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Den Spott zum Schaden
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Jakob Frey

Gartengesellschaft
1556

Von einem, der niemandes denn seines Vaters Narr wollt sein

In der Stadt Kaisersberg war ein Schulmeister, in den Künsten ein freier, geschickter, gelehrter Mann, in Weis, Gebärden, Worten und Werken aber grob, wüst und unflätig, also daß man ihm den Namen Wüst gab; war sonst Paulus geheißen.

Dieser Paulus Wüst ward auf ein Zeit von wegen seiner närrischen Zoten und Possen, die er morgens, abends und alle Zeit reißen tat, auch zuweilen sehr unflätig war, von einem Fürsten angeredet, er sollte sein Hofgesind und Diener werden, sollte allemal also gute närrische Possen zutag bringen.

»Nein«, sprach Paulus Wüst, »gnädiger Herr, mein Vater hat sich selbst ein eignen Narren gemacht. Will Euer Fürstliche Gnaden auch einen haben, so mach Sie sich selbst auch einen eigenen Narren, wie er getan hat. Glaubt Euer fürstliche Gnaden, daß es ohn Schnaufen sei zugangen, da ich gemacht bin worden? Das würd ich nimmermehr glauben. Denn jedermann sagt, ich sei wohl als ein großer Unflat.« Ist damit abgeschieden.

(85)

Von einer Goldschmiedin zu Augsburg und einem jungen Edelmann, wie sie ihm ein gülden Ketten abbuhlet und wiedergab

Auf dem Reichstag zu Augsburg war ein Edelmann, der des Kaisers Hof nachzog, in einer schönen großen Herberg, der hatt vier oder fünf Pferd. Wenn er wollt spazierenreiten, so saß er im Hof auf und rannt vor die Tür und warf das Roß einmal oder etlichemal herum. Es war ein hübscher, gerader Edelmann und hatt ein schöne güldene Ketten am Hals.

Nun war neben der Herberg ein Goldschmied, ein reicher Bürger, der hatt ein schönes Weib. Und wenn der Edelmann also vor das Haus rannt und macht gute PössleKunststücke, so lag des Goldschmieds Frau am Fenster und sagt: »Ich wollt, daß ich mit dem Edelmann sollt ein Paar Leinlachen zerreißen.«

Das hört der Edelmann, der sprach: »Da wollt ich mein gülden Ketten um geben.«

Das vermerkt die Frau. Als nun über drei oder vier Tag ihr Mann nit daheimen war, ließ sie den Edelmann beschicken und sagt: »Junker, seid Ihr noch der Wort, die Ihr das ander Mal gered't habt, eingedenk?«

»Ja, Frau«, sagt der Edelmann.

Damit führt sie ihn in ein besonderes Gemach, zog sich aus bis auf das Hemd und sprach: »Junker, Ihr wißt wohl, worum es zu tun ist.«

Der Edelmann sprach: »Ja, es ist um die Ketten zu tun«, zog sie von dem Hals, gab sie der Frauen. Sie verschloß die Ketten behend in einen TrogTruhe auf ihre Kleider.

Wohlan, die zwei tanzten die Nacht den Tannhäuser. Morgens früh ward der Edelmann ausgelassen, war traurig um sein Ketten.

Sein Knecht sah, daß der Junker traurig war, sprach: »Junker, was liegt Euch an?«

Der Edelmann sagt: »Mein Anliegen kann ich niemand klagen.«

Der Knecht sprach: »Ei Junker, es ist all wegen gewesen, wenn einer bekümmert ist, daß er solches seinen guten Freunden klaget und offenbaret. Nun bin ich Euer Diener, ich will mein Haut dran strecken, es muß Euch geholfen werden.«

Der Junker erzählt dem Knecht, wie es ihm mit der Goldschmiedin und der gülden Ketten gangen sei.

Der Knecht sagt: »Dem ist wohl zu tun. Die Frau hat uns zum nächsten ein Mörselstein geliehen, da ein Gaul krank war, etwas darin zu stoßen; den will ich ihr wiederbringen. Laßt mich machen, Eure Ketten soll Euch wieder werden.«

Am andern Tag zu dem Imbiß, als der Goldschmied und sein Frau zu Tisch saßen, klopfet der Knecht an der Tür, ward eingelassen, stund vor dem Tisch und sagt: »Herr, da schickt Euch mein Junker den Mörselstein, dankt Euch sehr und begehrt die gülden Ketten, die er Euer Frauen dafür zu Pfand hat gelassen.«

Der Goldschmied war zornig über die Frau, sagt, warum sie um ein so klein Ding also ein köstlich Pfand nahm.

Die Frau sprach: »Herr, ich hab kein Ketten empfangen.«

Sagt der Herr: »Nun hörst du wohl, was der Knecht sagt.«

Die Frau leugnet wie ein Mörder, aber der Knecht sprach: »Zum Wortzeichen legt sie die Ketten in ein Trog unten am Bett auf die Kleider.«

Der Herr ward zornig, nahm die Schlüssel, schloß den Trog auf, fand die Ketten und gab sie dem Knecht. Der nahm sie und ging sein Straß.

