Richard Arnold Bermann
Die Derwischtrommel
Richard Arnold Bermann

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Die Warnung

Im Jahre 1881 kommt Romolo Gessi vom Gazellenfluß nach Khartum zurück, Gessi Pascha, Gordons bester Offizier. Gessi hat nach Gordons Rückkehr gegen die Sklavenhändler am Weißen Nil gekämpft, und er hat jenen hübschen Jungen in der blauen Jacke hinrichten lassen, den Sohn Sibêrs.

Viele Seriben hat dieser stämmige Italiener mit dem ergrauenden schwarzen Vollbart zerstört, viele Sklaven hat er befreit und bewaffnet. Da haben wieder sie ihrerseits die Sklavenhändler gehetzt und gemordet. Das Befreien ist ein melancholisches Geschäft!

Jetzt ist Romolo Gessi müde und krank. Er will nach Hause; er ahnt, daß er nun bald sterben wird.

In Khartum findet er nicht mehr seinen Freund Gordon als Generalgouverneur, den hat der Khedive abberufen, und nicht sehr in Gnaden. Generalgouverneur ist jetzt jener Raûf, den Gordon einmal davongejagt hat. Erst hatte er ihm vertraut, dann hatte er ihn als das erkannt, was er ist und nach Kairo zurückgeschickt. Dort hat er Gordon erfolgreich beim Khediven verleumdet. Und jetzt sitzt er an seiner Stelle in seinem Palast. Und die rechte Hand Seiner tschibukrauchenden, haremseligen Exzellenz ist ein anderer Mensch, den Gordon mit Schmach und Schande vom Äquator jagen mußte, Mohammed Bey Saud.

Diese beiden hassen Gessi als einen Anhänger Gordons und weil er die Sklavenhändler im Ernst verfolgt hat.

*

Bevor Romolo Gessi nach Kairo weiterreist (wo er plötzlich sterben wird, der arme brave alte Freiheitskämpfer aus dem Risorgimento), schreibt er für die Zeitschrift »Esploratore« einen der Reisebriefe, die man in Italien schätzen gelernt hat:

»Khartum fand ich nach dreijähriger Abwesenheit ziemlich zum Vorteil verändert. Schöne Gebäude am Fluß, eine üppige Vegetation. Das neue Gerichtshaus. Vor dem Regierungsgebäude ein Park. Wer aus dem Sumpfland der Nuër und Schilluk herkommt, den wundern diese Dinge ein wenig. –

»Die europäische Kolonie hat dem Volke hier die Kunst beigebracht, Kalk, Ziegel und behauene Steine zu schaffen, so daß das Leben endlich erträglich gemacht wird. Die katholischen Missionare waren die ersten Lehrer, dann der Maltese Del Bono. Dann koptische, griechische Händler. Jetzt bestrebt sich ein jeder, Häuser zu bauen, die alle Bequemlichkeiten Europas enthalten.

»Bei Monsieur Marquet, einem Franzosen« (schreibt Gessi dem »Esploratore«), »bekommt man schon wirklich alle Waren zu kaufen: Lebensmittel, Konserven, Stoffe und Briefpapier. – Anderswo gibt es moderne Lampen. In den feinsten Geschäften von Mailand kauft man kaum besser. – Welche Aussicht für unseren italienischen Handel! Schon blüht der Gummiexport. Die Società Commerciale di Milano – – «

Oh, die Zivilisation hat begonnen. Es gibt Konsuln der Mächte in der werdenden Großstadt Khartum. Da ist Martin Hansal, Konsul Seiner k.u.k. Apostolischen Majestät. (Er hat viele schwarze Dienerinnen, so etwa sieben. Die österreichische Kolonie, der er vorsteht, umfaßt die Mission und den Schneidermeister Klein. Aber der ist immer besoffen.) – Und der Konsul des Basileus der Hellenen, kein geringer Würdenträger! Es wimmelt nämlich in Khartum von Griechen. Die Griechinnen sind ganz beladen mit Schmuck, so gut gehen die Geschäfte. – – –

Fast jeden Monat kommt ein neuer Konsul an, etabliert sich eine neue Firma, Export von Gummiarabikum, Straußenfedern, Elfenbein, Senna. Es ist wahr, man muß alle Beamten bestechen, aber das mindert die großen Profite nur wenig.

