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Der Mann mit dem steinernen Gesicht.

Von Karl Mender.


Im Winter des Jahres 1864 befand sich in dem, im westlichen Theil des Staates Pennsylvanien gelegenen Städtchen Sharon ein junger Buchhalter in dem Geschäft von A. H. Clarke und Co. Wer kennt in Europa das Städtchen Sharon, und wer die Firma A. H. Clarke und Co.? Erstere ist eine jener typischen amerikanischen Landstädte mit zwei oder drei stilvoll-grotesken, kleinen Kirchen, mehreren Schänken und einem Dutzend oder mehr Kaufmannsfirmen, auf deren Geschäftsgebahren der etwas triviale Ausdruck Anwendung findet: »Es läppert sich so zusammen.« Zwar ist die Auswahl in diesen Läden groß, sie enthalten nachgeahmte Atlasbänder, Wurzelbier, Sensen, Petroleum, Glanzwichse, Hüte, Senf und baumwollene Strümpfe in lieblicher Abwechslung, wobei auf die umwohnenden Landleute als Käufer stark gerechnet wird. Dem amerikanischen Farmer geht es aber meist genau so wie dem deutschen Landmanne, er hat kein Geld und jammert stets über die schlechte Zeit, die unglücklichen »Conjuncturen«, die hohen Frachtspesen und den verderblichen Zwischenhandel und borgt gern bei seinen Einkäufen. Aus diesen Gründen und wegen der starken Concurrenz siechte denn auch das Geschäft von A. H. Clarke und Co. nur so dahin, es stagnirte, wenn auch der Besitzer und sein Sohn, der unter dem Co. zu verstehen war, ihres hübschen, dicht bei der Stadt belegenen Farmgutes halber für einigermaßen wohlhabend galten.

Der junge Buchhalter befand sich in diesem Geschäft zu Sharon seit einigen Monaten; er war wohl empfohlen, hatte »regelmäßige Gewohnheiten« und war schlank und bemerkenswerth gut gewachsen, nicht ganz eine typische, eher eine eigenartige Erscheinung; denn er besaß ein Gesicht, das Manche für steinern erklärten, so unbeweglich und hart erschien es, und ein Paar stahlgrauer und regungsloser Augen. Dieser Mann hieß John D. Rockefeller und war schottisch-irischer oder amerikanisch-irischer Abstammung. Trotz seiner tadellosen Führung spielte er im Städtchen keine besonders hervorragende Rolle; denn sein Gehalt bei A. H. Clarke und Co. war klein und Rockefeller ein mehr als gewöhnlich zugeknöpfter Mensch, der über den Dollars brütete und in dem bescheidenen Landorte vielleicht nicht ganz an seinem Platze war. So verschlossen er war, bisweilen leuchtete es wie eine wilde Energie in seinem steinernen Gesicht auf, »dem man«, wie ein amerikanisches Blatt sehr hübsch sagt, »seine bewundernswerthe geschäftliche Gewandtheit und hervorragende Charakterstärke nicht ansieht.«

Der große Bundeskrieg ging im Anfang des Jahres 1865 zu Ende, das sah Jedermann ein; noch einige Monate, und der energische Strom des amerikanischen Lebens mußte sich wieder anderen Zielen zuwenden, eine neue Zeitepoche in der amerikanischen Geschichte begann. Die Folgen dieser politischen und wirthschaftlichen Umwälzung ahnten in Sharon Wenige; aber zu diesen Wenigen gehörte John D. Rockefeller, der die Sachlage übersah. Der Handel und die Gewerbe des Friedens mußten jetzt gewaltig emporblühen; es galt fürder nicht mehr, Schwerter zu schmieden, deren Klingen sich bogen, Pulver zu fabriciren, das nicht losging, und Filzhüte, die aus Pappe mit daraufgeklebten Haaren bestanden, für die Armee zu construiren. Der Süden lag in den letzten Zügen, und nach einigen Monaten wälzten sich ganze Schaaren von verabschiedeten Soldaten, deren Geldtaschen gefüllt waren, nach Osten und nach Westen zu.

»Und Sie meinen, Herr Rockefeller?« sagte der Vorsteher der Firma A. H. Clarke und Co. zu seinem Buchhalter, der eben eine Bemerkung an ihn gerichtet hatte.

