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Das Haus des Arztes

Von Josef Ponten

Wo die Stadt sich ins Land zerkrümelte, wohnten wir. Nicht im Brüsseler Steinweg – in einer abgängigen Seitenstraße, die sich gegen ein Gebirge totlief. Ein schwarzes Gefängnis lag auf der einen Seite über Kleinleutegärten, auf der andern, hinter Krautfeldern, ein rotes Frauenkloster. Tiefe auszementierte Mauerzylinder aufgelassener Gaskessel waren da, die Leichen ertränkter Hunde und Katzen trieben auf dem giftigen Wasser. Ferner gab es eine herrenlose Efeuburg und einen verwilderten Parkwald, in dem ein Bach, aus dem unbekannten Gebirge kommend, über Hindernisse toste; ein gewaltiger Steinsarg aus der Ritter- und Vorväterzeit stand in einer moosigen gruseligen Krypta, auch ein Römeraltar oder Grabstein mit dem Namen irgendeines Marcius war da – einerlei! Denn alles das war nicht halb so merkwürdig als das Sonderbarste: das Haus des Arztes.

Das Haus des Arztes war das merkwürdigste Haus auf der Welt. Aber die Großen fühlten nichts von seinem Schauer! Das Milchmädchen, aus dem Bauernhofe der Burg hereinfahrend, lieferte dort in der Frühe die Milch, der Postbote, aus der Stadt herauskommend, später die Briefe ab. Hin und wieder kam auch irgendein Jemand, läutete, wurde abgefertigt, ging. Auf das Ziehen am Klingelknopfe, auf das man von draußen nie einen Glockenton hörte, wurde die Tür spaltweit geöffnet – die Sperrkette blieb vorgelegt. Ein Arm nahm herein und reichte hinaus – wieder verschloß sich die Tür. Daß die Menschen sich vor dieser Tür so kurz abspeisen ließen, ohne Verdacht zu schöpfen! Daß die Polizei das Haus nicht beobachtete! Aber es sollte uns Jungens – wir waren schon ziemlich erwachsen, keiner war jünger als zehn Jahre – schon recht sein! Wir würden die unbegreifliche Versäumnis nachholen! Das Haus war unser Haus, unser schreckliches Geheimnis! Wir würden heimliche Feme sein! Wir würden das Geheimnis eines Tages lüften, und die Welt sollte schaudernd erkennen, an welch schrecklichen, vielleicht blutigen Dingen sie ahnungslos vorübergegangen war ...

Wir belagerten das Haus heimlich viele Monate, den ganzen Sommer eines langen Jahres hindurch, von früh im Frühling an, als wir wieder auf die Straße hinausgelassen waren. Wir hatten einen heiligen Eid über einer toten Katze, einer brennenden Kerze und dem in einem Ameisenbau nacktgenagten Schädel eines Marders geschworen. Wir hatten mit einer Nadel aus dem Arme hervorgeholte Blutstropfen gegenseitig getrunken und ganz fürchterlich geschworen. Meine Brüder waren ausgeschlossen, ihnen traute ich nicht – wer traut seinen Brüdern? Wir waren ihrer sieben oder acht, männlichen Geschlechts, nur Annchen, das war ein Weib. Aber sie schlug sich wie der Stärkste von uns und benahm sich überhaupt so grundanständig, daß sie hätte ein Mann sein können.

Wir hatten einen bestimmten Plan ausgearbeitet, wonach immer einer von uns, die vertrackte Schulzeit natürlich ausgenommen, auf Wache war. Die eigentliche Kriegszeit waren die Ferien, und gegen Ende der großen Sommerferien ging denn auch das vor sich, was ich in dieser Geschichte erzählen will. Das Haus lag in der langen Straße für sich allein, als Reihenhaus mit großen nackten Giebelmauern; aber merkwürdigerweise blieb es allein liegen, sooft auch sonst ein Neubau errichtet wurde; stets lehnte er sich an einen andern Bau oder Block an. Als Söhne von Männern des Baugewerbes fiel das uns auf. Wir machten uns bedeutende Augen und nickten nach aufwärts mit dem Kopfe.

Die Fenster des Erdgeschosses sah man stets mit inneren Laden verschlossen, bei Nacht und Tag. Wir hätten bitter gern einmal in das Zimmer an der Straße geschaut. Was mochte darin vor sich gehen –?

Bah, wir wußten es: gräßliche Dinge, die uns ungeheuer spannten ...

