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Rauchverbote und Gesetze.

Skizze von Hugo Sternberg.


Es ist nun gerade ein Lustrum – fünf Jahre – her, seitdem in sämmtlichen Moscheen von Marokko ein Schreiben des Sultans verlesen wurde, welches seinen Unterthanen, den Ein- und Verkauf von Tabak und selbstredend auch das Rauchen bei sonstiger schwerer Ahndung untersagte. Gleichzeitig wurde das Staats-Tabakmonopol abgeschafft, alle maurischen Tabakläden wurden geschlossen und große Quantitäten von »Kief«, getrocknete Blüthen einer Hanfart, welche die Marokkaner leidenschaftlich gerne rauchen, öffentlich verbrannt. In Folge dessen entstand in Tanger ein Tumult, der damit endete, daß über 200 Personen ins Gefängniß geschleppt wurden. Bald vermehrte sich die Anzahl der Gefangenen, denn es wurden Raucher auf den Straßen angetroffen und, wie es das Schreiben des Sultans angedroht hatte, als Verbrecher in den Kerker geworfen.

Dort ließ man sie eine Zeit lang schmachten, dann wurden sie vor Gericht gestellt und theils zu Stockprügeln, theils dazu verurtheilt, auf Esel gesetzt und durch die Straßen von Tanger gepeitscht zu werden. Jenen zwei Männern aber, welche das Rauchverbot vor dem Kadi höchst tyrannisch genannt und erklärt hatten, dasselbe nie und nimmer beachten zu wollen, schnitt der Henker auf richterlichen Befehl die Lippen ab, damit sie nicht mehr rauchen könnten. Warum der Sultan jenes, inzwischen längst wieder aufgehobene Rauchverbot erlassen, blieb natürlich kein Geheimniß. Er hielt nämlich das Rauchen für unrein und nahm somit denselben Standpunkt ein, welchen lange vor ihm König Jakob I. von England in seiner im Jahre 1603 erschienenen Schrift: »Misocapnus«, der Rauchfeind, vertreten hatte. Zum Schlusse derselben warnte dieser König seine Unterthanen vor der seit 1586 in England florirenden Unsitte des Tabakrauchens und als dies ohne Erfolg blieb, verbot er zunächst seinen Hofleuten in Theatern und Kirchen zu rauchen. Bald darauf, im Jahre 1604, aber erließ er ein Gesetz, wornach das Rauchen Jedermann untersagt war, und wer diesem Genusse dennoch fröhnte, vom Volke ohne weiters durchgeprügelt werden konnte. Edelleute aber sollten selbst die geringfügigste Uebertretung dieses Rauchgesetzes mit dem Verluste des Bartes büßen und barfuß aus London ausgewiesen werden.

In Deutschland ließ man zu jener Zeit das zumeist in den sogenannten »Tabagien« (Rauchcollegien in öffentlichen Localen) betriebene Rauchen noch passiren, in Rußland aber ergingen bereits allerlei »gelinde« Verwarnungen wider dasselbe und als sie fruchtlos blieben, verordnete Czar Michael Feodorowitsch mittelst Ukas vom Jahre 1634, daß das Rauchen allgemein verboten und Jeder gegen dieses Gesetz Verstoßende der Strafe des Nasenaufschlitzens verfallen sei. Der Sohn des Vorigen und Vater Peter des Großen, Czar Alexis, bestätigte das obige Gesetz, nur daß er auf das Rauchen die Todesstrafe setzte. Dieselbe stand ein paar Jahre später auch in Lüneburg »auf dem liederlichen Werke des Tabaktrinkens,« worunter ursprünglich nur das Rauchen aus Wasserpfeifen (Nargilehs), allgemach aber das Rauchen überhaupt verstanden wurde. Gelinder war das sächsische Rauchverbot vom Jahre 1651, denn derjenige, der es übertrat, hatte in Anbetracht dessen, »daß er von dem garstigen Schmauch und Rauch, schändlichen Sprizeln und Auswerfen, heftigem Niesen und Schneuzen und was dergleichen, mit Verlaub zu gedenken, Unflats mehr ist, ohnehin genug Verdrießlichkeiten, Unlust, Beschwer und Grauen habe,« blos 5 Thaler Strafe zu zahlen. Ebensoviel mußte der Wirth blechen, der noch »Tabagien« duldete und die gleiche Strafe war auf den Tabakverkauf gesetzt.

