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A. von Tromlitz.
Der Pfarrer von Villarcajo

Erinnerung aus dem Kriegsleben in Spanien

Ich kam mit meinem Detachement nach Villarcajo, um in der dortigen Gegend die Kontribution an Geld und Lebensmitteln einzutreiben. Stumm und finster stand die Menge, die mit verhaltenem Grimm unsern Einmarsch ansah. Desto freundlicher empfing mich der Pfarrer, ein siebzigjähriger Greis, von langer, majestätischer Gestalt, bei dem ich mein Quartier bekam. Nach einigen Worten, die sogleich herzlich wurden, da er erfuhr, daß ich ein Deutscher sei, trat der Alkalde ins Zimmer, um mit mir das Nötige wegen meines Geschäfts zu verabreden. – »Der Senjor Colonel ist kein Franzose!« sagte der Pfarrer; »er gehört einer Nation an, die schon das verloren, um welches wir noch kämpfen – die Freiheit! – die nächst Gott dem Menschen das Höchste sein muß. Er wird gewiß nur fordern, was ihm aufgegeben wurde, und nicht vergessen, daß erpreßtes Gut Fluch und keinen Segen bringt.« – »Sicher nicht mehr, als meine Order vorschreibt!« fiel ich ihm in die Rede, zeigte sie ihm, und in wenigen Minuten war das Geschäft beendet; die Gelder wurden gezahlt, und die Lebensmittel aufgepackt.

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Wir setzten uns zu Tische. Es fiel mir auf, daß noch für einen Vierten gedeckt war, und ich wurde angenehm überrascht, als ein junges Mädchen in der Nationaltracht in das Zimmer trat und neben mir Platz am Tische nahm. – »Vittorina!« sagte der Pfarrer, auf das Mädchen zeigend, »meine Nichte und die Verlobte des Senjor Alkalde. Sie pflegt mich mit kindlicher Liebe seit dem Tode ihrer guten Mutter, die mir als geliebte Schwester mein Alter versüßte, und der ich – der Wille des Höchsten geschehe! – nun wohl bald folgen werde. Froh will ich diese Welt verlassen, da ich das mir so innig anvertraute Pfand so gut versorgt weiß.« – Er brach ab und das Gespräch wendete sich auf Gleichgültiges.

Ich hatte nun Muße, das Mädchen näher zu betrachten. Die schönen Formen ihres Körpers waren mir nicht neu, sie sind den meisten Spanierinnen eigen. Dieses Nymphenhafte und doch Graziöse, diese feinen Umrisse und doch diese üppige Fülle sah ich nur in diesem Lande. Aber die dunkelblonden Locken und ihr dunkelblaues Auge waren mir eine neue Erscheinung in dieser Zone; mehr aber noch das schwermütige, Schwärmerische im Blick: nicht jenes Glühende, was unter dem Schleier der feurigen Spanierinnen hervorblitzt. Sie zog mich an und erinnerte mich an mein Vaterland; sie zauberte mich an die Seite meiner Geliebten, und meine Phantasie schwärmte auf heimatlichen Fluren. Ich sprach mit ihr voll inniger Herzlichkeit; der Ton meiner Stimme wurde weich, und mir war, als wenn dieses holde Wesen mir näher angehörte; doch sie blieb einsilbig, in sich gekehrt und still, und was sie sprach, zeigte mir deutlich: diese Stimmung sei Widerhall ihres Gemüts, nicht ihres Geistes. – wir hatten unsere Mahlzeit beinahe beendet, als die Tür sich mit einigem Ungestüm öffnete und ein junger Mann hereintrat, den Pfarrer, den Alkalden grüßte und, indem er sich gegen mich verbeugte, mich ernst, fast möchte ich sagen, feindlich betrachtete. Ich erfuhr bald, er sei der Sohn des Alkalden und Vittorinens Verlobter. Auch er war ein schöner junger Mann, hager, aber kraftvoll. In seinem Gesicht war Leidenschaft der Hauptzug, und ein gewisses Unbändiges sprach vortretend sich finster aus. – Der Pfarrer machte ihn mit mir bekannt, lobte gegen ihn die Freundlichkeit, mit der ich mein Geschäft abgemacht habe; sagte ihm, daß ich ein Deutscher sei, und daß die blonden Locken Vittorinens und ihre blauen Augen mich schmerzlich an die daheim gelassene Gattin und an meine Kinder erinnerten. – Bei dieser kurzen Erzählung, deren Absicht mir leicht klar werden mußte, erheiterte sich allmählich das Gesicht des jungen Mannes; er näherte sich mir, drückte mir innig die Hand, doch blieb das Wilde in seinem Gesicht, und ganz verlor es sich nie.

