Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI.

In Folge der zwischen Hugo und dem Doctor getroffenen Verabredung fand sich Letzterer am nächsten Morgen sehr früh auf der Villa ein. Hugo untersuchte den von dem Doctor geschriebenen und von Herrn Lüders unterzeichneten Schuldschein mit einer Genauigkeit, die jeden Anderen als den unerschütterlichen Doctor wohl ein wenig aus der Fassung gebracht hätte, und legte ihn dann in seine Brieftasche, nachdem er jenem einen Wechsel für den Betrag von 10000 Mark Banco auf das nämliche Hamburger Banquierhaus ausgestellt hatte, das früher die terminweisen Zahlungen an Herrn Lüders leistete. Dies Alles geschah in Zeit von wenigen Minuten und ohne daß Hugo den Doctor eines einzigen Wortes würdigte; als sich jedoch dieser zum Fortgehen anschickte, empfahl er ihm, seinem Pflegevater fernerhin nicht Geld auf Wechsel oder Schuldscheine zu borgen, da er solche nicht einlösen werde.

Der Doctor mochte über die Art und Weise, in welcher ihn Hugo behandelte, nicht sehr erbaut sein, das bezeugten das fahle Gelb, welches auf seinem Gesichte, und der stechende Blick, welcher in seinen Augen lag, als er zu Fuß nach dem nicht fernen Sils zurückkehrte, wo er mit seinem Bruder Martin im Wirthshause logirte.

Martin aber war in einer um so heiterern Laune; er hatte es für angemessen erachtet, bei dieser Gelegenheit schon gleich nach dem Aufstehen ein wenig über den Durst zu trinken und empfing den zurückkehrenden Doctor mit einer reichen Auswahl seiner schönsten Citate, eine Aufmerksamkeit, für welche sich dieser heute eben so wenig erkenntlich zeigte, wie damals, als ihn Martin über die kränkende Abfertigung Louisens zu trösten suchte.

Martin wußte sich, trotz des Bruders hartnäckigem Widerstreben auch diesmal in Besitz des Wechsels zu setzen und gleich darauf verließen die beiden Ehrenmänner per Extrapost das kleine friedliche Sils. Wir wollen sie nicht begleiten, da wir darauf rechnen dürfen, sie später in Hamburg wieder zu treffen, sondern kehren nach der Villa zurück.

Der Doctor hatte sich kaum entfernt, als sich Hugo in den Gartensalon begab, wo zu dieser Stunde das Frühstück servirt wurde. Hier traf er den Grafen und dessen Neffen, den Baron Berkheim. Es konnte ihm nicht entgehen, daß beide in einer eifrigen Unterredung begriffen waren, und diese bei seinem Eintreten schnell abbrachen. Die Begrüßung war von Seiten des Grafen eine ernste, von Seiten des Barons aber eine förmliche und kalte. So war es auch am vorhergehenden Abend gewesen, als man sich zum Thee versammelte, und Hugo war ein zu scharfer Beobachter und kannte die Welt zu genau, um nicht das gänzlich veränderte Benehmen der Hausbewohner zu bemerken und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Es mußte hier ein Mißverständniß obwalten, und dieses Mißverständniß durch die gestrigen Ereignisse herbeigeführt worden sein. Aber wie sehr hatte er nicht gerade gestern die gräfliche Familie zum Dank verpflichtet? Er hatte nicht nur die Tochter des Hauses mit eigener Lebensgefahr vom Tode errettet, nein, er hatte noch mehr gethan, er hatte sie von den Folgen ihrer eigenen schwärmerischen, aber – sein letztes Gespräch mit ihr hatte ihm die Ueberzeugung gegeben – nicht tief wurzelnden Neigung gerettet, vor Folgen, die, wie er in der entscheidenden Stunde klar erkannt hatte, für sie nie so glücklich werden konnten, wie es ihre jugendlich lebhafte Phantasie ausgemalt hatte. Er hatte, indem er die schauerliche Kluft übersprang, um sie dem Leben wiederzugeben, zugleich die Kluft ausgeebnet, die sich zwischen ihr und dem ganzen Kreise zu bilden begonnen hatte, in welchem sie geboren und erzogen war und dem sie nun einmal für die Dauer des ganzen Lebens angehörte, in welchem er aber immer ein Fremdling, ein Eindringling bleiben mußte. Nicht nur dem Vater, der ihn jetzt so ernst und strenge gegenüberstand, nein, auch dem jungen Baron, der sich mit unverhohlener Abneigung und einer absichtlichen Kälte von ihm abwandte, hatte er unschätzbare Wohlthaten erwiesen, dem letzteren vielleicht die größten. Sollte er nun statt der Anerkennung den gewöhnlichen Undank der Welt ernten; es that seinem Herzen weh; aber er war Manns genug, es zu ertragen.