Nach hinten, ins Krautfeld hinein, zog eine Mauer. Wir versuchten, über sie in den Garten, Hof oder was dahinter sein mochte, zu schauen, und da wir keine Leiter anlegen durften, um nicht Aufsehen zu erregen, so machten wir eine Pyramide von Leibern: Jakob stieg, in die Hände der starken Anna tretend, auf die Schultern Johanns, welcher der kräftigste war, und auf Jakob stieg Lambert; da aber auch dieser noch nicht an die Mauerkrönung reichte, so kletterte ich – der kleinste, aber nicht feigste der Gassenjungen! – an der Menschenleiter hoch; schon stand ich oben auf dem wackelnden Gebäu und wollte über die Krone blicken – da stürzte der Leiberturm in sich hinein. Johann, das Erdgeschoß, hatte nachgegeben (er behauptete später, Annchen habe ihn gekitzelt, aber das war nicht wahr, er war einfach schlapp gewesen!). Ich sah plötzlich – es war am Abend – die Sonne im Osten untergehen, dann ein Feuerwerk von Sternen und Finsternis. Als ich wieder zu mir kam, lag ich mit gebrochenem Bein im Bette. Zwar heilte der Bruch schnell aus, aber es gingen doch die halben Ferien darüber hin. Als ich gegen deren Ende mit noch eingeschientem Beine vor der Festung wieder erschien, war die allgemeine Lage unverändert. Der Feind war aber unablässig beobachtet worden.

Einen Angriff von der Gartenseite gaben wir auf. Nicht wegen der lächerlichen Mauerhöhe, die wir diesmal bezwungen haben würden (denn Johann hatte während der ganzen Zeit meines Fernseins rohes Ochsenblut vom Metzger getrunken und behauptete, jetzt kräftig genug zu sein), sondern weil die Mauerkrone mit aufrechten Flaschenscherben in Zementbettung gespickt war. Diese abscheuliche Wehr, die uns gegen alle guten Sitten zu verstoßen schien, gab es selbst drüben auf der Mauer des Gefängnishofes nicht. In der Nähe stand ein wilder Pflaumenbaum, ziemlich hoch, aber kränklich. Michael, ein Kletterer wie keiner von uns, gelangte auf den Pflaumenbaum; aber wie er sich auf einem Aste vorwärtsschob und die Laubkrone auseinanderbog, um in den Hof zu blicken, brach der Ast, Michael stürzte ab und wurde ebenfalls besinnungslos zu Bett gebracht. Er spuckte Blut und starb bald darauf, jedenfalls schied er aus unserer Unternehmung aus.

Das Anbeißen auf dieser Seite gaben wir auf. Es war klar, nur im geraden Angriff konnte das Haus genommen, das Geheimnis der stummen Mauern gelüftet werden. Eindringen von vorn! Durch die Tür! Da sagte Michael – er lebte damals noch, spuckte aber schon heftig Blut – ich müsse der sein, der es täte. Alle stimmten bei, besonders Annchen. Das allgemeine Zutrauen schwellte mich nicht wenig, ich nahm wortlos an – schob aber die Ausführung von einem Tag auf den anderen hinaus. Ich erntete viel Ehre vorauf, Annchen küßte mich vor versammelter Mannschaft; aber die Bereitwilligkeit, mir Ehren auf Vorschuß zu geben, nahm schnell ab, und die Ungeduld, meine Tat zu sehen, zu. Ich kam in die höchste innere Bedrängnis, denn – ich merkte, daß ich feige war. Aber was half's? Johann, als größter und stärkster, fand bereits freche Worte. Die Tat drängte! Die Ausführung des Bundesbeschlusses wurde nach einer kurzen entschlossenen Rede Johanns, der mich mit Ächtung bedroht hatte, auf den übermorgigen Abend angesetzt.

Ich ging heimlich in die Kirche und betete lange auf nackten Knien zu meinem Schutz- und Namenspatron, dem heiligen Hubertus, Bischof von Lüttich. In den Opferstock warf ich einen Groschen. Nun konnte nichts fehlen!

Letzten Stoß und Schwung gab der Mondscheinabend. Der Arzt, das war der Besitzer des Hauses, war am Morgen verreist, wie die Späher glaubwürdig gemeldet hatten; seine Kinder waren alleingeblieben. Was wir am Abend des Tages sahen, konnten wir uns nicht erklären, aber es war sehr merkwürdig. Wir waren nach dem Abendessen noch einmal herausgekommen und standen bei Mondschein in der nachtleeren Straße vor dem Hause. Weiß von Mond war das Haus. Da sahen wir Gespenster hinter den Scheiben! Leibhaftige Gespenster! Gespenster in langen Leintüchern, welche ungeheure Arme reckten. Bald war es auch, als würden bleiche Käse aus dem finsteren Innern des Hauses an die Fenster getragen, an die Fenster der höheren Stockwerke, denn das Erdgeschoß blieb verschlossen – ruhig und grabesstill lag es wie immer zuvor. Die Käse wurden ab- und zugetragen, sie wurden auch riesig groß und dann wieder klein, es wurde damit von den Gespenstern das feierliche Kreuz gemacht, wie die Priester es mit der Monstranz tun. Das erschien uns als eine ungeheure Gotteslästerung! Johann stieß mich in die Rippen, sagte leise und grimmig: »Morgen!« Mir war es eiskalt im Rücken, und da ich vor Zähneklappern nichts erwidern konnte, nickte ich nur stumm. Alle bestaunten mich und hielten sich in achtungsvoller Entfernung. Ein Schutzmann bummelte durch die Straße, aber der Wächter der Ordnung – schöne Wächter, diese Schutzleute! – sah an dem Hause nichts Auffälliges, betrachtete vielmehr uns auf Verdachtsweise, beruhigte sich aber bald und ging, laut den Mond angähnend, davon. Ich war beinahe ohnmächtig, bemühte mich jedoch, nichts zu denken, gar nichts mir vorzustellen, besinnungslos zu werden. Im Taumel riß ich mich zusammen – sieh da! ich fühlte mich ein ganzer Mann. Ich sagte: »Auf morgen, Leute!« Mit fester Stimme sagte ich das und ging nach Hause. »Auf morgen!« sagten die andern halblaut, und alle verloren sich. Die Straße war bald leer, während die Gespenster weiter spukten ...

