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Den Spott zum Schaden
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Jeremias Gotthelf

Neuer Berner Kalender
1845-1848

Mecklenburger Witz

Als die Cholera zum ersten Mal anrückte aus Polen hervor, hatten auch die Mecklenburger Katzangst, und sie verordneten eine strenge Sperre, und wer in ihr Ländchen wollte, mußte dreimal vierundzwanzig Stunden an der Grenze warten, damit, wenn er die Krankheit im Leibe hätte, sie unter der Zeit ausbrechen könnte.

Ein Roßhändler kam unangefochten über die Grenze und ritt zwei Tage im Lande herum. Am dritten wurde er aufgegriffen, und als er keinen Schein vorweisen konnte über seinen Aufenthalt an der Grenze, wurde es allen in Mecklenburg drinnen noch einmal so katzangst. Endlich wurden sie rätig, das sicherste Mittel sei, den Roßhändler wieder an die Grenze zu führen, damit er seine drei Tage noch absitzen könne. Sie führten ihn nun auf einem andern Wege der Grenze zu, wo sie am fünften Tag gesund und wohlbehalten ankamen. Und erst jetzt, als der Roßhändler in der Quarantäne saß, wurde es allen wieder wohl in Mecklenburg drinnen.

(372)

Wie man zu einer Frau kommt

Zu einem Pfarrer kam ein Mann und gab seine Verlobung zur Verkündigung an.

»Aber Christen, wie lange ist es, daß man deine Frau begraben hat?« sagte der Pfarrer.

»O Herr Pfarrer!« sagte Christen, »in vierzehn Tagen sind es schon drei Wochen.«

»Aber wie hast du es gemacht, so schnell eine Frau zu finden?«

»O Herr Pfarrer!« sagte Christen, »das hat mir gar keinen Kummer gemacht. Wo ich von der Gräbt heimgekommen bin, warteten daheim schon drei auf mich.«

(373)

Wie man doch erschrecken kann

Da, wo man von einer schönen Hügelseite hinübersieht gegen den Schwarzwald, wo man den Rhein sieht, wie er schwermütig sich dreht und windet und langsam, langsam nur sein liebes Schweizerland verläßt, da zog einmal ein schwermütiger Zug langsam und schwarz einer Kirche zu. Voran auf einem Schlitten fuhr ein Sarg, der eine weibliche Leiche barg, und vor dem Zuge schritt wie schwermütig der Leiche Mann und tat nötlich wie üblich. Bergab geht es immer rasch, aber ob das Wirtshaus zog oder die Kirche, ich weiß es nicht, kurz, der Schlitten kam in Schuß, fuhr an einen Pfahl, der Sarg sprang voneinander, die Leiche in den Schnee hinaus, sitzt da mir nichts, dir nichts und fängt an, sich die Augen zu reiben und zu gähnen wie jemand, der von langem Schlafe erwacht. Da fehlte nicht viel, der ganze Zug hätte Reißaus genommen dem Rhein zu; der betrübte Witwer zeigte viele Lust dazu. Doch faßte er sich endlich, bewillkommnete die teure Erwachte und zog mit ihr den Berg wieder auf.

Ums Jahr kommt akkurat der gleiche Zug wieder den Berg ab, der gleiche Schlitten, die gleiche Leiche, der gleiche Mann voran. Der tat gleich nötlich wie's vorig Mal und hatte das Nastuch fast immer vor den Augen und wischte ab, daß es eine strenge Sache war. Er achtete sich keines Menschen, nicht einmal der Steine, die im Wege lagen, und stolperte hinter dem Schlitten her, daß es ein jämmerlich Luegen war. Schon war man dahin gekommen, wo letztes Jahr das Unerwartete begegnet war, und der Pfahl steht vor dem Roß, da fährt auf einmal der gebeugte Witwer auf und schreit: »Hott, hott vom Pfohl! Sust goht's wie's vorig Mol!«

(374)

Ein anderes Kaputtwerden

Kürzlich erschienen zwei junge Ärzte in einer kleinen Stadt, welche wahrscheinlich in einer großen keine Anstellung erhalten hatten, und wollten dort Wunder tun, denn sie kündigten an, daß sie nicht nur fast jede Krankheit zu heilen imstande wären, sondern auch Tote wieder zu erwecken vermöchten.

Anfangs lachten die Leute in der kleinen Stadt, aber die Bestimmtheit, mit welcher die beiden Fremden von ihrer Kunst sprachen, machte die Leute bald bedenklich; als dieselben gar erklärten, sie wären bereit, nach drei Wochen an dem und dem Tage auf dem Gottesacker irgendeinen Toten, den man bezeichne, wieder in das Leben zu rufen, und als sie zu größerer Sicherheit selbst darauf antrugen, man möchte sie drei Wochen über bewachen, damit sie nicht entweichen könnten, geriet das Städtchen in eine seltsame Aufregung. Je näher der entscheidende Tag herankam, um so mehr wuchs erst geheim, dann öffentlich der Glaube, bis endlich die Vernünftigen nicht einmal mehr ihre Zweifel äußern durften.