Was man ihm eigentlich zur Last legte, war ihm unerklärlich, auch konnte er nicht danach forschen, und hätte er es gekonnt, so hätte ihn doch sein Stolz davon abgehalten. So blieb ihm denn nichts übrig, als dem Undank und der Verkennung ein ruhiges, festes Benehmen entgegenzustellen; und er that es in einer Weise, die nur aus dem erhebenden Bewußtsein einer guten That hervorgehen kann.

Seine Frage nach dem Befinden Amaliens wurde kurz und ausweichend beantwortet. Sie sei noch ein wenig angegriffen, hieß es, so auch die Gräfin, die sehr bedaure, bei dem Frühstück nicht erscheinen zu können.

Dieses war bald eingenommen und zwar so schweigend, wie gestern das Mittagsmahl und das Abendessen; nur war heute das Schweigen noch drückender, die Verstimmung Aller noch mehr in die Augen fallend.

Als man sich erhob, äußerte Hugo den Wunsch, dem Grafen noch einige Worte sagen zu dürfen. Dieser und der Baron wechselten einen schnellen Blick; dann bat ihn der Graf mit einer Freundlichkeit, die seiner früheren Herzlichkeit fast gleichkam, mit ihm in sein Arbeitscabinet zu gehen. Dort angekommen, eröffnete Hugo dem Grafen, daß er gestern durch einen Herrn aus Hamburg sehr betrübende Nachrichten über seine dort lebenden nächsten Angehörigen erhalten habe, und daß er es für eine unabweisbare Pflicht halte, in aller Eile und wo möglich noch heute die Reise nach Hamburg anzutreten, wo seine Gegenwart unerläßlich nothwendig sei. Er fügte hinzu, daß er schon über die Grenzen der Bescheidenheit hinaus die Güte und Gastfreiheit des Grafen in Anspruch genommen und befürchten müßte, durch ein längeres Verweilen dieselbe zu mißbrauchen, zumal jetzt, wo die zu seinem Bedauern eingetretene Unpäßlichkeit der Gräfin und der Comtesse, wenn auch hoffentlich eine leichte und bald vorübergehende, die Gegenwart eines Gastes weniger wünschenswerth mache.

Der Ausdruck eines tiefen Schmerzes verbreitete sich, während Hugo sprach, über die edlen und schönen Züge des Grafen. Noch einige Secunden ließ er, als dieser schwieg, seine Blicke unverwandt auf ihm ruhen, und es war unverkennbar, daß er mit sich selbst kämpfe, um zu einem festen Entschluß zu gelangen; dann aber sagte er mit vor innerer Bewegung unsicherer, fast wehmüthig klingender Stimme:

»Daß Ihnen, lieber Falkner, seit gestern etwas schwer auf dem Herzen liegt, konnte mir nicht unbemerkt bleiben. Nun sagen Sie mir zwar, daß Sie über Ihre nächsten Angehörigen betrübende Nachrichten erhielten, was ich aufrichtig bedaure; aber ich bitte Sie als Freund, dem Sie es nicht als ungehörige Einmischung in Ihre Angelegenheiten anrechnen dürfen, mir offen zu sagen: ist das Alles, was Sie seit gestern so traurig und nachdenklich stimmt?«

»Alles, Herr Graf.«

»Ich bitte Sie noch einmal, lieber Falkner, mir Ihr ganzes Vertrauen zu schenken.«

»Wenn Sie von den Beziehungen wüßten, Herr Graf, die zwischen jener unglücklichen Familie und mir Statt finden, so wie von den großen Verpflichtungen, die mich an dieselbe binden; und wenn Sie dazu noch den Bericht mit angehört hätten, den mir gestern jener Fremde abstattete, so würden Sie meine Verstimmung verstehen, wenn es auch tadelnswerth erscheinen mag, daß ich sie zu sehr habe durchblicken lassen, und Sie würden meinen Entschluß, sofort nach Hamburg zu reisen, gewiß billigen.«

»Ich zweifle nicht daran, bester Falkner; aber man kann doch von mehreren Sorgen zugleich beunruhigt und bedrückt sein, und das scheint mir bei Ihnen der Fall zu sein. Ich habe Sie gebeten, mir Ihr Vertrauen zu schenken, und ich wiederhole diese Bitte. Betrachten Sie mich als Ihren wohlmeinenden, väterlichen Freund und sprechen Sie zu mir, offen, ohne Rückhalt, wie Sie in einer entscheidenden Stunde mit Ihrem Vater gesprochen haben würden. Bedenken Sie, daß Sie sich gestern ein großes, heiliges Anrecht auf meine Dankbarkeit erworben haben, und glauben Sie meiner Versicherung, daß ich von Herzen geneigt bin, Ihnen diese in jeder Weise zu bethätigen. Ich habe Ihnen vielleicht nicht so warm, wie Sie es hätten erwarten dürfen, für die Rettung meines einzigen, geliebten Kindes gedankt; aber dann, lieber Falkner, lag es nur daran, daß ich mir bewußt war, wie es für ein Vaterherz Gefühle giebt, die keine Worte auszudrücken vermögen. Falkner,« fuhr er fort, indem er Hugo's Hand ergriff und sie herzlich drückte, »wir kennen uns zu lange und hegen eine zu gute Meinung von einander, als daß wir uns durch eine falsche Scheu zurückhalten lassen dürfen, offen und frei, wie es Männern geziemt, das rechte Wort zu sprechen. Haben Sie etwa gefürchtet, bei mir die gewöhnlichen Vorurtheile meines Standes zu finden; nun, ich komme Ihnen gern mit der Betheuerung entgegen, daß Sie mich alsdann unrichtig beurtheilt haben. Hegen Sie also einen Wunsch, den ich erfüllen kann, so reden Sie.«

