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Italienische Novellen. Erster Band
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Gentile Sermini

Nach 1410

Ser Pace

In der prächtigen Stadt Rom lebte ein Priester namens Ser Pace, der als Pfarrer eines Kirchleins mit einer guten Pfründe anständig lebte. Er war ein Mann von milder Gemütsart und höflichen Sitten, war einer guten Tafel nicht gram und lud häufig andere Geistliche zum Essen zu sich. Als er einst eines Burschen benötigt war, lief ihm einer aus Colle im Elsatal namens Masetto in die Hände, der gerade als Knecht Dienste suchte. Sie sprachen miteinander und kamen überein, daß Masetto auf Lebenszeit sich zu ihm verdingte, mit dem Versprechen, so genau als möglich zu erfüllen, was Ser Pace zu ihm sage; Ser Pace nahm ihn ebenfalls auf Lebenszeit an und setzte für sich fünfundzwanzig Gulden Buße fest, wenn er ihn fortschicke, und das gleiche für Masetto, wenn er seine Entlassung begehre. Weil aber Masetto in einem losen Alter stand, das dem Hausherrn geringere Gewähr leistete, übergab er von seiner Habe dem Ser Pace zwanzig Dukaten und ein silbernes Geschmeide sieben Lot schwer, das einen kleinen Falken darstellte, alles miteinander als Pfand. Ser Pace sicherte die Übereinkunft noch durch die Hand eines öffentlichen Notars; es wurde ein Papier darüber aufgesetzt, und als dasselbe im reinen war, wohnte Masetto mit Ser Pace zusammen, kam seinem Dienste mit großem Eifer nach und erwarb sich Ser Paces Zuneigung in hohem Grade.

Etwa vierzehn Tage ging der Dienst in Ordnung; nun aber begann Masetto das ins Werk zu setzen, weshalb er eigentlich zu Ser Pace gegangen war. Es war die große Fastenzeit; da sprach Ser Pace zu Masetto: »Morgen kommen vier Priester zu mir zum Frühstück. Kaufe zehn Pfund Fische und rüste sie gut zu! Weiche Bohnen ein! Koche aber nicht viele, denn es ist nicht gerade eine Speise für Priester. Daß es nur an den Fischen nicht fehlt!«

Masetto antwortete: »Ganz recht, gestrenger Herr!«

Und er sorgte für alles. Er rechnete: da es fünf Priester waren, legte er elf Bohnen ins Wasser, nämlich zwei für jeden und eine für sich, und am andern Morgen setzte er sie so zum Feuer. Auch bereitete er die Fische köstlich zu, wie ihm Ser Pace anbefohlen hatte. Alles war fertig; die Stunde der Mahlzeit kam, und die Geistlichen traten ins Haus. Masetto empfing sie freundlich und reichte ihnen Handwasser; sie setzten sich zu Tisch, und nach einem würzigen Salate trug Masetto die Teller auf mit je zwei Bohnen auf einem. Die Geistlichen verwunderten sich über diesen Anblick und sahen einander an. Als aber Ser Pace dies bemerkte, sprach er zu Masetto: »Was ist das für eine Ärmlichkeit? Geh, schöpfe mehr heraus! Bist du verrückt? Solche Teller setzt man nicht Priestern vor.«

Masetto antwortete: »In der Schüssel ist nur noch eine Bohne für mich. Wenn Ihr sie wollt, so will ich sie Euch bringen.«

»Was sagst du?« sprach Ser Pace, stand auf und wollte es sehen. Er fand es auch wirklich so. Darüber tadelte er ihn sehr und sprach: »Sieh zu, daß dir dies nicht wieder begegnet!«

Masetto antwortete, er habe es nur aus Gehorsam so gemacht. Er habe ihm ja befohlen, nur wenig zu kochen, deshalb habe er zwei auf jeden Geistlichen und eine auf sich gerechnet.

»Genug damit für jetzt«, sagte Ser Pace. »Gib uns die Fische!«

So ging das Frühstück hin. Nachher aber gab er ihm einen heftigen Verweis und sprach: »Mache, Masetto, daß dergleichen nicht wieder vorkommt!«

Dieser antwortete: »Ganz recht, gestrenger Herr!«

Ser Pace sagte zu den Priestern: »Morgen will ich euch schadlos halten; ich erwarte euch daher alle morgen vormittag hier zum Frühstück.«

Sie nahmen's an, und Ser Pace gab nun Masetto die erforderliche Weisung, was er für morgen vorzubereiten habe, nämlich Salsinen und frische Fische, außerdem solle er Erbsen einweichen.

