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Italienische Novellen. Erster Band
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Niccolo Machiavelli

1469 – 1527

Belfagor

(Ben Jonson, Der dumme Teufel)

Man liest in den alten Jahrbüchern der florentinischen Geschichte, was man schon aus der Erzählung eines heiligen Mannes weiß, dessen Leben bei allen seinen Zeitgenossen hochgepriesen wurde, daß derselbe, in seine Gebete vertieft, mittelst ihrer schaute, wie unzählige Seelen jener armen Sterblichen, die in Gottes Ungnade umkamen, in der Hölle alle oder meistenteils nur darüber klagten, daß sie einzig und allein durch das Heiraten sich in so großes Unglück gestürzt haben. Durch diesen Umstand wurden nun Minos, Radamanth sowie die andern Höllenrichter in höchliches Erstaunen versetzt, weil sie solchen Verleumdungen des weiblichen Geschlechts nicht wohl glauben konnten. Da indessen die Klagen von Tag zu Tag zunahmen und auch der gehörige Bericht über die ganze Sache dem Pluto erstattet war, so kam es zum Beschlusse, den Fall mit sämtlichen höllischen Fürsten in reifliche Erwägung zu ziehen und nächstdem die geeignetsten Maßregeln zu ergreifen, um den Betrug aufzudecken und das Wahre an der Sache herauszustellen. Pluto berief sonach eine Ratsversammlung und sprach daselbst in folgendem Sinne: »Wiewohl ich, meine Lieben und Getreuen, durch des Himmels Fügung und durch unwiderrufliche Schicksalsbestimmung dieses Reich beherrsche und um deswillen keinem Richterstuhl des Himmels oder der Erde unterworfen sein kann, so habe ich doch beschlossen, weil es gescheiter ist, wenn die Gewaltigen sich den Gesetzen unterwerfen und der Meinung anderer ihr Recht einräumen, euren Rat einzuholen, wie ich in einer Angelegenheit mich zu verhalten habe, die sonst gar leichtlich zur Unehre unserer Herrschaft ausschlagen dürfte. Es sagen nämlich zwar alle Seelen von Männern, die in unser Reich kommen, ihre Weiber seien daran schuld. Da uns das aber unmöglich scheint und wir befürchten, wenn wir auf diesen Bericht hin ein Verdammungsurteil sprächen, möchten wir als allzu grausam verschrieen werden oder, wenn wir es nicht täten, als allzulässig und ungerecht; da ferner die einen Menschen aus Leichtsinn fehlen, die andern aus Unbilligkeit, wir aber diesem beiderseitigen Tadel ausweichen möchten und nicht wissen, wie das anzugehen ist, haben wir euch herbeschieden, damit ihr uns mit eurem guten Rate beisteht und um zu bewirken, daß dieses Reich auch für die Zukunft fortbestehe mit unangetasteter Ehre wie bisher.«