»Ich meine,« sagte dieser, »daß jetzt sehr bald eine Chance kommen wird. Die Soldaten werden heimkommen, weit über eine Million Menschen, und sie werden viel Geld mitbringen, da man sie auslohnen muß; sie werden sich hier und da, überall im Land, niederlassen. Die Farmgüter werden begehrt und im Preise steigen, und das Geld wird umherrollen und stetig seinen Eigenthümer wechseln.«

»Und wenn ich zugebe, daß dies wahr sein mag?«

»Es wird eine gute Geschäftszeit kommen, Herr Clarke, die fetten Jahre werden auf die mageren folgen.«

»Nun gut – meinen Sie, ich soll unser Lager vergrößern?«

»Freilich – und Farmgüter ankaufen, die heute noch billig zu haben sind, morgen aber vielleicht schon nicht mehr – und in Gold speculiren. Das Gold muß jetzt allmälig fallen – –«

»Und was denkst du darüber, Willard?« Herr Clarke wandte sich an seinen Sohn.

»Unsinn!« entgegnete dieser. »Das Speculationsfieber fehlte uns noch! Herr Rockefeller ist ein Spieler; er möchte Alles auf eine Karte setzen. Wenn nun der erwartete Aufschwung ausbleibt, dann schwemmt uns die nächste Flut der Geschäftsnoth mit fort. Speculiren Sie gefälligst mit Ihrem Gelde, Herr Rockefeller! Die Mittel der Firma A. H. Clarke und Co. werden nicht dazu hergegeben werden.«

Clarke senior sah mit Befriedigung auf Clarke junior.

Ja, dieser war in strengen Grundsätzen erzogen worden. Der Vater wußte jetzt, daß sich sein Sohn in Sharon stets ehrenvoll behaupten werde. Beschränkt wie er war, blieb er in seinen kleinlichen Verhältnissen, für die er paßte.

Rockefeller war um eine Schattirung blässer geworden; aber er wußte sich zu beherrschen.

»Noch eins, Herr Clarke,« fuhr er fort. »Sie wissen wohl, daß ich zu Ihrer Tochter Amalia in einem gewissen Verhältnisse stehe – –«

»Ich weiß von nichts,« entgegnete der Vater herbe, »ich will auch nichts davon wissen, es ist zu aussichtslos. Und wenn das Vierteljahr um ist –«

»So gehe ich, Herr Clarke,« fiel Rockefeller ein, »ich kündige Ihnen hiermit.«

»Sehr gut, mein Herr!«

Damit war die Unterredung zu Ende. Die alte Geschichte! Der junge Buchhalter hatte die hübsche Tochter des wohlhabenden Principals angeschmachtet. Und Amalia?

Als das Vierteljahr um war, verließ John D. Rockefeller das Haus A. Clarke und Co. Amalia war eine gehorsame Tochter und fügte sich; sie redete sich vor, es gäbe ja noch ganz andere junge Leute in Sharon, die ihr den Hof zu machen beflissen sein würden. In Amerika gibt es viele kühle Herzen, und darum litt sie nicht zu sehr bei dem Abschied.

*

Der junge Mann mit dem nicht sehr wohlklingenden Namen und dem steinernen Gesicht hatte sich gewaltsam bezwungen; als er einsah, daß weder sein Geschäftssinn, noch sein Herz in Sharon Befriedigung finden könnten, schüttelte er den Staub von seinen Füßen. Er machte einen Strich hinter seine frühere Thätigkeit und begann ein neues Leben. Mit den paar Dollars, die er erspart, ging er in die Stadt Cleveland und ließ sich dort als Mehlhändler nieder. Auch das glückte nicht recht; er verdiente wenigstens kaum so viel, als er bei bescheidenster Anforderung für sein Leben gebrauchte. Sein brennender Blick war in die Ferne gerichtet, er wollte reich werden, reich, reich um jeden Preis, und er spannte seine ganze Erfindungsgabe und seinen ganzen Witz an, um den archimedischen Punkt zu finden, an dem er einsetzen könnte. Lange Zeit zermarterte er sein Gehirn umsonst. Eine Frau, die den gegenüberliegenden Laden besaß, pflegte später zu erzählen, sie habe oft bemerkt, wie Rockefeller, der Mann mit dem steinernen Gesicht, am Fenster gestanden und stundenlang, wie geistesabwesend, in die Ferne gestarrt habe. »Wie ein hungriges Raubthier sah er aus,« berichtete sie; »obwohl er eigentlich gar nicht häßlich war, graute mir doch vor dem Händler, den wir in unserer Straße alle als den »Mann mit dem steinernen Gesicht« kannten.«

Endlich dämmerte ihm so etwas wie ein Licht empor.

