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Eine Erinnerung an Samoa.

Von Konteradmiral z. D. Carl Schönfelder.

An der Nordküste der Insel Upolu, der mittleren der Samoa- oder Schifferinseln, liegt der schon seit langer Zeit von Europäern bewohnte Ort Apia an einer halbmondförmigen kleinen Bucht, die einen zwar nicht großen, aber immerhin einigermaßen geschützten Hafen bildet. Im Westen wird diese Bucht durch die sehr schmale langgestreckte Halbinsel Mulinu begrenzt, auf der sich die Residenz des Königs befindet. Den Süd- und Oststrand umsäumen die Häuser der Europäer, während weiter im Innern noch eine Anzahl Hütten der Eingeborenen steht.

Seitdem Deutschland die Inseln Upolu und Sawaii und Amerika die Insel Tutuila unter ihren Schutz genommen haben, ist die Königswürde in Samoa erloschen, doch ist Mulinu noch immer der Sitz des obersten Häuptlings der deutschen Inseln.

In früherer Zeit waren die Verhältnisse unter den Eingeborenen noch nicht so geregelt, wie heute. Zwischen den Häuptlingen der einzelnen Landschaften fanden ewige Streitigkeiten um die Königswürde statt und es wurde bald der bald jener zum Könige gewählt. Die in Apia lebenden Europäer mußten sich damit, so gut es eben ging, abfinden.

Da dies hauptsächlich Deutsche, Engländer und Amerikaner waren, hatten diese drei Staaten in Apia eine gemeinsame Regierung, bestehend aus den drei Konsuln, eingesetzt und bemühten sich, die immer wieder unter den Eingeborenen ausbrechenden Streitigkeiten soweit einzuschränken, daß die Europäer davon nicht berührt und der Handelsverkehr möglichst wenig geschädigt wurde.

Die größte Handelsfirma in Apia, die »Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft der Südseeinseln«, betreibt nicht nur Handel, sondern besitzt auch zahlreiche ausgedehnte Pflanzungen, die über die ganze Insel Upolu und zum Teil auch über Sawaii verstreut sind. Der Hauptertrag derselben besteht in Kopra, dem geschnittenen und getrockneten Kern der Kokosnüsse. Zwei dieser Pflanzungen liegen ganz in der Nähe von Apia, die eine, Vailele, südöstlich, etwa ein bis zwei Wegstunden, die andere, Vaitele, südwestlich, etwa zwei bis drei Wegstunden davon entfernt.

Um die ausgedehnten deutschen Interessen, die sich somit nicht bloß auf Apia beschränken, zu schützen, befanden sich fast ständig zwei kleine Kreuzer in Samoa, während die englischen und amerikanischen Kriegsschiffe es nur gelegentlich zu längerem Aufenthalt anliefen.

So lagen im Jahre 1893 S. M. SS. Bussard und Sperber dort, als sich wieder einmal, wie schon so oft, das Gerücht verbreitete, unter den Samoanern seien Streitigkeiten ausgebrochen, die demnächst zum offenen Kriege führen würden.

Die Lage war kurz folgende: Häuptling Malietoa Laupepa war bis zum Jahre 1887 anerkannter König gewesen, wurde aber damals wegen verschiedener Umtriebe von Deutschland abgesetzt und verbannt. An seiner Stelle wurde Tamasese zum König gewählt und von den drei Großmächten als solcher anerkannt. Dessen erster Häuptling, Mataafa, ließ sich schon im folgenden Jahre als Gegenkönig aufstellen und zog gegen Tamasese zu Felde, wobei die deutsche Pflanzung Vailele durch seine Leute geplündert wurde. Dies veranlaßte die damals in Apia anwesenden deutschen Kreuzer Olga und Adler und das Kanonenboot Eber, ihre Landungskorps auszuschiffen und Mataafa entgegenzutreten. Es kam am 18. Dezember 1888 zu dem blutigen Gefecht bei Vailele, bei dem unsere Leute zwar den Feind zurückwarfen, aber große Verluste erlitten, und am 21. Dezember zur Beschießung des Lagers Mataafas in der Nähe von Apia.

Um nun endlich die Ruhe in Samoa wiederherzustellen, beschlossen die drei Großmächte im Jahre 1889 gemeinschaftlich die Schutzherrschaft über die ganze Inselgruppe zu übernehmen. Samoa wurde für unabhängig und neutral erklärt und Malietoa Laupepa, da Tamasese inzwischen verstorben war, aus der Verbannung zurückgebracht und als König eingesetzt. Im übrigen wurde den Samoanern das Recht belassen, ihren König selbst zu wählen, doch sollte die Wahl der Bestätigung durch die Großmächte bedürfen. Ferner wurde ein internationaler Oberrichter eingesetzt.

Mataafa besaß aber noch viele Anhänger, die sich mit dieser Regelung nicht einverstanden erklärten und nach wie vor an ihm als König festhielten.

Als Malietoa auf Veranlassung der Großmächte von den Eingeborenen Steuern erhob, wuchs die Unzufriedenheit immer mehr und Mataafa wurde so mächtig, daß er in dem Dorfe Malie bei der vorher erwähnten Pflanzung Vaitele, also ganz in der Nähe von dem Königssitze Mulinu, eine Nebenregierung errichten konnte. Wie sehr ihm der Kamm geschwollen war, geht daraus hervor, daß er sich in seinen Erlassen als der einzig wahre König von Samoa bezeichnete.

Diese unhaltbaren Zustände spitzten sich immer mehr zu, und die Samoaner redeten nur noch von dem Kriege, den sie führen wollten. Ja, als bei einem großen Fono (Ratsversammlung) der Häuptlinge der Mataafa-Partei einer der Angesehensten vom Kriege abriet, soll sich Mataafa so weit vergessen haben, daß er gegen diesen Häuptling tätlich wurde, ihn als Feigling bezeichnete und zu erschlagen drohte, eine in der Geschichte Samoas unerhörte Beleidigung.