Er nahm zwischen Vittorinen und seinem Vater Platz, verglich ihr Auge mit dem azurnen Himmel und versicherte endlich, von dem inneren glühenden Gemüt fortgerissen: So selten als diese Locken, so selten dies Auge auf kastilischem Boden rollte und glühte, so selten sei eine Liebe der seinen gleich.

»Dich, Vittoria!« rief er, »oder den Tod!« und drückte das schmachtend an ihn aufblickende Mädchen an sein Herz.

»Fernando!« sagte lächelnd der Alkalde; »du hast dich versprochen! Vittorina, wolltest du sagen und rufst Vittoria!« – »Auf dies!« rief der Jüngling und stürzte einen Becher Wein hinunter, »Vittoria und Vittorina, nur durch euch beide kann dieses stürmische Herz glücklich werden!« – »Senjor Colonel«, so unterbrach der alte Pfarrer die Rede; »verzeihen Sie einem verliebten den Ausbruch der Leidenschaft, die hier wohl nicht am rechten Ort ist.«

Ich fühlte, was er sagen wollte, beruhigte ihn über meine Grundsätze, und bald sprach der Deutsche zum Spanier. Unsere Herzen öffneten sich, der junge Mann wurde innig, herzlich, und ich äußerte unvorsichtig: daß jedem rechtlichen Deutschen das Herz blute, die Henkerbefehle gegen ein solch edles Volk vollziehen zu müssen, das durch seinen Mut, seine Standhaftigkeit unsere Bewunderung verdiente. Da ergriff er Vittorinens Hand, führte sie zu mir und sagte mit feierlichem Ernst: »Mädchen, holde Geliebte! Laß zum erstenmal eines andern als deines Fernando Lippen, deinen holden Mund berühren; du dankst im Namen des Vaterlandes!« – Ich küßte ihre Stirn, drückte das holde Wesen sanft an mich – sie ging schweigend aus dem Zimmer.

Das Gespräch ward jetzt allgemein. – Plötzlich sah Fernando aufmerksam zum Fenster hinaus, winkte dem Pfarrer, und beide entfernten sich. – Nach einiger Zeit kamen sie wieder; der junge Mann sah aus wie jemand, der mit sich nicht einig ist; der Greis lächelte wohlwollend.

»Das Detachement, das sie bei sich haben –« sagte endlich der Pfarrer, während der junge Mann mit seinem Vater leise sprach, »– das Detachement scheint meist aus Deutschen zu bestehen?« – »Es sind lauter deutsche Truppen!« entgegnete ich. – »Kennen sie die Gegend genau?« fuhr er fort, »und haben sie wohl besonders den Fußsteig dort am Olivenwäldchen gut besetzt?« – Mir fiel die Frage auf, sie schien mir verdächtig; doch tat der Pfarrer, als ob er meine Verwunderung nicht bemerkte. Ohne meine Antwort abzuwarten, ging er in das Nebenzimmer und kam mit einem Kruzifix in der Hand wieder heraus, »Senjor!« sagte er ernst – und Fernando und der Alkalde näherten sich uns – »ruhen wir beide vielleicht auch nicht in dem Schoße einer Kirche, glauben wir doch an einen Gott, und an ihn, der für uns am Kreuze starb. Hier auf das Bild des Erlösers fordere ich jetzt den Schwur von Ihnen, um das, was ich Ihnen sagen werde, kein Blut zu vergießen, niemand, er sei wer er wolle, deshalb unglücklich zu machen, und nie meiner hierbei zu erwähnen.« – Auch Fernando trat jetzt hervor: »Und bei dem Bilde Ihrer Gattin, das Ihnen heute Vittorinens Anblick so lebendig darstellte, schwören Sie auch mir denselben Schwur, und reichen sie mir zur Bekräftigung Ihre deutsche ritterliche Rechte.« – »Ist es nicht gegen meine Ehre, gegen meine Pflicht, gern!« erwiderte ich, reichte ihm die Hand und schwur.