Hugo war durch diese Worte, noch mehr aber durch den zugleich herzlichen und würdevollen Ton, in welchem sie gesprochen wurden, sichtbar bewegt; mit Wärme erwiederte er den Händedruck des Grafen.

»Es wäre in der That ein unverzeihliches Unrecht,« entgegnete er, »wenn ich mich durch eine falsche Scheu oder ungerechtfertigte Annahme davon zurückhalten ließe, dem ehrenden Zutrauen zu entsprechen, welches Sie immer in mich setzten; denn, glauben Sie mir, Herr Graf, ich habe stets den ganzen Umfang Ihrer mir erwiesenen Güte erkannt, und in diesem Augenblick bin ich tief davon gerührt. Für Ihr großmüthiges Entgegenkommen nehmen Sie meinen innigsten Dank. Gott ist mein Zeuge, daß ich das Glück, dessen Sie mich würdig halten, nach seinem vollen Werthe zu schätzen weiß, aber annehmen darf ich es nicht. Einen Wunsch, wie den, auf welchen Sie hingedeutet haben, hege ich nicht und darf ihn nicht hegen, weil – von mir ganz abgesehen – dessen Erfüllung auch für Andere, für Sie selbst, Herr Graf, nicht in dem Maße segenbringend werden könnte, wie Sie vorauszusetzen scheinen.«

Ueberrascht trat der Graf einige Schritte zurück. Es lag etwas in seiner Miene wie bittere Enttäuschung und der sehnliche Wunsch, den traurigen Folgen eines Mißverständnisses vorzubeugen.

»Wenn Sie sich aber hierüber täuschten, Falkner,« sagte er aufgeregt, fast heftig.

»Ich täusche mich nicht,« war die ruhige Antwort.

»Sie sprechen das so zuversichtlich aus.«

»Weil ich volle Gewißheit habe.«

»Das heißt, Sie haben Ihr eigenes Herz geprüft.«

»Das allerdings.«

»Dann aber, Herr Falkner,« sagte der Graf in dem stolzen Tone und mit dem imponirenden Wesen, welches ihm unter Umständen eigen war. »muß ich Ihnen zu meinem tiefsten Bedauern gestehen, daß diese Selbstprüfung etwas spät eingetreten ist, wie mir überhaupt Manches in Ihrem Benehmen unerklärlich erscheint.«

»Ich fühle es, Herr Graf,« entgegnete Hugo ruhig, »und es betrübt mich mehr, als ich Ihnen sagen kann, von Ihnen – wenn auch hoffentlich nur für eine kurze Dauer – mißverstanden oder gar mißkannt zu werden.«

»Wenn Sie so sehr bedauern,« sagte der Graf hitzig, »daß sich ein Mißverständniß zwischen uns eingeschlichen hat, so heben Sie es durch eine offene Erklärung.«

»Ich kann Ihnen eine solche nicht geben.«

»Genug, kein Wort weiter!« rief der Graf mit vor Zorn bebender Stimme; aber er faßte sich schnell und fügte hinzu: »Herr Falkner, Sie haben mit Gefahr Ihres eigenen Lebens das meiner Tochter gerettet. Das vergesse ich jetzt nicht und werde es auch nie vergessen. Sie werden verstehen, was damit gesagt ist.«

Hugo biß sich auf die Lippen; das Zucken seiner Stirnmuskeln, die Röthe, die in seine Wangen stieg, verrieth, wie sehr sein Stolz sich gegen diese Kränkung empörte.

»Ich verstehe, Herr Graf,« erwiederte er nach einer Pause, »Sie wollen sagen, daß Sie sonst eine Erklärung von mir fordern würden. Ich aber müßte sie dennoch verweigern.«

Dem Grafen kostete es augenscheinlich Mühe, einen heftigen Zornesausbruch zurückzuhalten.

»Wann wünschen Sie zu reisen, Herr Falkner?« fragte er kurz und barsch.

»In einer halben Stunde, Herr Graf.«

»Mein Wagen wird zu Ihrer Verfügung stehen.«

»Bis nach Sils nehme ich ihn mit Dank an. Von da werde ich Extrapost nehmen.«

»So leben Sie wohl, Herr Falkner.«

Hugo verbeugte sich und verließ das Zimmer.