Die drei Konsuln versuchten vergeblich zum Frieden zu reden; die Samoaner wollten sich nicht mehr zurückhalten lassen und beschlossen, am 6. Juli den Krieg zu beginnen. Da nun die beiden deutschen Kreuzer möglicherweise genötigt sein konnten, in den bevorstehenden Kampf einzugreifen, unternahmen wir Offiziere öfters in der Form harmloser Spazierritte Rekognoszierungen des Mataafa-Lagers. Dabei begegneten wir mehrfach kleineren bewaffneten Abteilungen, die es aber nicht wagten, den Weißen irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Es wurde festgestellt, daß wir imstande waren, das Dorf Malie von See aus unter Feuer zu nehmen.

Dem englischen Konsul war die bevorstehende Ankunft eines englischen Kreuzers angezeigt worden, der als willkommener Zuwachs unserer Streitkräfte angesehen wurde.

Um nun den Ausbruch der Feindseligkeiten bis zum Eintreffen dieses Kreuzers zu verschieben, wurde den beiden Parteien erklärt, sie müßten mit dem Kriege so lange warten, bis der demnächst fällige Postdampfer eingetroffen sei, da dieser für die Konsuln wichtige Instruktionen der Großmächte über das Königtum in Samoa bringen würde.

Am 7. Juli lief der erwartete Postdampfer ein, brachte aber nur für die Kreuzer den Befehl, so lange in Samoa zu bleiben, bis die politischen Verhältnisse wieder geregelt seien. Da der englische Konsul noch immer das rechtzeitige Eintreffen des englischen Kriegsschiffes erhoffte, wurde den Samoanern nochmals ein Aufschub der Feindseligkeiten angeraten, ihnen aber gestattet, daß sie, wenn die Konsuln bis zum 10. Juli keine neueren Instruktionen erhalten hätten, mit den Feindseligkeiten beginnen könnten.

Gerüchtweise verlautete, daß die Mataafa-Partei sich Schanzen aus Steinen erbaut habe, hinter denen sie den Angriff des Feindes erwarten wollten. Eine andere wohl richtigere Lesart ging dahin, daß sie auf der Pflanzung Vaitele die Steinwälle, welche den Viehhof umschlossen, als Schanzen benutzen würden.

Am 8. Juli lagen die feindlichen Streitkräfte bei und in der Pflanzung Vaitele einander gegenüber. Da nach samoanischer Art der Beginn der Feindseligkeiten auf einen bestimmten Termin, diesmal den 10. Juli, festgesetzt war, fühlten die Krieger sich vollkommen sicher und besuchten gegenseitig ihre Verwandten und Freunde im feindlichen Lager, einander mit Kawa, dem unter feierlichen Zeremonien aus der Wurzel des Kawastrauches, einer Pfefferart ( Piper methysticum), bereiteten Nationalgetränk der Samoaner, bewirtend.

Dabei hielten sie lange Reden und rühmten sich der Heldentaten, die sie am 10. Juli vollbringen wollten. Auch forderte einer der Malietoa-Häuptlinge, Namens Asi, irgend einen Gegner zum Zweikampf heraus, trotzdem er eine verkrüppelte Hand hatte. Diese Herausforderung wurde jedoch nicht angenommen. Es ging also ganz ähnlich zu, wie es Homer im trojanischen Kriege beschreibt.

Inzwischen waren die Europäer in Apia völlig sorglos; denn einerseits war die Eröffnung des Kampfes erst auf den 10. Juli anberaumt, andererseits hatten beide Gegner feierlich versprochen, Leben und Eigentum der Europäer nicht zu gefährden. Auch wir Offiziere halten unter diesen Umständen noch keine Veranlassung, uns gefechtsbereit zu halten, da kein Befehl für uns vorlag, in die Streitigkeiten einzugreifen, und eine Gefahr für die Europäer augenscheinlich nicht vorhanden war. So hatten wir uns zum größten Teil zu den an diesem Tage in der Nähe der Pflanzung Vailele stattfindenden Pferderennen begeben, wo wir die sämtlichen angesehenen Europäer von Apia trafen. Auch der Verwalter der Pflanzung Vaitele, bei der sich die Kriegsereignisse vorbereiteten, war anwesend.

Man darf ein Pferderennen in Samoa nicht mit den Rennen auf unsern großen Rennbahnen vergleichen. Dort haben sie nicht den Zweck, die Pferdezucht zu fördern, sondern dienen lediglich zur Unterhaltung. Es wird daher weniger die Schnelligkeit der Pferde ins Feld geführt, als vielmehr die Geschicklichkeit und Gewandtheit der einzelnen Reiter, indem z. B. die Aufgabe gestellt wird, mit geschlossenem Regenschirm aufzusitzen, denselben während des Galopps aufzuspannen, am Ziel wieder zuzuklappen und abzuspringen, oder während des Reitens eine Zigarette anzustecken, die am Ziel noch brennen muß und ähnliches. Auffallend war diesmal, daß keiner der Samoaner, die sich sonst zu allen solchen Veranstaltungen drängen, am Rennen teilnahm.

Während wir uns noch ganz unbesorgt am Rennen belustigten, erschien plötzlich ein reitender Bote von der Pflanzung Vaitele und meldete dem Verwalter, er möge schleunigst nach Hause kommen, da auf der Pflanzung der Krieg im vollen Gange sei. Natürlich wurde das Rennen sofort abgebrochen und die Teilnehmer begaben sich eiligst nach Apia zurück.

Als wir in dem Orte ankamen, begegneten wir schon verschiedenen Kriegern der Malietoa-Partei, die Tote und Verwundete in Hängematten an langen Stöcken über den Schultern trugen oder Leichtverwundete, die noch gehen konnten, unterstützten. Dabei kamen mit jedem Verwundeten oder Toten viel mehr Krieger zurück, als zum Transport erforderlich gewesen wären. Sie hatten die günstige Gelegenheit benutzt, sich der Lebensgefahr, die ihnen im Kampfe drohte, zu entziehen. Sehr bald traf auch die Nachricht ein, daß dem in Mulinu zurückgebliebenen König bereits 11 Köpfe feindlicher Krieger vor die Wohnung gelegt worden seien, die ein alter Häuptling mit dem üblichen faafetai lava (danke sehr) im Namen des Königs entgegengenommen habe.

