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Das Klima der Canaren, insbesondere von Tenerife.

von Dr. O. Burchard.

Die Canarischen Inseln liegen im nordatlantischen Ozean zwischen 27° 40' und 29° 20' nördlicher Breite gegenüber von Cap Juby in Afrika in einem Abstande von ca. 100 km von der Küste. Der Breitenlage entsprechend sind dieselben daher dem Tropengürtel stark genähert gelegen, also in den sogenannten Subtropen, einer Zone, welche auf kontinentalem Gebiete sehr großen Wärme-Extremen ausgesetzt ist, welche durch die überwiegend sehr reine, wolkenfreie Atmosphäre in Verbindung mit der Neigung der Erdachse bedingt sind. Das Klima der Canaren, insbesondere der fünf westlichen Inseln Gran Canaria, Tenerife, Gomera, Palma und Hierro ist aber infolge der ozeanischen Lage in bezug auf Wärme ein sehr limitiertes, begünstigt durch noch zwei weitere Faktoren: den sie umspülenden Arm des Golfstromes und den hauptsächlich während der Sommermonate wehenden Nordost-Passat. Da letzterer die Süd- und Südwestabhänge der mehr oder minder hochgebirgigen Inseln nicht trifft, so sind diese erheblich wärmer im Sommer als die nördlichen und nordöstlichen Abdachungen, welche zudem noch dem überaus günstigen Einfluß einer oft recht ausgiebigen Wolkenbildung ausgesetzt sind, die das Land weit hinunter bis zur Küste angenehm beschattet, namentlich in den späteren Vormittagsstunden. Die Küstenregion, welche man vom Meeresspiegel an bis zu ca. 700 Meter Höhe, der unteren Wolkengrenze, rechnet, hat daher auf der Nordseite eine verhältnismäßig geringe Jahresschwankung der Temperatur und in ihren tieferen Lagen auch eine sehr geringfügige Tagesschwankung. Die Wolkenzone selbst, die etwa eine Mächtigkeit von 900-1000 Meter besitzt, also bis auf 1600–1700 Meter hinaufreicht, hat naturgemäß größere Schwankungen, da bei aufklarendem Himmel, namentlich des Nachts, infolge der schon dünneren Luft die Bodenwärme rascher in den Weltraum ausstrahlt. Da auf Tenerife die Temperatur gradiert, d. h. die Abnahme der Luftwärme mit zunehmender Höhe über dem Meeresspiegel ca. 0,68 pro 100 m beträgt, ist es hier erheblich kühler, und die Tagesschwankung der Wärme ist eine viel größere. Nur wenige größere Ortschaften liegen in dieser Wolkenregion, die auch weniger Niederschläge erhält, als der obere Teil der Küstenregion, in der sich auch fast der ganze Anbau des Landes findet. Die dritte, subalpine Region, oberhalb der Wolken gelegen, welche sich durch die größte Reinheit und Trockenheit der Atmosphäre auszeichnet, besitzt die größten Temperaturextreme und ist so gut wie unbewohnbar. In tiefliegenden, den Ausstrahlungen besonders ausgesetzten Kesseln, z. B. im Cañadasbecken, kann die Temperatur in Winternächten bis auf minus 16° Celsius sinken, während der Sommermonate ist jedoch ein zeitweiliger Aufenthalt in der Region über den Wolken, wegen der unübertrefflichen Reinheit der Luft und der unübertrefflichen kräftigen Sonnenwirkung, tagsüber sehr gesund und wird neuerdings seitens Erholungsbedürftiger in zunehmendem Maße gewürdigt.

Zureisende Fremde jedoch bewegen sich zumeist innerhalb der die Hauptstädte und Ortschaften bergenden Küstenzonen, speziell der unteren 300 Meter derselben, und daher gebe ich anschließend einige Tabellen der hauptsächlichsten meteorologischen Faktoren innerhalb derselben, wie sie in den hier belegenen Stationen gewonnen worden sind.

Es handelt sich dabei in der Hauptsache um die in der vor dem Kriege von mir geleiteten Meteorologischen Station der deutschen Seewarte gewonnenen Ergebnisse von La Paz bei Puerto de Orotava, welche in einer Seehöhe von 100 Meter belegen war. Zum Vergleich führe ich einige Zahlen von der Station Guimar an, die auf der Südseite der Insel in 370 Meter Seehöhe liegt und auf meine Vermittelung ebenfalls für die deutsche Seewarte arbeitete. Von einer ausführlichen Besprechung aller Beobachtungsdaten muß ich an dieser Stelle wegen des zu knappen Raumes absehen, ich beschränke mich daher auf die für den Besucher der Insel wichtigsten Momente: die Temperatur der Luft, den Feuchtigkeitsgehalt der Luft, die tägliche Dauer des Sonnenscheines und die Verteilung der Niederschläge.