Wenige Minuten später war Hugo auf seinem Zimmer beschäftigt mit Jacob's Hülfe seinen Koffer zu packen, als plötzlich der Baron Birkheim eintrat. Hugo sah den jungen Mann erstaunt an, so völlig verändert, ja entstellt erschienen ihm dessen sonst so ruhige, milde Züge. Die Blässe, die gewöhnlich auf seinem Gesichte lag, war auffallender als sonst, fast leichenähnlich, seine Augen leuchteten mit einem unheimlichen Feuer, und seine schlanke, etwas schmächtige Gestalt bebte vor innerer Aufregung. Dennoch war sein Ton ziemlich ruhig, als er Hugo um eine Unterredung unter vier Augen bat. Auf einen Wink seines Herrn verließ Jacob das Zimmer.

»Herr Falkner,« begann der Baron, sichtbar bemüht, eine ruhige Haltung zu bewahren, »ich komme so eben von meinem Onkel. Ich weiß, was zwischen Ihnen und ihm vorgefallen ist. Mein Onkel, stets geneigt, dem Zuge seines edlen Herzens zu folgen, ist in dem Verlangen, die Schuld der Dankbarkeit abzutragen, die Sie ihm auferlegt haben, so weit gegangen, wie ein Mann von Ehre nur immer gehen kann; er hat Ihnen – – –«

»Mir scheint, Herr Baron,« fiel ihm Hugo ins Wort, »daß die Angelegenheit, von der Sie sprechen wollten, eine zu delicate ist, als daß Sie, obgleich ein naher Anverwandter der gräflichen Familie, ein Recht hätten – wenigstens mir gegenüber – darauf zurückzukommen, nachdem sie schon erledigt ist.«

»Erledigt ist sie noch nicht, und wenn Sie mich auch für minder berechtigt halten, hierüber zu sprechen, so werden Sie anderseits einräumen, daß für mich nicht jene Rücksichten bestehen, die für meinen Onkel maßgebend sind.«

»Wenn Sie damit etwa sagen wollen,« erwiederte Hugo sehr gelassen, »daß Sie die Erklärung von mir fordern, die ich dem Grafen verweigern mußte, so ersparen Sie sich alle weiteren Worte, Herr Baron, denn, seien Sie dessen versichert, ich bin nicht der Mann, der sich etwas abtrotzen läßt.«

Der Baron schien im Begriff, eine zornige Antwort zu geben; aber er hielt an sich.

»Herr Falkner,« sagte er nach einer Pause, »ich bin wahrlich nicht hierher gekommen, um Streit mit Ihnen zu suchen, nein, nur das lebhafte Interesse, welches ich an den Bewohnern dieses Hauses und auch an Ihnen nehme, führt mich zu Ihnen. Ich möchte Sie bewegen – aber verstehen Sie mich recht – durch Bitten und freundschaftliche Vorstellungen möchte ich Sie bewegen, mir Ihr Herz zu öffnen, und um Ihnen zu beweisen, daß ich von Ihnen nichts erwarte, was ich nicht selbst zu gewähren gern bereit bin, so will ich Ihnen gestehen, was ich noch keinem Anderen anvertraut habe und was mich auch in Ihren Augen entschuldigen wird, wenn ich in meinem Eifer zu weit gegangen bin. Ich liebe Amalie. – – –«

Der Baron hielt plötzlich inne, wandte sich mit einer raschen Bewegung ab und bedeckte mit der Hand die Augen. Hugo war von dem überwältigenden Schmerz des jungen Mannes tief gerührt.

»Ich wußte es, lieber Baron,« sagte er mit leisem, weichen Tone.

»Schon seit Jahren,« fuhr der Baron fort, »war es mein heißester Wunsch, meine schönste Hoffnung, sie dereinst für mich zu gewinnen. Ohne sie, so dachte ich, müsse mir das Leben eine unerträgliche Bürde werden, und dennoch entsagte ich – und daraus mögen Sie ersehen, Herr Falkner, wie hoch ich Sie stellte – dennoch entsagte ich dem lange ersehnten Glücke bereitwillig, als ich das zwischen Ihnen und meiner Cousine Statt findende – – –«

»Reden Sie nicht aus,« fiel ihm Hugo ins Wort. »Ihr Vertrauen ehrt und erfreut mich, und ich danke Ihnen herzlich dafür. Aber die Voraussetzung, die Sie so eben aussprechen wollten, ist eine irrige, das versichere ich Ihnen. Ihre Entsagung war eine voreilige, lieber Baron; nichts steht Ihrem Glücke entgegen, was sich nicht in kurzer Zeit bei einiger Ruhe und Geduld von Ihrer Seite hinwegräumen ließe.«

»Nein, nein, Herr Falkner!« rief der Baron in der höchsten Aufregung, »nicht ich bin es, der sich täuscht, Sie sind es. Und um Ihnen diese Täuschung zu benehmen und deren traurigen Folgen vorzubeugen, bin ich zu Ihnen gekommen. Ich bitte Sie dringend, ich beschwöre Sie, mir ein dem meinigen gleiches Vertrauen zu schenken. Ist denn nicht das ganze Lebensglück zweier Menschen ein zu kostbares Gut, um es einem leicht zu beseitigenden Mißverständniß zum Opfer zu bringen!«

»Wenn ich Ihnen aber wiederhole, Baron Berkheim, daß hier, was mich betrifft, gar kein Mißverständniß obwaltet, sondern nur ein solches, durch welches Sie irregeführt werden.«

»Warum klären Sie es denn nicht auf, bester Falkner,« bat der Baron.