Diese Sitte des Kopfabschneidens ist ein alter barbarischer Brauch der Samoaner, der neuerdings immer mehr und mehr abkommt, von der Schutzherrschaft wohl auch nicht mehr gelitten werden dürfte. Auch damals schon soll Mataafa, der ein strenggläubiger Katholik ist, auf Veranlassung der Missionare seinen Kriegern das Erbeuten von Köpfen verboten haben. Die Köpfe wurden nicht nur den Toten, sondern auch den Verwundeten, welche in die Hände des Feindes fielen, abgeschnitten. Hierzu waren besondere Leute abgeteilt, die ein langes Schwert trugen, dessen Klinge an der Spitze breiter, als am Heft war. Am Rücken hatte die Klinge unweit der Spitze einen starken Dorn, auf dem der abgeschlagene Kopf aufgespießt wurde.

Wie war nun so plötzlich ganz wider Erwarten und entgegen allen Abmachungen der Kampf ausgebrochen? Das war so zugegangen. Während die feindlichen Parteien sich unterhielten, war plötzlich ein Schuß gefallen. Ob derselbe versehentlich losgegangen oder ob einer der Krieger in der Begeisterung, in die ihn die verschiedenen Reden versetzt hatten, einen Gegner aufs Korn genommen, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls glaubte jede der Parteien, daß die andere sie hinterrücks angegriffen habe.

Die Mataafa-Leute, die sich zum großen Teil vor ihren Verschanzungen befanden, eilten so schnell wie möglich dahin zurück, wurden jedoch von den Malietoa-Leuten sofort heftig beschossen und verfolgt. Während dieser Episode kamen die meisten Verluste vor. Der Malietoa-Partei gelang es dabei, den vorderen Steinwall der feindlichen Stellung unter Flankenfeuer zu nehmen, so daß die Mataafa-Leute gezwungen waren, sich hinter den hinteren Steinwall zurückzuziehen.

Bedauerlicherweise waren im ersten Anlauf auch 4 Mädchen gefallen, von denen zwei enthauptet wurden. Die Samoaner haben nämlich den Brauch, ihre Dorfjungfrauen mit in den Krieg zu nehmen, wo sie gleichsam unsere Fahnen vertreten. Als Dorfjungfrau, deren in jedem Dorf eine vorhanden ist, wird in der Regel die Tochter eines angesehenen Häuptlings erwählt. Diese genießt besondere Ehren, hat aber auch viele Pflichten zu erfüllen. So muß sie bei Festlichkeiten die Kawa bereiten, den Tanz (Siwa-siwa) der jungen Mädchen einüben und anführen, die dazu nötigen Gesänge dichten und auch wohl komponieren und ähnliches.

Im allgemeinen wird sie bei den Kämpfen geschont und höchstens gefangen genommen. Als Entschuldigung dafür, daß diesmal mehrere fielen, wurde später angeführt, daß dies unabsichtlich geschehen sei. Die Enthauptungen sollen irrtümlich stattgefunden haben, indem die Betreffenden, die mit dem Gesicht nach unten gefallen waren, wegen des kurzen Haares, das sie trugen, für Männer gehalten wurden.

Später soll sich die Mataafa-Partei bitter darüber beklagt haben, daß die Malietoa-Partei unehrlich gehandelt hätte, indem sie den Angriff begann, ehe die Mataafa-Leute hinter ihren so schön ausgedachten Schanzen in Verteidigungsstellung lagen. Daß dies Gerücht aufkam, zeugt davon, für wie naiv man die Samoaner einschätzte.

Abends erschienen eine Anzahl feindlicher Boote in der Bucht westlich von Mulinu, so daß Malietoa hier einen Angriff befürchtete und einen Teil seiner Leute aus dem Gefecht zurückzog. Ob wirklich ein Angriff oder nur eine Demonstration geplant war, um Malietoa zu zwingen, seine Streitkräfte bei Vaitele zu schwächen, ließ sich nicht feststellen. Die Boote zogen sich bald wieder zurück.

Bei Vaitele war inzwischen ein lebhaftes Feuergefecht im Gange, das aber nicht viel Schaden anrichtete, da die Mataafa-Leute, um sich nicht den feindlichen Geschossen auszusetzen, ihren Kopf nicht über den Steinwall erhoben, sondern einfach in die Luft feuerten. Sie hielten eben Vorsicht für den besseren Teil der Tapferkeit. Auch auf seiten Malietoas war es nicht viel besser. Die Leute wagten nicht, vorzugehen und blieben an Ort und Stelle liegen. Erst am nächsten Morgen, als ihr lebhaftes Feuer aber auch gar nicht mehr erwidert wurde, ging ein ganz besonders tollkühner Bursche weiter vor und blickte hinter den feindlichen Steinwall, wo zu seiner großen Überraschung weit und breit kein Feind mehr zu sehen war.

Mataafa hatte die Nacht dazu benutzt, sich mit seinen Leuten teils zu Wasser, teils zu Lande nach dem westlichsten Ende Upolus zurückzuziehen. Von da soll er nach Savaii übergesetzt, dort aber wieder ausgewiesen worden sein. Ob dies wirklich den Tatsachen entsprach, möchte ich bezweifeln, um so mehr, als Savaii zum Teil für mataafafreundlich galt. Jedenfalls war er aber mit seiner Streitmacht auf die kleine Insel Manono, die zwischen Upolu und Savaii, nahe bei ersterer Insel liegt, entwichen und hatte beschlossen, sich dort weiter zu verteidigen.

Vor seinem Abzuge hatte er noch alle ihm und seinen Anhängern gehörigen Häuser in Brand stecken und seinen Flaggenmast umhauen lassen.

Als die Sieger Malie erreichten, plünderten sie das Dorf gründlich aus und taten sich an den erbeuteten Schweinen und Hühnern gütlich, um sich von den Anstrengungen des Gefechts zu erholen.