Zu den Kunden, die in seinem kleinen Laden öfter vorsprachen, und die er durch bereitwilliges gelegentliches Creditgeben und verbindliche Manieren zu fesseln wußte, gehörte ein einfacher Fabriksarbeiter, ein schon ältlicher Mann, Namens John Andrews, welcher sich in einer der dortigen Petroleumraffinerien sein kärgliches Brot verdiente und so arm war, daß seine Frau durch Nähen für den Unterhalt der Familie mit zu sorgen hatte. In Amerika gelten diejenigen Familien für die ärmsten, in denen die Frau mitarbeiten muß; das ist immer so etwas, wie eine kleine Schande für den Mann. Das Unglück macht gesprächig. Bei der gemeinsamen Nothlage saßen Andrews und Rockefeller öfters am Abend bei dem dürftigen Gasflämmchen in dem Mehlladen zusammen und speculirten. Andrews hatte etwas im Kopfe, er litt an einem Project. Bei der jahrelangen Arbeit in den verschiedenen Petroleumraffinerien der Stadt hatte er eine neue Methode der Reinigung des Petroleums herausspintisirt, durch die man mehr gereinigtes Erdöl, als dies bis dahin möglich gewesen war, aus dem Rohproduct gewinnen konnte.

siehe Biildunterschrift

Rockefeller hatte Recht gehabt. Das Gold schwankte noch eine Weile unstät im Course hin und her, dann sank es unablässig, die Erie-Actien stiegen, und die allgemeine Geschäftslage verbesserte sich zusehends mit aufwärts gehender Tendenz. Rockefeller wußte Andrews zu einem gemeinsamen großen Coup zu bereden; beide schossen ihre Baarmittel zusammen, und der Mehlhändler verstand es, einen Banquier zu finden, der ihm auch ohne völlig genügende Deckung einen Posten Erieactien verkaufte. Der Streich gelang; wäre das Gegentheil der Fall gewesen, so wären Rockefellers kaufmännische Ehre und sein Credit unwiederbringlich dahin gewesen. Allein da er Glück hatte, belief sich der Gewinnantheil beider Theilhaber zusammen auf über zweitausend Dollars.

Dieses Geld benutzten sie nicht zur Erweiterung des Mehlhandels, sondern zur Begründung einer Raffinerieanstalt für rohes Erdöl. Durch gewandte Reclame und zahlreiche Briefe fanden sie bald einige Oelproducenten in Pennsylvanien, die ihnen ihre Waare schickten. Bei Andrews und Rockefeller gewann man, wie oben schon angedeutet, mehr raffinirtes Oel als anderswo. Natürlich reichte das Baarvermögen zum Erwerb eines Hauses und zum Kauf von Bottichen und Maschinerie bei weitem nicht aus; sie gründeten daher das ganze Unternehmen im Wesentlichen auf Borg. Lange hätte sich dieses mit so geringen Mitteln begonnene und ausgestattete Geschäft wahrscheinlich nicht gehalten; aber sie hatten das Glück, bald noch einen dritten Theilhaber zu gewinnen, der ungefähr zehntausend Dollars einschoß. Nun konnten sie sich über Wasser halten, das Unternehmen wurde durch diese Einlage im ersten, schwierigsten Stadium der Entwicklung ausreichend gestützt. Der Profit oder Rockefellers Geschicklichkeit im Manövriren muß bedeutend gewesen sein; denn schon nach zwei Jahren gelang es ihm, sich dieses dritten Partners wieder zu entledigen. Sein Credit hob sich, und die Methode des erfahrenen Oelarbeiters Andrews bewährte sich. Nach wenigen Jahren pachteten sie, um im größeren Stil arbeiten zu können, eine bedeutende Oelraffinerie noch dazu, erzielten immer stärkeren Umsatz und wurden ihren Concurrenten gefährlicher. Rockefeller verstand bald, worauf es ankam, auf billigen Transport nämlich, und darum drängte er sich an die Eisenbahngesellschaften heran. Einen der ausschlaggebenden Directoren – in Amerika gibt es nur Privat-Eisenbahngesellschaften – bestach er. Der neugewonnene Freund wußte dann mehreren leitenden Eisenbahnmännern Rockefeller's Unternehmungen so glänzend und vortheilhaft zu schildern, daß sie ihm einen kleinen Vorzugstarif bewilligten. Das genügte; mit eiserner Energie verfolgte der Mann mit dem steinernen Gesicht seine Pläne weiter.