»Weil ich nicht kann,«

»Weil Sie nicht wollen,« sagte der Baron hitzig.

»Nun gut, wenn Sie meine Betheuerungen denn durchaus nicht überzeugen können, so nehmen Sie an, daß ich nicht will.«

»Dann aber müßte ich andere Mittel anwenden, zu meinem Ziele zu gelangen!« rief der Baron außer sich vor Zorn.

»Wenn es Ihre Absicht ist, mich zu etwas zu zwingen,« entgegnete Hugo kaltblütig, »was gegen meine Ueberzeugung ist, so werden Sie dieselbe nie erreichen.«

»Wir werden sehen, mein Herr!«

Mit diesen Worten stürzte der Baron aus dem Zimmer. Hugo sah ihm mit einem mitleidsvollen Blicke nach: dann rief er Jacob wieder herbei, und das Einpacken wurde so ruhig fortgesetzt, wie es begonnen war.


Hugo hatte, wie wir sahen, den Zornausbrüchen des Grafen und des Barons gegenüber seinen Gleichmuth zu bewahren gewußt, tiefer kränkte es ihn, daß die Gräfin ihm durch den Haushofmeister ihr Bedauern ausdrücken ließ, Unpäßlichkeits halber ihn vor seiner Abreise nicht sehen zu können, und mehr als dieses Alles that es ihm weh, sich ohne ein herzliches Lebewohl von Amalien trennen zu müssen.

Als er auf dem Wagen saß, und dieser aus dem Hofe rollte, wurde ihm das Herz recht schwer. Niemand hatte ihm beim Scheiden die Hand gedrückt, kein freundliches Augenpaar hatte ihm einen letzten Blick zugeworfen, kein Wort des Bedauerns über sein Fortgehen war an sein Ohr gedrungen, kein liebevoller Wunsch für sein Wohlergehen hatte ihn begleitet. Selbst die Bedienten, die seinen Koffer auf den Wagen hoben, zeigten sich mürrisch und unwillig und ließen für das überreichte Trinkgeld kaum ein Wort des Dankes hören. Der Kutscher auf dem Bock hieb mißmuthig auf die Pferde ein, als sei er darüber ungehalten, ihm den letzten Dienst erzeigen zu müssen, ja sogar das Bellen des Kettenhundes schien ihm, als er durch das Thor fuhr, zorniger und böswilliger als sonst.

Bei der Schwenkung am Hofthor konnte er sich nicht enthalten, auf das Haus zurück zu blicken, wo er unter Menschen, die er liebte und ehrte, so manchen frohen Tag verlebt hatte; aber kein Fenster öffnete sich, keine Gardine bewegte sich, kein Taschentuch winkte ihm den Abschiedsgruß zu. Ueber dem ganzen Hause lag es wie Grabesstille, und aus jeder Ecke schien es ihm vorwurfsvoll nachzurufen: »Zufriedenheit und Eintracht wohnten in diesen Räumen, ehe du hier einzogest; Trauer und Zwietracht lässest du beim Scheiden in Aller Herzen zurück. Hinweg mit dir, du Unheilstifter, du unsteter Gesell, du ruheloser Abenteurer, der du nirgends auf Erden eine Heimath hast. Trage den Samen des Unfriedens anders wohin, hier ist dein trauriges Werk vollbracht!«

Unwillkürlich mußte er daran denken, wie er zweimal früher, mißkannt und in seinen heiligsten Gefühlen gekränkt, das Haus seiner Pflegeeltern verlassen habe, und jetzt mit gleich bittern Gefühlen abermals in die weite lieb- und theilnahmlose Welt hinausziehe, ohne Hoffnung, je eine Stätte zu finden, wo er, im Innern befriedigt, Ruhe im Herzen, einen eigenen Herd und eine künftige Heimath gründen könnte.

Was führte ihn jetzt nach Hamburg? Der Gedanke etwa, die zerrissenen Bande wieder anzuknüpfen, die ihn früher so fest an die Gespielin seiner glücklichen Kindheit, an die Geliebte seiner Jugendjahre fesselten? Nein, daran dachte er nicht. Nur die Pflicht trieb ihn dahin, und wenn diese erfüllt war – vielleicht ohne daß er die Pflegeeltern und Louisen auch nur einmal wiedergesehen – so ging es abermals weiter – wohin wußte er selbst nicht, vielleicht wirklich nach Marokko oder Madagaskar, wie er dem Doctor Schönfeld spöttelnd gesagt hatte; ihm war das eine Reiseziel so lieb wie das andere.

