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Wie die Nordlihühner das Eierlegen lernen sollten.

Es war an einem der ersten Sommertage; es war so heiß, daß alle Türen sperrangelweit offen standen. Durch den großen offenen Herdschornstein drang ein Strom feinen Duftes von blühenden Vogelkirschen und frischem Birkenlaub in die geräumige Stube auf Nordlien hinein und verleitete ein paar Hummeln, mit hineinzusegeln und unaufhörlich an den Fensterscheiben im Sonnenlicht auf und nieder zu summen in dem Glauben, daß sie dort wieder hinauskommen könnten.

Auf der äußersten Ecke des Herdes saß Kari Kleiven, die weise Frau der Gemeinde, die für alles Rat wußte; sie hatte einen schwarzen Tonpfeifenstummel im Mundwinkel und genoß mit Behagen ihr Pfeifchen und zugleich den Duft, der aus dem vorn in der glühenden Asche stehenden Kaffeekessel aufstieg. Auf einem niedrigen Schemel auf der andern Seite des Herdes saß Rönnog Nordlien und paßte auf, daß der Kaffee nicht überkochte. Und am Fenster stand Klein-Ola, er mochte etwa zehn Jahre alt sein. Der hatte auf zweierlei aufzupassen, sonst wäre er wohl kaum bei solchem Wetter in der Stube geblieben. Er wollte gar zu gern einmal den Stachel einer Hummel zu sehen kriegen; er mußte auf die große dort aufpassen und sie ein bißchen mit einer Feder krabbeln, damit sie endlich einmal ihren Stachel herausstreckte. Und dann mußte er wie ein Heftelmacher auf das Gespräch aufpassen; denn Kari wußte immer soviel Merkwürdiges zu erzählen, und gerade, wenn die Geschichte anfing, spannend zu werden, da sprachen sie und die Mutter immer so ganz leise.

Auf dem Hofe draußen war es ganz still, die Leute waren auf dem Felde, und nur zwei uralte Hühner und ein Hahn spazierten umher. Sie näherten sich der Tür, und da es so still war, kamen sie in den Gang hinein, hier machte der Hahn einen langen, feierlichen Schritt auf die Türschwelle hinaus und sah sich um. Pah! es waren ja bloß Rönnog, Kari und der Junge. Die Hühner stolzierten hinterdrein und ebenfalls auf die Türschwelle hinauf und sahen sich um. Aber da bekam der Hahn auf dem Fußboden ein Stück Fladenbrot zu Gesicht; er hackte zu, daß es in Stücke ging, und fing an zu locken. Da vergaßen die Hühner alle Feierlichkeit und stürzten sich hastig darauf, um möglichst die größten Stücke und das Meiste zu erhaschen.

Nun wurde Kari ihrer gewahr:

Nein, aber die schönen Hühner, die du jetzt hast, Rönnog Nordlien!

Ja, aber ich weiß gar nicht, was mit ihnen ist, sie wollen gar nicht mehr legen, bloß so ab und zu. Und noch vor ein paar Jahren legten sie jeden Tag. Und ich meine doch, sie haben dieselbe gute Pflege wie immer. Könntest du mir da nicht vielleicht einen guten Rat geben?

Hm, da ist eigentlich nichts zu machen, wenn sie erst einmal die schlechte Gewohnheit angenommen haben.

Wenn sie nur wenigstens ein paar legten, da könnt' ich doch versuchen, sie zum Brüten zu kriegen, und da bekam ich vielleicht ein paar Junge, wenn es freilich auch nicht dasselbe wäre wie mit den alten.

Nein, und die Mühe kannst du dir auch sparen. Die sind so schlau, die belehren ihre Jungen, daß die's genau so machen. Ja, die bringen andern auch ihre schlechten Angewohnheiten bei. Einmal, es ist schon lange her, da hörten alle Hühner hier auf dem Nachbarhofe auf, zu legen; es war klar, daß sie sich verabredet hatten.

Du meinst doch nicht etwa, daß sie soviel Verstand haben?

Ei, freilich! Aber, siehst du, wie ich erst das heraus hatte, da kriegte ich sie doch wieder dazu. Aber ich mußte ein ganz verschmitztes Mittel gebrauchen, und es ist gar nicht so einfach damit.