Die heute noch blühende »Standard-Oel-Gesellschaft« entstand. Man hat sich hierunter nicht eine Actien- oder sonstige Handelsgesellschaft gewöhnlicher Art vorzustellen. Es ist eine ganze Anzahl der verschiedensten und verschiedenst organisirten Handelsvereine, die unter diesem Namen zusammenarbeiten, eine Art von heimlicher Verbindung, die wenn sie überhaupt eine bestimmte Organisation hat, es vortrefflich versteht, dieselbe streng geheim zu halten. Unter allen möglichen Namen tritt sie auf. In Pittsburg und Cleveland heißt sie wirklich »Standard-Oel-Gesellschaft,« in Titusville arbeitet sie aber unter der Firma »Acme-Oelgesellschaft von New-York,« in der pennsylvanischen Oelstadt nennt sie sich »Reichs-Oelgesellschaft,« in Philadelphia »Atlantische Raffineriegesellschaft,« im Staate Maryland existirt sie an mehreren Orten, in Baltimore unter dem Titel »Camden-Gesellschaft von Maryland.« In der Stadt New-York bestehen drei große Firmen, welche nichts Anderes als Theile oder Filialen der »Standard-Oel-Gesellschaft« sind. Bei dem Geschäftsbetrieb tritt nun bald diese, bald eine andere Firma an die Oeffentlichkeit; zum Schein arbeiten sie auch wohl einmal gegen einander; dann tauchen sie wieder vorübergehend unter einem ganz anderen Namen auf, der, nachdem er seine Dienste gethan, von der Oberfläche verschwindet. Alle ihre geschäftlichen Operationen umhüllen sie mit dem Schleier des tiefsten Geheimnisses, der nur von wenigen Eingeweihten gelüftet werden kann. Die eigentlichen Ziele ihrer Geschäfte sind nur den Leitern bekannt; die ausführenden Organe handeln nach Weisungen, deren Endzweck für sie ein völlig dunkler ist.

Wir wollen Herrn Rockefeller nicht in die labyrinthischen Pfade seiner geschäftlichen Operationen weiter folgen; wer Lust dazu verspürt, möge das vortreffliche Buch über »die nordamerikanischen Eisenbahnen« lesen, das Alfred v. d. Leyen verfaßt hat (Leipzig, 1885). Hier sei nur kurz bemerkt, daß der Mann mit dem steinernen Gesicht und den grundlos tiefen, stählernen Augen überall kam, sah und siegte, gründlich siegte. Man wird reich, wenn es gelingt, andere Menschen unter die Füße zu treten – das war seine Maxime, er löste das Problem erfolgreich. Zuerst gelang es ihm, die Raffinerien zu unterjochen und von sich abhängig zu machen, dann die Besitzer der »Tanks« und Oelreservoirs, der Lagerplätze, dann die Oelquelleninhaber und zuletzt auch die Eisenbahnen, die ihn groß gemacht hatten. Er führte »Krieg im Frieden,« in allermodernster Weise, ohne Kanonen und Soldaten. Er trat sie in Wirklichkeit alle unter seine Füße, sie mußten ihm Gehorsam leisten, ob sie nun wollten oder nicht. Sehr bald konnte keine Raffinerie mehr mit der »Standard-Oelgesellschaft« concurriren. Woher es kam, daß sie plötzlich mit Verlust arbeiteten, das begriff Niemand, die Thatsache ließ sich aber nicht ableugnen. Die »Standard-Oel-Gesellschaft« ihrerseits zeigte sogleich Neigung, die schlechtgehenden Raffinerien, einerlei, wo dieselben lagen, anzukaufen, natürlich zu möglichst billigen Preisen. Die nicht angekauften wurden des Kampfes gegen die dunklen Mächte müde, sie liquidirten und zogen sich aus diesem höchst unvortheilhaften Geschäfte zurück.

