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Meine Erlebnisse auf dem Tender Adler bei Eroberung der Kolonien in Westafrika.

Vom Fregattenkapitän z. D. Paul Walther.

Im Herbst des bedeutungsvollen Jahres 1884, in dem Deutschland in die Reihe der Kolonialmächte eintrat, herrschte in Wilhelmshaven reges Leben. Das Schulgeschwader, bestehend aus den gedeckten Korvetten Bismarck und Gneisenau, den Glattdecks-Korvetten Sophie und Ariadne wurden damals in aller Eile ausgerüstet, um die neu erworbenen Kolonien an der Westküste Afrikas auch militärisch in Besitz zu nehmen und für die Zukunft zu sichern.

Die Expedition erforderte große Vorbereitungen, da an der westafrikanischen Küste für so viele Schiffe weder auf genügende Kohlenvorräte noch genügenden Proviant gerechnet werden konnte. Zwar hatten die Regierungen der dort schon ansässigen Kolonialmächte England und Frankreich beides zur Ausrüstung ihrer Schiffe vorrätig. Sie aber um derartige Gefälligkeiten zu bitten, war ausgeschlossen, da wir ja als Rivalen kamen und uns festsetzen wollten. Es hieß also, das Geschwader mit Vorräten für mehrere Monate zu versorgen. Transporter, wie sie die englische und französische Marine haben, besaßen wir damals, ebenso wie heute nicht; es mußte also auf die Handelsmarine zurückgegriffen werden. Infolgedessen wurde in Bremerhaven vom Norddeutschen Lloyd ein Dampfer gemietet, der den verschiedenartigsten Zwecken zu dienen hatte, nämlich als Kohlen-, Proviant-, Lazarett-Schiff und schließlich als Aviso, um Post und Depeschen zu befördern, denn an Telegraphenverbindung oder regelmäßigen und schnellen Post-Verkehr war in Westafrika vor 25 Jahren noch nicht zu denken. Ein kleines Kommando wurde an Bord geschickt, das aus einem Oberleutnant als Kommandoführer, einem Arzt, 2 Unteroffizieren und 8 Matrosen bestand. Kommandoführer war der Verfasser dieses Beitrags.

Am 29. Oktober 1884 schiffte sich das Kommando in Bremerhaven ein. Als am nächsten Tage anstatt der Handelsflagge die Werftdienstflagge (damals die Kriegsflagge mit 4 kleinen gekreuzten Ankern im linken unteren Felde) gehißt wurde, war damit ein Zwischending zwischen Kriegs- und Handelsschiff geschaffen, wie es bis dahin noch nicht dagewesen war. Für die Schiffsführung und den inneren Dienst der Zivilbesatzung blieb das Schiff dem Lloydkapitän unterstellt, für alles übrige wie die Verfügung über die Ladung, über das Anlaufen von Häfen usw. unterstand das Schiff dem Kommandoführer, der seine Befehle vom Chef des westafrikanischen Geschwaders, Admiral Knorr, erhielt. Das Schiff, als Tender des westafrikanischen Geschwaders bezeichnet, war ein fast neuer Dampfer von 3 700 Tonnen, der bis dahin zwischen Bremerhaven und London gefahren hatte und vorzüglich geeignet für seine neue Bestimmung war.

Die Ausrüstung des Schiffes, das Anbordnehmen von 1400 Tonnen Kohlen für das Geschwader, das Einrichten eines Lazaretts verzögerte die Abreise noch einige Tage, so daß der Adler den nächsten Bestimmungsort, Plymouth, einen Tag später erreichte als das Geschwader. In Plymouth passierte ihm das erste Abenteuer, das den Beweis lieferte, daß auch die Engländer nicht recht wußten, als was sie den Adler anzusehen hätten.

Ich war als Kommandoführer sofort nach dem Ankern auf das Flaggschiff zur Meldung beim Geschwaderchef gefahren und im Anschluß daran in der Offiziermesse des Flaggschiffes zum Frühstück geblieben. Als ich nach zwei Stunden wieder auf den Adler zurückkehrte, teilte mir zu meinem höchsten Erstaunen der Kapitän mit, daß englische Zollbeamte an Bord gewesen seien und alle Ladeluken versiegelt hätten. Diese anscheinend unerhörte Maßnahme wurde von mir zunächst damit beantwortet, daß ich die Siegel sofort wieder abreißen ließ. Der nächste Schritt war eine Meldung an den Geschwaderchef und das Aufsuchen des deutschen Konsuls, der wie in vielen englischen Häfen ein Stockengländer war und keine Silbe Deutsch sprach. Der Konsul machte, als er von der Verletzung der englischen Zollsiegel gehört, anscheinend hauptsächlich hierüber ein bedenkliches Gesicht und versicherte, daß die englischen Zollbeamten sicherlich in gutem Glauben gehandelt hätten. Er wolle die Sache aber sofort weiter verfolgen. Das Ergebnis war dann, daß der Konsul und ich zum Bureau des obersten Zollbeamten gingen und gegen die Behandlung eines deutschen Tenders protestierten.