Ein sonderbares Gefühl ergriff mich, da ich den alten feierlichen Mann vor mir stehen sah, da ich einen Schwur leistete, dessen Sinn mir noch dunkel war, und den meine aufgereizte Phantasie als etwas Hohes und Wichtiges malte. – Wie erstaunte ich aber, als der Alkalde mich ganz ruhig bei der Hand nahm, mir durch die Scheiben des Fensters eine gegenüberstehende Venta zeigte und ganz ruhig zu mir sagte: »Senjor, schicken Sie einige Ihrer Leute in jenes Haus; sie werden darin einen Mann finden, der sich durch den Verlust eines Auges so auszeichnet, daß er nicht zu verkennen ist. Lassen sie ihn, womöglich in der Stille, festnehmen, bewahren sie ihn sorgfältig, und erst, wenn sie morgen früh weiterziehen, geben sie ihn mir zu fernerem, scharfen Verwahrsam, der freilich nur so lange dauern wird, bis ich Sie entfernt weiß!« – Voll Verwunderung stand ich und der Pfarrer sagte nun: »Ich will Ihnen das Rätsel lösen! – Als wir vorhin im Gespräch begriffen waren, sah Fernando diesen Menschen dort hineingehen, und wir kennen ja unsere Leute! Er ist ein Spion unseres braven Nina, der gewiß in dieser Gegend angekommen ist; denn wie die Seemöwe uns den nahen Sturm ankündigt, so ist dieser Bote der Vorläufer eines Überfalls. Säumen Sie nicht, halten Sie ihn fest, bleiben Sie unter den Waffen; das Gewitter soll vorüberziehen, und hoffentlich werden wir unsern Unglücksgenossen, den braven Deutschen, auf diesem ganzen Zuge Ruhe verschaffen. Mögen unsere Landsleute ihre Waffen gegen jene wenden, die mit Freude sklaven sind, und mit Freude freie Menschen in Sklavenketten legen möchten! – Doch«, setzte er ernst hinzu, »der Mann kehrt morgen frei und unverletzt in unsere Hände zurück, und unserer wird nie gedacht.« – Noch einmal versprach ich es und ging alles zu veranstalten. Der bezeichnete Mann wurde festgenommen, und durch ausgeschickte Spähtrupps erhielt ich die Nachricht, daß Nina wirklich in der Nähe sei.

Gegen Abend entfernte sich der Alkalde mit seinem Sohn, der, sooft ich ihn mit Vittorinen zusammen sah, ihr stilles Ergeben, ihre sanfte Liebe mit der heißen Glut des Südens und mit der höchsten gereizten Leidenschaft erwiderte.

»Sie sehen«, sagte in dieser Zeit der Greis – als wir uns allein im Zimmer befanden –, »wie wir Spanier sind; treu und bieder gegen die, die uns wohl wollen, aber fest und unerschütterlich gegen unsere Feinde. Der Kampf ist noch lange nicht beendet, und Millionen vielleicht werden noch geopfert werden müssen, bis Ihr aus unsern Leichnamen den Thron eines französischen Königs auf kastilischem Boden errichten könnt. Oh! über die verblendeten Menschen, die glauben, daß alles, was uns seit früher Jugend teuer, gleichsam innig mit uns verwebt ist, daß unsere heilige Religion und die festen Bande, die das Volk an seinen vaterländischen König kettet, daß alle die süßen Gewohnheiten, die wir mit unserer Muttermilch einsaugen, daß dies alles durch den toten Buchstaben, durch ein Machtwort eines Tyrannen aufgelöst, zerrissen und vergessen sein soll. Oh, zu fest hängt der Mensch an dem, was er von Kindheit an fühlte, liebte, verehrte, als daß er dies und den Herd seiner Väter nicht willig mit seinem Blut verteidigen sollte. Und auch euch« – fuhr er im prophetischen Geiste fort –«auch euch wird die Stunde der Erlösung schlagen, und eure Ketten werdet Ihr zerbrechen, werdet frei sein und bleiben!«