Diese Erzählung ist daher musterhaft realistisch und zeigt wenig phantastische Erfindung. Die Handelskammer von Pittsburg berichtete am dritten April 1876, daß 21 Raffinerien daselbst mit einem Geschäftscapital von mehr denn zwei Millionen Dollars und einem Arbeiterpersonal von 3060 Personen brach lägen. Von den bestehenden 58 Raffinerien wurden 28 völlig vernichtet, 28 von der »Standard-Oel-Gesellschaft« gekauft oder gepachtet.

Gegen Rockefellers Tyrannei erhob man sich oft, doch stets ohne Erfolg. Die Oelproducenten beschlossen in den Achtziger Jahren den Bau einer großartigen Röhrenleitung vom Productionsplatz direct nach Baltimore, einer Leitung von über vierhundert englischen Meilen. Dies kam nun nicht zu Stande, wohl aber baute man ein hundertfünfzig englische Meilen langes Röhrennetz, das nach einer Eisenbahnstation führte, die außerhalb der Machtsphäre Rockefellers lag. Er wußte aber auch dieser Gefahr zu begegnen. Er versandte das Petroleum so billig, daß die Röhrenleitung damit nicht in Wettbewerb treten konnte. Monatlich beförderte die Concurrenz über fünfzigtausend Fässer, Rockefeller dagegen täglich dreißigtausend bis fünfunddreißigtausend. Wieviel ihn das gekostet haben mag? Wahrscheinlich viele Millionen. Allein er war der Reichere, er konnte es länger aushalten, und die Röhrengesellschaft gab es auf, sie beugte sich vor dem Manne mit dem steinernen Gesicht.

*

Es erscheint interessant, hier noch den Bericht über eine gerichtliche Vernehmung einzuschalten, die von Staatswegen über den unerhörten Krieg der »Standard-Oel-Gesellschaft« gegen die Concurrenten abgehalten wurde. Wir wollen gleich vorausschicken, daß bei dieser gerichtlichen Untersuchung – nichts herauskam.

Der Kaufmann Simon Bernheimer äußerte sich, wie folgt: Seine Firma habe bereits 1861 mit dem Betriebe von Petroleumraffinerien begonnen. Ihr Betriebscapital war ein völlig genügendes, ihre Fabrication stand auf der Höhe der Zeit; sie kauften das Rohöl zum Theil am Gewinnungsorte, zum Theil in New-York zu denselben Preisen, wie die übrigen Raffineure, ein und waren hiernach jeder loyalen Concurrenz gewachsen; auch machten sie bis in den Anfang der siebenziger Jahre gute Geschäfte und vergrößerten nach und nach ihre Anlagen derart, daß sie ohne Schwierigkeiten ein Quantum von hunderttausend Faß Oel jährlich raffiniren konnten. Auf die Frage, woher es denn gekommen sei, daß ein Rückgang des Geschäftes eingetreten, antwortete Bernheimer: »Der Grund davon war lediglich der, daß wir nicht dieselben Bedingungen für die Beförderung des Oels von der Oelgegend nach New-York hatten, welche andere Leute zu haben schienen. Ich weiß nicht, welche Bedingungen Anderen gewährt wurden, aber ich weiß, daß wir nicht mehr mit ihren Preisen concurriren konnten.«

Der Gerichtshof fragte: »Wie zeigte sich dies auf dem Markte?«

Antwort: »Ich kann hierauf nichts Genaueres erwidern. Wir versuchten, es herauszubringen, eine Frachtvergütung von der Eisenbahn zu erhalten; aber es war uns unmöglich, zu erfahren, welche Frachtvergütung Andere erhielten, und wir konnten eine solche überhaupt nicht bekommen. Im Jahre 1874 vermehrten wir unsere Capitalien und vergrößerten unseren Betrieb, um uns noch concurrenzfähiger zu machen. Das half aber gar nichts, wir verloren jedes Jahr Geld, wir arbeiteten mit Verlust.«