Am Tage vor dem großen Wunder auf dem Kirchhofe erhielten die beiden Freunde einen Brief von einem angesehenen Manne der Stadt, darin hieß es: »Ich hatte eine Frau, die ein Engel war, aber mit vielerlei Leiden und Gebrechen war sie behaftet. Meine Liebe zu ihr war unbeschreiblich; aber eben um dieser Liebe willen gönne ich ihr die ewige Ruhe, es wäre schrecklich für sie, die jetzt so glücklich sein wird, wenn sie in ihre zerrüttete Hülle zurückkehren müßte. Ich zittere vor dem Gedanken, daß es vielleicht gerade meine Frau sein könnte, welche Sie bei Ihrem Versuche auf dem Kirchhofe wieder ins Leben zurückbringen. Verschonen Sie um. Gottes willen die Selige mit ihrer Kunst und erlauben Sie mir, daß ich Ihnen bei-? liegende fünfzig Louisdor zustelle, als ob die Sache wirklich geschehen wäre!«

Dieser Brief war der erste, eine Menge ähnlichen Inhalts folgte ihm nach. Ein Neffe war schrecklich besorgt um seinen Onkel, den er beerbt hatte. Schrecklich sei es dem lieben Onkel sein Lebtag gewesen, schrieb er, wenn ihn jemand geweckt hätte; was er erst jetzt empfinden müßte, wenn jemand ihn aus dem Todesschlaf wecken würde! Er halte es in seiner Pflicht, ihn vor solcher Gewalttat zu schützen, indessen erbiete er sich zu einer ansehnlichen Entschädigung.

Untröstliche Witwen erschienen persönlich mit inständigen Bitten, nichts gegen Gottes Willen, in den sie sich mit unglaublichen Anstrengungen zu schicken begönnen, zu tun, es könnte nicht gut kommen.

In der allergrößten Angst jedoch waren die beiden Ärzte des Städtchens; sie liefen umher wie brönnig Manne, sie fürchteten, ihre Patienten, welche sie unter die Erde gebracht, möchten wieder zum Vorschein kommen und ausschwatzen, was sie jenseits vernommen.

Der Bürgermeister, der noch nicht lange im Amt war und manchen Vorgänger unterm Boden hatte, erhob sich endlich auf einen allgemeinen Standpunkt; er bedachte, daß unter so bewandten Umständen die Ruhe der Stadt durchaus nicht zu erhalten wäre, wenn die Toten wieder zum Vorschein kommen sollten. Er erließ daher ein halb offizielles Schreiben an die beiden Wundermänner, in welchem er sie aufforderte, in der ihm von Gott anvertrauten Stadt von ihrer Kunst keinen Gebrauch zu machen, sondern sogleich abzureisen und hier es beim alten bewenden zu lassen. Dagegen erbot er sich, ihnen viel Geld aus dem allgemeinen Säckel zu zahlen und ihnen ein Zeugnis auszustellen, daß sie wirklich imstande seien, Tote aufzuerwecken.

Die beiden Wundermänner antworteten, aus Gefälligkeit und weil er es wäre, wollten sie sich mit dem Anerbieten begnügen, nahmen Geld und Zeugnis und schoben sich. Es heißt, sie hätten ihren Weg nach der Schweiz genommen.

(375)

Der Müller als KapuzinerÜberschrift vom Herausgeber

Der Müller zu X. trank einmal lustig und in Freuden unter lustigen Zechbrüdern, bis er unterm Tische lag. Da zogen ihm die fidelen Brüder seinen weißen Müllerrock aus, zogen ihm eine braune Kapuzinerkutte an, trugen ihn vor das Städtchen hinaus und legten ihn dort am Wege ab.

Bald darauf kamen zufällig einige Kapuziner daher und waren ganz erstaunt, einen ihrer Brüder in solchem Zustande an der Straße zu finden. Sie schämten sich vor den Leuten, die an einer dunkeln Kutte alles sehen und, was sie sehen, nicht vergessen können, hoben den Bewußtlosen auf und trugen ihn in ein benachbartes Kloster. Dort legten sie ihn zweg auf einen Tisch; das ganze Kloster sammelte sich um den trunkenen Bruder, aber niemand wollte ihn kennen, daher man kaum warten mochte, bis er erwachte, um ihn zu fragen, wer er sei und woher er komme.

