Leonid Andrejew
Das rote Lachen
Leonid Andrejew

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Leonid Andrejew

In Leonid Andrejew besitzt die jung-russische Literatur eins der eigenartigsten, kraftvollsten Talente, das von Anfang an in eigenen Bahnen gewandelt ist. Aus realistischem Grunde wachsen die originell-phantastischen Erzeugnisse dieses Dichters in faszinierender Farbenfülle hervor, und die magisch-visionäre, in die dunklen Abgründe des Seelenlebens tief eindringende Art seiner Darstellung kennzeichnet ihn als einen überaus scharfsinnigen Psychologen. Andrejew erinnert vielfach an Edgar Allan Poe, dann aber auch an seinen genialen Landsmann M. Wrubel, dessen phantastische Gemälde überall berechtigtes Aufsehen erregt haben.

Dabei sind es durchaus moderne, aktuelle Probleme, die Andrejew mit Vorliebe behandelt. In reicher Fülle bietet ihm die in fortschreitender Zersetzung begriffene Gesellschaftsordnung seines russischen Vaterlandes den geeigneten Stoff dar, und er weiß den Spiegel seines Talents so meisterlich zu handhaben und die Reflexe so wirkungsvoll anzuordnen, daß er auf seine große russische Lesergemeinde förmlich wie ein Hypnotiseur wirkt. Jede neue Dichtung Andrejews bedeutet für Rußland ein Ereignis – man weiß, daß er jedesmal etwas Unerwartetes, Überraschendes bringt und, was den Kernpunkt anlangt, den Nagel stets auf den Kopf trifft.

Es lag in der Richtung von Andrejews Schaffen, daß er das blutige Völkergemetzel in der Mandschurei zum Vorwurf einer Dichtung nahm. Aber »Das rote Lachen«, dessen Stoff den ostasiatischen Kriegsereignissen entnommen ist, wächst über den Rahmen der militaristischen Belletristik weit hinaus: es ist eine tiefsymbolische Dichtung, ein mutiger Protest gegen die Greuel des Krieges, ein beredtes Plaidoyer für den großen Gedanken des Völkerfriedens. In diesem Sinne will die Dichtung, um deretwillen man Andrejew ins Gefängnis gesetzt hat, aufgefaßt und gewürdigt sein.

Leonid Andrejew steht etwa in gleichem Alter wie sein Freund und Mitstreiter Maxim Gorki. Er ist von Haus aus Jurist und war kurze Zeit Advokat in Moskau; als solcher hat er, wie er in einem selbstbiographischen Abriß erzählt, »einen einzigen Prozeß geführt – und diesen einen hat er verloren«. Er wandte sich bald ganz der Literatur zu, in der er mit mehr Glück debütierte: er zählt unbestritten zu den führenden Geistern der russischen Intelligenz, die heut den Verzweiflungskampf um ihre Menschenrechte führt.

Berlin, Ende März 1905.

A. Scholz.


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