Dann wieder fragte er sich, ob er denn auch wirklich recht gethan habe, das verlockende Glück von sich zu stoßen, das sich ihm hier dargeboten, ja, fast aufgedrungen, und das ihn in mancher Stunde – er mußte es sich gestehen – wie das herrliche Wunder einer Aladinslampe entzückt und berauscht hatte. Wo auf dem weiten Erdenrund würde er so viele Bedingungen eines ruhigen, zufriedenen Lebens wiederfinden als hier, wo er nur die Hand auszustrecken brauchte, sich derselben zu versichern? War es nicht thöricht, der Erinnerung an ein nur geträumtes, längst entschwundenes Gut eine so große Gewalt über sich einzuräumen, daß er jetzt das wirklich vorhandene verschmähte? Und hatte er nicht seine Neigung für das liebliche Mädchen und dessen so oft dargelegte Liebe für ihn zu geringe angeschlagen, indem er jene für das Interesse gehalten, das Jugend, Schönheit und Liebreiz immer einflößen, diese aber für das bloße Aufwallen eines noch halb kindlichen Herzens, für das Strohfeuer einer zum ersten Mal auflodernden Phantasie?

Aber schnell wies er diesen Zweifel zurück.

»Es war dennoch recht,« so schloß er seine Betrachtungen, »mich von einem vorübergehenden Schein nicht blenden zu lassen und dadurch sie und mich vor zu später Enttäuschung und Reue zu bewahren. Was ich nicht mit voller Ueberzeugung, aus ganzem, ungetheilten Herzen thun konnte, mußte zu ihrem und meinem eigenen Wohle ungeschehen bleiben.«

Jacob, der auf dem Bocke saß, war in der übelsten Laune von der Welt. Oft schielte er nach seinem Capitain zurück und schien nicht üble Lust zu haben, gegen diesen sein Herz zu erleichtern mittelst einiger kräftiger Ausfälle gegen die ganze Gottesschöpfung überhaupt und das menschliche Dasein speciell. Aber das konnte nur unter vier Augen geschehen; er warf dem neben ihm sitzenden Kutscher einen grimmigen Blick zu und schwieg. Doch nur äußerlich; innerlich raisonnirte er fort, wie er es selbst nannte, und in seinem Kopfe bildeten sich gar seltsame Betrachtungen über die eigenthümliche Verkettung seines Geschickes mit demjenigen seines Capitains.

»Wunderbar,« sagte er für sich, »jedesmal, wenn der Capitain seinen Cours nach dem Ehestandshafen richtet, muß auch mich gleich der Teufel reiten, daß ich in dasselbe Fahrwasser 'neinsteure; und so oft er dabei Schiffbruch leidet, muß ich gleichfalls auf irgend 'ner verdammten Untiefe sitzen bleiben. Sollte das noch lange so fortgehen, so wollt' ich mich lieber an eine zweihundertpfündige Bombe anschmieden und zehntausend Klafter tief in das Meer versenken lassen zu den Haifischen und – – Seeschlangen! – Hm, Seeschlangen, 's war doch 'ne lustige Geschichte mit den Seeschlangen!« Und Jacob vergaß auf einen Augenblick seinen Aerger, um still in sich hinein zu lachen.

Unsere Reisenden waren kaum vor dem kleinen Gasthause zu Sils abgestiegen, und noch sprach Hugo mit dem redseligen Wirth, indem er ihm auferlegte, so schnell wie möglich die Extrapost zu bestellen, als ein Reiter in gestrecktem Galopp die enge Straße hinansprengte und gleichfalls vor dem Gasthause anhielt; es war der Baron Berkheim. Schnell schwang er sich aus dem Sattel, warf den Zügel einem Stallknecht zu und wandte sich mit verstörtem Gesicht und vor Aufregung zitternder Stimme an Hugo.

»Ein letztes Wort, mein Herr,« sagte er, indem er Hugo einen Wink gab, mit ihm bei Seite zu gehen. »Sie haben die Erklärung verweigert,« fuhr er fast flüsternd fort, nachdem sie sich soweit entfernt hatten, daß die um den Wagen Versammelten ihn nicht hören konnten, »Sie haben die Erklärung verweigert, um die wir, mein Onkel und ich, Sie freundlich gebeten haben. Sind Sie jetzt geneigt, sie mir zu geben?«

»Nein, Herr Baron.«

»So erkläre ich Ihnen, daß Ihr Benehmen in dem Hause meines Onkels ein unehrenwerthes gewesen ist, daß Sie das Ihnen erwiesene Gastrecht mißbraucht haben, und daß ich hier bin, Sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Sie werden mir in den nahen Wald folgen; die Sache wird bald abgemacht sein.«

Er öffnete seinen weiten Ueberzieher und ließ Hugo zwei Pistolen sehen, deren Mündungen aus der tiefen Brusttasche hervorragten.