Es schien einem jeden dieser Fürsten der vorliegende Fall ein hochwichtiger und sehr beachtenswerter zu sein. Sie waren auch darin miteinander einverstanden, daß die Wahrheit notwendigerweise erforscht werden müsse; aber über die Art und Weise der Ausführung teilten sich die Meinungen. Der eine hielt dafür, man solle einen, der andere, man solle mehrere Boten zur Erde empor abfertigen, um unter menschlicher Gestalt persönlich zu ergründen, ob die Sache sich wirklich so verhalte. Viele andere dagegen meinten, man brauche nicht so viele Umstände zu machen; man dürfe nur ein paar Seelen durch verschiedene Marter zum Bekenntnis zwingen. Da nun aber die Mehrzahl für den Vorschlag einer Gesandtschaft stimmte, so ging diese Meinung durch, und da sich keiner fand, der freiwillig das Amt übernommen hätte, so entschloß man sich, die Wahl durch das Los zu entscheiden. Das Los traf den Erzteufel Belfagor, der vordem, ehe er aus dem Himmel gefallen, ein Erzengel gewesen war und jetzt zwar sehr widerwillig sich zu der Botschaft hergab, aber dennoch, durch Plutos Machtspruch gezwungen, sich dazu verstehen mußte, den Beschluß der Ratsversammlung zu vollführen, und die Bedingungen einging, die förmlich beraten worden waren. Diese bestanden darin, daß dem mit dem Auftrage Betrauten hunderttausend Dukaten überwiesen werden sollten; mit diesen mußte er auf die Welt gehen, in menschlicher Gestalt ein Weib nehmen und zehn Jahre mit ihr leben, sodann eines scheinbaren Todes sterben, nach der Hölle zurückkehren und seinen Vorgesetzten nach der gemachten Erfahrung darüber Bericht erstatten, worin eigentlich die Last und die Lust des Ehestandes bestehe. Es wurde überdies erklärt, daß er während der genannten Zeit allen Ungemächlichkeiten und Übeln unterworfen sein solle, mit denen die Menschen zu kämpfen haben, und welche Armut, Gefangenschaft, Krankheit und so manchen andern schlimmen Umstand, der den Menschen begegnen kann, nach sich ziehen; ausgenommen, wenn er sich durch Klugheit oder List davon befreie.

Belfagor nahm also die Bestallung und sein Geld in Empfang und kam herauf auf die Welt. Er hatte sich aus seinen Scharen mit Pferden und Dienerschaft versehen und zog sehr stattlich in Florenz ein. Diese Stadt hatte er vorzugsweise zu seinem Aufenthalt erkoren, weil sie ihm den Wucher, den er mit seinem Gelde zu treiben gesonnen war, ganz besonders zu begünstigen schien. Er ließ sich hier Roderigo von Kastilien nennen und mietete ein Haus in der Vorstadt Allerheiligen. Damit man seiner wahren Herkunft nicht auf die Spur komme, sagte er aus, er habe vor einiger Zeit Spanien verlassen, sich dann nach Syrien gewendet und in Aleppo sein Vermögen gewonnen; er habe es aber verlassen in der Absicht, nach Italien zu gehen, in ein menschlicheres, dem bürgerlichen Leben und seinen Neigungen angemesseneres Land, und dort ein Weib zu nehmen. Roderigo war ein sehr schöner Mann, der in einem Alter von dreißig Jahren zu stehen schien. Er verriet in wenigen Tagen, daß er im Besitz großer Reichtümer sei, und da er sich außerdem bei mehrfachen Gelegenheiten als einen wahrhaft gebildeten und freigebigen Mann zu erkennen gab, so boten ihm manche edle Bürger, die viele Töchter und wenig Taler im Besitz hatten, ihre Kinder an. Unter allen diesen erwählte Roderigo ein sehr schönes junges Mädchen namens Onesta, die Tochter des Amerigo Donati, der außer ihr noch drei andere Töchter und drei erwachsene Söhne hatte, und ihre Schwestern waren auch fast mannbar. Obgleich er einer sehr edeln Familie angehörte und in Florenz persönlich sehr in Achtung stand, so war er doch im Verhältnis zu seiner zahlreichen Familie und seinem Adel sehr arm.