Mich ergriff die feurige Rede des Alten; ich mußte ihn freundlich fragen, woher es käme, daß bei diesen Grundsätzen und bei dem Geiste, der in seiner Umgebung zu wohnen schien, diese Gegend doch stets durch Ruhe, durch Gehorsam sich auszeichne, und noch nie irgendein Aufstand ausgebrochen sei.

»Ich habe alles getan, dies zu verhindern!« entgegnete er; »meine Pflicht ist, Geduld, Ruhe und Eintracht, nicht Mord und Krieg zu predigen; und noch ist die Saat nicht reif, noch wäre das Blut unnütz vergeudet, noch hat zu mir der Herr nicht gesprochen, will er aber durchaus die Geißel seines Zorns schwingen lassen, Will er, daß dieses freundliche Tal ein Raub der Zerstörung werde, und daß unser Blut für die heilige Jungfrau und unsern König fließen soll, so wird er uns ein Zeichen geben, das wir als sicher erkennen, und dem wir, alles opfernd, willig folgen werden.« – Er stand bei diesen Worten auf und ging in's Nebenzimmer, wo ich ihn leise beten hörte.

Ernst, fast schweigend wurde der Abend verbracht, Vittorina sagte gute Nacht, der Pfarrer ging zur Ruhe und ich zu meinen Truppen, die auf dem Platz vor dem Pfarrhause biwakierten. – Es war ein kühler Abend, der Mond schien und die bewegte Luft führte einzelne Wolken an ihm vorüber und verdeckte sein Licht.

In meinen Mantel gehüllt, ging ich auf und ab, als mir aus einem Garten, den ich für den des Pfarrers hielt, Töne einer Gitarre entgegenklangen, und eine Stimme, die mir Vittorinens Stimme zu sein schien, zu singen anhub.

Vittorina stand jetzt lebhaft vor mir. Sie schien mir eine Blume, nicht in diesem Klima gereift; sie mußte bei den brennenden Strahlen dieser Sonne verwelken, ihr Herz brechen, da man es nicht verstand. Ihr stilles Gemüt beugte sich, sanft duldend, unter der Gewalt der wilden Leidenschaft, und Fernandos Liebe war eine verzehrende Flamme. – Wehmütig blickte ich nach der Stelle hin, wo die Töne verhallten, und meine Phantasie beschäftigte sich die lange Nacht hindurch mit dem holden Bilde des lieblichen Mädchens.

Als der Morgen graute, sagte ich meinem guten ehrwürdigen Pfarrer von Villarcajo ein herzliches Lebewohl, ergriff Vittorinas Hand, und der Wunsch trat aus meinem Innern laut hervor: daß, wenn ich je wieder nach Villarcajo käme, ich ihr Herz ruhig und sie glücklich an Fernandos Seite sehen möchte. – Der Himmel hat meine Wünsche erhört; als ich wieder nach Villarcajo kam, fand ich ihr Herz ruhig und sie gewiß glücklich an Fernandos Seite.

O Schicksal, wie führst du die Menschen! Über Berg und Tal, unter Freud und Leid ging es auf dem düsteren Berufswege vorwärts, in stetem Wechsel der Gegend und ihrer Bewohner, im ewigen Einerlei des Elends und seiner Klagen. Der frohen Menschen traf ich nur wenige, der Trübgestimmten Tausende. Fluch erntete ich, wo ich nicht gesät hatte, und so trieb ich mich mehrere Wochen im Kreise herum, und dankte dem Himmel, daß meine Höllendienste bald beendet waren.