»Nimm dich in acht«, fügte er hinzu, »daß es nicht wieder geht wie heute morgen! Lege reichlich ins Wasser! Die Priester wollen keine Possen auf dem Teller. Koche vollauf, nicht so ärmlich!«

Masetto antwortete: »Ganz recht, gestrenger Herr!«

Als es nun Zeit war, nahm er einen halben Scheffel Erbsen, den Ser Pace vor wenigen Tagen gekauft hatte, und weichte alle ein. Am Morgen aber setzte er sie in drei großen Töpfen zum Feuer und ließ sie kochen. Alles war im reinen, als die Priester zum Frühstück kamen: sie setzten sich zu Tisch; Masetto hatte die Teller für sie zugerüstet und trat nun in den Saal mit solchen Erbssuppen, daß nicht nur Priester, sondern sogar Schweine von Castri sich über diese Masse geschämt hätten, so viele Erbsen setzte er ihnen vor.

Als Ser Pace die Erbsenbescherung sah, sprach er: »Masetto hat uns für gestern morgen entschädigen wollen.«

Und so lachten alle miteinander über diese Kübel mit Erbsen. Masetto beschäftigte sich ganz unbefangen weiter damit, die Fische nach dem Geschmack der geistlichen Herren zuzubereiten und die Gläser immer neu zu füllen, so daß, wenn er sich ihnen gestern durch seine Armseligkeit verhaßt gemacht hatte, sie sich jetzt für entschädigt halten und seine Freigebigkeit loben mußten. »Eßt nur rüstig drauf los,« antwortete Masetto. »Es ist genug da, um von allem zu essen, namentlich Erbsen.« Ser Pace sagte: »Hast du uns denn noch nicht alle hereingebracht?« »Es ist noch so viel übrig«, sagte Masetto, »daß ich wohl zwanzig Trachten, größer als diese, hereinbringen kann.« Nachdem das Essen vorbei war, wollte Ser Pace doch nachsehen und fand drei große Kessel voll Erbsen über dem Feuer. Er rief seine Gesellschafter herbei, zeigte sie ihnen und sprach zu Masetto: »Was Teufels hast du gemacht? Diese Erbsen hätten ja für hundert Mann ausgereicht. Hast du denn alle Erbsen gekocht, die da waren?«

Masetto erwiderte: »Ja, gestrenger Herr!«

Dieser aber war darüber erzürnt und schalt ihn heftig aus; Masetto aber verteidigte sich und sagte: »Ich tue, was Ihr mir befehlt, und Ihr zürnet! Gestern sagtet Ihr mir, ich solle wenig Bohnen kochen: ich tat es, und Ihr wart böse; dann sagtet Ihr mir, ich solle reichlich Erbsen kochen: ich tat es, und Ihr schmälet mich aus. Das ist sehr unrecht von Euch. Ihr wißt, daß eine Strafe darauf gesetzt ist, wenn ich nicht tue, was Ihr mir befehlt; ich gebe mir alle Mühe, und doch werdet Ihr zornig über mich. Ich tue es nur, um nicht fünfundzwanzig Dukaten zahlen zu müssen.«

Hiermit hörte die Zwiesprach auf, und wer es mit angehört hätte, der hätte Ser Pace unrecht und Masetto recht geben müssen, so gut wußte dieser zu sprechen. Darüber geriet denn Ser Pace in Wut und sagte zu Masetto: »Mach, daß du mir heute das Haus räumst!«

Nach diesen Worten ging er mit seinen Gesellschaftern aus und schloß die Türe von außen mit dem Schlüssel, ohne Antwort abzuwarten. Als Masetto seine Worte hörte und sich einschließen sah, rief er mit lauter Stimme nach: »Auf welchem Wege soll ich denn das Haus räumen? Ihr habt mich ja eingeschlossen.«

Voll Ärger rief Ser Pace: »Durch die Fenster meinetwegen!«

»Ganz recht, gestrenger Herr!« sagte Masetto.