*

Es ist, seitdem dieser unruhige Gordon zum Teufel geschickt worden ist, im Sudan alles so schön in Ordnung. Der Khedive Tewfik in Kairo hat sonst viele Sorgen: die Nationalpartei setzt ihm zu, der Oberst Arábi Pascha droht ihm, ihn vom Throne zu stoßen, die europäischen Gläubiger drängen, eine englische Einmischung steht zu befürchten – nur im Sudan gedeiht das ägyptische Reich. Der Sultansstaat Dar-Fur ist nun auch erobert, der getreue Raûf schickt reichliche Steuern, und dann, vor allem, die Aufklärung, der Sieg der Zivilisation! – Nicht einmal die Gesellschaft gegen den Sklavenhandel in London beschwert sich mehr.

In Khartum können die großen Dahabiehs, in deren Schiffsraum gefesselte Sklaven verfrachtet sind, wirklich nicht mehr am Flußkai gegenüber dem Paschapalast ankern, selbst nicht dann, wenn hohe Regierungsbeamte an Bord sind. Der Sklavenhandel ist nicht mehr so leicht und gefahrlos.

Die arabischen Stämme im Sudan haben ihre Steuern bisher aus dem Erlös der Sklaven bezahlt. Jetzt aber ist das Land voll von weißen Idealisten so wie Romolo Gessi, die den Sklavenhandel in den Provinzen bekämpfen.

Oh, es sind wackere Leute.

Dr. Eduard Schnitzler aus Oppeln heißt jetzt Emin Bey und ist der Gouverneur der Äquatorprovinz. So wie einst Gordon denkt er, er könne den Sklavenraub verhindern.

Im neu eroberten Dar-Fur wird Slatin Generalgouverneur, Rudolf Slatin aus Wien. Ein zierlicher, kleiner Herr, ganz jung, zum Staunen energisch. Wie der sich mit Beduinenrebellen herumschlägt!

Und Forschungsreisende ziehen im Lande herum und forschen. Der Deutschrusse Wilhelm Junker geht nilauf und nilab, mal nach Zentralafrika und mal wieder hinaus. Und katholische Missionare kommen in den Sudan und immer mehr griechische Händler.

Und der Baschi-Bosuk mit der Nilpferdpeitsche treibt all das Geld ein, das für die weißen Idealisten gebraucht wird, für die Reformgouverneure. Und die Forschungsreisenden haben Eskorten mit, die von der Bevölkerung mit Gewalt requirieren. Und die Händler haben so ihre Methoden.

*

Der Baschi-Bosuk als Steuereinnehmer kommt zu dem arabischen Scheich. Früher hätte der arabische Scheich, um das Geld für die Steuern zu schaffen, ganz einfach ein Negerdorf überfallen und die Neger als Sklaven verkauft. Jetzt aber gehen so viele Sklaventransporte verloren. Das Risiko wird zu erheblich.

Da töten die arabischen Jäger nach einer Razzia lieber die schwarzen Heiden und suchen viel gründlicher als sonst nach dem vergrabenen Elfenbein unter den Hütten und nach dem im Walde verborgenen Vieh.

Und die Steuern gehen am Ende doch ein. Der Baschi-Bosuk erpreßt sie vom Araber, der erpreßt sie vom Neger. Der ägyptische Pascha und der europäische Idealist bekommen schließlich stets ihre guten Gehälter.