Da sich aber dessenungeachtet »Bürger und Gesellen« das edle Kraut, welches im 17. Jahrhundert bald Thapak, Thaback und Taback genannt wird, zu verschaffen wußten, stellte der Ulmer Magistrat behufs Durchführung seines Rauchverbotes die sogenannten »Gassenknechte« an, die Tag und Nacht auf Raucher fahnden und dieselben sofort zur Haft zu bringen hatten, worauf sich dann der hohe Rath mit den Malefikanten eingehend beschäftigte und ihnen eine der damals in ganz Württemberg auf die böse »Sucht des Rauchens« gesetzten Strafen – Pranger oder Prügel, zuweilen auch Beides – zuerkannte.

Die Berliner Obrigkeit dictirte den Uebertretern des Gesetzes vom Jahre 1661, womit das »nebst allerhand anderen« eingerissenen Mißbräuchen und Unordnungen ebenfalls in Schwang gebrachte Schmauchen des amerikanischen Tabakkrautes« ein für allemal verpönt worden war, gleichfalls den Pranger, nur daß damit längere oder kürzere Gefängnißhaft verbunden war. Uebrigens galt, einer Polizeiverordnung zufolge, »das öffentliche Tabakrauchen auf den Straßen und Plätzen« Berlins noch im Jahre 1810 für »ebenso unanständig als gefährlich und dem Charakter gebildeter ordnungsvoller Städte entgegen,« so daß dasselbe nicht nur für Berlin, sondern auch für Charlottenburg und den Thiergarten untersagt wurde. An den beiden letztgenannten Orten durfte nur vor den Thüren der Häuser und vor den Zelten von dort Sitzenden und Stehenden geraucht werden. Wer sich hiergegen eine Uebertretung erlaubte, wurde angehalten, ihm die Pfeife abgenommen und er mit 5 Rthlr. Geld- oder verhältnißmäßiger Gefängniß- oder Leibesstrafe belegt. Wiederholungsfälle zogen erhöhte Strafen, Widersetzlichkeiten aber augenblickliche Arretirung nach sich. Aehnliche Verordnungen und Gesetze bestanden in fast allen Städten Europas. Denn wenn man auch das Rauchen nicht mehr, wie der Dichter Jakob Balde aus Ensisheim im Elsaß anno 1658 öffentlich gethan, »die trukene (trockene) Trunkenheit« nannte, und die Titel: Rauchpfeifer, Rauchstänker, Feuersäufer, Rußlecker, Dunstpfeifer, Bitenpipen, Pipendrucker, Supenschmacker, Rimpfnasen, Glotzaugen, Strobelköpfe, Rußbänke, Schmutzklauen, liederliche Gesellen u. s. w., welche Balde den Rauchern taxfrei verliehen hatte, längst vergessen waren, so wurde das öffentliche Tabakrauchen doch bis weit in unser Jahrhundert hinein für unanständig gehalten. Noch vor 20 Jahren mußte man in Oesterreich-Ungarn die Pfeife oder Cigarre vor jedem Wachtposten aus dem Munde nehmen. Wie sehr haben sich seither die Zeiten geändert. Die Staaten haben ein Interesse daran, daß recht viel Tabak geraucht werde und Niemandem fällt es ein, die Raucher in Balde'scher Weise zu traktiren. Auch gibt es nirgends ein allgemeines Rauchverbot, sondern blos specielle Rauchgesetze. So ist das Rauchen an gewissen Orten, wie z. B. in Theatern, Concertsälen, Frauenabtheilungen der Eisenbahnwagen und sonstigen Verkehrsmittel bekanntlich nicht gestattet und Schaffnern, Begleitern und Kutschern der öffentlichen Lohnfuhrwerke bei sonstiger Ahndung verboten, so lange sie in Ausübung ihres Dienstes begriffen sind. In Rußland wieder dürfen die Soldaten auf den Straßen nicht rauchen, weil bei dem Umstande, daß selbst in größeren Städten sich noch Häuser aus Holz und Stroh finden, durch das Rauchen viele Brände hervorgerufen worden sind, und den Angehörigen fast aller europäischen Armeen ist es verboten, bei Spaziergängen in den Städten aus der Pfeife zu rauchen. Personen geistlichen Standes dürfen dies natürlich gar nicht thun und sollen sich öffentlich auch mit der brennenden Cigarre nicht sehen lassen. Das diesfällige Rauchverbot ist übrigens ein sehr altes. Es datirt nämlich schon aus dem Jahre 1723 und, wer es damals, sowie im 