Die Geistlichen gingen in die Vesper; Masetto aber, in strengem Gehorsam, schickte sich an, seinen Befehl zu vollziehen. Er fing also an, durch die Fenster das Haus zu räumen; er fing von oben an: alles, was im Saale war, Tafeln, Bänke, Tische, Handtücher, Krüge, Becher, Untersätze, Schüsseln, Schalen, Bestecke warf er zu den Fenstern hinaus auf den Platz. Dann ging es nach der Küche: Kessel, Pfannen, Roste, Brandeisen, Holzplatten, Teller und was er dort fand, flogen aus dem Fenster auf den Platz. Dann im Schlafzimmer: das Bett, die Bettlade, Koffer mit allem, was darin war, Kapuzen, Ornate, Tücher, Bücher und was er sonst fand, nichts blieb darin, es mußte durch die Fenster in den Pfarrhof hüpfen. Den Hühnerstall leerte er ganz aus und warf ihn hinab. Auf dem Speicher lag ein großer Berg Korn: den leerte er Sack um Sack zum Fenster hinaus und schüttete dasselbe auf das Durcheinander der andern Sachen.

Als nun Ser Pace und seine Gesellschafter aus der Vesper kamen, sagten sie: »Wir wollen doch sehen, ob sich Masetto aus dem Fenster gestürzt hat.«

Sie gingen hin, und als sie an die Tür des Platzes oder Hofes, wie man es heißen will, kamen, hörten sie ein lautes Krähen und Durcheinanderfliegen der Hühner, weil Masetto eben wieder einen Sack voll Körner herabgoß. Ser Pace wunderte sich über den Vorfall, öffnete wütend das Hoftor und sah denn hier alle seine Habseligkeiten übereinandergeworfen und zerbrochen. Voll Grimm schrie er auf und rief Masetto zu: »Verräter, was machst du?«

Masetto, einen andern Sack herabschüttend, antwortete ganz erschöpft: »Ich räume aus, wie Ihr mir gesagt habt. Ich habe nur noch wenig Korn auszuleeren; dann ziehe ich den Fässern die Zapfen aus, und so werde ich bald ganz fertig sein. Macht nur noch einen kleinen Gang um eine Ecke! Wenn Ihr wiederkommt, so werdet Ihr alles getan finden, daß auch nicht ein Härchen mehr übrigbleibt.«

Ser Pace spie Feuer und Flammen vor Entrüstung und sagte: »Verräter, geh mir aus dem Hause!«

Er nahm einen Stock und eilte die Treppe hinauf, um ihn damit zu bedienen. Masetto aber, welcher jung und gewandter war als er, lief ihm davon. Ser Pace folgte ihm nach und jagte ihn zum Hause hinaus. Als Masetto vor der Haustür angelangt war, sprach er zu den vier Geistlichen: »Ihr seid meine Zeugen, daß er mich zum Hause hinausgejagt hat.«

In demselben Augenblick kam zufällig der Ritter des Senators vorbei. Von dem Geschrei aufmerksam gemacht, kam er herzu, hörte den Fall und führte Ser Pace und Masetto gefangen mit sich; die vier Priester folgten. Alle wurden dem Senator vorgeführt, und Ser Pace setzte diesem den ganzen Schaden auseinander, den ihm Masetto zugefügt hatte.

»Gnädiger Herr Senator«, sprach Masetto, »laßt mir mein Recht werden! Weil aber Ser Pace Priester ist, so laßt ihn Gewähr leisten, daß er Recht gibt und Eure Gerichtsbarkeit anerkennt!«

So geschah es. Ser Pace unterwarf sich dem Gericht und leistete hinreichende Gewähr. Darauf setzte Masetto seine Angelegenheit auseinander, zeigte den mit Ser Pace eingegangenen schriftlichen Vertrag vor und erwähnte die Bußen und das Unterpfand. Ser Pace dagegen erzählte, welchen Schaden er genommen habe. Während nun der Herr Senator und einer seiner Gehilfen die Parteien verhörte, hatte die Erbsenbrühe ihren Lauf vollbracht und äußerte ihre Wirksamkeit so gewaltig, daß Ser Paces Schinkentasche sich ganz mit solcher Suppenbrühe füllte. Als die Kunde von diesem Ereignis dem Herrn Senator zu Ohren oder vielmehr zur Nase kam, wurde ihm der Priester verhaßt; er sagte zu seinem Gehilfen, er solle die Leute abfertigen und wegschicken. Dieser hatte die Gründe, die jeder für sich beibrachte, angehört und sprach nun das Urteil: Ser Pace müsse dem Masetto fünfundzwanzig Gulden Buße zahlen und das ganze Unterpfand, das ihm Masetto gegeben hatte, zurückerstatten. Ser Pace beschwerte sich darüber, Masetto aber verteidigte sein Recht.