siehe Bildunterschrift

Teil der Wohnungsanlage eines lamaischen Klosters

Der Beamte, ein äußerst liebenswürdiger alter Herr, entschuldigte sich sofort und bemerkte dann ganz trocken, das Verhältnis der Transporter zum Staat sei in den verschiedenen Marinen verschieden. Er habe dasselbe Verfahren gegen den Adler angewendet wie gegen die eigenen und gegen französische Transporter, Tender und Regierungsdampfer und glaube, hiermit nur im Interesse des betreffenden militärischen Befehlshabers gehandelt zu haben. Die Hauptbesatzung wären doch Zivilisten. Ob ich denn genau wüßte, daß keiner aus der Besatzung zu schmuggeln versuchen würde, und ob ich die Verantwortung dafür übernehmen wollte. Als ich dies als selbstverständlich bejahte, war die Angelegenheit für beide Teile erledigt. In der sich daran anschließenden Unterhaltung auf dem Wege nach dem Hafen, wohin uns der Beamte begleitete, begann er uns aus seiner langen Dienstzeit eine Reihe interessanter Schmuggelgeschichten und schlauer Tricks der Mannschaften der Schiffe zu erzählen, so daß ich doch etwas stutzig wurde und Vorsichtsmaßregeln traf. Der alte Herr schien dem Frieden auch nicht recht zu trauen, denn nachts fuhr immer ein kleines Dampfboot in der Nähe des Adler umher. Daß es keinen Anlaß hatte, in Tätigkeit zu treten, war bei der vorzüglichen Besatzung des Dampfers selbstverständlich.

Am 7. November ging es mit dem Geschwader weiter nach Madeira, eine Reise, auf der man das ebenso seltsame wie köstliche Gefühl auf sich wirken lassen kann, in wenigen Tagen aus Nacht und Nebel, Sturm und Kälte unseres Winters in den herrlichsten Frühling hineinzufahren. Wenige Tage später steigerte sich die zuerst wohltätige Wärme der immer höher steigenden Sonne zu unerträglicher Hitze. Madeira mit seinen Naturschönheiten soll hier nicht näher beschrieben werden. So paradiesisch die Insel mit ihrer Fruchtbarkeit, ihren Bergen und Schluchten, ihrem milden Klima und ihren herrlichen Partien auch anmutet, so sehr wird dies alles doch beeinträchtigt durch die Eingeborenen mit ihrer Unbildung und ihrer Armut und mehr noch durch die vielen blaßwangigen Nordländer, denen die Schwindsucht am Gesicht abzulesen ist, und die hier Heilung von ihrer Krankheit erwarten.

Vom schönen Madeira ging es weiter nach Porto Grande auf St. Vincent, einer der Cap-Verdischen Inseln. Ein größerer Gegensatz als zwischen dieser Insel und Madeira ist kaum denkbar. Die Stadt Porto Grande bestand damals wie auch heute noch aus einigen villenartigen Häusern, in denen englische und deutsche Kaufleute und die Beamten der englischen Telegraphengesellschaft wohnen. Der größte Teil des Ortes aber setzt sich aus elenden Negerhütten zusammen, bewohnt von einer häßlichen Mischrasse. Einige kümmerliche Bäume stellten den sogenannten Stadtpark dar. Eine Humusschicht war nirgends zu entdecken; überall tiefer Sand und völlige Unfruchtbarkeit. Trotzdem hat die Insel wegen ihres vorzüglich geschützten Hafens und dessen günstiger Lage als Kohlenstation für alle nach Südamerika fahrenden Dampfer große Bedeutung. Für uns war damals Porto Grande die letzte Station, die uns mit der zivilisierten Welt verband, denn hier endete die Telegraphenverbindung und der regelmäßige Postverkehr.

Das Geschwader trennte sich nun. Die Gneisenau ward nach Ostafrika beordert, das Flaggschiff Bismarck und die Olga dampften nach Kamerun, Ariadne und der Tender Adler nach Monrovia, einem Ort, auf den wir uns alle freuten, der uns aber sehr enttäuschen sollte. Die Stadt ist Haupt- und Residenzstadt der Republik Liberia und war damals wie jetzt ein ödes verwahrlostes Negernest; sie kann ebenso wie der ganze Staat Liberia als bestes Beispiel für die Kulturunfähigkeit des Negers, sobald er sich selbst überlassen ist, angesehen werden. Der Staat ist 1821 von amerikanischen Philanthropen gegründet worden, um der freien Negerbevölkerung in den Vereinigten Staaten eine Heimat in ihrem alten Vaterlande zu schenken und ihr Gelegenheit zu geben, dort einen christlichen Kulturstaat zu errichten. Man glaubte, daß ein solcher Staat, allein aus Negern bestehend, leichter Einfluß auf die wilden Stämme im Innern gewinnen würde, als es Weißen möglich ist, und hoffte, durch ihn ein schnelles Ausbreiten des Christentums und ein schnelles Verbreiten westlicher Kultur und Bildung zu erreichen. Nichts von dem ist eingetroffen. Die Bevölkerung der Hauptorte, durch die Tätigkeit der Missionen und deren Einfluß einigermaßen in Schranken gehalten, ist nichts destoweniger faul und über alle Maßen eingebildet. An irgendwelche Industrie oder systematischen Landbau ist nicht zu denken. – Das Verhältnis zu den Wilden im Innern hat sich in der Weise entwickelt, daß erstere nur die Laster der Kultur angenommen haben und zugleich mit ihren ursprünglichen Lebensverhältnissen eine gefährliche Anziehungskraft auf die zivilisierten Neger ausüben und zwar in solchem Maße, daß vielfach zivilisierte Neger wieder in den Urzustand ihrer Vorfahren früherer Generationen zurückfallen. Daß sich diese Karikatur eines modernen Staates bis jetzt überhaupt hat halten können, verdankt Liberia nur der Eifersucht der Mächte auf einander. Als wir dort waren, beschäftigte sich ein naher Verwandter des Präsidenten damit, unsere Wäsche abzuholen und in Kommission zu geben.