Zwei Jahre lang, heißt es, kämpfte man noch an gegen die Concurrenz, allein vergebens. Die Fracht, welche Bernheimer zahlen mußte, betrug 1.25 bis 1.45 Dollars für das Faß, wovon nur die Pennsylvania-Centralbahn einen Rabatt von neun Cents gewährte. Die Eriebahn erklärte sich bereit, alle Oeltransporte zu befördern, aber ohne Gewährung von Refactien, und die New-York-Centralbahn lehnte jede Beförderung ab, weil sie überhaupt keine Petroleumwagen besitze, welche angeblich alle der »Standard-Oelgesellschaft« gehörten. Die Frachten dieser letzteren aber waren so niedrig, daß ein Tarif von 1.45 D., selbst unter Abzug des Rabatts der Pennsylvania-Bahn, einer völligen Verweigerung des Transports gleichkam. Was hatte es da für die Firma noch für einen Zweck, immer mehr Geld fortzuwerfen? Als sich 1876 ein Agent ihrer Concurrenten mit ihnen in Verbindung setzte, verkauften sie ihren Besitz mit einem nicht allzugroßen Verluste und gaben dieses nur Schaden bringende ärgerliche Geschäft lieber ganz auf. Und das war eine Firma, welche, wie der gerichtliche Sachverständige aussagte, ein Vermögen von mehreren Millionen Dollars besaß. Aber gegen den Mann mit dem steinernen Gesicht konnten sie nicht aufkommen.

Und so ging es Allen, die sich mit ihm in einen Streit einließen, der Reihe nach.

*

Die Firma A. H. Clarke und Co. in Sharon kam noch einmal in sehr unliebsame Berührung mit ihrem früheren Commis. Dem jungen Herrn Clarke gelang es, die Tochter eines »Oelprinzen« zu heiraten; er übernahm dann selbst das Oelgeschäft seines Schwiegervaters, der starb. Aber von der Stunde an, wo er selber mehr in den Vordergrund trat, versagte die Maschinerie. Seine Behälter waren alle zum Platzen voll, und er konnte keine Abnehmer finden. Die Eisenbahn weigerte sich, höherer Weisung gehorsam folgend, sein Oel zu befördern. Herr Clarke mußte den größern Theil seines Oels in den Canal laufen lassen und schließlich seine Oelquellen zu einem niedrigen Preise verkaufen. Von diesem Augenblick an gab es keine Schwierigkeiten mehr. Die Rache war unedel gewesen; aber der Commis hatte seinem früheren Principal doch seine Macht gezeigt.

Amalia Clarke blieb unvermählt. Als sie eines Tages, nach Jahren, auf dem Bahnhofe zu Sharon stand, um einen kleinen Ausflug in eins der Nachbarstädtchen zu unternehmen, hieß es plötzlich, ein Extrazug komme vorüber, man müsse noch eine halbe Stunde warten. Der Extrazug fuhr langsam durch die Station, und der einzige Reisende war der Millionär Rockefeller. Sie erkannte ihn wohl, wie er am offenen Fenster lehnte und neugierig hinausblickte, die hohe, schlanke Gestalt – es war der Mann mit dem steinernen Gesicht, den sie einst aufgegeben hatte.

Herr Andrews hat sich längst als mehrfacher Millionär aus dem Geschäft zurückgezogen. Herrn Rockefellers Einkommen schätzt man heute – wir sträuben uns fast, es auszusprechen, doch es wird von verläßlicher Seite bestätigt – auf mehr denn dreißig, vielleicht vierzig Millionen Mark jährlich. Vanderbilt, einer der reichsten Männer Amerikas, hat einmal gesagt, er scheue sich nur mit einem Manne anzubinden, und das sei Rockefeller. Er ist der unbestrittene Herr des Erdöls, der Petroleumkönig Amerika's, der jetzt seine Netze auch nach Baku ausgespannt hat und mit den russischen Petroleumbesitzern in Verbindung getreten ist. Dies ist auch ein »Roman eines armen jungen Mannes,« aber kein auf dichterischer Erfindung, sondern auf harten, nackten Thatsachen beruhender, die kleine Geschichte des »Mannes mit dem steinernen Gesicht.«

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