Damit war zunächst der Kampf beendet, denn nach samoanischer Sitte dachte Malietoa gar nicht daran, den geschlagenen Feind sofort zu verfolgen. Vielmehr mußten erst umfangreiche und langwierige Beratungen darüber stattfinden, ob und wie das etwa zu geschehen hätte. Auch war er wohl der Dörfer, durch die Mataafa mit einem Teil seiner Leute auf der Flucht gezogen war, nicht ganz sicher; denn obwohl sie sich für ihn erklärt hatten, hatten sie aber doch keinen Finger gerührt, Mataafa aufzuhalten.

Im Ganzen betrugen die Verluste der Malietoa-Partei 3 Tote und 12 Verwundete, die der Mataafa-Partei 16 Tote und 16 bis 17 Verwundete. Sie waren also nicht sehr bedeutend, da auf Seiten Malietoas etwa 2500 Mann gefochten hatten, während die Streitmacht Mataafas etwas geringer eingeschätzt wurde. Den Samoanern mögen sie wohl recht groß vorgekommen sein, denn in früheren Kriegen fielen manchmal in einem Jahre nicht so viel Leute, als hier in dem einzigen Gefecht.

Unsere beiden Kreuzer lagen inzwischen noch immer untätig in Apia. Ein Grund zum Eingreifen ohne höheren Befehl war jetzt weniger denn vorher vorhanden, solange Mataafa sich untätig in Manono verhielt und Malietoa anscheinend auch keine besondere Lust zum Weiterkämpfen zeigte. Allerdings war letzterer mit seinen Streitkräften langsam bis an die Westspitze Upolus marschiert und man erzählte in Apia sogar, er habe am 14. an Mataafa ein Ultimatum geschickt, sich bis 12 Uhr mittags zu ergeben, widrigenfalls er ihn in Manono angreifen würde; doch war dies wahrscheinlich nur leeres Gerücht. Tatsache war nur, daß die französischen Missionare, deren Schützling Mataafa immer gewesen, sich an den Oberrichter wandten, er möge zu Gunsten Mataafas intervenieren und ihm einen ehrenvollen Frieden verschaffen.

Der Oberrichter verwies sie mit ihrem Gesuch an die Konsuln und diese wieder an Malietoa, der aber die Vermittlung der Mission rundweg ablehnte.

Am 16. Juli traf endlich der von einigen so sehnsüchtig erwartete englische Kreuzer Katoomba ein, der uns den Befehl des Oberkommandos der Marine überbrachte, Mataafa nötigenfalls mit Gewalt zu entwaffnen. Am 17. Juli wurde zwischen den drei Kreuzerkommandanten und den drei Konsuln folgendes vereinbart: Die drei Kreuzer sollen am nächsten Morgen nach Manono in See gehen und Mataafa ein Ultimatum stellen, sich bis zu einer bestimmten Stunde zu ergeben. Folge er dieser Aufforderung nicht, so soll Manono von den Schiffen bombardiert werden und dann Malietoa mit seinen Truppen unter dem Schutze des Artilleriefeuers der Schiffe in Manono landen.

Die drei Konsuln übernahmen es, noch in der Nacht zu Malietoa am Westende Upolus zu reiten und ihn entsprechend zu verständigen. Die Oberleitung der Operation der Schiffe übernahm der englische Kommandant als der im Dienstgrade höchste. Er war nämlich Kapitän zur See, während die deutschen Kommandanten nur Korvettenkapitäne waren.

Natürlich hatte auch die Mannschaft der Schiffe sofort erfahren, daß wir am nächsten Tage aktiv eingreifen würden, und es entwickelte sich an Bord ein überaus lebhaftes Treiben. Noch nie hatten die Leute ihre Geschütze und Handwaffen so liebevoll und sorgfältig behandelt, wie es an diesem Tage geschah, glaubten sie doch, daß sie diese zum ersten Male in ihrem Leben im Ernst gebrauchen sollten. Auch träumten sie schon von allerlei Heldentaten, die sie am nächsten Tage verrichten wollten.

Dem Plan gemäß lichteten die drei Kreuzer am 18. Juli morgens um 6 Uhr die Anker und dampften nach Manono. Unterwegs wurden die Schiffe gefechtsklar gemacht und scharfe Munition ausgeteilt. Katoomba und Bussard sollten Manono von der Nordseite her bewachen, während wir mit Sperber die Meerenge zwischen den beiden Inseln Upolu und Savaii beobachteten, um ein Entweichen Mataafas nach letzterer Insel zu verhindern. Malietoa endlich bedrohte Manono von der Ostseite.

Als wir uns der Insel näherten, setzte Katoomba zum Zeichen, daß sie mit Mataafa verhandeln wollte, die weiße Flagge im Vortopp. Katoomba und Bussard legten sich in der Nähe von Manono zu Anker und erstere sandte ein Boot an Land mit der Aufforderung an Mataafa, sich zu ergeben, andernfalls würden die Schiffe das Feuer eröffnen. Das Ultimatum hatte etwa folgenden Wortlaut:

»Wir, die drei Konsuln der drei Vertragsmächte, teilen Ihnen hierdurch mit, daß, falls Sie, Ihre Häuptlinge und Ihre Verwundeten sich innerhalb drei Stunden von dem Zeitpunkt an gerechnet, wo Ihnen dieses Schreiben in Manono übergeben wird, an Bord des englischen Kriegsschiffes begeben, Ihr und Ihrer Anhänger Leben geschont werden soll.

Zur Sicherheit müssen die Waffen Ihres ganzen Gefolges an das englische Kriegsschiff abgeliefert werden.

Im Falle Ihres Nichterscheinens werden die drei Kriegsschiffe das Feuer eröffnen und Sie werden durch die Truppen des Königs angegriffen werden. In dem Falle können Sie Ihre Frauen und Kinder zu ihrer Sicherheit längsseit des englischen Kriegsschiffes senden. Keinem Boote wird erlaubt werden, Manono zu verlassen, wenn es nicht die Richtung zu dem englischen Kriegsschiffe nimmt.

Die im folgenden namhaft gemachten Häuptlinge haben sich zu ergeben: Fiame von Lotofaga; Tupuola von Lepa; Leiatua Uma, Mulisola Uma, Futi, Taupau und Aupaau von Manono; Faumuina von Faleata; Telea von Faleula; Ale und Soa von Safata; Tagaloa und Laulu von Tufu; Matautia, Tafna und Tamatoa von Aleipata; Talumaivao von Fagaloa; Lesi von Tutuila; Tofae und Olo von Siumu.

