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Bär, Fuchs und Wolf und ihre Abenteuer auf der Imola-Feldmark

Aus Finnland

5. Abenteuer

Auf seiner Flucht aus dem Gehöfte des Bären bemerkte der Fuchs im Walde einen einsamen Kater; verwundert blieb blieb er stehen und fragte: »Was treibst denn du, Vetter, so einsam im Walde?« – »Ich diente in einer Hütte«, antwortete der Kater, »aber die Wirtsleute verarmten völlig und konnten mich nicht mehr ernähren; ich selbst bin zu alt, um mir Mäuse zu fangen. Aus Mangel an Brot beschlossen meine Wirtsleute alle ihre Haustiere zu schlachten, und wer weiß, ob nicht auch an mich die Reihe gekommen wäre: denn gestern hörte ich, wie die Kinder ihre Eltern fragten, was sie jetzt essen würden, da all ihr Brot zu Ende sei? Darauf antwortete der Vater, er wolle alle Haustiere männlichen Geschlechts schlachten. Als ich das hörte, flüchtete ich eilends in den Wald, um nicht gegessen zu werden.«

»Willst du jetzt bei mir einen Dienst annehmen? Ich will dich gut halten und füttern«, schlug der Fuchs vor. – Der Kater, der keinen andern Ausweg wußte, antwortete: »Ich würde dir gerne dienen; aber ich bin schon alt und nicht mehr so geschwind in meinen Bewegungen wie in meiner Jugend; da fürchte ich, daß ich auf unsern Streifzügen leicht die Beute eines Raubtieres werden könnte.« – »Oh, da sei unbesorgt«, meinte der Fuchs, »an deinem Herrn hast du einen sichern Schutz, an Michel eine feste Stütze!« Als der Kater diesen tapfern Ausspruch hörte, verdingte er sich dem Fuchs als Knecht, und beide wanderten weiter.

Auf dem Wege examinierte der Fuchs den neuen Diener: »Sag mal, was würdest du anfangen, wenn du allein wärst und es käme ein Feind heran?« »Oh, ich weiß schon einen Ausweg«, versicherte der Kater, »ich würde schnell auf einen Baum klettern!« – »Also das würdest du tun?« sagte der Fuchs; »Ich würde mich aber nicht auf den einen Ausweg verlassen. Ich, zum Beispiel, weiß hunderterlei Rat und würde nicht erschrecken, wenn auch der Bär selber käme!«

Der Fuchs hatte kaum Zeit gehabt diese Worte auszusprechen, als ihnen aus dem Walde der Bär entgegentrat, der nach dem Fuchs jagte, weil ihn dieser so schändlich hintergangen hatte. Sobald der Kater den Bär erblickte, kletterte er pfeilschnell auf einen Baum, so daß man nur das Nachsehen hatte; aber den Fuchs packte der Bär am Genick. jetzt dachte der Kater, sein Herr sei verloren, und rief ihm vom Baume herab zu: »Siehst du, mein einziger Ausweg rettet mich, dir helfen die hundert Auswege nicht mehr!«

Doch der Fuchs war noch lange nicht ratlos, er fand sich schnell zurecht. Er fing an dem Bären, der ihn mit den Zähnen festhielt, zuzureden, und sagte schmeichelnd: »Aber, lieber Gevatter, wie kannst du nur so grob mit mir verfahren? Ich habe mich ja stets so höflich und zart gegen dich benommen!« –»Was, zart? Du?« höhnte der Bär; dabei mußte er aber den Rachen öffnen, und sofort riß sich der Fuchs los und verweilte wahrlich keine Woche da, sondern eilte blitzschnell in den Wald, so geschwind er nur konnte. Erst als der Bär die Stelle verlassen hatte, kehrte der Fuchs zum Kater zurück, und die beiden gingen heim nach Ilmola.

 


 


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