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Fabeln aus Europa außerhalb Deutschlands
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Fuchs und Esel

Aus England

Der Löwe, der König der Tiere, rief einst ein Parlament zusammen; diesem Befehl folgten fast alle Untertanen und erschienen demütig vor seinem Angesicht. Darauf machte er der Versammlung bekannt, daß von diesem Tage ab kein Tier, das Hörner trage, sein königliches Waldgebiet betreten dürfe, es sei denn, daß er ihm hierzu die besondere Erlaubnis erteilt habe; und wer immer diesem Befehl zuwiderhandle, der solle als Verräter betrachtet und ohne weitere Gerichtsverhandlung hingerichtet werden.

Einige Tage darauf geschah es, daß ein Fuchs bei seiner nächtlichen Jagd mehrere Gänse, Kaninchen und Hühnchen erbeutete. Er schleppte sie in das Dickicht des Waldes und verbarg sie unter einem Busch. Da sah er ein Eselein dahertrotten, das er freundlich begrüßte. Nachdem sie einige höfliche Redensarten gewechselt hatten, berichtete der Fuchs dem Esel von dem neuen Gesetz des Königs. »Ach«, sagte das Eselein, »das kümmert mich wenig, ich habe ja keine Hörner........«

»Nimm dich nur in acht«, meinte darauf der Fuchs, »du hast lange Ohren, und wenn es dem Löwen belieben sollte, deine Ohren als Hörner zu bezeichnen, so ist es genausoschlimm, als wenn sie wirklich Hörner wären. Wenn du mir aber helfen willst, etwas Geflügel zu tragen, das ich hier für den Hof beschafft habe, so will ich dich in meinen Schutz nehmen, und es soll dir nichts widerfahren.« Der arme Esel, dessen breiter Rücken wie geschaffen schien, dem Fuchs die Bürde zu tragen, folgte dem Rat, ließ sich vom Fuchs die Last auflegen und trabte von dannen. Kaum hatte er jedoch den Rand des Waldes erreicht, als ein Wolf ihn erspähte und auf ihn zugejagt kam. Der Esel erschrak nicht wenig, warf die Bürde ab und lief davon. »Möge nie ein Esel einem Fuchs folgen«, rief er laut, »sonst begegnet er sicherlich am Ende seiner Reise dem Wolf!«

 


 


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