An Bord des Britischen Kriegsschiffes Katoomba,
den 18. Juli 1893.
Unterschriften der drei Konsuln.

siehe Bildunterschrift

Junge Samoanerin (Dorfjungfrau)

Sperber blieb inzwischen unter Dampf und setzte die armierte Dampfpinasse aus, um etwaige feindliche Boote auch näher unter Land in flacherem Wasser verfolgen zu können.

Da die einzelnen Krieger in Samoa immer eine Menge Verwandte und Freunde bei der feindlichen Partei haben, ist es ganz ausgeschlossen, daß ein geplantes Unternehmen dem Feinde verborgen bleiben könnte. So war auch hier anzunehmen, daß Mataafa lange vor Übergabe des Ultimatums, über unsere Absichten unterrichtet war, weil dieselben der Malietoa-Partei, wie oben erwähnt, durch die Konsuln schon des Nachts mitgeteilt waren. Trotzdem war noch ein Segelboot unter unseren Augen so unvorsichtig, die Blockade zu brechen. Sobald wir seiner ansichtig wurden, feuerten wir auf 4000 m Entfernung einen blinden Schuß, um es zu warnen. Da dies keinen Erfolg hatte, das Boot vielmehr ruhig seinen Weg fortsetzte, wurde noch ein zweiter blinder Schuß gefeuert, und als auch dies noch nicht wirkte, zwei scharfe Schüsse abgegeben, die, wie beabsichtigt, in der Nähe des Bootes einschlugen.

Daraus, daß Katoomba und Bussard sich vollständig ruhig verhielten, trotzdem das Ultimatum an Land gebracht und das Boot schon wieder an Bord der Katoomba zurückgekehrt war, schlossen wir, daß Mataafa sich nicht in dem beschossenen Segelboot befinden könne, und gaben mit Rücksicht auf die auf Katoomba wehende Parlamentärflagge die weitere Verfolgung auf. Später hörten wir, daß sich in dem Boot ein Missionar befunden habe. Ob er lediglich aus Unkenntnis so tollkühn gehandelt und sich unserm Feuer ausgesetzt hatte, oder ob er bewußterweise den Kriegsschiffen trotzen wollte, blieb für uns eine offene Frage. Jedenfalls hat er sich über die Beschießung, die wir ihm angedeihen ließen, niemals beklagt.

Um einhalb zwei Uhr nachmittags wurden wir von unserm Posten abberufen und erfuhren nun, daß Mataafa in der Überzeugung, daß weiterer Widerstand nutzlos sei und nur unnötiges Blutvergießen verursachen würde, sich mit seinen Häuptlingen ergeben habe und die Waffen ausliefere. Er hatte doch eingesehen, daß er mit seinen geringen Streitkräften den drei Kreuzern nicht gewachsen war. Bussard und Sperber kehrten um 3 Uhr etwa nach Apia zurück, während Katoomba vor Manono blieb, um das Weitere zu regeln.

Mataafa übergab als gesamten Waffenvorrat nur 60 meist recht alte Gewehre und 80 Patronen. Er selbst und 28 seiner Häuptlinge wurden als Gefangene an Bord der Katoomba zurückbehalten, seine übrigen Anhänger nach Manono zurückgeschickt.

Währenddem war ein Teil der Truppen Malietoas auf Manono gelandet, die die Insel gründlich nach weiteren Waffen absuchten, da doch nicht anzunehmen war, daß die abgelieferten 60 Gewehre wirklich die gesamte Bewaffnung der Mataafa-Partei ausgemacht hätten. Tatsächlich wurde eine große Anzahl moderner Gewehre und bedeutende Vorräte an Munition vorgefunden, die die Mataafa-Krieger verborgen hatten. Teilweise hatten sie ihre Verstecke recht günstig gewählt, so hatten sie z. B. viele Gewehre einzeln in den Kronen der Palmbäume angebunden, doch gelang es nicht, sie den scharfen Augen ihrer Landsleute zu entziehen.

Von der Insel Sawaii war inzwischen für Mataafa eine Verstärkung in acht stark bemannten und wohlbewaffneten Booten eingetroffen, die aber, als sie entdeckten, daß sie zu spät gekommen seien, auf Veranlassung der Konsuln, ohne zu landen, wieder umkehrten. Da einzelne Leute der Malietoa-Partei, wohl erbittert durch das treulose Gebahren ihrer Gegner bei der Auslieferung der Waffen, mehrere Häuser in Brand steckten und sich anschickten zu plündern, schickte Katoomba einige Mannschaften an Land, die schleunigst die Ordnung wieder herstellten. Dem König Malietoa wurde bedeutet, daß der Krieg nun beendet sei und nicht auf samoanische Art mit Plünderung und Brandstiftung weiter geführt werden dürfe.

Trotzdem wurde nach einigen Tagen in Apia erzählt, daß die Malietoa-Truppen sich noch schwerer Ausschreitungen schuldig gemacht und die meisten Häuser der Mataafa-Partei niedergebrannt hätten. Auch auf ihrem Marsche nach dem Westende Upolus sollen sie viele Häuser zerstört und einen großen Teil der Fruchtbäume, die Anhängern Mataafas gehörten, vernichtet haben.

Am 19. Juli vormittags lief Katoomba wieder in Apia ein. Mataafa und ein Teil seiner Häuptlinge blieben an Bord, während die übrigen auf Bussard und Sperber verteilt wurden. So erhielten wir dreizehn dieser Gefangenen zur Bewachung. Sie wurden, da es an Bord an Raum gebrach, auf dem Oberdeck unter dem Sonnensegel untergebracht, ein in Anbetracht des warmen Klimas ganz annehmbarer Aufenthalt. Ihre Stimmung war ziemlich gedrückt, trotzdem sie von uns möglichst wohlwollend bebandelt wurden.