Für die Ehre, die uns und unserer Wäsche dadurch erwiesen wurde, mußten wir allerdings mit in Kauf nehmen, daß sie recht schmutzig und halb zerschlagen wieder zurückkehrte.

In Monrovia nahmen wir 30 Kruneger, für uns und die anderen Schiffe bestimmt, an Bord. Sie dienen dazu, die Landungsboote zu bemannen, da sie es vorzüglich verstehen, ein Boot sicher durch die hohe Brandung, die überall an der Westküste Afrikas zu finden ist, hindurch zu steuern; außerdem werden sie als Heizer und Kohlentrimmer und zu allen Arbeiten herangezogen, zu denen Weiße in den Tropen sich nicht eignen. Die Kruneger bilden eine Art Gilde, die unter einem Vorarbeiter, dem »Headman«, gute Zucht hält und gegen die übrige Bevölkerung der Küste vorteilhaft absticht.

Der Aufenthalt in Monrovia erstreckte sich auf 18 Tage. Erst am Heiligabend, nachdem wir von einem Gelegenheitsdampfer die Post erhalten, ging es weiter nach Kamerun, wo wir am 29. Dezember ankamen, leider zu spät, um noch Augenzeugen des Gefechts zwischen den Olga-Mannschaften mit den aufrührerischen Bewohnern der Ortschaften Joßtown und Hickorytown zu sein.

Nachdem Kamerun 5 Monate vorher, im Juli 1884, auf die Bitten der beiden mächtigsten Häuptlinge King Bell und King Aqua deutsch geworden und außer ihnen noch eine ganze Reihe ihrer Unterhäuptlinge Verträge mit dem Generalkonsul und Afrikaforscher Dr. Nachtigal abgeschlossen hatten, war der Repräsentant deutscher Macht, das Kanonenboot Möwe, kurz nach der feierlichen Besitznahme des Landes gezwungen worden, Kamerun auf längere Zeit zu verlassen und andere Häfen aufzusuchen. Alsbald setzte eine der deutschen Herrschaft feindliche Strömung ein. Unter der Führung der beiden Unterhäuptlinge Bells Lock Prero von Hickorytown und Elami Joß von Joßtown wurde die Bevölkerung gegen die deutschen Kaufleute aufgehetzt. Die Lage der Deutschen gestaltete sich noch besonders gefährlich dadurch, daß King Bell auf einem Zuge ins Innere abwesend war und die Aufständischen ihm die Wege versperrten. Während sie noch zunächst davor zurückschreckten, tätlich gegen die Deutschen vorzugehen und sich auf Erpressung von Rum und Nahrungsmitteln beschränkten, ließen sie ihren Haß vorerst gegen die Bewohner von Belltown aus, die ihrem Häuptling treu geblieben waren. Nach kleinen Gefechten am 14. und 15. Dezember drangen sie in Belltown ein und zündeten die Hütten an; auch King Aqua wurde von ihnen bedrängt, es gelang ihm jedoch, sich ihrer durch Hinhalten und Versprechungen zu erwehren.

Es war klar, daß in wenigen Tagen die Aufständischen, durch ihre Erfolge ermutigt, ganz Kamerun beherrscht und das Leben und Eigentum der Deutschen gefährdet haben würden. In dieser Not erschienen am 18. Dezember die Schiffe Bismarck und Olga auf der Außenreede. Da sie durch die vor dem Flusse liegende Barre nicht selbst sofort bis Kamerun vordringen konnten, wurden am Morgen des 20. die Landungskorps der Schiffe, bestehend aus 330 Mann und 4 Geschützen, in Booten den Fluß hinaufgeschickt. Zunächst wurde gegen Hickorytown vorgegangen, aus der sich die Aufständischen, ohne Widerstand geleistet zu haben, flüchteten und mit ihren Kanoes den Fluß überschritten. Inzwischen hatte auf dem anderen Ufer des Flusses Elami Joß die Woermann-Faktorei angegriffen, die dort wehende deutsche Flagge zerrissen und den Leiter der Faktorei Pantänius ermordet.

Gegenschlag und Strafe folgten sofort. – Sobald die Nachricht zum Landungskorps gelangt war, setzte die Abteilung der Olga unter Führung des Ersten Offiziers des Schiffes, Kapitänleutnant Riedel, über den Fluß, um gegen Joßtown vorzugehen. Zum Orte führte ein steiler Abhang von 30 m Höhe, der von den Joßleuten, verstärkt von den geflüchteten Hickoryleuten, besetzt war. Lebhaftes Feuer begrüßte von hier die Truppe bei ihrer Landung. Nachdem die Mannschaften, so gut es ging, Deckung genommen und das Feuer etwa 20 Minuten erwidert hatten, ging es, die Offiziere voran, zum Sturme vor. Dem Anblick der stürmenden Weißen vermochte der Feind nicht standzuhalten, trotzdem er dem Angreifer mehrfach überlegen war. Er zog sich ins Dickicht zurück und setzte von hier das Feuer fort, so daß es zunächst nicht möglich war, weiter vorzugehen. Als noch das Landungskorps der Bismarck zur Verstärkung herangezogen war, wurde die Niederlassung erstürmt und in Brand gesteckt. Der Verlust des Feindes war beträchtlich, auf deutscher Seite fiel nur ein Matrose. Seit diesem Zeitpunkt war erst die deutsche Herrschaft in Kamerun fest begründet. Nachdem die Einwohner den Willen, die Macht und den Mut der Deutschen kennen gelernt, hat keine Erhebung in Kamerun mehr stattgefunden.