18. Jahrhundert überhaupt verletzte, der wurde seines Amtes entsetzt. Daher mag es wohl kommen, daß sich unter den Geistlichen viel mehr Schnupfer als Raucher finden. Von weiteren Rauchverordnungen wären zunächst jene zu nennen, welche das Rauchen in den Sitzungen aller öffentlichen Körperschaften verpönen. Das jüngste diesfällige Gesetz kam erst vor Jahresfrist im Parlamente von Nebraska zu Stande. Den äußeren Anlaß dazu gab folgender Vorfall: Ein Abgeordneter, Namens Gale, der sich dadurch, daß er bei verschiedenen Gelegenheiten einen unabhängigen Sinn bethätigte, bei seinen Parteigenossen gründlich verhaßt gemacht hatte, zündete sich während der Sitzung eine Cigarre an. Außer ihm rauchten zwar noch verschiedene andere Mitglieder, da aber Gale es, wie gesagt, mit Allen verdorben hatte, so beschloß man, an ihm ein Exempel zu statuiren, und ein anderer Abgeordneter machte den stellvertretenden Sprecher Shrader, einen persönlichen Gegner Gale's, auf den Frevler aufmerksam. Der Sprecher befahl ihm, sofort das Rauchen einzustellen, aber Gale erklärte, jeder Mensch habe bekanntlich das unveräußerliche Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück; er habe schon seit Jahren die Gewohnheit, den Tag über zu rauchen und sein persönliches Glück sei schwer beeinträchtigt, wenn man ihm das Rauchen verbiete. Sofort nach dieser Erklärung zündete sich noch ein halbes Dutzend Abgeordneter Cigarren an; der Sprecher wies jedoch den Quästor an, nur den widerspänstigen Gale hinauszuführen. Letzterer appellirte an das Haus und es entstand ein fürchterlicher Tumult, der endlich durch einen Vertagungsantrag vorläufig und bald darauf durch ein, das Rauchen im Parlamentsgebäude verbietendes Gesetz endgiltig geschlichtet wurde. Auch in verschiedenen anderen nordamerikanischen Staaten wie z. B. New-York, Connecticut und Süd-Carolina wurden neuestens Rauchgesetze beschlossen. Doch war deren Spitze nicht gegen die Abgeordneten, sondern gegen die rauchende Jugend gerichtet. Obwohl die Uebereinstimmung in Sachen der Gesetze sonst nicht zu den starken Seiten der Union gehört, nahm man diesmal doch überall an, daß ein Kind, welches thatsächlich oder augenscheinlich unter 16 Jahren alt ist, absolut nicht rauchen dürfe und wenn es dies dennoch thue, mit einer Geldstrafe von 2 bis 10 Dollars zu belegen sei, wohingegen Tabakhändler, die Kindern Rauchmittel verkaufen, die zehnfache Buße zu zahlen haben. Darob entstand großes Wehklagen unter den Tabaksleuten, aber immense Freude unter den – Automatenfabrikanten. »Durch den Cigarrenautomaten,« sagten diese zu den Händlern, »könnt ihr ganz ungehindert an den ältesten Greis ebensogut wie an den kleinsten Buben Cigarretten verkaufen, denn der Automat bedient Jeden, der Geld in seine Oeffnung wirft und er hat keine Augen,« – und sie hatten leider Recht. Einige von den ersten Händlern angestellte Versuche fielen vortrefflich aus, der Verkauf war sogar ein höherer als früher, selbst diejenigen Knaben, welche sich sonst wenigstens noch geschämt hatten, kauften in aller Dreistigkeit beim Automaten, – der ja keine Augen hatte. Und er hat sie noch heute nicht und die amerikanische Jugend dampft somit trotz der sie betreffenden Rauchverbote vergnüglich weiter. Dasselbe geschieht in der Schweiz und überall, wo ähnliche Gesetze bestehen und wird so lange geschehen, bis man jeden Schuljungen unter strenge Polizeiaufsicht zu stellen vermag. Deshalb bemüht man sich nicht erst mit diesfälligen Rauchverboten und als ein solches jüngst in Frankreich dennoch erlassen werden sollte, da genügte der Hinweis darauf, daß, wenn eine derartige Maßregel etwas nützen würde, sie von Deutschland längst angewendet worden wäre, die Vorlage zu Falle zu bringen.