»Herr Senator«, sprach er, »wundert Euch nicht, daß diese schurkischen Pfaffen sich diesen Abend so aufführen! Das begegnet ihnen alle Tage bei ihrem schlemmerischen Fressen und Saufen. Alle Tage geht es hoch her bei ihnen, und ich hatte die Unlust davon.«

Der Herr Senator tat nun in der besagten Weise den Spruch, daß Masetto für alles bezahlt werden müsse. Und somit schied er befriedigt. Ser Pace und seine Genossen aber schieden sehr unzufrieden, denn sie hatten zum Schaden noch die Schande. Alle gingen mit Ser Pace in sein Haus, um ihm zu helfen, seine Sachen, die Masetto auf den Platz oder in den Pfarrhof geworfen hatte, wieder einzuräumen und aufzustellen. Zu dieser Arbeit nahm er einige Nachbarn in Anspruch, und viele unterstützten ihn aus Mitleid. Und als sie von Ser Pace hörten, wie die Sache gegangen war, bemitleideten ihn alle.

Unter den Hilfeleistenden war auch ein junger Mann aus Sciano in Ombrone im Gebiete Sienas, namens Pela. Als er den Schaden sah und Nachricht davon bekam, ergriff ihn Mitleid; er rief Ser Pace beiseite und bot sich ihm folgendermaßen zum Dienst an:

»Ich habe«, sagte er, »ihn soeben zum Sankt-Peters-Tor hinausgehen sehen; aber ich sage Euch, da ich gesehen habe, was er hier angestellt hat, habe ich mir vorgenommen, wenn Ihr damit einverstanden seid, daß er dieses Geldes nicht froh werden soll. Sagt mir nun genau, wie viel Geld er von Euch bekommen hat und in welcher Münze: Dann laßt mich nur machen! Ihr sollt sehen, wer mehr kann, der Colligianer oder der Scialenge. Ich bin besser zu Fuß als er und werde ihn bald einholen. Macht Euch nur keine Sorge! Ich will es Euch schon wieder einbringen.«

Ser Pace nahm das Anerbieten dankbar an und empfahl ihm allen Eifer. Sie wurden einig, und Ser Pace gab ihm Geld zu seinen Auslagen.

»Ich darf jetzt nicht länger warten«, sagte dieser. »Haltet die Sache geheim und laßt mich sorgen!«

So schied er in stillem Einverständnis mit ihm. Er eilte Masetto nach und erfuhr von Zeit zu Zeit, daß er ihm nicht mehr weit voraus sei; doch wanderte er zwei Tage, bis er ihn erreichte; es war dies in der Herberge zu Bolsena. Sie kehrten dort ein; es waren viele Fremde dort, und so blieben die beiden daselbst über Nacht. Pela war unbekannt; er sprach mit Masetto und den andern ohne Unterschied, gab vor, er sei von Sutri und gehe nach Siena. Schon gestern hatte Pela auf den Namen eines Colella von Sutri an einen gewissen Ventura von Sciano einen Brief geschrieben folgenden Inhaltes:

»Ich habe Deinen Brief erhalten, in welchem Du mir aufträgst, ich solle durch den Überbringer, Deinen Sohn Salvi, Dir fünfundvierzig Dukaten schicken, die ich Dir noch als Rest für die Tiere, die Du an mich verkauft hast, schuldig bin. Vor allem bitte ich um Entschuldigung, daß ich nicht imstande gewesen bin, sie Dir früher zu schicken. Jetzt aber habe ich nach Lesung Deines Briefes die ganze Summe dem Salvi eingehändigt, nämlich zwanzig venezianische Dukaten und fünfundzwanzig römische. Darum bitte ich Dich, hiermit meine Rechnung zu tilgen. Ferner, da mir Salvi erzählt, daß Du Deine Tochter verheiratet hast, schicke ich Dir ein kleines Geschmeide für sie zum Andenken von mir, nämlich einen kleinen Falken mit einem Kettchen von Silber, im ganzen siebenundeinviertel Lot schwer. Ich sehe wohl, daß ich nicht so viel tue, als Du verdientest. Du mußt mir eben verzeihen. Freilich habe ich so viel Freundlichkeit von Dir genossen, als ich dort war, daß ich gar nicht weiß, wann ich Dir dafür lohnen kann. Dein Dienstbereitwilliger ...« usw.