An der Kampfstätte, die ich damals nur als ein in Asche gelegtes Negerdorf sah, erhebt sich jetzt das Gouvernementsgebäude, umgeben von einem schönen Park. Wer überhaupt unsere große aufblühende Kolonie in den letzten Jahren gesehen hat, dürfte sich kaum noch einen Begriff davon machen können, wie der Ort vor 25 Jahren ausgesehen hat.

Nach seiner Ankunft in Kamerun am 29. Dezember hatte der Geschwadertender die Schiffe mit Kohlen und Proviant zu versorgen. Sobald diese Arbeit beendet war, wurde er Aviso und Depeschenschiff, da er mit Depeschen über die Vorgänge und zur Entgegennahme neuer Befehle aus Berlin nach Porto Grande geschickt wurde. – Die Strecke von Kamerun nach dort beträgt 2300 Seemeilen. Der Adler legte sie in 9½ Tagen zurück bei täglicher Durchschnittsfahrt von 250 Seemeilen (etwa 63 deutsche Meilen). In Porto Grande wurden Kohlen eingenommen. Mir als dem Kommandoführer fiel die Aufgabe zu, die aus Berlin eingehenden Depeschen auf ihre Verständlichkeit zu prüfen. Nach Erledigung seiner Aufträge und Anbordnahme der Postsachen für das Geschwader, die aus einer stattlichen Anzahl von Postsäcken bestanden, kehrte der Adler am dritten Tage nach Kamerun zurück.

Abwechselung auf dieser nun schon zum dritten Male von uns durchlaufenen Strecke, die von Schiffen nur wenig belebt ist, gewährte uns die Beobachtung der fliegenden Fische, die ich hier in viel größeren Mengen gesehen habe, als in irgend einem anderen Meere. In ganzen Schwärmen erhoben sie sich aus dem Wasser, um mit ihrem Flug durch die Luft ihren Verfolgern, Delphinen und anderen Raubfischen, zu entgehen. – Es gibt auf Segelschiffen ein alt hergebrachtes Mittel, sie auf ihrer Flugbahn zu fangen; abends werden auf Deck Laternen hingehängt. Von dem ungewohnten Licht angezogen, fliegen die Fische dann über das Schiff, stoßen hierbei gegen Hindernisse und fallen betäubt auf Deck nieder. Mehrfach gelang es, eine größere Anzahl auf diese Weise zu fangen. Die Fische sind außerordentlich wohlschmeckend und bieten eine vorzügliche Nahrung auf hoher See.

Als der Adler sich am 21. Januar der Küste bei Kamerun näherte, ward uns der seltsame Anblick eines Tornados aus der Ferne. Tornados sind wenige Stunden anhaltende Wirbelstürme, die gerade an diesem Teil der Küste meistens nicht gefährlich sind, dafür aber furchtbar drohend heranziehen. Die schwarzen Wolkenmassen entsenden unter unaufhörlichem Blitzen wolkenbruchartigen Regen. An jenem Abend sahen wir davon nur die über der Küste hängende schwarze Masse und fortwährende Blitze nach allen Richtungen, während sich über uns sternenklarer Himmel ausbreitete und erfrischender Wind Kühlung brachte. Später haben wir mehrmals Tornados über uns ergehen lassen und sie immer mit Freuden begrüßt. Beim Herannahen wurden dann alle Wasserabzugsvorrichtungen auf dem Oberdeck verstopft; in kurzer Zeit sammelte sich das Regenwasser derart an, daß sich die Mannschaften zum Baden darin herumwälzen konnten. Die Erquickung, die das kühle Bad und die um mehrere Grade herabgesetzte Temperatur mit sich brachten, vermag nur der sich vorzustellen, der längere Zeit in den Tropen hat zubringen müssen.