Habe ich uns übrigens schon vorgestellt? Also wir hießen, katholisch und biblisch, einfach und schlicht: Johann, Jakob, Josef, Peter, Franz, Michael (der Ausgeschiedene), Lambert, Hubert und Anna. Namen wie Emil, Bruno, Hildegard und andere führten in der Vorstadt nur die Kinder aus protestantischen oder sonstwie ungläubigen Familien, und Menschen mit solchen Vornamen waren uns verdächtig. Also auch die Kinder des Arztes. Emil hieß der Älteste. Er war ein aufgeschossener Junge, sein Haar war strohgelb, lang und mit Wasser sorgfältig an den Schädel geklebt. Mit Wasser gestrählte Haare hatten auch die anderen zwei oder drei kleinen Jungens und die Mädchen. Wie die andern Jungens hießen, wußten wir nicht. Die Kinder gingen nicht in unsere Schule. Sie gingen überhaupt in keine Schule, denn es hieß, daß der Arzt unsere Schulen, überhaupt alle Schulen, für erbärmlich und überflüssig halte und seine Kinder zu Hause unterrichte. Obgleich das von der Überflüssigkeit der Schulen sich hören ließ, so konnte es uns doch nichts helfen. Die Mutter war tot. Das war ein sonderbarer Kerl, der Arzt! Er hatte keine Praxis, er mochte von Gott weiß welchem Einkommen leben, sehr einfach und sehr sparsam, denn die Familie war nicht genährt wie wir und unsere Väter. Auch der Arzt trug das Haar, langes graues Haar, mit wassernasser Bürste fest an den Kopf gestriegelt. Wir hatten ihn seit Menschengedenken in einem langen altertümlichen Rock gesehen, der einmal grün gewesen sein mochte. Sehr selten erschien er auf der Straße, und dann immer mit seinen Kindern. Er führte zwei seiner Jungen an seiner rechten und linken Hand – lächerlich, unsere Väter hätten uns einmal an die Hand nehmen sollen! –, das halbe Dutzend Mädchen, auch alle mit angeklatschtem Haar, gingen Hand in Hand vorauf. Oft hatten wir im Hofe oder Garten lachen hören, Ballspielen, Reifenschlagen – der Alte spielte mit seinen Kindern! Wenn unsere Väter das mit uns getan hätten – lächerlich; erstens hatten unsere Väter, den ganzen Tag auf ihren Bauten beschäftigt, dazu keine Zeit, und zweitens ... nein, wie ungemütlich, wenn unsere Alten mit uns hätten spielen wollen! Als wir am Mondabend nach Hause gekommen waren, brachte ich das Gespräch bei Tisch auf den Arzt und die Familie. Der Vater, der nur beim Essen für uns zu sprechen war, sagte, mehr zur Mutter als zu uns, daß der »Sonderling« (der Arzt nämlich) eines Begräbnisses in der Familie wegen nach Ostland gereist sei, von wo er vor Jahren hergekommen. Die sonst fast immer stumme Mutter frug dazwischen, ob denn die »Blauen« (nämlich die Protestanten) auch ihre Toten begrüben? Sie habe gehört, daß sie sie von wilden Vögeln fressen ließen. Der Vater lachte aufgeklärt und sagte, der Sonderling glaube, daß die Menschen von Natur gut seien, daß sie nur durch die öffentliche Erziehung schlecht würden. Daß Schläge bei Kindern nichts hülfen – dabei blinzelte er meinem Bruder Matthias zu, über den der Lehrer sich beklagt hatte –, daß Kinder nie grausam seien, aber durch die Schule und das Beispiel der Mitmenschen grausam würden. Diesen und andern Unsinn habe ein verrückter Philosoph gelehrt, und nach den Lehren dieses Philosophen ziehe der Narr seine Kinder auf, unterrichte sie selbst, halte sie von jedem Verkehr mit der Außenwelt ab, spiele mit ihnen und führe sie in die Natur spazieren. Er habe es gut, könne es sich leisten – mir schien, daß den Vater etwas wurmte –, er sei ein Kapitalist (aber was für einer! lachte der Vater derb auf), er lebe nur für seine Kinder. Als meinem Vater diese Worte entfahren waren, ärgerte er sich offenbar über sich selbst, blinzelte Matthias wieder zu, der stumm aufstand und ins Nebenzimmer folgte. Bald hörten wir den Stock auf nacktes Matthiasfleisch klatschen, und Matthias schrie jämmerlich. Wir machten uns nichts daraus, denn das geschah uns andern auch oft genug, wenn der Lehrer sich über uns beklagt hatte, oder aus tausend minderen Anlässen. Matthias war auch nach dem letzten Schlage sofort still, kam ins Zimmer zurück, wischte die Tränen ab und war wieder lustig. Wir wurden dann zu Bett geschickt, die Mutter räumte den Tisch ab, und der Vater ging an seinen Zeichentisch. Kaum im Bette, schlief ich ein.