Als der Brief geschrieben war, faltete er ihn und steckte ihn in den Busen, legte sich auch den Namen Salvi bei. Am Morgen nun machte er sich unter irgendeinem guten Vorwand an Masetto und wünschte ihm guten Morgen. Sobald er bemerkte, daß dieser sich zum Weiterreisen anschickte, sagte Pela: »Ist vielleicht unter diesen Gästen einer, der nach Acquapendente geht?«

»Ich«, antwortete Masetto. »So laßt uns miteinander gehen«, sagte Pela; »denn ich gehe lieber in Gesellschaft als allein.«

Nachdem der Wirt bezahlt war, machten sie sich also auf den Weg. Abends langten sie in Acquapendente an und gingen miteinander in die gleiche Herberge und Wohnung. Am Morgen, als sie weiter wollten, sagte Salvi zu Masetto: »Erwarte mich hier! Ich will nur da einen Brief an jemand abgeben.«

Masetto glaubte das und erwartete ihn beim Feuer. Salvi aber ging alsbald zum Schultheißen und klagte den Masetto an, er habe ihm in der Nacht fünfundvierzig Dukaten und ein silbernes Geschmeide gestohlen. Weinend flehte er um den Schutz des Beamten und gab an, in welcher Herberge der Dieb sich befand. Er wußte es auch so geschickt anzubringen, daß der Beamte ihm vollkommen Glauben beimaß und ihm vier Häscher mitgab, um den Dieb zu fassen. So wurde denn Masetto in der Herberge festgenommen, zum Schultheißen geführt, in enge Haft gebracht und mit der Folter verhört. Da er aber nicht gestand, wollte der Schultheiß den Salvi noch weiter vernehmen. Dieser aber sagte, noch immer weinend: »Gestrenger Herr, beweisen kann ich's Euch nicht, denn zum Stehlen zieht einer keine Zeugen bei; aber ich sage Euch die Wahrheit, und wenn es nicht so ist, so laßt mich hängen! Er hat mir fünfundvierzig Dukaten gestohlen, die ich von Colella in Sutri eingezogen hatte, und zwar zwanzig venezianische und fünfundzwanzig römische, den Kaufpreis für das Vieh, das mein Vater an ihn verkauft hat, und überdies ein silbernes Geschmeide, das er meiner Schwester schenkte. Da ist der Brief von Colella.«

Damit reichte er ihn dem Beamten hin.

»Ich kann nicht lesen«, fuhr er fort; »schaut zu, was in dem Briefe steht! Und wenn er die Sachen nicht bei sich hat, so will ich das Leben verlieren. Dieser schurkische Masetto hat in Sutri ausgespäht, daß ich das Geld bei mir habe; dann hat er sich an mich gemacht, um mich unterwegs zu bestehlen, und heute nacht, da wir zusammen schliefen, hat er es ausgeführt. Beweise habe ich sonst nicht, als Gott und die Wahrheit.«

Der Beamte glaubte Salvi, ließ Masetto holen, und da man in seinem Busen genau das vorfand, was der Brief besagte, nahm er an, Salvi sei wirklich nach seiner Angabe beraubt worden. So ließ er denn Salvi alle Dukaten und das Geschmeide übergeben. Der Schultheiß litt heftig an Hüftschmerzen, nahm sich der Untersuchung wenig an und gab seinem Notar den Auftrag, er solle dem Missetäter sein Recht werden lassen. Der Notar war Ser Piero von Farnese, der in seiner Schelmerei auf den Gedanken kam, den beiden das Geld abzunehmen. Darum ließ er Masetto und Salvi gefangensetzen, und da Masetto sich sehr gewehrt hatte, die Beschuldigung sei nicht wahr und der Brief unterschoben, auch sich zum Beweise dafür erbot, sagte er zu Salvi: »Ihr müßt beide so lange hier bleiben, bis du Colella von Sutri kommen läßt. Dann will ich es untersuchen. Sobald ich hierüber im reinen bin, lasse ich dich frei. Wenn es nicht wahr ist, mußt du das Geld wieder hergeben, und ich lasse dich hängen als Betrüger.«