Noch an demselben Tage erließen die drei Konsuln nachstehende an alle Samoaner gerichtete Proklamation:

»Wir, die Konsuln der drei Vertragsmächte geben allen Samoanern bekannt, daß sich Mataafa mit seinen Häuptlingen ergeben hat. Der Krieg ist damit vollständig beendigt und jeder weitere Friedensbruch wird durch die Kriegsschiffe unterdrückt werden. Alle Samoaner haben sofort nach ihren Heimatsorten zurückzukehren. Jede Zuwiderhandlung gegen diesen Erlaß wird nachdrücklich bestraft werden.«

Apia, den 19. Juli 1893.
Unterschriften der drei Konsuln.

Die Aufforderung hatte auch den Erfolg, daß allmählich wieder Ruhe und Frieden eintrat. Mataafa und seine Häuptlinge wurden wegen Aufruhrs vor Gericht gestellt und zu ziemlich empfindlichen Strafen verurteilt. Ihn und elf seiner Mitschuldigen traf das Los der Verbannung, während die übrigen mit Freiheits- und Geldstrafen davon kamen. Auch die Ortschaften, die sich ihm angeschlossen hatten, wurden mit mehr oder weniger hohen Geldstrafen belegt.

Nach Beendigung der Gerichtsverhandlungen erhielt S. M. S. Sperber den Befehl, die Verbannten von Samoa wegzubringen.

Unsere Gefangenen hatten wir bis auf drei schon am 22. Juli der Regierung an Land übergeben. Nun bekamen wir am 26. Mataafa und 8 Häuptlinge zugeteilt, die zusammen mit den drei an Bord gebliebenen zur Verbannung verurteilt waren. Außerdem kamen noch ein Samoaner als Dolmetscher und eine Verwandte Mataafas, die ihm freiwillig in die Verbannung folgen wollte, mit.

Sobald sie, wiederum an Oberdeck, untergebracht waren, erschienen eine ganze Anzahl samoanischer Häuptlinge von denjenigen Ortschaften, die früher Mataafa zum Oberhäuptling gewählt, aber dann in den Streitigkeiten treu zum Könige gehalten hatten, um Mataafa noch vor seiner Abreise der bisher inne gehabten Würden zu entkleiden. Die Zeremonie ging auf dem Backbordachterdeck vor sich und gestaltete sich sehr förmlich. Mataafa stand, augenscheinlich in trüber Stimmung mit gesenktem Kopfe gegen die Bordwand gelehnt und erwartete mit gefalteten Händen ergeben die Dinge, die da kommen sollten.

Jeder Häuptling trat einzeln vor ihn hin, eine geöffnete Kokosnuß in den Händen und verschüttete die Milch, indem er dabei etwa folgendes sagte: »So wie ich, Häuptling so und so von dem und dem Dorfe, die Milch dieser Kokosnuß verschütte, erkläre ich im Namen meiner Dorfschaft, daß unsere damalige Wahl, die Dich zum Oberhäuptling machte, null und nichtig sein soll. So entkleide ich Dich Deiner bisherigen Würde.«

Dabei benahmen sich die Häuptlinge durchaus taktvoll, und vergeblich hätte man neben dem tiefen Ernst, den jedes Gesicht ausdrückte, auch nur die leiseste Spur der Schadenfreude oder des Triumphgefühls über den unglücklichen Gefangenen gesucht. Die ganze Zeremonie dauerte etwa 15 Minuten. Selbstverständlich war dafür gesorgt, daß auch unsere Mannschaft, die vom Vordeck aus neugierig zuschaute, sich in angemessener Weise betrug. Unmittelbar nach Beendigung des feierlichen Aktes verließen die Häuptlinge in tiefstem Schweigen wieder das Schiff, und wir gingen in See.

Welche Gefühle mochten wohl Mataafa und seine Häuptlinge bewegen, als sie nun, für vielleicht lange Zeit, ihrer geliebten Heimat Lebewohl sagen mußten, sie, die vor noch nicht drei Wochen sich auf dem Gipfel der Macht gefühlt hatten und nun als heimatlose Verbannte wider ihren Willen weggebracht wurden? Jedenfalls verstanden sie es meisterhaft, diese in ihrer Brust zu verschließen, und keine Muskel ihrer Gesichter gab uns darüber den geringsten Aufschluß. Daß sie aber sehr niedergedrückt waren und sich wirklich nicht mehr als König und Häuptlinge fühlten, ging aus folgendem Umstand hervor.

Am ersten Nachmittag, wo sie an Bord waren, bereiteten sie in feierlicher Weise ihre Kawa. Nach ihrer Sitte wird die Kokosnußschale, aus der alle trinken, zuerst dem Vornehmsten kredenzt und so fort in genauester Reihenfolge des Ranges der einzelnen Teilnehmer. Darauf wird so streng gehalten, daß ein beabsichtigtes oder unbeabsichtigtes Abweichen als tödlichste Beleidigung für den Zurückgesetzten gilt und nicht selten Anlaß zu blutigen Kämpfen gegeben hat. Solange sich Mataafa als König gefühlt hatte, würde er unter allen Umständen die erste Schale Kawa für sich in Anspruch genommen haben, und der Kommandant eines Kriegsschiffes wäre höchstens als zweiter, vielleicht auch noch später dran gekommen. Jetzt aber brachten sie ganz von selbst die erste Schale dem Kommandanten und die zweite mir, als dem ersten Offizier des Schiffes, damit ohne weiteres zu erkennen gebend, daß Mataafa nunmehr im Range unter uns stände.

Auch sonst fügten sie sich ohne Murren in die Beschwerden und Unbequemlichkeiten der ihnen ungewohnten Seefahrt auf einem größeren Schiff. Denn, wenn sie auch von altersher den Ruf ausgezeichneter Seegewohnheit haben, so daß der Inselgruppe von den Entdeckern sogar der Name Schifferinseln beigelegt wurde, so sind sie doch nur an ihre kleinen Boote gewöhnt, mit denen, namentlich in früheren Jahren, schon recht große Seereisen unternommen worden sind. Auf größeren Schiffen habe ich dagegen öfter beobachtet, daß sie sehr unter der Seekrankheit litten.