Am Morgen des nächsten Tages ankerte der Adler in der Nähe des Admiralschiffes außerhalb der Barre. Nun folgte noch ein vierwöchiger Aufenthalt in Kamerun, während dessen zunächst das größte Schiff, die Bismarck, mit Kohlen versorgt wurde. Dann erhielt der Adler ein Vermessungsdetachement an Bord zum Vermessen und Betonnen des Fahrwassers. Nach Beendigung dieser Aufgabe sollte er nach Kamerun hinaufdampfen, um die dort vor Anker liegende Olga mit Kohlen zu versorgen und deren Fieberkranke an Bord zu nehmen. Wir sahen der Fahrt mit Spannung entgegen, weil die Barre kaum so viel Wasser über sich hatte, als der Tiefgang des Schiffes betrug. Da aber der Grund aus weichem Schlick besteht, war ein Durchstoßen des Schiffsbodens beim Aufgrundkommen ausgeschlossen und Gefahr nicht vorhanden. Das Gefährliche des Manövers lag auf einem anderen Gebiete und sollte uns noch manche Stunde der Sorge und harten Arbeit verursachen. – Um die weiche Schlickmasse zu durchstoßen, fuhr der Dampfer mit Volldampf auf die Barre hinauf. Als er sie erreicht, wurde die Vorwärtsbewegung langsamer und langsamer, bis die Fahrt schließlich ganz aufhörte. Das Schiff hatte sich im Schlick festgefahren ohne noch die Mitte der Barre erreicht zu haben. Dies Festfahren war so langsam vor sich gegangen, daß auf der Kommandobrücke davon überhaupt nichts zu merken gewesen war. Die Schraube arbeitete dann sofort mit voller Kraft rückwärts und ganz langsam glitt das Schiff wieder in tieferes Wasser zurück, wo sofort geankert wurde, da die bald eintretende Ebbe einen neuen Versuch ausschloß. Zwei Tage wurde gewartet, um höheres Hochwasser, die Springflut, abzuwarten, ein alle 14 Tage eintretendes Ereignis, das 2-3 Tage nach Voll- oder Neumond eintritt. Der zweite Versuch mißlang ebenfalls trotz höheren Wasserstandes. Das Schiff war zwar weiter auf die Barre hinaufgekommen, blieb aber schließlich doch stecken; es ließ sich diesmal aber weder durch Vor- und Rückwärtsgang der Maschine noch durch das Ausfahren von Ankern nach irgend einer Richtung bewegen. Inzwischen begann die Ebbe einzusetzen und mit ihr sank der Wasserspiegel, so daß der Schiffsrumpf höher und höher aus dem Wasser hervorragte. Um das Schiff vor dem Umkippen zu bewahren, hieß es, so schnell wie möglich die erforderlichen Gegenmaßnahmen ergreifen. Hilfe war von den nahen Kriegsschiffen leicht zu erlangen. Auf Bitte durch Signal schickte die Olga eine Anzahl Boote mit etwa 100 Mann und 4 langen Balken, die sie als Reserve-Rahen an Bord hatte. Die Balken wurden dicht neben dem Schiff, je 2 an jeder Seite und in etwa 40 m Abstand, senkrecht in den Grund gestoßen und ihre oberen Enden mit Stricken am Schiff befestigt.

Die Arbeit war innerhalb von 2-3 Stunden vollendet. Das Schiff lag etwa 3 Grad nach der einen Seite über. Falls es nun bei noch weiterem Fallen des Wassers noch weiter sich umzulegen anschickte, wurde es von den stützenden Balken an der Seite daran gehindert. Die Vorsichtsmaßregel sollte sich glücklicherweise als unnötig erweisen. Der Schiffskörper hatte sich in dem weichen Grunde so fest eingebettet, daß er auch bei dem niedrigsten Wasser der Ebbe völlig ruhig lag; dabei betrug der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser fast 2 Meter. Das nächste Hochwasser um 12 Uhr nachts brachte uns Befreiung. Während die Maschine Voll Dampf voraus arbeitete, wurde gleichzeitig an einem nach vorn mittelst Booten ausgefahrenen und in tiefem Wasser liegenden Anker mit aller Kraft der Dampfwinde gezogen. Der Adler ging voraus und hatte in einigen Minuten das Hindernis genommen.

An den nächsten beiden Tagen wurden Kohlen und Ausrüstungsgegenstände an die Olga abgegeben, und nachdem diese Arbeit beendet, trat das Schiff endlich auch als Lazarettschiff in Tätigkeit. Die Olga übersandte ihm von ihren vielen an Malaria erkrankten Leuten die 12 am schwersten Erkrankten, die sich in den schönen luftigen Lazaretträumen des Adler sichtlich weit behaglicher fühlten als in dem engen Raume der Olga. Zu diesen Leuten kamen am nächsten Tage noch ein Offizier und drei Mann von der Bismarck, deren Besatzung weniger unter der Krankheit zu leiden hatte, als die der Olga. Die Ursache dieser Erscheinung kannte man damals noch nicht, sie war sehr einfach. Da nämlich die Bismarck weiter vom Lande ablag, fanden auch weniger der die Malaria übertragenden Mosquitos ihren Weg nach dort. – Unter den Kranken war der Leutnant N. von der Bismarck, der früher schon längere Zeit an der Küste gewesen war, am gefährlichsten erkrankt. Er war derartig schwach, daß er sich kaum im Bett aufzurichten vermochte. Als er in diesem Zustande mit allen Vorsichtsmaßregeln von der Bismarck in das Boot heruntergetragen werden sollte, äußerte einer der umherstehenden und das interessante Schauspiel betrachtenden Kruneger, mit dem Finger auf Leutnant N. zeigend, zu einem seiner Kameraden » That man lives for die very soon, very soon«. Der Schwerkranke hatte den Sinn des Negerkauderwälsch sofort verstanden. Anstatt das Schauerliche dieser Neger-Prognose auf sich Einfluß gewinnen zu lassen, erfaßte er nur das Humoristische der Situation. Er erzählte es uns mit heiterster Miene und behauptete später, daß der unfreiwillige Witz des Negers mehr zu seiner Genesung beigetragen habe als alle Mixturen.