Da folglich alles so ruhig und friedlich ist im Sudan, kann Raûf Pascha, er ist kein Kriegsmann, ganze Mengen von Negersoldaten entlassen. So spart er den Sold. Die früheren Soldaten ziehen in Banden im Lande herum und stehlen. Wenn irgendwas losgeht: das sind gute Rekruten!

*

Alles wäre so still und friedlich ohne das Pfaffengezänk der Ulema in der Moschee von Khartum. Was haben sie? Sonst vortreffliche Leute, fett und regierungstreu. Aber sie kommen gar nicht zur Ruhe. Irgendein großer Erzketzer, scheint es, bringt jeden grünen Turban in Khartum zum Wackeln. Irgendein neuer Derwisch auf einer Insel im Weißen Nil. Ein Heiliger oder so was. Das Gezänk hört nicht auf. Inmitten der steigenden Konjunktur hört der griechische Kaufmann etwas zu viel von dem Derwisch.

Aber für die Konsuln der Mächte existiert er amtlich noch lange nicht, und der Generalgouverneur raucht seine lange Pfeife und entläßt noch einige Truppen.

*

Eines Tages aber kommt der heilige Scheich Mohammed Scherif in den Palast des Generalgouverneurs, das Haupt der Sammanîjja Tarîka.

Der Generalgouverneur Raûf Pascha (der »Hokmdar«, sagen die Sudanesen) kommt dem alten Mann bis an die Schwelle des Audienzsaals entgegen, so groß ist das Ansehen des Scheichs. Der grüßt: »Mit dir sei der Friede!«, dann nimmt er den Ehrenplatz auf dem Diwan ein, trinkt mehrere Tassen Kaffee, doch verschmäht er, so groß ist die Strenge seiner Enthaltsamkeit, die Pfeife, die ein Negersklave ihm darreicht. Raûf Pascha, der seine Galauniform anziehen mußte und in ihr sehr schwitzt, sitzt da, mit seinem Rosenkranz spielend, und wünscht, der Besucher ginge schon wieder. Raûf Pascha ist ein ganz guter Moslim, gewiß, wie jedermann, was aber schert ihn ein Derwischgezänke? Es handelt sich, scheint es, um eine Beschwerde. Irgendein toller Fikih – –

»Er zerspaltet den Stab des Islams!« sagt finster der Scheich.

Der fettige Pascha lächelt bedauernd. Über die Säcke unter seinen Augen senken sich die Lider. Er blinzelt. Er möchte gern schlafen. Da weckt ihn ein Wort:

»Mahdi!«

*

Vergangen ist die Schläfrigkeit des Paschas. Jetzt hört er zu, jetzt denkt er nicht zwischendurch an jene neugekaufte abessinische Sklavin. (Die übrigens wie ein Vollmond ist, wie eine Gazelle.) Wenn dieser verrückte Derwisch nicht nur einer von den gewöhnlichen Heiligen sein will, vielleicht El Kutb oder, meinetwegen, El Khidr persönlich, – sondern der Mahdi, dann wird das ernst. Ein Mahdi, das bedeutet von jeher Aufruhr und Blutvergießen. Wenn dem Khedive nach Kairo gemeldet wird, daß einer predigt, er sei der Mahdi – –

Raûf Pascha stellt hastig Fragen. Wer ist dieser Derwisch? Sind seine Anhänger zahlreich? Haben sie Waffen? – Aber der alte Scheich streicht sich den Bart, läßt sich durch Fragen nicht unterbrechen. Langsam redet er weiter, zeigt wohlgefällig seine eigene Gottesgelehrtheit, die Strenge seiner Orthodoxie:

Ob dieser Fikih Mohammed Achmed nicht im Grunde ein Ketzer sei, hat der Scheich schon lange erwogen. Seine Lehren sind durch den Koran nicht belegt, auch entsprechen sie nicht der mündlichen Tradition, so wie sie die Hadiths verzeichnen. Er hat längst schon heuchlerisch gegen Erlaubtes, ja Heiliges sich gewendet: gegen das Feiern gottgefälliger Feste, wie es Beschneidungen sind – –

