Victor Auburtin
Einer bläst die Hirtenflöte
Victor Auburtin

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Quasi ein Vorwort

Nie würde ich gewagt haben, in den Titel dieses kleinen Buches das Wort »Hirtenflöte« zu setzen, wenn ich nicht schon einmal eine Hirtenflöte gesehen und gehört hätte. Das Wort Hirtenflöte kommt besonders in Leitartikeln vor, und was wissen Leitartikler von Hirtenflöten!

Es war an einem Wintertage in Athen in einem kleinen Restaurant bei der Börse zu Mittag. Das Lokal war voll von griechischen Börsenmännern, die halbrohes Lammfleisch fraßen und dazu schrien wie die Besessenen. Sie schrien aber, erstens weil die Griechen immer schreien – man denke an Demosthenes, der sich Kieselsteine in den Mund steckte, um noch besser schreien zu können –, zweitens weil die Kurse wieder gestiegen waren und das Geschäft blühte.

Da trat in das Restaurant ein alter, bäuerlich gekleideter Mann ein, blieb an der Türe stehen und stellte vor sich einen kleinen Napf. Dann zog er aus einer Ledertasche eine Hirtenflöte, eine veritable Hirtenflöte, so wie wir sie von der alten Kunst her kennen, vielleicht zehn Pfeifenröhren aneinandergebunden.

Es war ein Urenkel des großen Pan da draußen, und er fing nun an, in den Lärm zu spielen. Stille, kurze Strophen von reiner Kadenz, aber man hörte ihn kaum, man achtete nicht auf seine Melodie, und sein Näpfchen bekam nur wenig. Ich sehe das ganze Bild noch heute vor mir, es war sehr traurig, und wie alles Traurige etwas komisch.

Und weil das alles ungefähr so ähnlich ist – auch das mit dem großen Pan stimmt beinahe –, deshalb heißt mein kleines Buch so, und damit Gott befohlen...

Nur eine Bitte noch an meine Leserschar: man lese von diesen kleinen Strophen gütigst nicht zuviel hintereinander, das vertragen sie nicht. Zwei oder drei vor dem Schlafengehen, wenn der Lärm des Tages verstummt.


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