzigtausend Taler sind ein Geldchen!
Ei, da reibe ich mir schon die Hände;
Wenn ich nicht zu viel davon verschwende,
Reicht das für ein Haus und für ein Wäldchen.
Niemand darf das Häuschen drin erraten,
So ein Wäldchen, moosig und verschwiegen,
Recht für Liebeswort und Liebestaten!
Träume werde ich schon wieder kriegen,
Denn die schießen bei mir wie Tomaten! . . .) 71

            – »Wenn die Siebzigtausend, wie gebührlich,
            Fabelhaften Absatz nun gefunden,
            Alsdann biet' ich meinen werten Kunden
            – Für ein stattlich Klümpchen Geld natürlich –
            Die gesamte Dichterpraxis an.
            Eine Dichterpraxis ist zu kaufen!!
            Nur heranspaziert! Ich fürchte, man
            Wird geradezu mich überlaufen . . .
            Dreimalhunderttausend! Nur heran! –«

(Ach, kaum wage ich das auszudenken,
Vor Entzücken pfeif' ich mir ein Liedchen!
Dreimalhunderttausend! Welch Profitchen!
Einen See kann ich dem Wäldchen schenken,
Einen See, so einen weiten blauen –!
In die Uferfelsen – seine Sache –
Lass' ich eine Liebesgrotte hauen . . .
Meine Praxis? Daß ich nur nicht lache!
Keinen Stadel konnt' ich davon bauen . . .)

            »Doch zum Schluß, Geliebte, kommt das Beste:
            Seht, hier leg' mein Dichterherz ich nieder,
            Groß und heiß und immer voller Lieder. –
            Nur heranspaziert, bewährte Gäste!
            Um ein solches Kleinod zu erringen,
            Das zum Gott euch macht, da heißt es freilich
            Auch einmal ein kleines Opfer bringen,
            Und der Preis ist immerhin verzeihlich:
            Drei Millionen . . . nun, wer läßt sie springen?«

(– Drei Millionen! – Heizt den Luxusdampfer!
Einen prima Koch in die Kajüte, 72
Und dann übers Land der Lotosblüte
Weiter zu Con-fut-se, Tee und Kampfer!
Männer her, die dienend mich verehren!
Denn kein Herz macht mir von jetzt ab Faxen . . .
Und vielleicht – kann ich's nicht ganz entbehren,
Läßt's der liebe Gott auch wieder wachsen.
Vorwärts! Drei Millionen heißt's verzehren!)

            »Also – angefangen, liebe Leute,
            Wenn ihr etwas noch erwischen wollt
            Für gemeines, schnödes Erdengold
            Von der köstlichen und edlen Beute!« . . .
            »– Niemand? – Wie? – Was? – Bürger, ist das möglich? –
            Nicht ein einzig Angebot? – O Schande!
            Meine schönen Pläne scheitern kläglich. –
            Diese ganz verständnislose Bande!!
            – Ich verachte dieses Volk unsäglich! –« 73

 

Der schwüle Abend

        Gänzlich lahm ist Geist und Wille –
Diese Schwüle ist verteufelt;
Wie ein Gift ist ihre Stille,
Das in träge Säfte träufelt.

Sieben kleine Hexen sitzen
Grübelnd auf dem Galgensteine,
Ihre weißen Beinchen lauern
Auf die Nacht und auf das Eine.

Wenn sie dieses noch versäumen,
Bleibt vom ganzen Hexenspiele
Schließlich nur ein dumpfes Träumen
Von dem großen Besenstiele! 74

 

Des Dichters Erlebnis

                  In des alten Schlosses Park
Irrsalt der Poet verdrossen –
Ach, er gab das Trinkgeld karg,
Und man hat ihn eingeschlossen.

»Dieser kahle Kastellan,
Dieser nüchterne Vertreter
Alles dessen, was profan!
Warum schloß der Kerl nicht später?

Warum schloß er nicht zur Zeit,
Die ihm amtlich vorgeschrieben?
Unfreiwillige Einsamkeit
Kann kein wahrer Dichter lieben!«

– Und er rüttelt, und er schwitzt,
Spröde zeigt sich jede Türe;
Ha, des Schlosses Hüter sitzt
Höhnend jetzt wohl gar beim Biere! –

Schon enttaucht der erste Stern
Den erlauchten Edelfichten –
Pah, ein Stern; ist man modern,
Braucht man keinen Stern zum Dichten.

Außerdem, im Freien? Nein!
Nur am Schreibtisch wird gestaltet!
Dort nur kann man Schöpfer sein –
Alles andre ist veraltet. 75

Überhaupt, in Zorn und Zwang
Fügt sich einem keine Zeile;
Nicht der kleinste Versedrang
Meldet sich, nur Langeweile . . .

– Leider bleibt ihm keine Wahl,
Niemand hört den Ärmsten rufen,
Und am breiten Hauptportal
Sinkt er auf die Marmorstufen.

Dreimal flucht er gähnend noch
Auf den kahlen Patriarchen,
Der so schnöd von dannen kroch –
Dann beginnt er mild zu schnarchen . . .

–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –

Aber hört nur, was geschah:
Grade heute paßt's den Musen,
Die in Stein gehauen da
Mit höchst unverhülltem Busen –

Grade heute also paßt es
Ihnen, sich herabzulassen
Und die Fremdgestalt des Gastes
Näher in das Aug' zu fassen.

Polyhymna grübelnd spricht:
»Dieses also ist ein Dichter?
Schnarchen tut er rhythmisch nicht,
Und sein Mund klafft wie ein Trichter.« – 76

Und Kalliope bleibt stumm,
Und Euterpe sagt verdrossen:
»Grade so von hinten rum
Unschön liegt er hingegossen!«

Und Erato schüttelt sich:
Ȁhnlich sieht er einem Affen,
Nein, ich habe sicherlich
Nie mit diesem hier zu schaffen.«

Nur Terpsichore, die lacht:
»Bei der göttlichen Athene,
Wenn dies Männlein Sprünge macht!
Seht doch nur die krummen Beene!«

Ach, da lacht das alte Schloß,
Und da lachen Bäum' und Pflanzen,
Und der ganze Musentroß
Fängt besessen an zu tanzen.

Ja, es schlingt die muntre Neun
Um den schlafenden Poeten
Einen höchst grotesken Reihn:
»Nein, hier sind wir nicht vonnöten!

Habe Dank, Apoll, daß du
Uns bereits zu Stein verwandelt,
Ehe unsre Musenruh'
Dieses Exemplar verschandelt.« 77

Eine jede endlich steigt
Lachend wieder auf die Säule –
Und der tiefe Garten schweigt,
Nur im Turm schreit eine Eule. – –

Doch nun wird der Dichter wach,
Und er reibt sich seinen Rücken,
Denn er fühlt sich herzlich schwach,
Und die engen Stiefel drücken.

»Das bekommt mir sicher schlecht;
Dieses alten Gauners wegen,
Der zu schließen sich erfrecht,
Hab' ich elend hier gelegen!

Und dazu – was träumt' ich nur?
Neun verdrehte Weiber sprangen
Um mich von der Nacktkultur –
Himmel, neun! Das könnte langen! –«

–   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –   –

Und es tät den Dichter grusen –
Leute, seht, so kann es gehn,
Wenn der Dichter und die Musen
Sich nicht kennen und verstehn! 78



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