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Johann Peter Hebel.
List gegen List

Einem namhaften Goldschmied hatten zwei vornehm gekleidete Personen für dreitausend Taler kostbare Kleinode abgekauft für die Krönung in Ungarn. Hernach bezahlten sie ihm tausend Taler bar, legten alles, was sie ausgesucht hatten, in ein Schächtelein zusammen, siegelten das Schächtelein zu und gaben es dem Goldschmied gleichsam als Unterpfand für die noch fehlende Summe wieder in Verwahrung, wenigstens kam es dem Goldschmied so vor, als wenn es das nämliche wäre. »In vierzehn Tagen«, sagten sie, »bringen wir Euch die fehlende Summe, und wir nehmen alsdann das Schächtelein in Empfang.« Alles wurde schriftlich gemacht. Allein es vergehen drei Wochen, niemand meldet sich. Der Krönungstag geht vorüber, es gehen noch vier Wochen vorüber. Niemand will mehr nach dem Schächtelein fragen. Endlich dachte der Goldschmied: Was soll ich euch euer Eigentum hüten auf meine Gefahr und mein Kapital tot drinnen liegen haben? Also wollte er das Schächtlein im Beisein einer obrigkeitlichen Person öffnen und die dafür bereits empfangenen tausend Taler hinterlegen. Als es aber geöffnet ward, »lieber guter Goldschmied«, sagte der Aktuarius, »wie seid Ihr von den zwei Spitzbuben angeschmiert!«

Nämlich in dem Schächtelein lagen statt Edelgestein Kieselstein und Fensterblei statt Goldes. Die zwei Kaufleute waren spitzbübische Taschenspieler, böhmische Juden, sie brachten das wahre Schächtelein unvermerkt auf die Seite und gaben dem Goldschmied ein anderes zurück, welches ebenso aussah. »Goldschmied«, sagte der Aktuarius, »hier ist guter Rat teuer. Ihr seid ein unglücklicher Mann.« Indem trat wohlgekleidet und ehrbar ein Fremder zur Tür herein und wollte dem Goldschmied allerlei krummgebogenes Silbergeschirr und einseitige Schnallen verkaufen und sah den Spektakel. »Goldschmied«, sagte er, als der Aktuarius fort war, »Euer Lebelang müßt Ihr Euch nicht mit den Schreibern einlassen. Haltet Euch an praktische Männer! Habt Ihr das Herz, eine Wurst an eine Speckseite zu setzen, Euch ist zu helfen, wenn Euer Schächtelein oder der Wert dafür noch in der Welt ist, ich schaff' Euch die Spitzbuben wieder ins Haus.« – »Wer seid Ihr, um Vergebung?« fragte der Goldschmied. – »Ich bin der Zundelfrieder«, erwiderte der Fremde mit Vertrauen und mit einem recht liebenswürdig freundlichen Spitzbubengesicht. Wer den Frieder nicht persönlich kennt, der kann sich keine Vorstellung davon machen, wie ehrlich und gutmütig er sich anstellen, und dem vorsichtigsten Menschen so unwiderstehlich das Herz und das Vertrauen abstehlen kann wie das Geld. Auch ist er in der Tat so schlimm nicht, als man ihn zwischen Bühl und Achern dafür hält. Ob nun der Goldschmied noch überdies an das Sprichwort dachte, daß man Spitzbuben am besten mit Spitzbuben fangen könne, oder ob er an ein anderes Sprichwort dachte, daß, wer das Roß geholt hat, der hole auch den Zaum, kurz der Goldschmied vertraut sich dem Frieder an. »Aber ich bitte Euch«, sagte er, »betrügt mich nicht.« – »Verlaßt Euch auf mich«, sagte der Frieder, »und erschreckt nicht[R1] allzu sehr, wenn Ihr morgen früh wieder um etwas klüger geworden seid!«

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Vielleicht ist der Frieder auf einer Spur? Nein, er ist noch auf keiner. Aber wer in selbiger Nacht dem Goldschmied auch noch vier Dutzend silberne Löffel, sechs silberne Salzbüchslein, sechs goldene Ringe mit kostbaren Steinen holte, das war der Frieder. Manch geneigter Leser, der auf ihn nicht viel halten will, wird denken: Das geschah dir recht. Desto besser. Denn dem Goldschmied war es auch recht. Nämlich auf dem Tisch fand er von dem Zundelfrieder einen eigenhändigen Empfangsschein, daß er obige Artikel richtig erhalten habe, und ein Schreiben, wie sich der Goldschmied nun weiter zu verhalten habe. Nämlich er zeigt jetzt nach des Frieders Anleitung den Diebstahl beim Amt an, und bat um einen Augenschein. Hernach bat er den Amtmann, die verlorenen Artikel in allen Zeitungen bekanntzumachen. Hernach bat er, auch das versiegelte Schächtelein mit seiner ganzen Beschreibung mit in das Verzeichnis zu setzen, um etwas. Der Amtmann sah ins Klare und verwilligte ihm den Wunsch. Einem honetten Goldschmied, dachte er, kann ein Mann, der eine Haushaltung führt, etwas zum Gefallen tun. Also verlauft es sich in alle Zeitungen, dem Goldschmied sei gestohlen worden das und das, unter anderem ein Schächtelein so und so mit vielen kostbaren Edelgesteinen, die alle benannt wurden. Die Nachricht kam bis nach Augsburg. »Löb«, schmunzelte dort ein böhmischer Jud dem andern zu, »der Goldschmied wird nie erfahren, was in dem Schächtelein war. Weißt du, daß es ihm gestohlen ist?« – »Desto besser«, sagte der Löb, »so muß er uns auch unser Geld zurückgeben, und hat gar nichts.« Kurz: die Betrüger gehen dem Frieder in die Falle und kommen wieder zu dem Goldschmied. »Seid so gut und gebt uns jetzt das Schächtelein? Nicht wahr, wir haben Euch ein wenig lange warten lassen?« – »Liebe Herren«, erwiderte der Goldschmied, »Euch ist unterdessen ein großes Unglück geschehen, das Schächtelein ist Euch gestohlen. Habt Ihr's noch in keiner Zeitung gelesen?« Der Löb erwiderte mit ruhiger Stimme: »Das wäre uns leid, aber das Unglück wird wohl auf Eurer Seite sein. Ihr liefert uns das Schächtelein ab, wie wir's Euch in die Hände gegeben haben, oder Ihr gebt uns unser vorausbezahltes Geld zurück. Die Krönung ist ohnehin vorüber.« – Man sprach hin, man sprach her, »und das Unglück wird eben doch auf Eurer Seite sein«, nahm wieder der Goldschmied das Wort. Denn im nämlichen Augenblick traten jetzt mit seiner Frau vier Hatschiere in die Stube, handfeste Männer, wie sie sind, und faßten die Spitzbuben. Das Schächtelein war nimmer aufzutreiben, aber das Zuchthaus und so viel Geld und Geldeswert, als nötig war, den Goldschmied zu bezahlen. Aus Dankbarkeit zerriß der Goldschmied hernach den Empfangsschein des Frieders. Aber der Frieder brachte ihm alles wieder und verlangte nichts für seinen guten Rat. »Wenn ich einmal etwa von Eurer Ware benötigt bin«, sagte er, »so weiß ich ja jetzt den Weg in Euern Laden und zu Euern Kästlein. Wenn ich nur alle Spitzbuben zugrunde richten könnte«, sagte er, »daß ich der einzige wäre.« Denn eifersüchtig ist er.


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