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Bär, Fuchs und Wolf und ihre Abenteuer auf der Imola-Feldmark

Aus Finnland

6. Abenteuer

Zu Hause angelangt, trug der Fuchs dem Kater alle häuslichen Arbeiten auf und ging wieder auf seine gewöhnlichen Streifereien aus; dabei begegnete er von ohngefähr seinem Freund, dem Wolf.

»Schönen guten Tag!« rief er ihm zu, »wie geht dir's, Gevatter?« – »Immer gleich, lieber Michel«, antwortete der Wolf; »freilich dachte ich schon daran, meine Zähne an den Nagel zu hängen, aber endlich ist es mir gelungen, einen tüchtigen Ochsen zu erbeuten.« – Als er solches hörte, gesellte sich der Fuchs zum Wolf, in der Hoffnung einen Anteil von der Beute zu gewinnen; er plauderte angenehm und liebenswürdig und erzählte: »Du glaubst nicht, Gevatter, welch ein wunderliches Tier ich soeben gefunden habe; es ist nicht gerade von den Größten, aber so gewandt und so wild, daß es sogar dich auffressen würde.« Dieser Rat gefiel so außerordentlich gut, daß der Wolf versprach seinen schönen Ochsen aufzutischen, wenn er dafür das Wundertier zu sehen bekäme.

Dafür wollte der Fuchs sorgen und ging heim, um den Kater zum Feste einzuladen; beim Fortgehen sagte er zu den andern: »Wenn ich mit dem Gast komme und mit ihm den Schmaus beginne, müßt ihr euch gut versteckt halten und nur heimlich zuschauen; ich fürchte, das Tier springt sonst auf euch und richtet euch übel zu!«

Die beiden befolgten den Rat des Fuchses; voller Erwartung kletterte der Bär auf eine Fichte und der Wolf hinter das Tannenreisig. Nach kurzer Zeit erschienen der Fuchs und der Kater und ließen sich zum leckern Mahle nieder. Der Wolf hatte sich leider so sehr beeilt in sein Versteck zu schlüpfen, daß er vergessen hatte, das Gesicht dem Ort des Schmauses zuzukehren. Als der Fuchs dieses bemerkte, stieß er wie von ohngefähr mit der Pfote an den Kater, so daß dieser ingrimmig murrte. Bei diesem sonderbaren Laute stieg die Neugier des Wolfes aufs Höchste; er wollte sich umdrehen, um das Untier anzuschauen, aber o weh! Da raschelte sein Schwanz in dem Reisig, und der Kater, der die Spitze des Schwanzes für ein Mäuschen hielt, sprang von seinem Mahle fort, um es zu haschen.

Der Wolf erschrak so heftig darüber, daß er eilig das Gestrüpp verließ. Der Kater wiederum entsetzte sich vor dem Wolf und kletterte auf die Fichte, auf welcher der Bär versteckt saß. Dieser glaubte in seiner Herzensangst, sein letztes Stündlein sei gekommen; er sprang vom Baume herunter und brach dabei drei Rippen. Da lag er verwundet auf der Erde und getraute sich nicht mehr in die Nähe der Schmausenden, sondern raffte sich stöhnend auf und verließ eiligst die Unglücksstätte. Der Fuchs und der Kater behielten den Fraß für sich und ließen sich's vortrefflich schmecken.

 


 


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