Über die folgenden Tage in Kamerun enthalten die Angaben meines Tagebuches nur wenige Notizen. Längere Spaziergänge in die Wildnis gaben uns Gelegenheit, seltene Vögel zu schießen, sowie die Bekanntschaft mit den am häufigsten vorkommenden Schlangenarten zu machen, unter ihnen eine sehr giftige Puffotter, die, quer über dem Wege liegend, beinahe von einem von uns getreten worden wäre. Einige Stockschläge machten ihr den Garaus. – Eine Flußpferdjagd, auf der wir die Tiere bei ihrem Anlandgehen erlegen wollten, verlief ergebnislos, da sie trotz aller Versicherungen unseres Führers es vorzogen, nicht zu erscheinen; dafür holten sich aber mehrere von den Jagdteilnehmern ein gehöriges Malariafieber. Eine andere Art der Jagd auf Flußpferde, die allerdings nur selten zum Ziele führt, wurde ebenfalls versucht, nämlich vom Boot aus auf die im Wasser schwimmenden Tiere zu schießen. Die Schwierigkeit der Jagd besteht darin, daß das Wild, besonders wenn es das Boot bemerkt hat, nur zum Luftholen und auf ganz kurze Zeit einen kleinen Teil des Kopfes über der Wasseroberfläche zeigt und dazu noch während des Untertauchens seinen Ort um eine bedeutende Strecke verändert. So aufregend unter diesen Umständen die Jagd sich gestaltete, so schwer war es, zu Schuß zu kommen; meist war der Kopf des Tieres schon wieder im Wasser verschwunden, bevor wir Feuer geben konnten. Es gelang denn auch keinem der Jagdteilnehmer, einen Treffer zu erzielen, trotzdem wir zwei sehr gute Schützen unter uns hatten. Ein Treffer wäre mit Sicherheit an dem blutgefärbten Wasser zu erkennen gewesen.

Eine unerwartete und freudig begrüßte Abwechselung erhielt unser Leben in Kamerun durch eine fast dreiwöchige Fahrt, die der Generalkonsul Nachtigal mit dem Adler an der Küste unternahm. Für das Schiff waren diese Tage die Glanzperiode seiner Wirksamkeit für die Marine. Für uns, den Marinearzt, die beiden krankheitshalber an Bord kommandierten Offiziere und mich wird die Zeit, die wir mit dem seltenen Manne verleben durften, immer unvergeßlich sein.

Nachtigal hatte damals eine sechsmonatige angestrengte Tätigkeit hinter sich. Mit größter Tatkraft und bewunderungswürdigem diplomatischen Geschick hatte er alle Verträge mit den Häuptlingen in Togo, Kamerun und Südwestafrika abgeschlossen, so daß ihm zum guten Teil der Besitz unserer Kolonien in Westafrika zu danken ist. – Er war am 31. Dezember, also kurz nach den kriegerischen Ereignissen in Kamerun, aus Südwestafrika auf dem kleinen Kreuzer Möwe zurückgekehrt und nahm auch in Kamerun sofort seine Tätigkeit, Ausdehnung der deutschen Herrschaft durch Abschließen von Verträgen, wieder auf. Von Kamerun ging er Mitte Januar mit dem kleinen Dampfer Kaiser nach der Küste zwischen Lagos und dem Rio del Rey, wo er mit dem ersten Häuptling des Mahim-Landes Verträge abschloß. Letzteres Gebiet ist später wieder an England gefallen; es diente aber als wertvolles Tauschobjekt gegen Landschaften, die die Engländer während dieser Annektierungszeit am Kamerun-Gebirge sich angeeignet hatten.

Ähnlich unklar wie im Norden von Kamerun mit den Engländern hatten sich die Verhältnisse südlich davon mit den Franzosen gestaltet. Hier war Nachtigal schon früher auf französische Einflüsse gestoßen, die in der französischen Kolonie Gabun südlich davon ihren Ursprung hatten. – Um Verletzungen älterer Rechte einer fremden Macht zu vermeiden, beabsichtigte Nachtigal nach seiner Rückkehr aus dem Mahimlande nach Gabun zu fahren und mit dem Gouverneur dort die Interessensphären festzustellen. Vom Geschwaderchef ward ihm hierzu sowie für seine weiteren Reisen der Tender Adler zur Verfügung gestellt.

Am 22. Februar schiffte Nachtigal sich mit seinem Sekretär und einem farbigen Diener bei uns ein. Der erste Eindruck, den wir von ihm hatten, war der eines ebenso bedeutenden wie liebenswürdigen Menschen; körperlich erschien er zwar von der Tropenhitze ausgedörrt, aber elastisch und widerstandsfähig. Niemand von uns ahnte, daß ihn nur seine ungeheure Willenskraft aufrecht erhielt, und der Tod seinem tatenreichen Leben schon in wenigen Tagen ein Ende machen sollte. Er selbst hat es am wenigsten geahnt, er war anscheinend immer voller Lebensfreude und Zukunftspläne. Öfters behauptete er scherzweise, daß es im Leben eine Art zweiter Jugend gäbe, die in den Anfang der fünfziger Jahre falle, und in der er sich jetzt befände (er war 1834 geboren).

Noch an demselben Tage ging der Adler Anker auf und dampfte während der Nacht südwärts längs der Küste. Am nächsten Tage ankerten wir bei der Insel Elobi an der Mündung des Muno-Flusses, die Spanien gehört. Die Insel sowie der Küstenstrich dahinter sind mit der Insel Fernando Po bei Kamerun die letzten unbedeutenden Überreste des einst größten Kolonialreiches der Welt, dessen Herrscher schon im 16. Jahrhundert mit Stolz sagen konnte, daß in seinem Reiche die Sonne nicht unterging. – Auf Elobi befand sich eine Faktorei der Hamburger Firma Jansen und Thormählen, deren Vorstand uns auf das gastfreundschaftlichste begrüßte und einen kleinen Dampfer zur Verfügung stellte, um den Muno-Fluß hinaufzufahren. Nachtigal hatte darum gebeten, um sich, wie wir annahmen, über die Ausdehnung der spanischen Herrschaft in das Innere zu informieren sowie gleichzeitig einen am Flusse wohnenden, interessanten Negerstamm kennen zu lernen. Letzterer hatte für einen Ethnologen, wie es Nachtigal war, besonderes Interesse insofern, als er erst seit kurzer Zeit aus dem Innern an die Küste vorgedrungen und insbesondere in der Herstellung von Werkzeugen den einheimischen Stämmen weit überlegen war, dabei aber noch offen dem Kannibalismus huldigte.