Luftwärme.

Die Monatsmittel der Tabelle II zeigen uns zunächst die kleine Amplitude der Jahreskurven der Temperatur. Obwohl das Tal von Orotava noch volle 5 Breitengrade vom Wendekreis entfernt ist, zeigt sich durch das ganze Jahr eine nur geringe Abweichung vom Jahresmittel:

 

Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
-3,0° -3,2° -2,6° -1,7° -0,4° +1,3° +2,5° +3,5° +3,4° +2,1° -0,1° -1,6°

 

Zugleich zeigt diese Zahlenreihe deutlich die jahreszeitliche Verspätung der Extreme: es ist also der August der wärmste, der Februar der kälteste Monat des Jahres. Der September ist noch wärmer als der Juli, selbst im Oktober ist das Tagesmaximum noch von fast unveränderter Höhe. Dies gilt auch ganz besonders für die Südseite der Inseln, wo selbst der November noch sommerlich warm ist, während auf dem Nordgehänge schon abkühlende Regen die Luft erfrischen.

Von großer Bedeutung für die Annehmlichkeit eines Klimas ist die Größe der täglichen Wärmeamplitude. Dieselbe beträgt für La Paz im Mittel nur 6° C und wechselt im Laufe des Jahres nur wenig. Mit zunehmender Meereshöhe nimmt die Tagesschwankung jedoch schnell zu. Bei meinem jetzigen Wohnorte, oberhalb Villa de Orotava, in etwas über 400 Meter Höhe erreicht sie bereits ca. 10° C. Auch die monatlichen und jährlichen Wärmeextreme erreichen einen im Vergleich zu kontinentalen Klimaten in gleicher oder selbst höherer Breite geringfügigen Betrag. Während in La Paz die Schattentemperatur im Hochsommer selten und nur auf kurze Zeit 30° C übersteigt und im Winter dieselbe gelegentlich auf 10° bis 12° C heruntergeht, bewegt sich das Temperaturmaximum in Marrakesch (Marokko) im Hochsommer bis über 40° und gegen 50° C, während im Winter die Temperaturen unter 0° und Eisbildung vorkommen. Auch in Malaga, das ungefähr die gleiche Jahrestemperatur wie La Paz besitzt, erreichen die hochsommerlichen Maxima über 40° und das absolute Minimum ist 0°.

Die nur mäßige sommerliche Hitze der Canaren ist auch deshalb leicht zu ertragen, da der Sommer nahezu frei von Niederschlägen und ganz frei von Gewittern ist. Die größten Wärmegrade pflegen auf den Inseln bei südlichen Luftströmungen aufzutreten, die von einer außerordentlichen Trockenheit der Atmosphäre begleitet sind. Diese bedingt eine sehr starke Evaporation der Haut, dieselbe wird dadurch abgekühlt und man fühlt sich dabei weniger erschlafft, als an mitteleuropäischen Gewittertagen. Die Trockenheit der Luft in Verbindung mit sehr andauernden, oft recht kräftigen Brisen erklärt auch die winterliche große Frische des Klimas der Südabhänge Tenerifes besonders in der Zeit des Frühlingsäquinoktiums, von etwa Februar bis Ende April. Selbst bei sonnigem Wetter empfindet man dort ein Frösteln, das man bei der weniger bewegten und feuchteren Luft des Orotavatales nicht kennt.

Luftfeuchtigkeit und Niederschläge.

Der jährliche Gang der Luftfeuchtigkeit fällt in ungefährer Übereinstimmung mit dem Gang der Temperatur auf den Canaren zusammen, d. h. ihr Maximum fällt in den Hochsommer, ihr Minimum in den Winter. Dies Ergebnis bedingt manche Eigenheiten des Klimas im Gegensatz zu den nördlichen Breiten. Während z. B. in Deutschland die Luft im Sommer am trockensten ist, ist sie auf Tenerife im Winter am reinsten. Das erscheint auf den ersten Blick widersinnig, da die Niederschläge, wie wir nachher sehen werden, in die kühlere Jahreszeit fallen. Die Regen treten jedoch überwiegend in starken, oft territorialen Güssen auf, weniger in Form von kontinuierlichen Landregen, und sind zu dieser Jahreszeit durch Perioden mehr oder weniger langer Dauer trockenen und heiteren Wetters unterbrochen, welche namentlich zwischen Dezember und Februar den Glanzpunkt und Anziehungspunkt des canarischen Winterklimas bilden. Im regenlosen Sommer und Hochsommer dagegen kommt es trotz der höheren Luftfeuchtigkeit nicht oder selten zu Niederschlägen, eine Folge davon, daß die Inseln dann fast immer in dem Gürtel hohen Luftdrucks liegen, der den Namen Rossbreiten hat. Vermutlich neigt die Atmosphäre dann zu absteigender Luftbewegung. Infolge gelegentlicher tieferer Lagerung der Schichtwolken kommt es dann nur zur Bildung von Staubregen, der wenig Wasser ergibt.