Unsere Reise führte uns nach den nördlich von den Samoainseln gelegenen Tokelau- oder Unioninseln, wo die Verbannten auf der Insel Fakaofo untergebracht und auf Kosten ihrer Verwandten solange unterhalten werden sollten, bis die Großmächte über ihr ferneres Schicksal entschieden haben würden. Wir trafen am 28. Juli ein und blieben, ohne erst zu ankern, bei der Insel unter Dampf liegen, bis unsere Gefangenen ausgeschifft waren.

An jenem Tage habe ich Mataafa zum letzten Male gesehen, da es mir späterhin nicht mehr vergönnt war, die Samoainseln zu besuchen. Im allgemeinen habe ich von ihm den Eindruck eines hoch intelligenten und ehrlichen Mannes erhalten, wenn ich auch durch die Verhältnisse gezwungen war, auf seiten seiner Gegner zu stehen. Er konnte, nachdem die Großmächte Malietoa Laupepa als König eingesetzt hatten, in ihren Augen nur als Rebell gelten, und es mußte daher gegen ihn eingeschritten werden. Von seinem Standpunkte aus hatte er aber vielleicht nicht so unrecht. Zweifellos hatte ein großer Teil der Bevölkerung, wenn nicht die Mehrheit, ihn zum Könige erwählt. Auch wurde behauptet, daß sogar Malietoa Laupepa ihn zuerst als solchen anerkannt habe.

Bei seinem letzten Kampfe hatte er zwar nur verhältnismäßig wenige Anhänger, doch lag dies wohl hauptsächlich daran, daß die Samoaner das Einschreiten der Großmächte zugunsten Malietoas erwarteten. Dies mag viele, die im Herzen auf seiten Mataafas standen, abgehalten haben, sich ihm offen anzuschließen. Hätten die Kriegsschiffe nicht rechtzeitig eingegriffen und den Krieg zum Abschluß gebracht, so hätte Mataafa sich auf Manono noch lange halten und auch Verstärkungen heranziehen können, mit denen er imstande gewesen wäre, wieder zum Angriff überzugehen. Tatsächlich kamen, wie schon vorher erwähnt, unmittelbar nach seiner Übergabe acht gut bewaffnete und stark bemannte Boote von Sawaii herüber, um ihm zu helfen.

Wäre es ihm dann noch gelungen, gegen Malietoa einen Erfolg zu erzielen, so wären ihm sicher wieder ganze Landschaften zugefallen, und der Krieg würde sich zum mindesten sehr lange hingeschleppt haben, bis schließlich die drei Mächte zur Aufrechterhaltung ihrer Autorität genötigt worden wären, zugunsten Malietoas einzugreifen. Dann wäre die Entscheidung aber nicht mehr so leicht und ohne jeden Schwertstreich, wie es diesmal geschehen, zu erreichen gewesen.

Mataafa wurde später nach der Insel Jaluit der Marschall-Gruppe überführt und blieb dort bis zum August 1898, wo er nach Samoa zurückgebracht wurde. Da Malietoa inzwischen verstorben war, erhob er sehr bald wieder Ansprüche auf den nun erledigten Thron. Der dadurch von neuem entfachte Krieg führte im folgenden Jahre zum Abschluß eines Vertrages zwischen Deutschland, England und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in dem Deutschland die Inseln Upolu und Savaii und den Vereinigten Staaten Tutuila zugesprochen wurden, während England anderweitige Entschädigungen erhielt.

Von der Kreuzfahrt nach Fakaofo kehrten wir am 29. Juli nach Apia zurück, und es trat nun wieder des Friedensdienstes ewig gleichgestellte Uhr in Tätigkeit. Nur eine hochinteressante Abwechslung war uns noch vorbehalten, als nämlich am 19. August die Samoaner ein großes Siegesfest feierten, das mit der Huldigung vor Malietoa verbunden war.

Schon am Tage vorher waren von sämtlichen in der Nähe liegenden Dörfern Deputationen nach Apia gekommen. Bei der außerordentlichen Vorliebe der Samoaner für alle Arten von Festlichkeiten und Schaustellungen strömten auch eine Menge Neugieriger herbei. An dem Festtage selbst ordneten sich die Deputationen zu einem langen Zuge und zogen mit Geschenken für Malietoa beladen nach Mulinu, wo sie ihre Gaben vor der Wohnung des Königs in großen Haufen aufstapelten. Da sah man lebende und tote Schweine, die an langen Stangen angebunden auf den Schultern getragen wurden, lebende und tote Hühner, wilde Tauben, Taro, Yams, Bananen, Kawawurzeln, feine und grobe Matten, Tapas (eine Art Rindenstoff, der mit Mustern in brauner oder schwarzer Farbe bedruckt ist und als Hüftenschurz [Lawa-lawa] getragen wird) und ähnliches, was das Herz eines Samoaners erfreuen kann.

Das Merkwürdigste aber, was ich in Samoa nur bei dieser Gelegenheit gesehen habe, waren kleine Bäumchen, die ähnlich wie unsere Weihnachtsbäume mit allerhand kleineren Gegenständen behängt waren. An einigen waren auch kleine lebende Vögel mit einer kurzen Schnur an einem Beinchen angebunden. Dies muß als ganz besondere Seltenheit gegolten haben, denn ich wurde von den Häuptlingen ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht.

Nach samoanischer Sitte durfte aber der König diese verschiedenen Reichtümer nicht etwa für sich behalten, sondern mußte sie wieder verteilen. Die Schweine, das Geflügel und die verschiedenen Früchte wurden dann sofort zubereitet und bei einem großen Festessen bis auf den letzten Rest vertilgt.

In ähnlicher Weise beschenken die Samoaner bei Hochzeiten das Brautpaar, das aber die Geschenke nur einen Tag behalten darf und dann alles wieder verteilen muß. Da ist es manchmal nicht zu vermeiden, daß der eine oder der andere Gast anstelle einer wertvollen Gabe, vielleicht einer feinen Matte, irgend etwas Minderwertiges, etwa nur ein Stück Tapa, zurückerhält. Dies wird aber gewaltig übel genommen und kann zur grimmigsten Feindschaft, ja zu Mord und Totschlag führen. Die Festgeber tun daher gut, wenn sie ihre Feste ungestört feiern wollen, mit größter Vorsicht zu Werke zu gehen und sich genau an die Vorschriften der so überaus strengen Etikette zu halten.