Nebst den behördlichen Rauchverboten und Gesetzen gibt es selbstverständlich auch solche privater Natur. In Prag z. B. existirt gegenüber dem Altstädter Rathhause ein Weinhaus, in dessen Räumen das Rauchen unbedingt verboten ist, und in Berlin und London haben die Besitzer gewisser Kaffeehäuser ihren weiblichen Gästen das Rauchen untersagt, worauf über die Klage der Betroffenen von den angerufenen Richtern das Erkenntniß gefällt wurde, daß in öffentlichen Localen, wo Männer rauchen, auch Weiber desgleichen thun dürfen. Nur in seiner Wohnung darf Jedermann das »Stänkern,« wie ja das Rauchen von seinen Gegnern genannt wird, ohne Angabe von Gründen untersagen, und es pflegen dies insonderheit Damen zu thun und diejenigen, welche sich gegen dieses Gebot versündigen, gewöhnlich durch Ausweisung zu bestrafen.

Eine Russin begnügte sich aber nicht damit, sondern ließ sich sogar von ihrem Manne scheiden, weil er das Rauchen zu Hause nicht aufgeben wollte, und eine vornehme Pariser Dame empfing überhaupt Niemanden, der im Verdachte stand, ein Raucher zu sein. Dann aber, als sie einmal den herrlichen »Bernsteinteint« eines jungen Mädchens bewunderte und auf die Frage, durch welches Mittel die Schöne zu ihrer gelblichen Gesichtsfarbe gekommen sei, zur Antwort erhielt, daß dieselbe Buffetdame in einem stets von Tabakrauch erfüllten Kaffeehause gewesen sei, zog sie ihr Verbot nicht nur zurück, sondern machte es den Besuchern ihrer Salons – Herren und Damen – sogar zur Pflicht, daselbst so viel als möglich zu rauchen und stellte die hiezu nöthigen »Kräuter« edelster Sorte in Hülle und Fülle bei, – alles in der Hoffnung, durch den Einfluß des Tabakrauches den nicht nur von ihr, sondern auch von Anderen bewunderten »Bernsteinteint« zu erlangen.

Wenn sich diese Hoffnung nicht erfüllt haben sollte, dürfte die Dame das Rauchen natürlich wieder untersagt haben, wie denn für derlei Verbote überhaupt die verschiedenartigsten Gründe maßgebend sind und waren. Von Staatswegen wurde, wie schon erwähnt, früher die Unanständigkeit und Feuergefährlichkeit des Rauchens ins Treffen geführt, heute aber, wo z. B. in Oesterreich diesseits der Leitha allein im Jahre 1890, 75 Millionen Gulden in Rauch aufgegangen sind, würde jeder Finanzminister augenblicklich zurücktreten, wenn ein allgemeines Rauchverbot erlassen werden sollte. Das Rauchen ist eben ein Factor geworden, mit dem um so mehr gerechnet werden muß, als einem englischen Statistiker zu Folge erst ein Achtel der Menschheit raucht und der Tabak als Genußmittel sohin mit der Zeit noch mehr einbringen wird, als dies gegenwärtig geschieht.