Der Tag war da! Als ich aufwachte, war ich sofort bei voller Bewußtheit. Er war es, mein Tag! Ich nickte ihm vertraulich durchs Fenster hinaus zu und sprang mit beiden Füßen aus dem Bett, fuhr in die Hose, wusch mich gehörig, frühstückte wie sonst und beschäftigte mich den Tag über irgendwie, richtete unsern Hofhund ab, reparierte Freimarken, reinigte das Album (wenn ich an abends gedacht hätte, wäre mir schlecht geworden). Niemand merkte mir etwas an. Ich ließ mich bei den Kameraden nicht blicken. Wohl sah ich vom Fenster aus, daß sie den ganzen Tag durch die Straße strichen und mit den Augen zwischen dem Arzthause und der Wohnung meiner Eltern wechselten. Ich wußte, jede irgendwie verdächtige Veränderung würde mir gemeldet werden. Es wurde aber nichts gemeldet, und niemand ließ sich sehen. Johann sandte wohl einen Boten mit der Frage, ob ich vielleicht krank sei. Ich fertigte den Boten kurz ab mit dem Bescheide, ich sei doch nicht Johann. Damit war es dann gut; ich sah, wie Johann von den andern ausgelacht wurde und nach Hause ging. Nur Annchen kam zur Kaffeestunde und überbrachte meiner Mutter einen Kuchen als Geschenk der ihren. Meine Mutter, dankbar aufgeräumt, schnitt ihn sogleich an, und Annchen versuchte mit uns. 5ie saß mir gegenüber und blinzelte mir, während sie meiner Mutter erzählte, wieviel Eier ihre Mutter in den Kuchen geschlagen habe, in geheimer Weise zu. (Das stärkte mich mächtig.) Dann ging sie.

Langsam kam die Dunkelheit. Nach dem Abendbrote ging der Vater zum Kegeln, die Mutter zu Annas Mutter fort. Wir waren schon zu Bett geschickt, aber ich machte mir noch dies und das zu schaffen, und als die Eltern fortgegangen waren, betrat ich – ich wußte selbst nicht wie – die Straße.

Es war Nacht. Dunkel. Der Mond hinter dicken Wolken. Die Luft war lau. Es war angenehm warm.

Kaum war ich ins Freie getreten, da tauchten aus Haustüren und Winkeln die Verschworenen auf. Johann zuerst. Er lachte höhnisch. Aber ein Blick in mein Gesicht – er wurde sehr ernst und ärgerte sich. Ich überließ den Tropf sich selbst. Annchen trat neben mich, faßte mich bei der Hand und führte mich, ohne ein Wort zu verlieren und mich anzublicken, vor das Haus. Dort sah sie mir voll ins Gesicht, stellte mich mit beiden Händen wie eine Figur mitten in die Straße und verließ mich. (Da stand ich nun – wahrhaftig; es war schrecklich!)

Die Kameraden waren uns gefolgt, in unauffälligen Gruppen und mit verschiedenen Abständen versteht sich. Einige hatten aus Verlegenheit einen Finger im Munde. Ich sah, daß Peter größere Angst hatte als ich, der Geifer floß ihm am Finger entlang aus dem Munde in den Ärmel. (Peters Angst machte mir sonderbaren Mut.) Die Kameraden zerstreuten sich in die Kleinleutegärten hüben und die Krautfelder drüben. Nicht fern; ich wußte, niemand würde mich im Stiche lassen. Nur Johann, glaube ich, der feige Hund, hat sich gedrückt.

Die Straße war leer. Auch der Schutzmann kam heute nicht. (Später habe ich gehört, Annchen habe die Vorsicht gebraucht, unsern Mitverschworenen Franz – der mußte nämlich »Onkel« zum Schutzmann sagen – zu bestimmen, den Schutzmann bis Mitternacht mit Kartenspiel aufzuhalten.) Drüben, unter der Gefängnismauer, hörten wir einen Soldaten auf seinen Nagelschuhen um das Gefängnis trapsen.