siehe Bildunterschrift

In den südlichen Cañadas

Die winterlichen Niederschläge, deren Summe sehr wechselt, zeigen zwei ausgesprochene Maxima. Das Hauptmaximum fällt in den Spätherbst (November), das sekundäre in den März, den astronomischen Frühling.

Da die größeren Regen die Folge von größeren Störungen (Durchbrechung mächtiger Haufenwolken nach oben durch die Inversionsschicht der Atmosphäre) sind, was meist in verstärktem Maße an den hohen Gebirgskämmen der Südseite auftritt, können hier auch besonders verwüstende Güsse Platz greifen, oft von Hagel begleitet. In dem Orte Arafo ging im Winter 1923/24 so heftiger Hagel nieder, daß die Straßen über einen Fuß hoch mit der Körnerschicht bedeckt waren.

Gewitter pflegen meist nach den Umschlagszeiten von Sommer und Winter und umgekehrt und nicht alle Jahre aufzutreten.

Sonnenschein.

siehe Bildunterschrift

Retamablüte in den Cañadas

Endlich interessiert uns noch die Dauer des Sonnenscheins auf den Canaren. Wie bereits in der Einleitung angedeutet, unterscheiden sich die Nord- und Südabhänge der Insel sehr bedeutend in bezug auf Wolkenbildung, und man kann wohl sagen, daß die Südspitzen der Insel wohl ein Maximum der Besonnung empfangen, das diese Gegenden, in Verbindung mit der Wasserarmut, schwer bewohnbar macht. Auf den Luvseiten des Passats jedoch ist die Sonnenscheindauer, wie aus Tabelle III ersichtlich ist, eine überraschend geringe, und namentlich fällt dies für den Sommer auf; der längste Tag auf den Canaren überwiegt den kürzesten um 4 Stunden. Trotzdem ist die Sonnenscheindauer von Juni bis August geringer als im Januar. Dieser Umstand macht die Nordabhänge der Canaren zu einem durchaus erträglichen, ja angenehmen Wohngebiete in der wärmeren Jahreszeit, und nur die östlichen Inseln Fuerteventura und Lanzarote, welche nur niedrige Höhen besitzen, an denen sich die Passatwolken nicht stauen, und die zudem noch dem afrikanischen Kontinente weit genähert sind, machen davon eine Ausnahme.

siehe Bildunterschrift

Eindringende Wolke im Pinar über Orotava, 1800 m

Der Sonnenschein der Canaren besitzt aber eine bedeutend stärkere Wirkung auf den menschlichen Körper, als die Sonne nördlicher Breiten, zumal im Winter zur Zeit des Perihels, wo wir der Sonne näher stehen als im Sommer, und die zureisenden Fremden sollten sich nicht ohne genügenden Schutz, namentlich am Kopfe, den Strahlen der Sonne aussetzen. Mancher Unkundige hatte das Nehmen von Sonnenbädern mit schwerem Übelbefinden und Fieber und schmerzhaften Hauterneuerungen zu büßen. Man trage lieber Mützen und Filzhüte als Strohhüte und überlasse Sonnenbäder den Bewohnern nördlicher Breite. Bei der reinen, für ultraviolette Strahlen sehr durchlässigen Luft der Inseln gewährt weiße oder helle Kleidung bereits ein sehr ausgiebiges Sonnenbad.

.

Tabelle I.
Klima der Südseite Tenerifes, Station Guimar 370 Meter über dem Meeresspiegel.
1914.

Tabelle

 

Tabelle II.
Lufttemperatur La Paz, Puerto de Orotova, 100 Meter über dem Meeresspiegel.
1905 bis 1913

TAbelle

 

Tabelle III.

Relative Feuchtigkeit, Niederschläe und tägliche Dauer des Sonnenscheins La Paz, Puerto de Orotova,100 Meter über dem Meeresspiegel.
1905 bis 1913.

Tabelle


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