Ein Rauchverbot ließe sich daher nicht mehr aus sittlichen, sondern einzig und allein aus gesundheitlichen Gründen rechtfertigen. Glücklicherweise ist aber auch den diesfälligen Bestrebungen der Tabakfeinde ein Riegel vorgeschoben worden. Dr. Erich Keibel hat nämlich nachstehende zehn Rauchgesetze erlassen: 1. Man darf nie und nimmer eine Cigarre weiter rauchen, die entweder nicht luftdicht ist oder zu wenig Luft hat, kurz eine solche, die schlecht brennt. Denn unter solchen Umständen geht viel Nikotin in den Rauch über und damit auch in den Körper des Rauchers. 2. Man rauche aus der Pfeife nur ganz leichten Tabak, denn schon leichter Tabak wird in der Pfeife wegen des ungenügenden Luftzutrittes zum schweren, d. h. auch schon leichter Tabak entwickelt viel Nikotin. 3. Man hüte sich im Allgemeinen davor, dunkle Cigarren zu rauchen, denn dieselben deuten daraufhin, daß der Tabak eine starke Gährung durchgemacht hat, wobei sich viel Ammoniak entwickelt, welches anderseits das Nikotin frei macht und damit seinen Uebergang in den Rauch befördert. 4. Man schränke das Rauchen echter Havanna-Cigarren auf das möglichst geringste Maß ein. Man mache sich zur Regel, eine solche Cigarre nur ein oder höchstens zweimal während des Tages und dann nur nach dem Essen zu rauchen, denn erfahrungsgemäß wirken importirte Havanna-Cigarren am schädlichsten. 5. Man rauche nie die Cigarre bis zum äußersten Ende, denn die Schwere der Cigarre wächst, je kleiner sie wird. Auch hüte man sich vor dem Schlucken des Rauches, welches bei manchen Rauchern beliebt ist. Die Chancen für die Aufnahme des Nikotins sind hierbei größer, gleichzeitig wird der Magen durch das scharfe Nikotin gereizt. 7. Man rauche eine Cigarre, die ausgegangen und eine Zeit lang liegen geblieben war, nicht wieder von Neuem an. Man rauche überhaupt so wenig wie möglich, jedenfalls aber nur in größeren Zwischenräumen, unter keiner Bedingung mit nüchternem Magen. 7. Wenn irgend möglich, rauche man Pfeife, und zwar mit recht langem Rohre, sehe hier jedoch auf die peinlichste Reinlichkeit, denn eine unreine Pfeife vergrößert die Gefahr, indem sich im Rohre durch Verdichtung viel Nikotin ansetzt, welches sodann später sich verflüchtigt und vom Raucher nebst dem Nikotin des eben rauchenden Tabaks aufgesogen wird. 8. Keine Cigarre, noch viel weniger Cigarrette rauche man ohne eine gut eingerichtete, sehr reinlich zu haltende Spitze. Durch das Kauen und Zerbeißen der Cigarre gelangt viel Nikotin in den Speichel und damit in den Körper, von welchem das Nikotin sehr leicht ausgenommen und absorbirt wird. 9. Das Rauchen werde nie früher betrieben, ehe der Organismus nicht vollständig ausgebildet ist, keinesfalls also vor dem 20. Lebensjahre. 10. Keine Pfeife, keine Cigarre, keine Cigarrette rauche man, ohne Lust dazu zu haben. Gesunden, vollkommen normal ausgebildeten Erwachsenen schadet, wenn diese »Gesetze des Rauchers« genau beachtet werden, das Tabakrauchen nicht im Allergeringsten, im Gegentheile wird ihnen der Tabakgenuß, wenn mäßig betrieben, besser und ungefährlicher als jeder andere narkotische Genuß, Befriedigung gewähren und in ihnen einen heiteren Sinn und eine ruhige Gemüthsstimmung erwecken. Kein Narkotikum ist zudem, die moralische Seite ins Auge gefaßt, eines Culturmenschen würdiger, als der Tabak.

Ganz derselben Ansicht ist der berühmte englische Naturforscher Professor Huxley. »Es ist nicht zweifelhaft,« sagte er in einem in der »Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft« gehaltenem Vortrage, »daß der Tabak die Sitten mildert und daß das Rauchen, wenn es mäßig geschieht, eine comfortable und selbst löbliche Gewohnheit ist, deren Wirkungen ausgezeichnet sind. Ja, meine Herren Tabakfeinde, eine Pfeife ist nicht schädlicher als eine Tasse Thee. Man kann sich vergiften, wenn man unmäßig Thee trinkt und man kann sich umbringen, wenn man zuviel Beefsteaks ißt. So kann man sich auch krank machen, wenn man unmäßig raucht. Mäßig genossen übt der Tabak jedoch eine beruhigende Wirkung aus, die ich in den meisten Fällen als eine wohlthätige betrachte.«

Und wie Huxley, so dachte auch Fürst Bismarck über das Rauchen und sprach sich diesfalls am klarsten im Jahre 1871, damals aus, als Jules Favre, der bei ihm in Versailles erschienen war, um wegen der Uebergabe von Paris zu unterhandeln, die ihm zunächst angebotene Havanna mit der Begründung ablehnte, überhaupt nicht zu rauchen.