Wie mir zumute war? Das weiß ich nicht mehr; ich glaube, mir war gar nicht zumute. Ich war ja besinnungslos! Ich machte die größten Anstrengungen, es zu bleiben.

Da hatte ich an der Klingel gerissen! Wie es gekommen war, weiß ich nicht – ich hatte an der Klingel gerissen. Ich hörte eine Schelle im leeren Hause bellen. Vor dem Tone fuhr ich entsetzt zusammen. Ich habe bei der ganzen Unternehmung nie mehr gezittert als in dem Augenblicke, da drinnen die Schelle gellte. Wie sollte es auch nicht sein? Sonst hatten wir doch nie eine Schelle antworten hören, wenn draußen jemand mit einem Klingelzuge frug. Aber ich dachte an Annchen und dachte auch, glaube ich, an Ehre, Pflicht und allerhand Männliches! Ich hatte mich wieder in der Hand. Ich riß aufs neue den Klingelzug, diesmal kräftiger. Aber noch immer rührte sich im Hause nichts. Da riß ich die Klingel wild wie ein Besessener.

Es half! Im zweiten Stock wurde ein Fenster geöffnet, und Emil rief in die Straße hinab: »Wer ist da?«

Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte eine dunkle Ahnung, antworten zu müssen: niemand, oder besser, überhaupt nicht zu antworten, aber ich rief in meiner Verwirrung: »Ich!«

»Ich! Ich! Wer ist Ich?« rief Emil.

Da schämte ich mich furchtbar wegen meiner dummen Antwort, trat in den Türbogen zurück, machte mich, mit dem Rücken mich an die Tür pressend, dünn, so daß Emil mich nicht sehen konnte. Emil rief in die Nacht hinaus: »Bist du es etwa, Vater?«

Keine Antwort von mir. Dann riß ich wieder wie toll an der Klingel. Ich schellte nicht mehr, ich läutete. Ununterbrochen. (Jede Furcht war hin!)

Das Fenster wurde oben geschlossen, und es blieb eine Weile still. Auch ich gab Ruhe. Emil mußte doch Zeit haben, in seine Hose zu fahren und herunterzukommen.

Erst in diesem Augenblick überlegte ich mir, was ich eigentlich wollte. In das Haus kommen, ja! Aber was dann? Böses tun? O nein! Eigentlich war ja mein Versprechen ausgeführt, meine verpfändete Ehre eingelöst, wenn ich ins Haus gedrungen war. Wenn es mir gelungen war, vielleicht nur bis in den Hausflur vorzudringen. Aber was dann? Damit war die Sache denn doch nicht erledigt, das war klar. Doch wie gesagt, Böses tun? Niemals! Ich hatte ja auch kein Messer, kein Feuerzeug. Ich wollte nicht morden, nicht stehlen – o nein! Unsere Väter, und besonders mein Vater, waren angesehene Bürger. Auch wohlhabend war mein Vater, und zu stehlen hatten wir nicht nötig. Ich tastete meine Taschen in der Suche nach etwas ab, um mir sozusagen vom Werkzeug meine Aufgabe diktieren zu lassen. Gott sei Dank, ich hatte ja eine Maske! Natürlich hatte ich eine Maske! Eine schwarze von Fastnacht. Annchen hatte sie gestern bei der letzten Beratung noch auf meinem Gesicht angeprobt. Das eine Schlußband war schadhaft gewesen, sie hatte die Maske mitgenommen und ein neues darangenäht. Wir trugen überhaupt – das hätte ich übrigens nicht vergessen dürfen zu sagen – bei unsern heimlichen Zusammenkünften und Beratungen immer Masken. Schwarze, gelbe, rote. Ohne Masken wären wir ja keine Verschworenen gewesen. Der Schwur in Ehren, aber die Hauptsache war doch die Maske! Und wie nötig war mir jetzt die Maske; unbedingt nötig! Ich durfte ja nicht erkannt werden. Emil hatte zwar nicht meine Stimme erkannt, aber er hatte mich doch sicher oft genug in der Straße gesehen. Er durfte mich um keinen Preis der Welt erkennen! Er hätte mich ja seinem Vater angegeben, und der hätte mich angezeigt. Wäre vielleicht gar zu meinem Vater gekommen. Nicht auszudenken! Ich fürchtete nicht die Stockhiebe Vaters, mein Sitzfleisch war davon gegerbt, aber meinem Vater öffentlich Unehre antun – eher wäre ich in das giftige Wasser des Gastanks gegangen zu den toten Hunden und Katzen!