Roderigo richtete seine Hochzeit mit großem Glanz und Aufwand aus und unterließ nichts von allem, was bei derlei Festen nun einmal herkömmlich ist; denn er war durch das Gesetz, das ihm beim Austritt aus der Hölle auferlegt worden war, allen menschlichen Leidenschaften unterworfen. Er begann sehr bald Geschmack zu finden an Ehre und Herrlichkeit der Welt und sich daran zu erfreuen, von den Menschen gelobt zu werden, was ihm keinen geringen Aufwand verursachte. Überdies hatte er noch nicht lange Zeit mit seiner Ehegattin Onesta gelebt, als er sich in diese so außermaßen verliebte, daß er es nicht ertragen konnte, sie traurig oder mißmutig zu sehen. Frau Onesta hatte neben ihrem Adel und ihrer Schönheit ihrem Roderigo einen Hochmut zugebracht, wie ihn sogar Luzifer nicht kannte, und Roderigo, der einen wie den andern nun ermessen hatte, erachtete den seiner Frau für den höheren. Er ward aber mit der Zeit noch weit ärger als zuvor, da sie die große Liebe ihres Mannes zu ihr merkte. Und da sie nunmehr dafür hielt, er befinde sich durchaus in ihrer Gewalt, so gebot sie ihm ohne alles Erbarmen oder Rücksicht und scheute sich nicht, wenn er ihr ja etwas versagen wollte, ihn mit Schelten und Schimpfen zu verletzen, was dem Roderigo unglaublichen Ärger verursachte. Dessenungeachtet machte der Schwiegervater, die Brüder, die Verwandtschaft, die Pflicht des Ehebundes und vor allem die große Liebe, die er für sie fühlte, daß er es mit Geduld hinnahm. Ich will die großen Kosten übergehen, die er zu ihrer Befriedigung in Beziehung auf neue Trachten und neue Moden aufwandte, in welchen unsere Stadt nach alter Gewohnheit beständig wechselt. Er mußte sich überdies, wollte er in Frieden mit ihr leben, entschließen, dem Schwiegervater seine andern Töchter an den Mann bringen zu helfen, was ihn gewaltige Summen kostete. Ebenso mußte er, um mit seinem Weibe gut Freund zu bleiben, einen ihrer Brüder mit Tüchern nach dem Orient schicken, einen andern mit Seidenzeugen nach dem Westen und den dritten als Goldschläger in Florenz unterbringen. Mit diesen Dingen ging denn allmählich der größte Teil seines Vermögens drauf. Um die Zeit des Faschings sodann und um Sankt Johannis, wenn die ganze Stadt nach alter Gewohnheit voller Festlichkeiten ist und viele edle und reiche Bürger die kostbarsten Gastereien anstellen, wollte Frau Onesta, um nicht andern nachzustehen, daß ihr Roderigo mit dergleichen Festlichkeiten es allen andern zuvortue. Das alles ertrug er aus den schon angegebenen Gründen leicht und würde es auch, so schwer es an und für sich sein mochte, nimmermehr lästig gefunden haben, hätte er damit nur auch wirklich seine häusliche Ruhe erkauft und so viel gewonnen, dem herannahenden Zeitpunkte seines gänzlichen Unterganges mit Gemächlichkeit entgegenzusehen. Aber es widerfuhr ihm das Gegenteil; denn abgesehen von dem unerschwinglichen Aufwand suchte sie ihn, ihrem widerwärtigen Wesen entsprechend, mit unzähligen Ungelegenheiten heim, und kein Knecht oder Diener konnte es in seinem Hause lange, ja nur Tage oder Wochen, aushalten. Daraus erwuchs denn dem armen Roderigo der empfindlichste Nachteil, weil er keinen Diener erhalten konnte, der seinem Hauswesen redlich zugetan gewesen wäre; denn nicht allein die menschlichen gingen weg, sondern auch die Teufel, die er in Gestalt von Dienern mitgebracht hatte, wollten lieber in die Hölle zurückkehren und im Feuer verweilen, als auf der Welt unter der Herrschaft dieses Weibes leben. So führte nun Roderigo das ruheloseste und unbehaglichste Leben und hatte es durch seine schlechte Wirtschaft bereits dahin gebracht, daß er mit seinem ganzen beweglichen Besitztume fertig war und auf die Hoffnung der von Osten und Westen erwarteten Summen zu leben anfing. Noch genoß er guten Kredits und borgte auf Wechsel; da er aber auf diese Art notwendigerweise immer tiefer in Schulden geriet, machte er sich in kurzer Zeit allen denjenigen verdächtig, die sich auf solcherlei Schliche in Handel und Wandel verstanden. Während nun seine Lage bereits sehr schwankend geworden war, kam plötzlich Nachricht von der Levante und aus dem Westen, einer der Brüder der Frau Onesta habe all das Eigentum, das ihm Roderigo anvertraut, im Spiel verloren, der andere sei dagegen auf der Rückkehr in einem mit seinen Waren beladenen Schiffe, ohne versichert zu sein, samt allem eine Beute der Wellen geworden. Kaum war dies ruchbar geworden, so verbanden sich Roderigos Gläubiger miteinander in der Besorgnis, er möchte zugrunde gerichtet sein; da man aber noch nicht darüber ins reine kommen konnte, weil der Zeitpunkt ihrer Bezahlung noch nicht gekommen war, so beschlossen sie, ihn sorgfältig bewachen zu lassen, damit er nicht, ehe ihre Beratung einen Erfolg haben könne, sich ihnen durch die Flucht entziehe. Roderigo andererseits sah keine andere Hilfe in seiner Not und wußte doch, daß er das Gesetz der Hölle nicht überschreiten dürfe; er entschloß sich demnach, unter jeder Bedingung zu entfliehen. Er warf sich daher morgens auf ein rasches Pferd, und da er nahe am Tore al Prato wohnte, eilte er durch dasselbe hinaus. Kaum daß man sich seiner Entfernung versah, so entstand ein Aufruhr unter den Gläubigern: sie wandten sich an die Obrigkeit und schickten ihm nicht nur Gerichtsboten nach, sondern verfolgten ihn insgesamt persönlich.