»Sie haben unrecht,« sagte der Fürst; »wenn man eine Unterhaltung beginnt, die zuweilen zu Erörterungen führt, Heftigkeiten hervorruft, so ist es besser, wenn man beim Sprechen raucht. Wenn man raucht, sehen Sie, so lähmt die Cigarre, die man in der Hand hält und die in den Händen wirbelt, ein wenig die physischen Bewegungen. Moralisch, ohne uns in irgend einer Weise unserer geistigen Fähigkeiten zu berauben, beruhigt sie uns. Die Cigarre ist eine Ablenkung; dieser blaue Rauch, der in Spiralen emporsteigt und dem man wider Willen mit den Augen folgt, erfreut Sie, macht Sie versöhnlicher. Man ist glücklich, der Blick ist beschäftigt, die Hand hat etwas zu thun und der Geruchssinn ist befriedigt. Man ist geneigt, sich gegenseitig Zugeständnisse zu machen, und unser diplomatisches Geschäft besteht aus gegenseitigen unaufhörlichen Zugeständnissen. Sie, der Sie nicht rauchen, haben über mich, den Raucher, allerdings einen Vortheil: Sie sind wachsamer, und einen Nachtheil: Sie sind eher geneigt, sich hinreißen zu lassen, einer ersten Bewegung zu folgen, während ich als Raucher alles ruhig erwäge.«

Jules Favre rauchte zwar dessen ungeachtet nicht, aber Bismarcks Aeußerung über den Werth des Rauchens scheint seither in der diplomatischen Welt zum Gesetze erhoben worden zu sein und allgemein, ganz besonders jedoch vom Präsidenten der französischen Republick, Carnot, beobachtet zu werden. Denn es ist bekannt, daß bei allen Zusammenkünften dieses Staatsoberhauptes mit Diplomaten und bei allen Festen, die er ihnen gibt, Cigarren in Hülle und Fülle vorhanden sind. Dieselben stehen immer in großen Kübeln in den Rauchzimmern; jeder Besucher nimmt eine Handvoll »zum Andenken« mit. Der Präsident, weit entfernt, sich über zu große Kosten – sie haben schon 12 000 Frcs. für einen Abend betragen – zu beklagen, belobte bei Saldirung der letzten Rechnung den Lieferanten und sagte heiter: »Ich sehe zu meiner Befriedigung, daß Sie mich gut bedienen, die Cigarren finden allgemeinen Anklang und haben mir sehr viele Freunde gemacht. Hoffentlich werden wir recht lange in Geschäfsverbindung bleiben.«

Diesem und all dem Gesagten nach, dürfen also die Tabakfeinde, welche die Pfeife mit Jakob I. einen Höllenzauber und eine Satanskralle, die Cigarre aber »Giftnudel, Glimmdocht, Glühzapfen, Lippenscepter, Nikotinkrüppel, Pestrohr, Stinkgurke, Pfennigdraht, Sargnagel« u. s. w. nennen, nicht hoffen, ihr Ziel – ein allgemeines Rauchverbot aus sanitären Gründen – zu erreichen. Im Gegentheile, die Lust zu rauchen, zieht immer weitere Kreise und der frühverstorbene deutsche Dichter Hippolyt Schaufert hat alle Aussicht dereinst ein Denkmal zu erhalten, denn er war es, der allen Rauchern aus der Seele sprach, als er die Frage: Was das Rauchen ist? – in seinem Preislustspiele »Schach dem König« – folgendermaßen beantwortete:

»Als der Constabler
Des Himmels, jener Engel mit den: Schwert,
Den Adam aus dem Paradiese trieb.
Da bückte sich der arme Mann und brach
Ein Kräutlein sich am Wege zur Erinn'rung
An den verwirkten lichten Himmelsgarten,
Zum Trost im bangen Dunkel der Verbannung,
Zum Unterpfand der Hoffnung. Dieses Kraut
Hieß er Tabak. Und Tabakrauchen heißt
So viel, als sich an's Paradies erinneren,
Ja Duft vom Paradiese athmen – kurz
Ein himmlischer Genuß!«

Freilich wird derselbe sehr oft durch die schlechte Qualität der Cigarren und dadurch verbittert, daß in mancher Rauchrolle – denn dies ist das vom Pfarrer Zeller in Waiblingen bei Stuttgart ersonnene, mit dem von einem Tabakhändler ausgesetzten Preise von 100 Mark belohnte Ersatzwort für »Cigarre« – nicht immer Rosenblätter und Liebesbriefe, sondern häufiger Haare, Fetzen, Nägel, in einer italienischen Cigarre sogar Kalk, Gips und Erde entdeckt wurde, – allein die Raucher lassen sich in ihrer Liebe durch derlei Mischungen nicht beirren. Sie dampfen weiter und man kann füglich sagen, daß dermal bereits keine Macht der Erde im Stande wäre, einem allgemeinen Rauchverbote Geltung zu verschaffen.

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