Ich zog die schwarze Maske an. Es war ziemlich warm darunter. Sie kitzelte auch an den Wimpern. Ich brummte vor mich hin, um festzustellen, ob ich – für alle Fälle! – meine Stimme verändern könnte. Das hätte ich heute, statt mit Basteln und Nichtstun den Tag durchzubringen, üben sollen, Teufel! Aber nun war es zu spät. Ich versuchte, so tief zu sprechen, wie der Vater sprach; doch das gelang nicht. Verdammt, aber egal! Ich würde schon nicht erkannt werden, ich hatte ja auch nichts Böses vor ...

Im Hause blieb es still. Ich riß wieder an der Glocke und schaute der Ordnung halber die Straße hinauf und hinab, ob nicht doch der Schutzmann oder irgendwer käme. Aber unnötige Sorge, niemand kam, und wäre jemand gekommen, die Verschworenen in den Krautfeldern hätten mich gewarnt – der Pfiff für solche Fälle war eingeübt worden –, wenigstens auf Annchen war Verlaß.

Da ... hörte ich etwas hinter der Tür. Flüstern. Emil und seine größte Schwester mochten hinter der Tür stehen. Ich hatte das leise Schleifen nackter Sohlen gehört, meinte ich. Es war mir auch, als sähe ich den schwachen Lichtschein einer Kerze im Schlüsselloche. Die beiden Ältesten standen gewiß hinter der Tür, zitternd vor Furcht, und warteten. Ich wartete vor der Tür. Jetzt war meine Geduld zu Ende. Ich riß wieder kurz und energisch am Glockenstrang.

»Wer ist denn da – zum Teufel?« frug sofort die Stimme Emils hinter dem Brette. Daß Emil »zum Teufel« sagte, gefiel mir außerordentlich. Er war ein würdiger Gegner. Ich würde ihn anständig behandeln. Daß er heruntergekommen war, im nachtschlafenden Haus, und die Schwester mit ihm (doch das würde Annchen sicher auch getan haben), war aller Ehre wert. Aber daß er »zum Teufel« sagte, war einfach groß!

Ich antwortete natürlich nicht. Ich hörte mein Herz so laut klopfen – ich meinte, die Kinder mußten es durch das Türbrett hören.

»Bist du es doch, Vater?« frug jetzt Emil. »Bist du etwa früher zurückgekommen?«

Keine Antwort von mir.

»Er ist fortgegangen«, hörte ich das Mädchen flüstern. Ich belehrte sie anders, ha! Ich riß die Klingel.

»Es wird der Postbote sein«, sagte Emil beiläufig – es war deutlich, wie er seine Unruhe beherrschte. Ich hörte Nesteln an der Sperrkette. Aber die Tür wurde nicht geöffnet.

»Haben Sie ein Telegramm?« frug Emil laut. »Es wird dem Vater etwas zugestoßen sein«, sagte er prachtvoll sachlich und brüderlich ruhig zur Schwester. »Ängstige dich nicht, Hildegard, wir müssen es tragen.«

Gleich würde die Tür aufgehen! Ich drückte mich in die Ecke zwischen der Mauerwandung und dem linken Türflügel, der fest bleiben würde, wenn der rechte sich öffnete.

»Aber zum Henker, so reden Sie doch!« brüllte setzt Emil. (Herrlich: Henker! Nicht wahr?) »Haben Sie Ihre Zunge verloren oder sind Sie besoffen?« (»Besoffen« war entschieden etwas roh.)

»Vielleicht ist der Mann stumm«, entschuldigte leise Hildegard.

»Vielleicht ...« brummte zornig Emil und ließ die Sperrkette fallen. Sie schlug laut wider das Holz der Tür. »Hildegard, halte die Kerze«, sagte Emil drinnen laut und unbekümmert. »Will doch sehen, wer zu nachtschlafender Zeit ...« sagte der Held noch. Ein Schlüssel arbeitete im Schlosse.

Jetzt würde es kommen! (Ich fühlte, ich war kühn wie der Teufel!) Wenn die Tür sich öffnete, mußte ich um jeden Preis hinein.

Die Tür ging auf. Sofort hatte ich eine Hand und eine Ferse im Spalte. Ich glitt an einem Türflügel entlang und schob mich mit meiner rückwärtigen Breitseite, indem ich vorn auf vier Fingern unsern Pfiff in die Nacht schickte, den gegerbten Körperteil voran, in das Innere des Hauses.

Im Nu waren die Verschworenen da. Alle maskiert. Erster war Jakob, zweiter Annchen. Ich warf mich herum, und wir fluteten ins Haus. »Es sind nur Kinder«, hörte ich Emil rufen. Das ärgerte mich.