Wie könnte er denn der Mahdi sein? Daß er aus dem Blut des Propheten sei, behauptet er selber, aber alles Wissen ist bei Allah, und sein Stamm galt bisher als unansehnlich. Wie kann er der Mahdi sein? Sind die Zeichen erfüllt, die das Buch »Hadik en Nadih« aufzählt? Das Buch Abd el-Ghanis von Nablus und ferner das Buch »Keshef el-Ghummah« von Schaani? Ist etwa der Euphrat denn eingetrocknet und hat man darunter die goldenen Berge erblickt? Hat man in den Wolken den Arm gesehen, der zur Erde zeigt auf die Erscheinung des Mahdis?

*

Schließlich zieht der Scheich-et-Tarîkat ein Papier hervor; er hat, sagt er, eine Schrift verfaßt, eine Schrift in Versen natürlich, um die ganze Ruchlosigkeit dieses Menschen zu beweisen. Alles steht darin: wie fromm er sich stellte, als er zuerst als Schüler zu Mohammed Scherif kam, wann war es? Ja, vor zwanzig Jahren, im Jahr zwölfhundertsiebenundsiebzig der Flucht.

Der Scheich öffnet das Papier und trägt das Gedicht vor, im traditionellen Singsang, selbst berauscht von der klassischen Schönheit der Verse, deren letzte Worte auf arabisch immer mit einem R endigen, durch das ganze kunstvolle Poem.

*

Er liest:

»Er war zu mir gekommen im Jahre siebenundsiebzig
an einen Ort auf dem Sultansberg am Strande des Nils,

Wobei er verlangte nach dem rechten Wege durch mich.

Er betrat den Pfad der Leitung aufrichtig,
Er bewies auf dem Pfad löblicher Werke seinen Eifer.
Da erhöhte ich ihn über andere; nicht ahnte ich das Ende.
Er weilte bei uns, sich unterziehend jeglichem Dienst,
Wie Kornmahlen, Nachtwachen, Holzsammeln, alles
Schwere, das Demut beweist.

Wie fastete er! Wie betete er! Wie rezitierte er!

Aus Furcht vor Allah strömte stets seine Träne – –

Wie sprach er das ›Allahu akbar!‹ vom Abendgebet
die ganze Nacht bis zur Zeit des Morgengebets – –«

*

Am Ende jedes Verses, bei dem Reim auf R, nickt der Pascha mit seinem Kopf, um sein Wohlgefallen und seine feine Bildung zu bezeugen; er muß, niemand dürfte eine solche Rezitation unterbrechen, noch viele Verse hören, die alle zierlich auf R gereimt sind. Die Verse erzählen weiter, wie Mohammed Achmeds Frömmigkeit und gutes Beispiel ihm viele Menschen gewonnen haben; dann aber haben zwei Teufel sich seiner bemächtigt, nämlich Schaitan selber und ein anderer, ein Teufel in Menschengestalt, ein gewisser Beduine – –

Der Derwisch Mohammed Achmed habe plötzlich, erzählt der alte Scheich, ihm eine Botschaft gesendet:

»Er sprach: Ich bin der Mahdi! Der Mahdi ist dein Sohn,

Er, den du in Liebe geschätzt hast in der Welt des Staubes.

So steh auf mit mir zum Sieg des Glaubens, laß uns jene töten, die ungehorsam sind!« Ja, und der falsche Mahdi hat sogar, behauptet der Scheich in arabischen Reimen auf R, seinem geliebten Lehrer den Thron des Sudans angeboten, wenn er ihm nur folgen wollte!

»Ich aber sprach zu ihm: Laß ab von deinem Vorhaben,
denn, bei Allah, es ist böse und führt zum Verderben!

Aber der Satan sprach zu ihm: Verkünde deine Botschaft ohne Furcht.