Die Frau ging dem Knecht nach und sprach: »Sag deinem Junker, er müßt mir zum nächsten nimmermehr in meinem Mörselstein stoßen. Ich will ihm auch kein HäfeliTopf mehr leihen, daß er darin kochen solle, und sollt er Hungers sterben. Wie er gewollt und es ihm gefallen hat, habe ich ihm Geschirr geliehen; das hat er mir gelöchert und zerstoßen. Nun muß ich die Stück mir selbst behalten.«

Der Knecht gab dem Junker die Ketten. Der ritt hinweg mit Freuden, und war das Paar Leinlachen auch zerrissen.

(86)

Von einem Bauren, der sterben wollt und klagt, daß er zielten müßt und hätt noch vier gute Pferd im Stall

Bei Aarau im Schweizerland auf einem Meierhof, da saß ein Bauer, der hieß Cleuwe Bertschy, ein wunderbarlicher Speivogel. Der ward auf ein Zeit krank und fast schwach, daß jedermann meint, er wollt sterben.

Sein Frau fragt ihn, ob er den Pfaffen haben und beichten, auch sich verrichten lassen wollt.

Er sagt: »Ich bin doch mit niemand uneins; mit wem wollt man mich dann verrichten»Ich möcht aber wohl leiden, daß der Pfaff hier an meiner Statt läge; so wollt ich ihm lieber Beicht hören, denn daß ich ihm beichten sollte.« Ließ ihn doch holen.

Der Pfarrherr kam und sagt: »Cleuwe, ein guten Tag.«

Cleuwe sagt: »Ihr habt ein guten Tag, aber ich habe einen bösen.«

Der Pfarrherr sprach: »Cleuwe, mir ist dein Krankheit leid.«

Der Bauer sagt: »Sie ist mir noch viel leider, denn ich hab's am Hals.«

Der Pfarrherr sagt; »Wo beklagst du dich?«

Sagt Cleuwe: »Hier in dem Bett.«

Sprach der Pfarrherr: »Wo ist dir weh?«

Cleuwe sagt: »Hier zwischen den Wänden.«

Der Pfarrherr: »Ich sehe wohl, du bist nit fast stark.«

»Ja«, sagt der Bauer, »war ich stark, so wollte ich mit Euch ringen. Mir ist, ich wollt's Euch abgewinnen.«

»Wohlan«, sagt der Herr, »willst du dich zu Gott bekehren, so mußt du anders tun.«

Sprach der Bauer: »Wo ist er?«

Darauf antwortet der Pfarrherr: »Ich hab ihn mit mir hergetragen!«

»Oh«, sprach der Bauer, »ist er also schwach, daß man ihn tragen muß, so ist er wohl kränker, als ich bin. Zween Kranken helfen selten einander. Ich will nichts mit ihm zu schaffen haben, bis er oder ich stark werde.«

Also ging der Pfarrherr sein Straß, war wohl vexiert und hatt nichts ausgerichtet.

Nichtsdestoweniger aber war der Bauer mit dem Speiwerk und unnützen Geschwätz also blöd und schwach worden, daß sich jedermann seines Todes versah, wie auch geschah.

Da sprachen die Frauen zu ihm: »Cleuwe, sollen wir dir ein Kerzen anzünden?«

»Nein«, sprach er, »es ist heiter, ich sehe noch genug.« – Wie er aber noch schwächer wird, sagt er zu ihnen: »Wohlan, zündet recht die Kerzen an; es will doch am letzten Sankt Veits Tanz haben.« Also lief man bald, zündet die Kerzen an und gab sie ihm in die Hand.

So kommt sein Nachbar Vinzenz. Als der sieht, daß er so schwach ist, spricht er zu den Frauen: »Er zeucht schon; Gott helf ihm!«

Das höret Cleuwe, wie schwach er war, und sagt: »Nun muß es Gott treulich erbarmen, daß ich noch vier so guter, starker, ausgeruhter Ross' im Stall hab stehn, und ist deren keins, es möcht besser ziehen denn ich, und wird mir als dem schwächsten die größte Bürde aufgelegt, also daß ich allein ziehen muß. Ich gedenk, ich werd am Sielen ersticken.« Das geschah, denn er starb gleich.

(87)

Ein Landsknecht teilt mit einem Mönch

Im Jülicher Land zog ein armer Landsknecht daher über das Feld und hatte nit überänzigeüberflüssige Kleider an. Dem begegnet ein alter Barfüßermönch, der trug viel Tuchs, sich und seinen Brüdern zu Kutten und sonst Kleidern.