»Baron Berkheim,« sagte Hugo mit unerschütterlicher Ruhe, »ich kann Ihrer gereizten Stimmung Vieles zu gute halten, da ich weiß, aus welchen Gefühlen sie entspringt. Darum gebe ich Ihnen noch einmal die feierliche Versicherung, daß ein Irrthum nur auf Ihrer Seite vorhanden ist und daß Sie noch einsehen werden, wie Sie alle Ursache haben, mir zu danken, statt mich mit Vorwürfen zu überhäufen. Seien Sie hiermit zufrieden und kehren Sie ruhig nach Hause zurück.«

»Das sind leere Ausflüchte,« entgegnete zähneknirschend der Baron, »deren Sie sich nur bedienen, um der Verpflichtung auszuweichen, mir Satisfaktion zu geben.«

»Herr Baron!«

»Wenn Sie nicht eben so feige wie gewissenlos sind, so folgen Sie mir.«

»Gut, beeilen wir uns also.«

Da dieses Gespräch, wie gesagt, mit dem leisesten Tone und scheinbarer Ruhe geführt wurde, war es der Beachtung des Wirthes und seiner Leute entgangen; nur Jacob, dem schon auf der Villa Manches an dem Benehmen der beiden jungen Männer auffallend erschienen war, beobachtete sie genau, und als nun sein Capitain und der Baron eiligen Schrittes die Straße neben einander hinabgingen, stieg in dem Gemüthe des ehrlichen Bootsmanns ein Argwohn auf, der ihn veranlaßte, ihnen in einiger Entfernung zu folgen.

Der Wald, dessen der Baron erwähnt hatte, lag nicht weit von dem Städtchen an der Abdachung eines nicht steilen Berges. Es befand sich hier am Fuße einer Felswand eine kleine Lichtung mit ziemlich ebenem Boden, in deren Mitte eine uralte Eiche stand. Der Platz war sowohl Hugo als dem Baron wohl bekannt, und dorthin lenkten sie ohne vorhergehende Verabredung ihren Gang.

Einen Augenblick, nachdem sie in den Schatten des Waldes eingetreten waren, schlüpfte auch Jacob hinter einen dicken Baumstamm an dem Saume desselben und schlich ihnen von hier aus so leise wie möglich nach, indem er mit der Behendigkeit eines Indianerkriegers von Baum zu Baum huschte. Er dachte wohl nicht im Entferntesten daran, ihr Vorhaben zu verhindern, denn er wußte, wie unmöglich dies sein würde; er wollte nur bei der Hand sein, wenn ein Unglück geschähe und schnelle Hülfe Noth thäte.

»Verdammt,« murmelte er zwischen den Zähnen, »waren doch so gute Freunde, der Capitain und der Baron, und da laufen sie nun, als ob's die schrecklichste Eile hätte, einander 'n paar Kugeln durch den Leib zu jagen – ohne Secundanten und einen Wundarzt mitzunehmen, wie sich's doch gehört. – Tod und Teufel! – – Und das Alles nur des jungen Frauenzimmers wegen. Ja, die Frauenzimmer, wenn die nur nicht auf der Welt wären, da hätt' man 'nen guten Theil weniger Sorge und Plage. Nun fehlte mir weiter nichts mehr, als daß der alte Narr, der Haushofmeister, der doch auch ein Auge auf die Babette geworfen hatte, mir nachkäme, um mich zur Rede zu stellen. Na, Bomben und Granaten! dem würd' ich heimleuchten; aber so!« Und Jacob stieß recht ingrimmig mit den Fäusten nach rechts und links in die Luft.

Hugo und der Baron waren mittlerweile auf der kleinen Lichtung angelangt und machten hier Halt.

Die beiden jungen Männer bildeten, wie sie sich jetzt gegenüberstanden, einen bemerkenswerthen Contrast. Hugo war so ruhig und kaltblütig wie immer, wenn er sich bewußt war, daß die nächste Minute über Leben und Tod entscheiden konnte; kein Zug seines Gesichtes verrieth die mindeste Aufregung seines Innern. Auch der Baron war gefaßter, als wir ihn bei den vorhergehenden Auftritten sahen; aber es war nicht zu verkennen, daß seine Fassung eine nur erzwungene war und daß sie, mochte er auch in außerordentlichen Fällen energischer Handlungen fähig sein, mit seinem sonst so weichen sanften Naturell in Widerspruch stehe. Die Blässe seiner Wangen, die oft mit einem fliegenden Roth wechselte, das fieberhafte Glühen seiner Augen zeigten deutlich, daß sein Muth – es fehlte ihm keineswegs daran – nicht der kalte, besonnene, durch tausend Gefahren gestählte Muth war, den sein Gegner in so hohem Maße besaß.

»Ist Ihnen dieser Platz recht, Herr Baron?« fragte Hugo.

»Ja.«

»Ihre Pistolen also.«

Der Baron zog diese aus der Tasche seines Ueberziehers.