Denn wahrlich, du bist siegreich zu Land und zu Wasser!

Da neigte er sich, die Herrschaft und Gewalt zu lieben.

Er sprach: Ich bin wie Wasser, der Natur nach kalt,

Jedoch erhitzt ist es wie Feuer in der Glut – – «

*

»Da fällte ich über ihn die Entscheidung – – «

– – Er liest, der alte Scheich, mit einer Donnerstimme vor und seine Augen funkeln:

»Da fällte ich die Entscheidung: In Unglauben und Irrtum!«

– Nach diesem Bannfluch kommt das, was eigentlich der Zweck dieses langen Gedichts ist: eine Denunziation. Scheich Mohammed Scherif teilt dem Generalgouverneur mit, immer in Versen auf R, daß er den Regierungsbeamten, der auf der Insel Abba das Gesetz zu wahren hat, den Kaimakam, schon gewarnt hat – –

»Und ich hatte dem Kaimakam geraten, ihn zu greifen, Aber er hat mir nur sagen lassen: Laß diesen hochheiligen Mann!«

(Der Generalgouverneur versteht diese Verse sehr gut. Hier ist einer, der auch nach Kairo ein paar prächtige Verse schicken könnte, mit einer gut gereimten Anzeige gegen den Hokmdar des Sudans. – – –)

*

Als der alte Scheich endlich gegangen ist, schickt Raûf Pascha um seinen vertrautesten Amtsgehilfen, Abu Saud.

Mohammed Bey Abu Saud ist vielleicht sogar für einen hohen ägyptischen Staatsbeamten im Sudan ein etwas zu großer Schurke. Bevor ihn Gordon aus der Äquatorprovinz gejagt hat, war er zugleich Aufsichtsorgan zur Bekämpfung des Sklavenhandels und einer der größten Seribenbesitzer und Verfrachter von Negerschiffen. Noch jetzt, wenn Gerüchte nicht lügen, verhandelt er für seinen Herrn, den Pascha, oft und erfolgreich mit den Sklavenhändlern des Südens.

Er kommt herein, vollzieht einen großen Salâm, mit der Hand auf Stirne und Brust. Der Pascha empfängt ihn ohne Zeichen besonderer Gnade:

»Was ist das für ein Fikih auf Abba? Warum hast du mir nichts gesagt?«

Abu Saud entschuldigt sich kriechend. Er nennt den Pascha »Glückselige Exzellenz«. – Wer ist er, Abu Saud, daß er die Ohren Seiner Glückseligkeit mit Nichtigem füllen sollte? – Ja, auf Abba lebt ein gewisser Mohammed Achmed, manche betiteln ihn Sajjid. – Ja, ein Prediger. – Ja, es sammeln sich Unzufriedene um ihn. Von den arabischen Händlern, die mit Sklaventransporten Unglück erlitten haben, sollen mehrere zu ihm geflohen sein. – Die Glückseligkeit weiß wohl, der muselmanische Glaube erlaubt, ja gebietet die Knechtung der Heiden und Feinde Gottes. Dieser Derwisch predigt, es kann sein, gegen die sehr vortrefflichen christlichen Gouverneure, die Seine Hoheit, unser Khedive, in die Provinzen schickt – –

Abu Saud sagt das leise und sieht den Pascha fest an. Der blinkt mit den Augen, ein wenig unsicher. Dann entschließt er sich:

»Ich muß diesen Fikih sehen. Da du ihn kennst, geh nach Abba und hole ihn her. Überrede ihn; – – du verstehst das.«

Abu Saud, in knechtischer Haltung, die Hände in seinen Ärmeln verborgen, sagt glatt wie eine Schlange und mit einem Blick, der züngelt und beißen könnte:

»Was gedenkt die Glückselige Exzellenz mit dem Derwisch zu tun, wenn er herkommt?«