Der Landsknecht sprach ihn an und sagt: »Herr, teilen wir nit miteinander? Ihr braucht das Tuch nit alles zusammen, so habt Ihr auch noch ein gute, feiste Kutten an. Ich aber bin nackend und bloß. Darum ist hier kein anders, wir müssen das Tuch miteinander teilen.«

Der Mönch sagt: »Lieber Gesell, zeuch du dein Straß! Ich bin ein geistliche Person, und laß mich zufrieden! Ich geb dir nichts.«

»Wie, Mönch«, spricht der Landsknecht, »wolltest du ein geistlich Mann sein und wolltest den Nackenden nit kleiden und hast so viel übriges Tuch? Wolltest du dich von dem Teufel also verführen lassen, daß du den Befehl Gottes übertreten solltest, den Nackenden zu kleiden; Da sei Gott vor! Du sollst meinethalben nit zum Teufel fahren.« Indem erwischt er das Tuch und sagt zu dem Mönch: »Ich bedarf nit mehr als drei Ellen, das übrige behalt du.«

Der Mönch könnt ihm nit widerstehn. Der Landsknecht nahm das Tuch, tat es voneinander und maß mit seinem halben Spieß drei Ellen davon (es wären zu Frankfurt wohl sechzehn Ellen gewesen), wickelt das zusammen und zeucht mit davon.

Der Mönch war traurig, raspelt das ander Tuch auch zusammen, schrie ihm nach und sprach: »Du verloffener Bub, du mußt mir das Tuch am Jüngsten Tag bezahlen und Gott dem Allmächtigen Antwort darum geben. Dessen sollst du dich von mir versehen.«

Der Landsknecht wendet sich um und geht zu dem Mönch und sagt: »So du mir also ein lang beraumt Ziel zu der Bezahlung bis an den Jüngsten Tag setzest, so will ich eben das übrig Tuch dazu nehmen. Es kommt doch alles in ein Rechnung, Verantwortung und Bezahlung. Und, Mönch, zeichne du es daheim fleißig auf! Ich möcht leiden, ich hätte das Kloster miteinander auf diese Zielsetzung.«

Also nahm er ihm das ander Tuch auch und zog davon, ließ dem Mönch das Nachsehen.

(88)

Zween Studenten betrogen einen Scharwächter

Zu Basel war ein Goldschmied, ein freier Künstler, der hieß Urs Graff, war ein guter Studentenfreund. Der richtetstiftete einmal zween Studenten an, daß sie nächtlicherweil am Kornmarkt von seinem Haus über die Gassen ein Seil, das er ihnen gab, heimlich spannen sollten und danach ein Lärmen anfangen. So würden die Scharwächter dazulaufen, da würd einer ein hübsch Fallen sehen.

Die Studenten folgten, es war ihnen wohl damit. Sie kamen auf ein Nacht, richteten mit Hilf ihres Bubenvaters die Seil zu. Nach aller Handlung, Aufrichtung und ihrer Wachtbestellung gehen sie an einem Haus heimlich her, so finden sie ein Scharwächter an der Wand sitzen, der schlief hart und hatt sein BackanetlinHelm und Handschuh von sich gelegt. Die zween nehmen das Häublein bald, tragen's auf ein Ort, scheißen's und brunzen's voll, legen's ihm still und heimlich wieder dahin, gehen danach gegen die Eisengassen zu, zücken vom Leder, habenmachen ein groß GebrächtLärm, schlagendie Degen zusammen.

Die Scharwächter stoben von allen Orten herzu dem Lärmen nach, und als sie an den Kornmarkt kamen, fielen sie über die gespannten Seil: da lag ein Hellebard, da der Mann, da das Backanetlin, da zween oder drei auf einem Haufen. Und der Scharwächter, so geschlafen, wischt auch aus dem Schlaf, will sein Backanetlin flugs aufsetzen und zu dem Lärmen laufen; so ist's vollgeschwitzt, und stürzt der Dreck und Seich alles über den Kopf ab; das war zum Erbarmen.

Der Goldschmied saß in seinem Kellerhals und hatt die gespannten Seil bei sich an besonderen Riemen in der Hand. Dieweil sie sich wieder zusammenlasen, die Hellebarden und anderes in der Finsternis suchten, zog er die Seil zu sich und durch den Keller ins Haus hinein, nahm ein Licht, läuft hinaus und zündetleuchtet den Scharwächtern, daß sie ihre Dinge wiederfanden. Damit konnte er auch sehen, wer sie waren. Er stellt sich häßlich, sagt, er war erst vom Bett aufgestanden, und führt sie also auf dem ganzen Kornmarkt herum, und sie suchten die Seil, auch die, so es getan hätten.

In derselbigen Weile waren die Studenten in des Goldschmieds Haus wieder heimlich kommen. Da er das vermerket, nahm er Urlaub von den Scharwächtern, ging heim.

Sie dankten ihm fleißig, daß er so guten Ernst mit ihnen gebraucht hätt. Hätten sie die recht Wahrheit gewußt, würden sie sich ohn Zweifel anders gegen ihn gehalten und den armen Judas auf der Borkirchen ihm gesungen haben.

(89)


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