»Sie sind geladen mein Herr; wählen Sie. Hier sind auch Zündhütchen.«

»Herr Baron« sagte Hugo, indem er eine der Pistolen ergriff, »Sie glauben sich durch mich beleidigt und haben den ersten Schuß.«

»Nein Herr Falkner, Sie sind der Geforderte, Sie schießen zuerst.«

»Nimmermehr; wenn ich drei gezählt habe, schießen Sie; ich bestehe fest darauf.«

»Gut, da Sie es durchaus wollen. – –«

»Ich schlage Ihnen vor, daß wir unsere Plätze so wählen, daß einer von uns hier bleibt, der andere sich an der Eiche aufstellt. Die Distanz ist ungefähr funfzehn Schritt. Sind Sie damit einverstanden.«

»Ja.«

»Welchen Platz wählen Sie?«

»Ich überlasse Ihnen die Wahl.«

»So bleiben Sie hier.«

»Sehr wohl.«

Hugo nahm seinen Platz unter der Eiche ein. Mit fester Stimme zählte er »Eins!« Der Baron spannte den Hahn und hob die Pistole.

»Zwei!« – Er legte an.

»Drei!« Der Schuß krachte, und die Kugel schlug dicht über Hugo's Kopf in den Baum. Jetzt zählte der Baron: »Eins!« Aber Hugo warf die Pistole weit von sich und ging auf den Baron zu.

»Genug des thörichten und vermessenen Spiels,« sagte er. »Ich habe mich einzig und allein dazu herbeigelassen, weil ich gar kein anderes Mittel sah, Sie zu überzeugen, daß ich durch Rücksichten, die mir mehr gelten als die auf mein Leben, davon abgehalten werde, Ihnen die Erklärung zu geben, welche Sie wünschen. Es würde mich freuen, wenn ich meine Absicht erreicht hätte; wo nicht, so gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß ich mich, falls Sie binnen vierzehn Tagen von Ihrem unseligen Irrthume nicht zurückgekommen sein sollten, Ihnen wieder stellen werde, wo und wann Sie es wünschen. Dann aber, Baron Berkheim, wird nur einer den Platz lebend verlassen. Meine Adresse werden Sie zu jeder Zeit bei einem Manne in München erfragen können, dessen Karte ich Ihnen hiemit übergebe.«

Er zog seine Brieftasche hervor und nahm daraus eine Karte, die er dem Baron hinreichte. Dieser nahm sie indeß nicht.

»Nehmen Sie Ihre Pistole wieder!« rief er, zornig mit dem Fuße stampfend. »Ich werde mir das Spiel, wie Sie es nennen, und das Sie mit mir zu treiben belieben, nicht gefallen lassen.«

»Sie werden es sich doch gefallen lassen müssen denn, bei Gott! ich habe jetzt das letzte Wort mit Ihnen gesprochen!«

Der Baron entriß ihm die wieder dargereichte Karte.

»So gehen Sie denn, mein Herr,« sagte er, »aber, das schwöre ich Ihnen, ich werde Sie später zu finden wissen.«

Hugo wandte sich ab und schritt ruhig und gedankenvoll von dannen. Er achtete erst nicht darauf, daß, als er eine Strecke weit gegangen war, hinter ihm unter den Tritten eines Anderen das dürre Laub raschelte. Als aber das dadurch entstehende Geräusch fortdauerte, wurde er endlich darauf aufmerksam. Er dachte, es müsse der Baron sein, stand still und wandte sich um. Aber es war Jacob, der hinter ihm drein schlenderte und jetzt, seelenfroh über den glücklichen Ausgang des Duells, still in sich hineinlachte.

Es zuckte ein freudiges, wohlthuendes Gefühl durch Hugo's Herz, als er das breite, ehrliche Gesicht des Bootsmanns sah, und er blieb stehen, um diesen herankommen zu lassen.

»Ich hätte mir denken können, daß Du nicht fern seiest, Alter,« sagte er, indem er ihm die Hand mit einem freundlichen Lächeln auf die Schulter legte.

»Zum Henker, Capitain,« stammelte Jacob, wie um seine Zudringlichkeit zu entschuldigen, »man kann doch nicht wissen, wie so 'ne Geschichte abläuft.«

»Es war eine recht thörichte Geschichte, Jacob, die ich eben so sehr bedaure, als ich daran unschuldig bin.«

»Weiß schon, weiß schon, Capitain, die Schuld an allem Unglück in der Welt haben die – – –« Frauenzimmer wollte er sagen; aber er besann sich und schwieg.

»Möchte nun der Haushofmeister kommen,« sagte er für sich, »den wollt' ich bearbeiten – oh – wär' jetzt gerade zu so 'ner kleinen Boxerei aufgelegt.«

Aber der Haushofmeister kam nicht, und eine halbe Stunde später fuhren die beiden durch die Straßen der kleinen Stadt Sils, während der Postillon, durch die Aussicht auf ein gutes Trinkgeld in die heiterste Laune versetzt, munter blies:

»Fahr' ich, fahr' ich, fahr' auf der Post,
Fahr' auf der Schneckenpost,
Was mir keinen Kreuzer kost' u. s. w.«



 << zurück weiter >>