Roderigo war noch keine Meile weit von der Stadt entfernt, als diese Gefahr wider ihn losbrach. Er erkannte seine üble Lage und nahm sich vor, um desto verborgener zu fliehen, die gebahnte Straße zu verlassen und querfeldein weiter zu eilen, wohin ihn sein gutes Glück führe. Er setzte diesen Vorsatz ins Werk, fand aber bald, daß die vielen das Feld durchschneidenden Gräben ihm dabei hinderlich wurden, und daß er zu Pferd nicht weiter komme. Er floh deswegen zu Fuß weiter, ließ sein Roß auf der Straße ledig laufen und sprang von einem Stück Feld zum andern über das mit Weingärten und Röhricht bedeckte Land hin, bis er in der Nähe von Peretola an das Haus des Giovanni Matteo del Bricca kam, des Feldbauers des Giovanni del Bene. Er begegnete dem Giovanni Matteo gerade, als dieser Futter für seine Ochsen heimtrug, stellte sich unter seinen Schutz und versprach ihm, wenn er ihn aus den Händen seiner Feinde rette, die ihn verfolgten, um ihn im Gefängnis umkommen zu lassen, so wolle er ihn reich machen und vor seinem Scheiden ihm darüber genügende Bürgschaft geben; im entgegengesetzten Falle sei er zufrieden, daß er ihn selbst seinen Gegnern ausliefere.

Giovanni Matteo war zwar ein Landmann, aber dennoch ein unternehmender Mensch, und da er der Ansicht war, er könne nicht wohl zu kurz dabei wegkommen, wenn er den Flüchtling rette, so sagte er ihm seine Bitte zu. Er steckte ihn in einen Haufen Dünger, den er vor dem Hause liegen hatte, und bedeckte ihn mit kleinem Rohr und anderm Abgang, den er zum Verbrennen zusammengeworfen hatte. Kaum war man mit Roderigos Versteckung fertig, als auch schon seine Verfolger herzukamen und durch Drohungen den Giovanni Matteo einzuschüchtern suchten, aber nicht einmal von ihm herausbrachten, daß er ihn gesehen habe. Sie zogen daher weiter und kehrten, nachdem sie ihn zwei Tage umsonst gesucht hatten, ermüdet wieder nach Florenz zurück. Sobald der Lärm vorüber war, holte Giovanni Matteo ihn aus seinem Schlupfwinkel hervor und mahnte ihn an sein gegebenes Wort. Da sprach Roderigo zu ihm: »Mein lieber Bruder, ich bin dir zu großem Danke verpflichtet; aber ich will versuchen, dir meine Verbindlichkeit auf jede Weise abzutragen. Und damit du glaubst, daß ich dies imstande sei, will ich dir sagen, wer ich bin.«

