Alice Berend
Die Bräutigame der Babette Bomberling
Alice Berend

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Als Bomberling und Babette heimkamen, war Frau Anna noch nicht zu Haus.

Hermann, der in seinem Zimmer zu sitzen schien, rief aus einer Wolke von Pfeifenrauch, daß die Mutter heute wohltätig sei.

65 Das war richtig. Frau Bomberlings Freundin, die Frau Rätin, hatte einen kleinen Verein gegründet. Sie selbst hatte den Titel ihres verstorbenen Gatten beigesteuert, Frau Bomberling die Wolle. Im Kreis von einigen vornehmen Damen häkelte man warme Kleidungsstücke für arme Kinder.

Frau Bomberling ging zu diesen Zusammenkünften in ausgewählter Kleidung und vermied auch im Gespräch jeden billigen Stoff. Sie erzählte von dem teuren Perser auf der Diele, erwähnte das Ölbild von einem prämiierten Maler; das Studium des Sohnes, die russischen Tassen.

Aber was der Mund verschweigt, verraten die Hände, die niemand anders machen kann, als sie sind.

Den Damen war es nicht entgangen, daß die reiche Frau Bomberling diese derben Wollsachen mit ungewöhnlicher Geschicklichkeit verfertigte. Ein fehlerloses Stück nach dem anderen flog aus ihrer Hand.

Mit wenigen Blicken über den Kopf der eifrig Arbeitenden hatte man sich verständigt:

Sie konnte keine vornehme Erziehung genossen haben.

Heute hatte sich Frau Bomberling bemüht, die erste in diesem Kreis der Nächstenliebe zu sein. Sie wollte ein paar ungestörte Worte mit ihrer Freundin wechseln. Die Frau Rätin wußte sicherlich, warum und auf wie lange der Herr Regierungsrat die reine Bergluft gebrauche.

Aber als sie ins Zimmer trat, war doch schon eine Dame anwesend. Frau Rätin sprach so eifrig mit ihr, daß man ihr Kommen ganz überhörte. Frau Anna war schon mitten auf dem Teppich, als ihre Freundin 66 aufsprang und ihr entgegeneilte. Sie sah ganz erschreckt aus und fragte, ob Frau Anna schon lange zuhöre. Sie hatten gerade so sehr viel Gutes von ihr geplaudert.

Dann machte sie die andere Dame mit Frau Bomberling bekannt: Frau Baronin von Pryczsbitzky-Ratzoska.

Frau Bomberling verbeugte sich und erzählte, daß sie von einem berühmten Antiquitätenhändler käme. Sie hatte für ihren Bomberling das Petschaft einer ägyptischen Mumie gekauft. Als Weihnachtsgeschenk.

Die Frau Baronin erkundigte sich, ob dies ein besonderer Wunsch von Herrn Bomberling gewesen sei.

Frau Anna sagte, daß dies nicht gerade der Fall wäre. Aber daß es sehr schwer sei, ein passendes Geschenk für einen Herrn zu finden. Und Antiquitäten wären doch heutzutage das neueste.

Frau Baronin von Pryczsbitzky-Ratzoska gab der gnädigen Frau in allem recht. Sie war außerordentlich liebenswürdig und zuvorkommend. Über den geschwind häkelnden Fingern grübelte Frau Bomberling. Hatte die Dame, als sie einander vorgestellt wurden, vielleicht »von« Bomberling verstanden?

Ihr Verdacht wurde bestärkt, als die Frau Baronin fragte, ob sie der gnädigen Frau morgen um elf Uhr vormittags ihre Aufwartung machen dürfe.

Frau Bomberling wurde rot vor Freude. Sie fragte, ob die Frau Baronin nicht lieber zum Tee kommen wolle oder zum Abendbrot.

Aber die Dame bat, zu einem kleinen Plauderstündchen um elf Uhr vormittags erscheinen zu dürfen. –

Als alle Mitglieder des Vereins versammelt waren 67 und man links nicht mehr verstehen konnte, was rechts gesprochen wurde, fragte Frau Anna nach dem Herrn Regierungsrat und seiner Reise.

Frau Rätin aber erwiderte recht mißgelaunt, daß auch sie nichts Näheres wisse. Ihr Neffe sei kein Kind mehr und könne tun, was ihm beliebe.

Das konnte niemand bestreiten. Somit war das Gespräch zu Ende.

Frau Bomberling hätte gern eine gute Nachricht nach Haus gebracht. Babettes Unruhe war ihr nicht entgangen. Es war klar, das Kind vermißte diesen alten, unangenehmen Menschen. Die Liebe ist eine unbegreifliche Sache. –

So war Frau Anna doppelt erfreut, als sie bei ihrer Rückkehr Babette wieder viel munterer vorfand. Sie saß wieder gerade und schien viel freier und froher.

Das war kein Irrtum. Eine Last war von Babettes Herzen genommen. Leutnant Wegners Briefe waren fort. Babette hatte Pauls Rat befolgt. Sie hatte die Verlobung gelöst. Das heißt, sie hatte die Briefe zusammengebunden und in einen Umschlag gelegt. Dazu hatte sie geschrieben:

»Je ne vous aime pas, je ne vous avais pas aimé, je ne vous aimerais pas.«

Sie hatte die Empfindung gehabt, daß diese Situation nach französischer Sprache verlangte. Diese Worte sagten viel, sagten alles und waren mühelos in der Grammatik zu finden gewesen.

 


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