Nein, so leicht ist es wohl nicht, aber du könntest mir's doch erzählen.

Ach, du kriegst doch keine Gelegenheit, es zu gebrauchen; aber weil du's bist, will ich dir's erzählen, wenn du mir versprichst, es nicht weiter zu sagen: Du mußt dir ein Huhn verschaffen, das die Sprache der andern nicht versteht.

Was du sagst!

Wenn nämlich die andern auf so eine einzureden versuchen, dann glaubt die bloß, die andern reden vom Eierlegen, und dann legt die in einem weg, noch einmal so viel wie sonst. Und dann glauben die andern, die ja auch nicht verstehen, was sie sagt, das Eierlegen wäre dort, wo sie herkommt, wieder Mode geworden, und die Mode, die wollen sie auch mitmachen. Und schließlich kam es damals, hier in der Nachbarschaft, zu einem förmlichen Eierwettlegen.

Aber wie kriegtest du denn so eine, da mußtest du wohl gar ins Ausland gehen?

Das hätte nichts geholfen; denn die Hühner haben alle ein und dieselbe Sprache, hier und im Ausland, mit denen ist es nicht wie mit den Menschen. Nein, das muß man ganz anders anfangen. Man muß sich ein Huhn verschaffen, das verwildert ist.

Verwildert?

Ja, verwildert; darin liegt die ganze Kunst.

Was du sagst! Und wie kriegt man denn so eins?

Sie beugte sich zu Rönnog vor und sprach fast flüsternd. Ola drehte sich um und spitzte die Ohren, um ja kein Wort zu verlieren:

Du mußt ein Elsternnest ausfindig machen, eins natürlich, in dem Eier sind. Du nimmst ein Elsterei heraus und legst dafür ein Hühnerei hinein, und das läßt du von der Elster ausbrüten. Aber du mußt das Junge gleich wegnehmen, wenn es ausgekrochen ist, und mußt es ganz für sich allein halten, bis es groß geworden ist. So eins lernt die Hühnersprache nie im Leben und ist darauf versessen, Eier zu legen. Nun weißt du die ganze Kunst.

Nun wußte Klein-Ola sie ebenfalls; er vergaß seine Hummel und stürzte zur Tür hinaus. Wo ein Elsternnest war, das wußte er, und nicht bloß eins, zwei sogar; er hatte gesehen, wie die Elstern im Frühling Zweige zusammentrugen. Das nächstgelegene war das im Tannenwäldchen auf der Oberwiese, wo Paal, der Häusler, wohnte, in der großen Tanne am Waldsaum. Er war bisher noch nicht hinaufgeklettert, weil es so furchtbar hoch hing, und der Stamm hatte unten keine Äste. Aber nun mußte er unten etwas aufstellen, damit er bis an die Äste hinaufreichen konnte; er mußte seine Axt mitnehmen.

Ola hatte an dem Tage eine furchtbare Arbeit damit, auf die Tanne hinaufzukommen, und seine Hände und Hosen waren mit Harz förmlich verkleistert. Als er gegen Abend wieder heimkam, da war er aber auch oben in dem Reißighaufen gewesen, den die Elster im Wipfel aufgebaut hatte, und so fest war der, daß er auf ihm stehen kannte. Und durch das Loch auf der andern Seite, das nicht größer war, als daß er gerade mit der Hand hineinkommen konnte, hatte er gesehen, daß schon vier Eier darin lagen. Und die Elsternmutter war furchtbar wütend geworden, war um ihn herumgeflogen und hatte geschimpft und einmal ihm auch mit dem Flügel einen Schlag auf die Mütze versetzt.