Ob es dem Könige oder seinen Häuptlingen diesmal gelang, alle zufrieden zu stellen, oder die Ehrfurcht die Unzufriedenen im Zaum hielt, habe ich nicht ermitteln können, jedenfalls wurde aber die Ordnung nicht gestört und die Feier durch keinen Mißklang getrübt.

Am Abend fand als Glanzpunkt des Festes ein großer Siwa-siwa (Tanz) vor dem Königshause statt, zu dem wir besondere Einladungen erhalten hatten. Als Tänzer traten von jedem Dorfe etwa 6 bis 8 junge Mädchen unter Führung der Dorfjungfrau und ebensoviel junge Männer unter Führung des vornehmsten Häuptlingssohnes auf.

Für uns Europäer hatte der König Stühle besorgen lassen, die auf der Veranda des Hauses aufgestellt waren, während die Samoaner nach Landessitte mit gekreuzten Beinen auf Matten am Fußboden saßen. Zur Beleuchtung dienten zwei an beiden Seiten des Tanzplatzes angezündete mächtige Feuer, die von besonders dazu abgeteilten Leuten mit trocknen Palmenblättern unterhalten wurden.

Zuerst traten die jungen Männer eines Dorfes auf, führten ihren wohleingeübten Tanz aus und wurden dann von den jungen Mädchen abgelöst. Die Führer der Tänzer und Tänzerinnen begrüßten jedesmal nach dem Tanz die Zuschauer, in dem sie den Vornehmeren mit dem landesüblichen talofa Alii (Guten Tag, Häuptling) die Hand reichten, und setzten sich dann bei uns nieder.

Alle Tänze bezogen sich auf den kürzlich beendeten Krieg, ebenso die dazu gesungenen und eigens für diesen Zweck gedichteten und komponierten Lieder. Ich bedauerte nur, daß meine Unkenntnis der samoanischen Sprache mir nicht gestattete, so ganz die Vorführungen zu verstehen, doch gewährten sie auch ohne das einen hohen Genuß.

Entsprechend dem Inhalt der Tänze hatten sich die Teilnehmer auch kostümiert. Sie trugen den gewöhnlichen Tanzschmuck auf dem Kopfe, der namentlich bei den Dorfjungfrauen und den Häuptlingssöhnen recht kostbar ist und sich in den Familien von Generation zu Generation vererbt. Er ist nicht selten nahezu einen Meter hoch und mit Schildpatt, Muscheln, Zähnen, Früchten, weißen Roßhaaren und ähnlichen Dingen verziert. In neuerer Zeit darf ein kleiner ovaler oder runder Spiegel, der entweder fest angebracht oder lose aufgehängt ist, nicht fehlen. Um den Hals trugen sie die Ula-Ula, eine Kette aus kleinen Muscheln oder aus hochroten, hübschen Früchten, die vorn auf die Brust herabhing. Einige der Männer trugen auch Halsketten aus Eberzähnen. Der Oberkörper war sonst bis zu den Hüften nackt. Um die Hüften war die bis zu den Knien reichende Lawa-lawa geschlungen, die bei den Mädchen entsprechend der feierlichen Gelegenheit diesmal aus feinen Matten bestand. Gesicht und Oberkörper hatten sie mit der Kriegsbemalung geschmückt, indem sie mit schwarzer Farbe große runde Flecken und lange Streifen aufgetragen hatten. In der Hand trugen sie meist einen Speer.

Entgegen dem sonstigen Brauch, wo der Siwa-siwa sitzend getanzt wird und nur aus mehr oder minder graziösen Bewegungen und Wendungen des Oberkörpers, des Kopfes und der Arme besteht, wurden diesmal alle Tänze stehend ausgeführt. Doch blieben die Tänzer und Tänzerinnen meist an derselben Stelle, so daß sie nur wenig Raum beanspruchten. Durch ihre Bewegungen suchten sie in Verbindung mit den Liedern alle Einzelheiten des Kampfes, wie Angriff und Verteidigung, Sieg und Niederlage usw. darzustellen. Auch fehlte es nicht an Verhöhnung und Verspottung des besiegten Feindes.

Von den lodernden Flammen beleuchtet, machten die muskulösen Körper der Männer, die in ihren Bewegungen die Wildheit des Krieges so recht zum Ausdruck brachten, einen geradezu magischen Eindruck. Die Mädchen, die nach jeder Gruppe der Krieger auftraten, schienen ihr Geschlecht völlig vergessen zu wollen und suchten die Krieger womöglich noch zu überbieten, trotzdem aber niemals ihre natürliche Grazie ganz außer acht lassend. So folgte in schnellem Wechsel Dorfschaft auf Dorfschaft, und obwohl jeder Gruppe nur wenige Minuten Zeit zur Verfügung standen, wurde doch der ganze Abend damit ausgefüllt.

Diejenigen Häuptlinge und Dorfjungfrauen, welche nach Beendigung ihres Tanzes sich zu uns gesetzt hatten, folgten ganz besonders eifrig mit den Augen den weitern Aufführungen, und man konnte schon an ihren Mienen sehen, ob dieselben Lob oder Tadel verdienten oder womöglich gar die eigenen Tänze übertrafen.

Im allgemeinen gewann ich die Überzeugung, daß das, was man uns bei diesem Siegesfest zeigte, sich wohl mit den Ballettaufführungen unserer Theater messen konnte und im Ausdruck und der Charakteristik des Vorgestellten vielleicht so manche auf europäischer Bühne vorgeführte Pantomime übertraf.

Dieses Fest war leider das letzte interessante Ereignis, das ich in Samoa erleben sollte, da nur wenige Wochen später unsere Ablösung eintraf. Am 10. September verließ ich mit dem Postdampfer die Inselgruppe, auf der ich manche schöne Stunde verlebt hatte, und deren Einwohner mir mit allen ihren Vorzügen und Fehlern näher bekannt geworden sind.

Möge den Inseln unter der jetzt gesicherten deutschen Herrschaft eine glückliche Zukunft und ein weiteres Aufblühen beschieden sein.


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