Er teilte ihm hier seine persönlichen Verhältnisse und die Bedingungen mit, unter denen er die Hölle verlassen und sich ein Weib genommen hatte. Er eröffnete ihm überdies die Art und Weise, auf die er ihn zu bereichern gedachte, und die eben keine andere war, als daß Giovanni Matteo, sobald er von irgendeinem Weibe höre, das besessen sei, nur getrost annehmen dürfe, er sei selber in sie gefahren, und er werde nicht eher aus ihr weichen, als bis Giovanni komme und ihn vertreibe; damit habe er denn Gelegenheit, sich von den Verwandten der Besessenen nach Belieben bezahlen zu lassen. Nachdem Roderigo diese Erklärung von sich gegeben hatte, wurde er plötzlich unsichtbar. Es waren aber hierauf kaum einige Tage ins Land gegangen, als sich durch ganz Florenz die Neuigkeit verbreitete, daß eine Tochter des Messer Ambrogio Amedei, die an Buonajuto Tebalducci verheiratet war, vom Teufel besessen sei. Die Ihrigen versäumten nicht, alle jene Hilfsmittel dagegen anzuwenden, die bei solchen Unfällen gebräuchlich sind. Man legte ihr den Schädel des heiligen Zenobius auf den Kopf und den Mantel des heiligen Johannes Walbert; aber alle diese Dinge wurden von Roderigo nur verhöhnt; und um jedermänniglich zu überzeugen, daß die Krankheit des jungen Weibes ein böser Geist und keine phantastische Einbildung sei, sprach er lateinisch, disputierte über philosophische Fragen und deckte die Sünden vieler Leute auf, wie zum Beispiel die eines gewissen Klosterbruders, der sich über vier Jahre ein in einen Mönch verkleidetes Weib in seiner Zelle gehalten hatte. Dergleichen Dinge erregten natürlich allgemeine Verwunderung. Herr Ambrogio war unterdessen sehr mißvergnügt und hatte fast alle Hoffnung auf ihre Heilung aufgegeben, als ihn Giovanni Matteo besuchte und ihm seine Tochter zu heilen versprach, wenn er ihm fünfhundert Gulden geben wolle, um sich ein Gut in Peretola kaufen zu können. Herr Ambrogio ging auf sein Anerbieten ein; Giovanni Matteo aber ließ, um die Sache aufzustutzen, vorerst etliche Messen lesen, machte allerlei Hokuspokus und murrte dann dem jungen Weibe die Worte ins Ohr: »Roderigo, ich bin hierher gekommen, um dich aufzusuchen, damit du mir Wort haltest.«

Roderigo antwortete ihm: »Ich bin es zufrieden; aber das ist noch nicht genug, um dich reich zu machen. Sobald ich von hinnen gewichen sein werde, fahre ich in die Tochter des Königs Karl von Neapel und weiche nicht von ihr ohne dich. Dann kannst du dir ein tüchtiges Handgeld ganz nach deinen Wünschen ausbedingen und mußt mich später in Ruhe lassen.«

Nach diesen Worten fuhr er aus ihr aus zur Freude und Verwunderung von ganz Florenz. Es währte hierauf gar nicht lange, so verbreitete sich durch ganz Italien das Gerücht von dem Unglück, das über die Tochter des Königs Karl gekommen war. Die Mittel der Geistlichen wollten nicht anschlagen, und da der König von Giovanni Matteo reden hörte, so ließ er ihn zu sich von Florenz entbieten. Matteo kam in Neapel an und heilte sie nach einigen zum Schein angestellten Zeremonien. Aber ehe Roderigo sich davonmachte, sagte er: »Du siehst, Giovanni Matteo, ich habe mein Versprechen, dich zu bereichern, vollkommen gehalten und keine Verbindlichkeit weiter gegen dich zu erfüllen, und wir sind quitt. Hüte dich daher, mir ferner ins Gehege zu kommen! Denn wie ich dir bisher Gutes erwiesen, würde ich dir in Zukunft nur Böses tun.«

