Victor Auburtin
Einer bläst die Hirtenflöte
Victor Auburtin

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Glockenspiele, Mirabella und Amadeus

Das merkwürdigste in Salzburg ist ja die Geschichte mit dem Glockengeläut und mit der Orgel um elf Uhr. Jeden Tag um elf Uhr läutet das alte Glockenspiel auf dem Neugelände. Und gleichzeitig spielt die große Orgel hoch oben auf der Burg, und zwar spielt die Orgel so, daß man ihr Tönen tief unten in der Stadt auf dem Platz hören kann.

Und da kommen nun alle Leute zusammen, die für so etwas Interesse haben, und postieren sich auf dem Platze. Aber man muß sich ganz ruhig verhalten und nicht wackeln und nicht herumlaufen, weil sonst die windverwehten Töne kaum zu hören sind. Und so still wird es dann auf dem Platz, daß die Tauben von den marmornen Gesimsen herunterflattern und zwischen den stehenden Zuhörern dreist herumspazieren.

Es kostet keinen Eintritt, und die Einlage von Sonderzügen zum Besuch dieser Merkwürdigkeit hat sich bis jetzt noch nicht als notwendig erwiesen.

 

Diese musikalische Spielerei ist von irgendeinem Fürstbischof des siebzehnten oder achtzehnten Jahrhunderts angelegt worden. Und nun denke man gütigst einmal darüber nach: was war das für eine Zeit, die Zeit fand für solche Späße. Denn selbstverständlich ist dies Arrangement nicht etwa zufällig entstanden, es ist sorgfältig eingerichtet und berechnet worden; die Herren Hofarchitekten, die Kammermusizi, der Herr oberste Schloß- und Residenzuhrmacher, sowie Seine Fürstbischöfliche Gnaden selber haben ausgemessen und ausprobiert, um es fertigzustellen, daß ein Orgelspiel vom Himmel hoch herabklänge in die ganze Stadt. Anstatt sich um die Anlage einer vernünftigen Kanalisation zu kümmern, die damals noch in ihren Kinderschuhen steckte.

 

Überhaupt ist Salzburg eine Stadt der Schnurrpfeifereien und Überraschungen. Heimliche Säulengänge, marmorne Pferdeschwemmen mitten in der Stadt, und kleine Kirchen, oben an den Felsen geklebt.

Ein Restaurant heißt »Zur Katze«, ein anderes »Zur Gans«, ein drittes »Zur Birne«, und ich schreibe diese Zeilen in dem Hotel »Zum Roten Krebs«, was mir besser gefällt, als wenn es »Grand Hotel Monopol« hieße.

 

Aber niemand weiß, woher der schöne Mirabellgarten – der aber jetzt ein wenig allzu sehr verbürgerlicht wurde – seinen melodiösen Namen hat.

Wahrscheinlich wirkte einmal hier am Hofe eine italienische Sängerin mit Namen Mirabella, und weil diese Künstlerin Seiner Eminenz am Herzen gelegen hatte, deshalb wurde ihr zu Ehren der Mirabellgarten eingerichtet und mitten hinein das entzückende kleine Theater aus Laub und Busch eingerichtet.

Das Theater im Mirabellgarten, der Vorläufer des großen Festspielhauses, ist klein und eignete sich eigentlich nur für die Aufführung der sehr unanständigen Schäferspiele, die sich an diesem geistlichen Hofe der größten Beliebtheit erfreuten.

Im Parkett saß der Bischof im Kreise seiner Damen, Mirabella sang auf der Bühne und hatte einen feuchtschimmernden Blick, und schmetternd trillerten die Kastraten, die aber in den Büschen versteckt waren, damit man ihre Bäuche nicht sähe. Sie sangen unter der Leitung jenes talentvollen jungen Hofmusikus, der den schönen, seltenen, salzburgischen Namen Amadeus führte. Leider hat sich der junge Mensch später durch seine übertriebenen Gehaltsansprüche lästig gemacht und mußte entlassen werden.

 

Immer waren die Salzburger Landesfürsten berühmt wegen ihrer schönen Mätressen, wie andere Landesfürsten ihre Ehre in den Gardegrenadierregimentern suchten, und die Kunsthistoriker wollen daraus den etwas femininen Zug der salzburgischen Kultur erklären. Überall sieht man die heilige Jungfrau in goldenen Kleidern, schwellende Busen aus Stuck und die beinschwingenden Engel, von denen man nie weiß, ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechts sind.

Ein Fürstbischof von Salzburg hieß Paris. Mit dem Ton auf dem a; wie jener Hirte, der zu Gericht saß über Göttinnen.


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