Eines Abends saß ich unter einer grünen Eiche, die das letzte Haus eines Dorfes beschattete, im Kreis meiner Offiziere, als ein Landmann sich heranschlich und mir ein wohlbekanntes Zeichen gab. Ich entfernte mich unter irgendeinem Vorwand von meinen Kameraden, und der Mann folgte mir in einiger Entfernung. Sich mir nähernd, gab er ein zweites Zeichen, und jetzt erst näherte ich mich ihm vertrauensvoll, da ich wohl wußte, daß ich nun von ihm, den ich als einen unsrer Spione an seinem Zeichen erkannt hatte, nichts mehr zu befürchten hätte. Er reichte mir eine Zigarre und eilte ins Gebüsch. Bekannt mit dieser Post, rollte ich die Zigarre auseinander, nahm den darin eingewickelten Zettel heraus und las: »Die Gegend von Villarcajo ist im Aufruhr, der dortige Pfarrer an ihrer Spitze; sie müssen sogleich aufbrechen und den Ort erreichen, ehe Nina mit dem Empecinado sich da vereinigt. Der Pfarrer sei Ihr besonderes Augenmerk, bekommen sie ihn lebendig, desto besser, übrigens handeln sie in der dortigen Gegend nach den Ihnen wohlbekannten allgemeinen Grundsätzen.« – »Vittoria!« rief ich unwillkürlich aus und ging schweigend zurück. Die Trompete rief, der Mond beleuchtete uns den Blutweg. Die ersten Strahlen der Morgensonne zeigten mir in weiter Ferne das Tal von Villarcajo und das vergoldete Kreuz seines Turmes; noch wenige Schritte, und das Feuern der Avantgarde überzeugte mich, daß ich wirklich feindlich gegen den stillen Ort des Friedens zog, den ich so wehmütig, so segnend verließ. – Da tönte die Sturmglocke

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im Tal, die Feuer flackerten auf den Höhen, und meine Reiter trabten in wildem Jauchzen den steilen Berg hinab, das Fußvolk kletterte einen näheren Fußsteig hinunter. Immer ging es nach Villarcajo hin; das Feuer wurde heftiger, auch die Tirailleurs auf den Flügeln waren in den Olivenanpflanzungen im Vorgehen. Ein Trupp Spanier brach hinter einem Meierhofe hervor, nahe genug, um das Gebrüll:

» Viva la fanta religio! Viva Ferdinando septimo! deutlich zu hören. –

Die erste Eskadron stürzt sich auf diese Masse, sprengt sie auseinander, und alles jagt in wilder Karriere nach.

Am Bild des heiligen Stephan lag der Pfarrer, einen Lanzenstich durch die Brust, ein Kruzifix in der Hand, den Blick nach oben, – »Gott vergebe dir!« sagte er finster, als ich vom Pferde sprang und auf ihn zueilte; »Gott vergebe dir, du hast mir blutig gelohnt! – Doch«, setzte er heiterer hinzu, »Sie sind unschuldig, ich vergebe Ihnen gern, und auch dem, dessen Lanze mich traf.« – Ich rief einen Chirurgen, ihn zu verbinden; er wollte es nicht dulden. »Gönnen Sie mir nicht den ehrenvollen Tod, der Ihrer nicht wartet, den Tod für das Vaterland?« sprach er zürnend; »wollen Sie mich lieber meinen Henkern überliefern, auf der Esplanade von Burgos mich als schimpfliche Trophäe aufgeknüpft sehen? Ich hielt Sie für menschlicher!« – Er schwieg. Da der Chirurg nun auch versicherte, die Wunde sei tödlich, Rettung unmöglich, so drang ich mit meinen Bitten nicht weiter in ihn; wohl aber sprach ich: »Mann des Friedens! Wie konnten Sie sich an die Spitze dieser Menschen stellen und zum Blutrichter werden?« – »Lassen Sie mich nur –«, so antwortete er, mild lächelnd, »– lassen Sie mich nur in meine Kirche tragen und dort sterben, versagen Sie mir diese Bitte nicht, es ist ja die letzte für diese Welt –; dort sollen Sie alles erfahren!«– Ich ließ ihn auf einer Trage durch meine Leute fortbringen; sie taten es willig, der ehrwürdige blutende Greis flößte allen Ehrfurcht ein.