Giovanni Matteo kehrte daher als sehr reicher Mann nach Florenz zurück, denn er hatte vom König über fünfzigtausend Dukaten empfangen, und er war nur noch darauf bedacht, diesen Reichtum in Ruhe zu genießen, ohne zu befürchten, Roderigo möchte ihn in seinem friedlichen Genusse zu stören beabsichtigen. Mit einem Male aber wurde er aus seiner Ruhe durch die Nachricht aufgeschreckt, daß eine Tochter König Ludwigs VII. von Frankreich vom Teufel besessen sei. Diese Kunde brachte Giovanni Matteos Gemüt ganz außer Fassung, indem er an die Macht dieses Königs und an die letzten Worte Roderigos dachte. Da nun der König kein Heilmittel für seine Tochter fand und von der Heilkraft Giovanni Matteos hörte, sandte er zuerst einfach einen Läufer an ihn ab, um ihn herzubescheiden; da dieser aber eine Unpäßlichkeit vorschützte, sah sich der König am Ende gezwungen, die Signoria um ihn anzugehen, die dann den Giovanni Matteo zum Gehorsam nötigte. Dieser ging daher mit großer Bangigkeit nach Paris und gab zuvörderst dem König die Erklärung ab, er habe zwar einigemal allerdings Besessene geheilt, aber darum habe er noch gar nicht die Kraft und die Macht, alle solche Kranke zu heilen; denn es gebe welche von so hinterlistigem Wesen, daß sie weder Drohungen noch Zauber noch geistliche Mittel scheuen; er wolle dessenungeachtet gern sein möglichstes tun, bitte aber, wenn es ihm nicht gelinge, um Vergebung und Entschuldigung. Der König versetzte ihm darauf zornig, wenn er seine Tochter nicht heile, so werde er ihn hängen lassen. Giovanni Matteo war hierüber tiefbetrübt, faßte sich aber doch so weit, daß er die Besessene kommen ließ. Er sprach ihr ins Ohr und empfahl sich demütig dem Roderigo, erinnerte ihn an die ihm erwiesene Wohltat und stellte ihm vor, welch ein undankbares Betragen es von ihm wäre, wenn er ihn in solcher Not im Stiche ließe. Roderigo aber versetzte: »Ei, du schurkischer Verräter, wie kannst du frech genug sein, mir wieder nahe zu kommen? Meinst du, daß du dich wirst lange zu rühmen haben, durch mich reich geworden zu sein? Ich will es dir und einem jeden zeigen, wie ich nach meinem Belieben auch wieder nehmen kann, was ich gegeben habe. Du sollst nicht wieder von hinnen kommen; ich bringe dich an den Galgen, es koste, was es wolle.« Da nun Giovanni Matteo hieraus erkannte, daß er auf die alte Weise diesmal nichts ausrichtete, so gedachte er sein gutes Glück auf eine andere zu versuchen, verfügte, daß man die Besessene wieder von dannen bringe, und sprach dann zum König: »Sire, wie ich Euch schon gesagt habe, gibt es viele Geister, die so unbändig sind, daß gar nicht mit ihnen auszukommen ist, und dieser hier ist einer von den schlimmsten. Dessenungeachtet will ich noch einen letzten Versuch machen, ihn zu vertreiben. Gelingt es mir, so haben wir beide, Eure Majestät und ich, unsere Absicht erreicht; wo nicht, so bin ich in Eurer Gewalt und muß es Euch überlassen, zu entscheiden, wie viel Mitleiden Ihr glaubt, daß meine Unschuld verdient. Ich ersuche Euch nämlich, auf dem Platze der Liebfrauenkirche ein hohes Gerüst aufführen zu lassen, das geräumig genug sei für den ganzen Adel und die Geistlichkeit dieser Stadt; dieses Gerüst läßt du mit Seide und Goldstoffen behängen und mitten darauf einen Altar errichten. Am nächsten Sonntag in der Frühe sollst du dann mit der Geistlichkeit und allen deinen Fürsten und Edelleuten in königlicher Pracht, mit glänzenden reichen Gewändern angetan, daselbst erscheinen und dort erst eine feierliche Messe anhören, ehe man die Besessene hinführt. Ich wünsche überdies, daß auf der einen Seite des Platzes wenigstens zwanzig Personen aufgestellt werden, die mit Trompeten, Hörnern, Trommeln, Sackpfeifen, Schalmeien, Zimbeln und andern geräuschvollen Instrumenten aller Art versehen sind und, sobald ich einen Hut schwinge, diese Instrumente laut ertönen lassen, indem sie damit raschen Schrittes auf das Gerüst zuziehen. Diese Dinge, verbunden mit einigen andern geheimen Mitteln, sollen, wie ich hoffe, zur Austreibung eben jenes Teufels genügen.«