Salvi kam diese Entscheidung mißlich vor. Es wurden ihm drei Tage Frist gegeben, um durch Colella zu erweisen, daß der Brief echt sei. Pela Salvi traute aber diesem als einem listigen Burschen nicht ganz. Daher versuchte er einen Vergleich durch Vermittelung Schiavettos, des Dieners des Schultheißen, der die Gefangenen mit Essen und Trinken zu versehen hatte, und bot ihm Geld an, wenn er ihn entwischen lasse. Ser Piero, der auf nichts anderes wartete, verlangte die ganze Summe und versprach, sie dann loszugeben. Schiavetto aber mißfiel das, und er verständigte sich daher mit Salvi und Masetto. Mit seiner Hilfe von außen und der eigenen Anstrengung von innen erbrachen sie in der dritten Nacht den Kerker, und er führte sie an einen Platz, wo sie über die Mauer steigen konnten. Sobald sie draußen waren, gaben Salvi und Schiavetto vor, nach Siena zu gehen, wiewohl sie die entgegengesetzte Richtung im Sinne hatten und sie miteinander in geheimem Einverständnis waren. Salvi stellte sich, als habe er beim Überspringen der Mauer einen Fuß verrenkt und könne nun nicht mehr gehen. Masetto wollte sich aus Angst nicht aufhalten, und Schiavetto sagte zu ihm: »Geh nur zu, wir kommen gemach hinterdrein!«

Da Schiavetto und Pela zurückblieben, war das Masetto eben recht; denn er gedachte es Pela ebenso zu machen, wie dieser es ihm gemacht hatte. Er eilte daher nach Radicofani, wo er einen falschen Brief aufsetzte ähnlich dem des Salvi, als schickte einer aus Viterbo das Geld an einen andern in Pisa und dabei das Geschmeide. Sodann stellte er sich dem Schultheiß von Radicofani vor, sagte, er sei von zwei Leuten um fünfundvierzig Dukaten und ein Geschmeide bestohlen worden, und zeigte zugleich den Brief des Viterbers. Der Beamte glaubte ihm und gab ihm vier Häscher, um die Missetäter zu fangen. Mit diesen wartete er zwei Tage am Tore auf die Ankunft Pelas und Schiavettos. Da sie aber nicht kamen, nahm er traurig Abschied und ging nach Colle.

Pela und Schiavetto waren indessen bereits in Rom angekommen und hatten Ser Pace das Geld und das Geschmeide zugestellt. Als Ser Pace die Nachricht gehört und das Geld und das Geschmeide in Empfang genommen hatte, sagte er ihnen freudigen Dank. Er nahm seine fünfundzwanzig römischen Dukaten; die zwanzig venezianischen aber und das Geschmeide machte er ihnen zum Geschenk.

Die ganze Geschichte kam dem Kardinal von Brancacci zu Ohren, der sich darüber freute und sie eines Tages dem Papst Gregor XII. in Gegenwart aller andern Herren Kardinäle erzählte und dabei die Frage aufwarf, wer für den verschmitztesten zu halten sei, der Colligianer oder der Scialenge. Wir übergehen den Spaß, den die Sache erregte, und den heftigen Streit, den sie hervorrief, indem der eine diesem, der andere jenem den Preis der Verschmitztheit zuerkannte. Es dauerte etwa einen Monat, und nie kam es zur bestimmten Entscheidung. Unterdessen verließ der Papst mit seinem ganzen Hofe Rom und zog nach Siena und von dort nach längerem Aufenthalte nach Lucca; dann kehrte er wieder nach Siena zurück, später in die Romagna. In der Folge wurde dem Papst Gregor der Gehorsam aufgekündigt und in Pisa Papst Alexander gewählt. Deshalb blieb jene Streitfrage schwebend, und es wurde nie ausgesprochen, wer der verschmitzteste sei. Unter den Hofleuten aber blieb die Redensart sprichwörtlich: Du, bist du ein Colligianer, so bin ich ein Scialenge.

Das soll heißen: Wenn du ein Schurke bist, so bin ich kein Heiliger.

Man bittet nun den geneigten Leser, die Untersuchung zum Spruche zu bringen.


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