»Má schá – Allah!« sagt der Pascha. »Was Gott will, wird geschehen.«

*

Mit einem zweideutigen Lächeln geht Abu Saud, den Befehl des Paschas zu erfüllen. Er reist nach Abba, er wird, mit guten Worten, den Derwisch in die Hauptstadt laden. – Während er noch unterwegs ist, erfüllen viele Gerüchte die Stadt. Auf einmal spricht jeder von diesem Mahdi. »Der falsche Mahdi«, sagt man. »Der Betrüger von Abba.« In der Moschee sind die Ulema ihm alle feindlich. Aus den alten Büchern beweisen sie leicht, daß er lügen muß. – Aber ein ganz junger Fikih, ein Schüler der Gottesgelehrtheit, auf dem Weg nilaufwärts nach Kairo, wo er an der hohen Schule von El Azhar zu studieren gedenkt, sagt öffentlich im Khartumer Moscheehof: »Dieser Scheich von Abba trägt jenes Muttermal, das das Siegel des Mahdismus ist, und zwischen den Zähnen hat er die Lücke. Auch weiß man, daß der große Senussi, bevor er starb, für eben dieses Jahr der Hedschira vorausgesagt hat, es werde der Erwartete Mahdi erscheinen. – –«

Man jagt diesen jungen Ketzer mit Schlägen aus der Moschee. Im Volke aber murmeln viele.

Eine Karawane aus Kordofan, die arabisches Gummiharz ostwärts nach Suakin führt, rastet in Omdurman gegenüber Khartum, und die Kunde verbreitet sich: dieser Derwisch, der falsche Mahdi, hat Kordofan unlängst bereist und dort glauben viele an ihn; sie sagen, daß er wahrhaft der Erwartete Mahdi ist. – Die Frauen in den arabischen Dörfern haben Hühnereier gefunden, auf denen Schriftzüge waren. Schriftkundige, die gelehrten Fikih der Koranschulen, haben die Zeichen gelesen: da stand, daß Mohammed Achmed der Mahdi ist. – –

Das ganze Land Kordofan hat ihn gesehen, alle. Von Dorf zu Dorf ist er gezogen, in einem Hemd aus Flicken, mit einem eisenbeschlagenen Wanderstab, einem Tonkrug. Mit den Großen, den Emiren, den Stammesscheichs hat er lange und heimlich gesprochen. – Die im Lesen gelehrt sind, lesen eine Flugschrift, die er selbst verfaßt hat. Er sagt in ihr, er sei der Erwartete Mahdi, vom Stamm des Propheten im neunundzwanzigsten Glied, und daß alle Gläubigen Buße tun müssen und in den heiligen Krieg ziehn – –

Einer von der Karawane hat die Flugschrift. Raûf Pascha läßt ihn in Ketten legen.

*

Abu Saud kehrt allein zurück. Er geht zum Pascha, senkt die Augen. Nein, er hat nicht Erfolg gehabt. Er hat diesen Derwisch nicht überreden können, mit nach Khartum zu kommen.

»Wir waren, o Glückselige Exzellenz, in seiner Hütte. Abdullahi der Taaischi war da, und Achmed Scharfî und Hamed, der Bruder des Derwischs. Er saß auf einem Angareb-Bett, in einem geflickten Kleid und mit einer Schädelkappe aus Mekka. Ich sagte zu ihm: ›Herr, gehe mit mir nach Khartum, damit unser Gebieter, der Hokmdar, dir Ehre erweise!‹ – Er schwieg. Ich sagte: ›Du mußt mit mir kommen!‹«

Abu Saud hält inne. Der Generalgouverneur blickt ihn böse an.

»Nun, und was hat dieser Hund, der Dongolawi, erwidert?«

»Glückselige Exzellenz, er ist aufgesprungen, hat mit der Hand an sein Schwert geschlagen:

›Wie? Ich muß? Durch die Güte Allahs bin ich der Herr dieses Landes; und dies ist das Schwert, mit dem der Prophet mich gerüstet hat!‹«


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