Emil und Hildegard waren im Hemde. Oben auf dem Treppenabsatz standen Eilhard und Thusnelda – ja, so hießen sie! Im Augenblick kannte ich ihre Namen! –, die beide noch jung waren, vielleicht im Alter von Abc-Schützen. Sie schrien und flüchteten. Emil war ein starker großer Junge, fast ein Erwachsener und in meinem Alter. Er stand zuerst starr. Dann warf er sich wie ein Löwe in die Schar der Einbrecher. Aber unser waren zu viele, seine Kraft brach, er wurde in den Keller gestoßen und der Schlüssel abgezogen. Hildegard blieb unbeachtet. Sie schrie in merkwürdigem Fistelton, hielt wacker die Kerze hoch, während wir Emil erledigten, damit wir besser sehen könnten, und schrie gleichmäßig. Kein Zweifel, sie würde so noch dastehen, wenn wir zurückkämen, nachdem wir das Haus untersucht hatten. Denn das taten wir! Zuerst das Zimmer neben der Haustür im Erdgeschoß, das mit den verschlossenen Fenstern, mit den ewigen Holzladen, das uns von der Straße stets so unverschämt herausgefordert hatte. Das Zimmer irgendwelcher Blaubartgeheimnisse! Wir fielen auf die Tür, wir sprangen hinein. Das ging sehr einfach, die Tür war nicht verschlossen, – das Zimmer leer. Im matten Lichtschein von Hildegards Kerze im Flur schien uns seine hohe Leere ungeheuerlich. Leer? Leer, das geheimnisvolle Zimmer? Keine abgeschnittenen Köpfe, keine aufgereihten Zehennägel, keine Skalpe, keine Bütten voll roten Blutes? Leer –? (Sehr natürlich, es war das Wartezimmer für die Patienten gewesen, das ausgeräumt worden war, als der Arzt seine Praxis aufgegeben hatte, um sich ausschließlich dem Leben mit seinen Kindern zu widmen. So kam es nachher heraus.) Aber uns erboste sie mächtig, die Leere und Nüchternheit des rätselhaften Raumes. Zurück in den Flur, an die andere Tür! Dort würden die Bütten stehen! Auch diese Tür gab widerstandslos nach. Das hintere Zimmer war, wie wir sofort erkennen konnten, das Studierzimmer des Vaters, die Wände waren mit Büchern bis an die Decke zugebaut. Mir, der ich an der Spitze war, schlug davor ein so gewaltiger Respekt in die Glieder, daß ich Wasserdrang bekam und im Flurwinkel an vorgesehener Örtlichkeit, die ich leicht fand, austreten mußte. Über mir auf den Treppenstufen polterten schon die Schuhe der Femebrüder hinauf. Ich hinterher und bald wieder vorauf. Zimmer nach Zimmer tat sich auf, im ersten Stock waren die Wohnräume und das Schlafzimmer des Vaters. Nirgendwo etwas Besonderes, Auffälliges, so etwa ... sagen wir eine Kapelle zum Götzendienst mit indischen Goldfiguren, eine Geißelkammer, eine Reliquienkapelle für die abgestorbenen einbalsamierten Hauskatzen. Aber wir fanden ein geweißtes Zimmer mit Turngeräten, schwebenden Recks, Hanteln, Holz- und Eisenstäben für Freiübungen. Kann man unsere Enttäuschung verstehen? Dann kann man auch unsern Zorn begreifen. Unserer Unternehmung war sozusagen der sittliche Boden entzogen. Der sogenannte Saal im ersten Stock war finster, schwarz. Aus Angst fingen wir an zu schreien. Dadurch zu Wut gekommen, schrien wir unausgesetzt, während wir höher stürmten. Unten schrie Hildegard in ihrem hohen Ton, oben schrien die Kinder (denn im zweiten Stock schliefen die Kinder, nach vorn die Knaben, nach hinten die Mädchen). Thusnelda hatte nicht versäumt, ihre Kerze auf die Treppe zu stellen, als sie flüchtig gegangen war, so daß keiner von uns ein Beinunglück erlitt. Sie und Eilhard waren in die Betten zurückgekrochen. Wir stampften, rauschten, heulten durch die Zimmer. Da fanden wir unseren Triumph. Unser Genügen war vollkommen! Hin und her, hin und her, gesprungen, getanzt und die Kinder in den Betten geschreckt. Die einen weinten, die anderen, den Kopf unter der Decke, schrien, daß es wie aus einem Keller klang; das jüngste lag wie leblos da. Aber es würde nicht sterben, da war keine Gefahr! Es würde sich schon erholen. Ein Junge im Bett hatte das Nachtlicht, ein Trinkglas mit Öl und Schwimmdocht darauf, in der Hand und sah uns entgeistert zu. Wir tanzten einzeln und in Gruppen; wir tanzten auch im Kreise; wir müssen nicht schlecht ausgeschaut haben: vor dem Gesicht die schwarzen, roten, gelben Masken, der eine eine bunte Decke, vom Boden aufgenommen, der andere ein weißes Laken umgeschlagen, aus einem Bette gerissen. Und Geschrei wie in einer Hexennacht. Da hatte ich einen großartigen Einfall. Ich befahl – war ich nicht der Anführer? – alle Jungens sollten sich an die Hände fassen, Anna in der Mitte auf einen Schemel niederhocken. Es geschah; wir liefen, tanzten, sprangen, rasten um sie, he länger, um so heftiger, und sangen:

Die Anna saß auf einem Stein, einem Stein,
einem Stein,
die Anna saß auf einem Stein –
einem Stein!