Endlich geschah es. Man kann sich den Schreck denken, als der arme Schelm erwachte, sich in einer Kapuzinerkutte sah und Kapuziner ringsum, denen er Bescheid geben sollte, aus welchem Kloster er komme und wie er heiße. Er staunte, er rieb sich die Augen, er sann, wußte lange nichts, es war ihm, als sei er vom Himmel herabgekommen. Endlich stotterte er, sie sollten doch in die X.-Mühle gehen, und wenn sie dort den Müller antreffen sollten, so könnte er ihnen wahrhaftig nicht sagen, woher er komme und wer er sei.

(376)

An den Hosen liegt es nichtÜberschrift vom Herausgeber

Es ließ einmal ein Herr Hosen machen, und der Schneider nahm wie üblich das Maß. Als der Herr die Hosen probierte, brachte er sie nicht ans gehörige Ort und sagte: »Die Hosen sind mir viel zu eng!«

Das schoß dem Schneider in Kopf, er stellte sich bockgerade und sagte: »Die Hosen sind recht, aber Ihr verfluchter Arsch ist viel zu dick!«

(377)

Drei Witze von schlechtgesinnten Leuten, nütnutzige Säubube. Erster Witz

Auf einem Markt wurde ein Länder ergriffen, des Diebstahls angeklagt und vor den Oberamtmann gebracht. Dort machte er den Unschuldigen, leugnete keck alle Schuld; »leugnen hets«, wird er gedacht haben.

Der Oberamtmann gab sich alle Mühe, ihn zum Bekenntnis zu bringen mit Fragen und Zusprechen. Aber das Reden ging ihm genug, und manchmal mußte er siebenmal ansetzen, ehe er ein kleines Wörtlein hervorbrachte.

Der Beklagte sah behaglich den Äußerungen des Richters zu und sagte endlich in gutmütiger Freundlichkeit: »Hab nit Mühy, Landvogt! Du bringst ja doch nit füre!«

(378)

Drei Witze von schlechtgesinnten Leuten, nütnutzige Säubube. Zweiter Witz

Ein schlechtes Rößlein zog ein Wägeli mit großer Anstrengung einen Berg auf, hinten auf dem Wägeli saß der Fuhrmann. Oben am Berg erschienen zwei stattliche Männer, es war der Ammann und der Weibel des nächsten Dorfes, und kamen langsam dem Fuhrwerke entgegen. Sobald sie sich näherten, sprang der Fuhrmann ab, sprang hervor zum Rößlein, hing sich an dessen Kopf, verhielt ihm das Auge auf der Seite, an welcher die Männer vorbeigingen, und schrie aus Leibeskräften: »Uha! Uha! Na! Na!«

»Was Dolders, Joggi, machst«, fragte der Ammann, »warum vrhest dem Roß dsAug?«

»Verzieht!« sagte der Fuhrmann, »es ist gar grusam schelme-schüch!«

(379)

Drei Witze von schlechtgesinnten Leuten, nütnutzige Säubube. Dritter Witz

Vierspännig rollte ein mächtiger Postwagen auf harter Bernerstraße dahin, und vom hohen Bocke nieder lenkte ein kleiner, handlicher Postillion die etwas unwirschen Rosse. Bekanntlich traktiert man sonst die Pferde mit der Geisel, den Geiselstecken hat man bloß der Geisel' wegen und aus Hochmut, um klepfen zu können. Nun schlug aber dieser Postillion ganz handlich mit dem Geiselheft auf das Roß los, welches von der Hand an der Deichsel lief, und prätschte ihm seine Hinterbacken so weidlich trotz einem alten Schulmeister vom vorigen Jahrhundert.

Endlich sagte ein Passagier, der im Cabriolet saß: »E, Postillion, dGeisle, dGeisle, nit drStecke!«

»Da Donner tut nüt um dGeisle«, schnauzte der Postillion, »aber wart er nume, da Donner! Sobald ih drDirekter gseh, su säg ihs ihm, da Hagel muß mr i dRegierig!«

»Postillion, nehmt Euch in acht!« sagte der Passagier, »denkt, wie es denen geht, welche den schuldigen Respekt vergessen! Und wenn ich auch in der Regierig war?«

»Mira, meinetwegen«, sagte der Postillion, sah aber doch dem Passagier ins Gesicht.

Der fragte: »Warum aber soll das Roß in die Regierig?«

Da sagte der Postillion: »He, dert chas de da Hung mynethalb a di angere la«, drehte sich wieder um, knallte mit der Geisel, daß einem die Ohren surreten, kehrte die Peitsche um und karbatschte wieder darauf los, als ob er noch profitieren wollte, ehe das Roß in den Schutz des Achtungsgesetzes käme.

(380)


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