An der Partie nahmen neben Nachtigal noch der Vertreter der Firma, Herr St., der Arzt und ich teil. Wir fuhren bereits in der Frühe von Elobi fort, um des drohenden Fiebers wegen noch vor Sonnenuntergang wieder zurück sein zu können. Von irgendwelchen europäischen Niederlassungen an den Ufern des Flusses, auch nachdem wir den Mangrovengürtel passiert hatten, war nichts zu bemerken, trotzdem die Kolonie eine der ältesten an der Westküste und der Fluß für kleine Dampfer viele Meilen landeinwärts schiffbar ist. Wie anders würden die Verhältnisse hier sein, wenn das Land eine gleich lange Zeit den Engländern oder uns gehört hätte. Überall starrte uns Urwald entgegen, hier und da von unbedeutenden Negerniederlassungen belebt. Gegen Mittag erreichten wir unser Ziel, ein größeres Dorf des neuen Volksstammes. Der Dampfer ankerte in der Mitte des Flusses, worauf wir uns sofort in einem Boot an Land begaben. Auf die Bitte des Kapitäns und eigentlich gegen den Willen Nachtigals waren die Leute in den Booten mit Gewehren bewaffnet worden; auch wir hatten, außer Nachtigal, unsere Revolver bei uns.

Es war von hohem Interesse, jetzt mit eigenen Augen sehen zu können, welchen Zauber und welche Macht Nachtigal auf die Schwarzen auszuüben imstande war, Eigenschaften, ohne die er von seiner fünfjährigen Forschungsreise in Nordafrika, auf der er große Gebiete zum ersten Male betreten und der Wissenschaft erschlossen hat, niemals zurückgekehrt wäre. Er überwand auch hier das Mißtrauen und die feindselige Haltung der Dorfbewohner sofort, indem er furchtlos auf sie zuging und sich unter sie mischte. Wir folgten ihm dabei zu Dreien überall. Durch Zeichensprache, von der Sprache kannte auch der vielgereiste Nachtigal keinen Laut, unterhielt er sich mit den Häuptlingen, schenkte ihnen einige Kleinigkeiten aus Glas und scherzte sowohl mit ihnen wie mit ihren Weibern, so daß er Freude und Heiterkeit bei den Bewohnern erregte. Allmählich wurde die Zahl der Männer aber größer. Sie erschienen zum Teil mit ihren Bogen, und Nachtigal meinte nach einiger Zeit mit liebenswürdigem Lächeln: »Nun wäre es Zeit an Bord zu gehen. Die Kerle schienen sich in Herrn X. (den recht beleibten Kapitän des kleinen Dampfers) verliebt zu haben.« – Wir erreichten denn auch ungefährdet das Boot, noch bevor, wie uns Nachtigal später sagte, die begehrlichen Gefühle, die sich allmählich der Gemüter der Wilden zu bemächtigen schienen, bestimmte Formen angenommen hätten. »Gegen ihn würden die Wilden so leicht nichts unternehmen, zumal auch sie keinen Geschmack an Haut und Knochen hätten; aber den Reizen des Kapitän X. würden sie wahrscheinlich in kurzer Zeit unterlegen sein. Kapitän X. täte jedenfalls besser, in Zukunft auf seinem Dampfer zu bleiben.«

Die Rückfahrt verzögerte sich durch den starken Flutstrom, so daß wir unsere Absicht, noch vor dem Eintreten des Abenddunstes aus dem Fluß herauszukommen, nicht verwirklichen konnten. Nachtigal äußerte resigniert, daß das uns wahrscheinlich allen Fieber eintragen würde, unsere gute Laune wollten wir uns aber nicht verderben lassen. – Das taten wir denn auch nicht. Bei vorzüglicher Ananasbowle und angeregter Unterhaltung, in der er uns interessante Episoden aus seinem Leben unter den Wilden erzählte, vergingen die Stunden bis zu unserer Ankunft in Elobi im Fluge. Das volle Mondlicht, das Schreien der Tiere und Vögel im Walde, das geheimnisvolle Dunkel des Waldes trugen dazu bei, den Abend uns allen unvergeßlich zu machen. Nachtigals Prophezeiung ging sehr bald in Erfüllung. Einige Tage später lagen sämtliche Teilnehmer an der Partie bis auf ihn am Fieber darnieder, und zwar hatten wir es alle bedeutend stärker als vorher in Kamerun. Nachtigal, der, selbst außerordentlich mäßig, an dem Abend fast keine Bowle getrunken hatte, neckte uns zwar damit, daß wir der Bowle in erster Linie das höhere Fieber zu verdanken hätten, am folgenden Tag hatte aber auch er wieder einen heftigen Anfall zu erleiden.