Der König ließ unverzüglich alle Veranstaltungen treffen, und als der erwartete Sonntagsmorgen kam und das Gerüst, von den hohen Personen und der Platz vom Volke angefüllt war, wurde die Messe gefeiert und sodann die Besessene auf das Gerüst geführt, geleitet von zwei Bischöfen und vielen vornehmen Herren. Als Roderigo die Volksmenge und die großen Zurüstungen sah, war er ganz verblüfft und sprach bei sich selbst: »Was hat sich nun wohl der elende Bauernlümmel mit mir ausgedacht? Glaubt er, mich durch das Gepränge einzuschüchtern? Weiß er nicht, daß ich die Pracht des Himmels und das Entsetzen der Hölle zu schauen gewohnt bin? Ich werde ihn schon dafür büßen lassen.« Dann, als Giovanni Matteo an seine Seite trat und ihn nochmals bat, auszufahren, sagte er zu ihm: »Ei, da hast du ja eine herrliche Erfindung gemacht. Was gedenkst du mit all dem Zeuge anzufangen? Glaubst du hierdurch meiner Übermacht und dem Zorn des Königs zu entgehen? Du Rüpel! Du Schuft! Du sollst mir hängen, du magst anfangen, was du willst!«

Als Giovanni Matteo ihn nochmals gebeten, aber nur neue Schimpfreden zur Antwort erhalten hatte, glaubte er, nun weiter keine Zeit verlieren zu dürfen. Er machte also das verabredete Zeichen mit dem Hute, und alle die, welche bestellt waren, den Lärm anzurichten, ließen mit einemmal ihre Instrumente zum Himmel erklingen und zogen so zu dem Gerüste heran. Bei dem unerwarteten Lärm spitzte Roderigo die Ohren, und da er durchaus nicht wußte, was das war, fragte er voll Staunen und Verwunderung den Giovanni Matteo, was das bedeute. Giovanni Matteo antwortete ihm ganz bestürzt: »Weh mir, Freund Roderigo, das ist deine Frau, die dich wieder zu sich holen will.«

Es läßt sich kaum denken, welche Veränderung es in Roderigos Stimmung hervorbrachte, als er von seiner Frau reden hörte. Seine Erschütterung war so groß, daß er, ohne zu erwägen, ob es möglich und denkbar sei, daß sie es sei, und ohne etwas zu erwidern, in Furcht und Grausen entfloh und das Mädchen freigab. Belfagor wollte lieber in die Hölle zurückkehren, um von seinen Taten Rechenschaft abzulegen, als sich von neuem unter all der Widerwärtigkeit, Unlust und Gefahr dem Joche der Ehe unterwerfen. In die Hölle zurückgekehrt, bekräftigte er das Unheil, welches ein Weib in ein Haus bringt; Giovanni Matteo aber, der davon noch mehr zu sagen wußte als der Teufel, machte sich bald nachher munter und guter Dinge auf den Weg nach Hause.


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