Sie kämmte sich ihr goldenes Haar, goldenes
Haar, goldenes Haar,
sie kämmte sich ihr goldenes Haar –
goldenes Haar!

Und als sie damit fertig war, fertig war, fertig
war,
und als sie damit fertig war –
fertig war!

Da fing sie an zu weinen, weinen, weinen,
da fing sie an zu weinen –
weinen!

Sag, Anna, warum weinest du, weinest du,
weinest du,
sag' Anna, warum weinest du –
weinest du!

Ich weine, weil ich sterben muß, sterben muß,
sterben muß,
ich weine, weil ich sterben muß –
sterben muß!

Aufschrei des kleinen Jungen: das Nachtlicht war ihm ins Bett entfallen; das Öl hatte sich in die Laken ergossen; das Bett stand in Flammen.

Geschrei und Entsetzen! Die Verschworenen flossen durch die Tür ab und die Treppen hinunter. Eine Karaffe Wasser ins Bett gegossen – aber es half nichts mehr.

Bei dem grellen Feuerschein sprangen die Kinder von ihren Lagern, auch die, welche mit dem Kopf unter der Decke gelegen hatten. Den kleinsten starren Jungen riß ich aus dem Bette; ha! er stand sofort auf seinen Beinen und konnte laufen wie die anderen. Die Kinder schwammen den Verschworenen nach die Treppe hinab. Ein Griff von mir durch alle Betten, um mich zu überzeugen, daß sie leer waren – oh, es würde schon niemand zu Schaden kommen! – auch ich sprang aus dem brennenden Zimmer. Die Treppe hinabgeflogen! Unten ließen sie eben den Emil frei, und alles, Verschworene und Kinder, weiße Hemden, schwarze Masken durcheinander, ergoß sich durch die Haustür hinaus.

Die Straße war leer und dunkel. Aber die Fenster des obersten Stockes waren rot und die Straße unheimlich erleuchtet. Der Soldat drüben neben dem Gefängnis schoß Alarm in die Luft, und bald läutete auch im Kloster stürmisch die Glocke. Die Verschworenen stoben nach Hause. Auch ich. Ich kam in die Wohnung; der Vater war noch nicht vom Kegeln daheim. Kleider ab und hinein ins Bett. Ich ließ mich durch den vom Lärm der Nacht erwachten Matthias aus verstelltem Schlaf wecken.

Hei, das war ein Leben in der Straße! Aus dem zweiten Stock knallten jetzt die Flammen. Die Feuerwehr raste heran, Fackeln lohten, schwelten; rot flammten die Erzhelme der Feuerleute. Schläuche zusammengeschraubt, bald stieg der Strahl, dick wie der Stamm des Pflaumenbaumes, von dem Michael (der Erledigte) abgestürzt war, aufwärts und zischte in die Flammen. Weißer Dampf! Die Straße füllte sich mit schwarzen Menschen. Polizei war auch da und machte sich wichtig ...

Es ist wirklich niemand zu Schaden gekommen. Die Kinder wurden von mitleidigen Familien für die Nacht aufgenommen; der Vater, gerade vom Kegeln heimkommend, brachte Eilhard zu uns. Ich räumte ihm mein Bett ein. Alles tadelte streng den Arzt, der seine Kinder allein gelassen. Der zweite Stock brannte aus. Aber ich hörte am nächsten Tage von Vater, daß das Haus gut versichert sei und also auch der Arzt keinen Schaden erleiden werde. Oh, der Vater schimpfte nicht schlecht auf den verrückten Doktor! Er könne froh sein, daß ihm seine »Wanzenbude« – so sagte Vater – von der Versicherung schön wieder aufgebaut werde. Und die Bauleute bekämen auch etwas zu tun. Der Zorn auf den Arzt war groß in der ganzen Vorstadt. Niemand glaubte den Erzählungen der Kinder. Es seien nur alles Halluzinationen der Kleinen gewesen, die sich verlassen gefühlt und schreckliche Träume gehabt hätten. Dabei sei denn eines, das aus Angst sein Nachtlicht angezündet, irgendwie unvorsichtig gewesen. Selbst Emils deutlicher Erzählung wurde kein Glauben beigemessen, um so weniger, als die Polizei bestimmt erklärte, es sei in der gewissen Nachtstunde kein Mensch in der Straße gewesen. Nichts kam heraus ...

Noch lange hat es damals in der Nacht gebrannt. Die Dampfspritze hat einen Teich von Wasser auf den zweiten Stock gepumpt. Die Wolken lagen rot. Die Flammen schnoben wie eine Herde von Wildpferden. Die Dachsparren zerbarsten knallend. Es regnete glühende Nägel. Ich konnte das alles vom Fenster aus sehr schön sehen. Es war großartig!


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