Am 25. Februar gingen wir wieder in See und dampften nach Gabun. Der Ort machte damals schon einen der großen Kolonialmacht würdigen Eindruck. Man sah sofort, daß hier, im Gegensatze zu den spanischen Kolonieen, für die Zukunft gearbeitet wurde. Die Kolonie hat sich seitdem dank der Schiffbarkeit des Flusses Gabun und seiner Nebenflüsse fast noch schneller entwickelt wie Kamerun. Der Handel lag damals hauptsächlich in deutschen und englischen Händen, die erste Firma war Woermann. Der Aufenthalt in Gabun dauerte 5 Tage, in denen wir auch die wenigen dort stationierten Offiziere und Beamten kennen lernten. Das Verhältnis gestaltete sich sehr angenehm, zumal Streitpunkte schwieriger Art zwischen Nachtigal und dem Gouverneur nicht verhandelt wurden. Selbstverständlich wurden bei den gegenseitigen Einladungen heikle Punkte sorgfältig vermieden. Niemals war dabei von unserer neuen Nachbarschaft die Rede, nur sehr wenig von Kolonien. Bei einem Diner beim Gouverneur war ein Hauptgesprächsstoff unser gemeinsamer Feind, die Malaria, die uns alle zu verzehren drohte und ihre Bekämpfung, ob mit Chinin oder Arsenik, ob durch Lebensweise oder andere Mittel, ferner wurde die Kultur der verschiedenen Negerstämme berührt, ein Thema, das besonders Nachtigal interessierte.

Von Gabun ging es zunächst wieder nach Elobi und von dort nach sechsstündigem Aufenthalt nach der englischen Kolonie Lagos, wo zu unserer aller Leidwesen Nachtigal sich ausschiffte, um auch im Norden von Kamerun die Grenzverhältnisse mit den Engländern zu regeln. Wäre ihm dieser letzte Teil seines Wirkens in Westafrika erspart geblieben und hätte er statt dessen die Küste verlassen können, so wäre er aller Wahrscheinlichkeit nach weiteren Fieberanfällen und ihren verheerenden Wirkungen auf seinen geschwächten Körper entgangen. Um sein Werk zu Ende zu führen, hat er seine letzte Lebenskraft eingesetzt. Als er am 11. April, also 5 Wochen darauf, von Kamerun aus die Heimreise auf der Möwe antrat, war es zu spät. Am 20. April erlag er auf hoher See dem tückischen Leiden als Opfer seiner Pflichttreue und als leuchtendes Vorbild für spätere Geschlechter. Auf Kap Palmas ziert ein Denkmal sein Grab.

Der Adler war wieder Geschwadertender geworden. Er holte von Fernando-Po die dort von einem Dampfer abgegebene Post für das Geschwader und ankerte am 10. März in Kamerun. Hier hatten sich die Verhältnisse unter der Aufsicht und Leitung des Geschwaderchefs allmählich geklärt. Eine Hauptschwierigkeit war die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Negern selbst, die sich hauptsächlich um Handelsprivilegien drehten. Am 20. März wurde endlich auch von Elami Joß der Mörder des deutschen Kaufmanns Pantänius ausgeliefert und standrechtlich erschossen.

Der Gesundheitszustand auf den Schiffen, besonders auf der Olga, war bei der drückenden Hitze und dem langen Aufenthalt in Kamerun kein guter. An energischen Ausbildungsdienst, wie ihn die meist aus dem Binnenlande stammende junge Besatzung der Olga erforderte, war nicht zu denken. – Auf diesem in kurzer Zeit in die Heimat zurückkehrenden Schiffe wurde deshalb der hübsche Witz gemacht: »Man möge doch bei der Inspizierung in Kiel vorführen, wie vorzüglich die Mannschaft eine oder sogar zwei Dosen Chinin in einer Oblate zu essen verständen und anstatt dessen das Vorführen im Segelexerzitium ausfallen lassen. Im Chininessen wären die Leute am besten ausgebildet.« – Daß sie auch noch etwas anderes gelernt, hatten sie bei dem Sturm auf Joßtown bewiesen. Das Schiff ist dann auch bei seiner Rückkehr mit großen Ehrenbezeugungen empfangen worden. Der alte Kaiser ehrte es noch besonders dadurch, daß ein Detachement des Schiffes an einem Tage den Ehrenposten vor seinem Palais zu stellen hatte. Doch zurück zu den Ereignissen in Kamerun.

Ende März traf das Kanonenboot Habicht als erstes Stationsschiff in Kamerun ein und Anfang April schlug die Abschiedsstunde für das Geschwader. Die Bismarck erhielt Segelorder nach Kapstadt, Olga und Adler kehrten in die Heimat zurück. Letzterer wurde am 12. April aus dem Geschwaderverbande entlassen, erhielt jedoch noch den Auftrag, auf der Heimreise die Kruneger von Olga und Bismarck in ihren Heimatort Freetown in der englischen Kolonie Sierra Leone an Land zu setzen. Auf diese Weise hatte ich noch Gelegenheit, das zweite Land in Afrika kennen zu lernen, wo dem zivilisierten Neger die Gelegenheit gegeben war, der Welt zu zeigen, was er bei Gewährung weitgehendster Freiheit zu leisten vermag.

Die Engländer hatten hier ein ähnliches Experiment gemacht wie die Amerikaner in Monrovia, genau mit demselben Erfolg. Selbstüberhebung, Faulheit und Mangel jeglichen Verantwortungsgefühls war das Ergebnis der Selbstverwaltung, die sie den Negern in der Kolonie gewährt hatten. Nur das, was unter englischer Aufsicht geblieben, gedieh und so ist es auch jetzt noch.

Am 12. Mai traf der Adler in seinem Heimathafen Bremerhaven wieder ein. Er hatte seine Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllt und seinen kleinen Anteil gehabt an den Erfolgen des denkwürdigen Jahres 1884, in dem der deutsche Adler zum ersten Male auch für sich in fremden Weltteilen einen Teil der Erde erwarb.


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