Der Zug ging vorwärts; überall flohen die Spanier; Villarcajo war genommen, nur noch einzelne Schüsse fielen aus den Häusern, als wir dort einrückten, schon brannte es an mehreren Orten, schon schlug die Flamme über der Wohnung des Pfarrers zusammen, als wir über den Platz zur Kirche kamen, und unwillkürlich rief ich: »Vittorina!« – »Bald sind wir bei ihr!« sprach der Greis und zeigte nach der offenen Kirche; »dorthin, dorthin! vor den Altar, auf jenen frisch gesenkten Stein setzt mich nieder, meine Kinder!« sagte er, »da laßt mich ruhig sterben!« – Ich trat vor den Altar, meine Blicke fielen auf den Stein zu seinen Füßen, und mit großer Schrift stand – o daß ich es lesen mußte! – »Vittorina de Corrego y Fernando Almasas« darauf gegraben. »Dahin, dahin!« rief der Pfarrer, immer nach dem Stein zeigend, den seine Sehnsucht nicht rasch genug ereilen konnte, und: »Gottlob!« seufzte er, da man ihn hinsetzte, ihn mit dem Rücken an den Altar lehnte: »gottlob! bald bin ich bei dir!«

»Junger Mann!« sagte er, indem er meine Hand feierlich ergriff; »Gott gab mir ein Zeichen; durch die hier Ruhende sprach der Herr zu mir, ich habe seine Stimme gehört und seine Befehle treulich befolgt! – Doch setzen Sie sich hier neben mich«, fuhr er fort, »nur leise kann ich noch reden, – und ich wünschte doch so gern, Sie möchten es wissen, warum ich starb; Ihre Tränen möchten auf dieses Grab, auf meine Leiche fließen!« – Ich setzte mich, er hub mit schwacher Stimme an: »Acht Tage nach Ihrem Abmarsch kam ein Detachement Franzosen in unser Dorf; auch zu mir kamen mehrere ins Quartier, sahen Vittorina, und Hände und Füße dem Greise gebunden, Fernando gemißhandelt und geknebelt, entehrten sie vor unserm Angesicht den Engel der Unschuld und eilten triumphierend über ihre schändliche Tat davon. – Schweigend stieg die Entehrte vom Lager ihrer Schande, entledigte mich meiner Fesseln, eilte zu Fernando, nahm einen verborgenen Dolch von seiner Brust, stieß ihn in ihr Herz, noch ehe ich zu ihr eilen konnte, und unter dem Ausruf: »Heilige Jungfrau, nimm mich Sündhafte gnädig auf!« verschied sie. Fernando, seiner Bande entledigt, zog den blutigen Dolch aus dem Busen der Märtyrerin, ich nahm das Kruzifix in meine Rechte, so stürzten wir auf die Straße, Rache der heiligen Jungfrau schwörend. Dem ersten Franzosen, der uns begegnete, stieß Fernando den Dolch ins Herz. Die Sturmglocke tönte, meine Kinder versammelten sich um mich her, viele fanden mit Fernando den Tod an meiner Seite, aber Gott triumphierte, wir siegten, und Gott sei gepriesen!« – hier richtete er sich feierlich und furchtbar auf – »Gott sei gepriesen, siebzehn hat diese Hand gemordet zum Sühnopfer für die –!« Krampfhaft fuhr seine Hand nach dem Grabe, und bleich und tot sank er auf den kalten Stein.

Ruhe und Friede seiner Asche! – Ruhe und Friede Vittorinen! – Gott aber die Vergeltung!


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