An dem Abend dauerte es lange, bis Ola einschlief. Er sann noch lange darüber nach, wie er zu Werke gehen sollte. Erst mußte er sehen, ein Ei zu kriegen; am allerfeinsten aber wäre es, wenn die Mutter nicht eher davon erführe, als bis das Huhn fertig wäre. Er wußte zwar, wo die Hühner ihre Eier zu legen pflegten, wenn sie überhaupt welche legten; es war drin in den Brennesseln hinter dem großen Stein bei der Brücke, die in die Scheune hinaufführte. Aber er hatte keine Erlaubnis dazu, sie wegzunehmen, und zudem waren es bloß zwei, und die Mutter mußte es also gleich merken. Und hierzu kam, daß er das Huhn irgendwo versteckt halten mußte, bis es groß geworden war; erst dann wollte er damit herausrücken, und da sollte die Mutter als Bezahlung eine gewaltige Pfanne Speckeier zum besten geben, und dazu wollte er den Vater und Paal Platz einladen und ein richtiges Gastmahl geben.

Den Vater? – Es war vielleicht doch das beste, sich dem Vater anzuvertrauen; er konnte manchmal so hilfsbereit sein, wenn er gerade guter Laune war, besonders, wenn es sich um etwas so außergewöhnliches handelte wie dies. Ja, das wollte er tun!

Und dann schlummerte Ola ein, und in der Nacht träumte er: er und Jon Svebakken, der Flaps, standen sich gegenüber und fochten eine Schneeballschlacht aus, es war aber gar nicht Winter, und das allerbeste, es waren auch keine Schneebälle, mit denen sie warfen, sondern Eier, und Ola zielte gut und traf Jon mit einem Ei mitten ins Gesicht, und die ganze Eierbrühe lief an ihm herunter, und da wurde Jon so wütend, daß er wie eine Elster schnatterte. Im selben Augenblick erwachte Ola, die Sonne schien ihm aufs Bett, und eine Elster schnatterte oben auf dem Hausdache.

Ola kam schnell aus den Federn und in die Kleider. Er ging hinaus und kam mit wichtiger Miene zum Vater, dem alten Ola, der beim Holzklotz stand und einen Beilschaft zurechtschnitzelte. Der Alte sah ihn etwas von der Seite an, er merkte sofort, daß er ein Anliegen hatte. Klein-Ola stellte den einen Fuß vor und steckte die Hände in die Taschen.

Nach einer Weile sagte er:

Ich wollte dich bloß fragen, Vater, ob du Lust hättest, im Herbst einmal auf eine Pfanne Speckeier zu mir zu kommen?

Willst du denn ein Gelage geben?

Oh, nicht gerade ein Gelage. Ich hatte gedacht, außer dir sollte nur noch Paal Platz dabei sein und ich selber.

Ja, besten Dank, das will ich gern.

Das ist schön; du mußt nämlich ein Ei stellen.

Sollen denn die Gäste ihr Essen selber mitbringen?

Nein, so war's nun nicht gemeint; das Ei müßt' ich nämlich gleich haben –. Und nun erzählte Klein-Ola, wovon er die Mutter und Kari Kleiven hatte reden hören, und was er selbst zu tun gedächte.

Ja, da müsse Ola ihm freilich das Ei verschaffen, das war ja sonnenklar; aber was sollte denn Paal Platz beisteuern?

Den wollte er bitten, das junge Huhn solange bei sich unterzubringen, bis es groß geworden wäre; warten und füttern wollte er es schon selber. Beim Paal wären nämlich weder Hühner noch Weibsleute, die Sache würde also nicht ausgeplaudert, und er glaubte, es wäre das sicherste, wenn der Vater selber mit Paal darüber reden wollte.

Ja, das wollte Ola auch tun, aber nur unter einer Bedingung und zwar, daß er auch Kari Kleiven zu Gaste bäte. Denn keine hätte doch mehr Anrecht darauf als die.

Damit war Klein-Ola ganz einverstanden, er hatte bloß nicht daran gedacht. Und so wurden sie einig.

Der alte Ola fand darauf das Ei, er nahm es geradeswegs aus dem Neste, dessen Platz ihm Klein-Ola zeigte, und ging auch mit ihm hinauf auf die Oberwiese und half ihm in die Tanne hinauf, damit er das Ei nicht etwa entzweibräche.

Auf dem Rückweg sprachen sie bei Paal vor, und als der alte Ola ihm sehr feierlich und ausführlich ihr Anliegen vorgetragen und von der Gasterei erzählt hatte, die für sie und Kari Kleiven gegeben werden sollte, da sagte er durchaus nicht nein; er war bloß davor bange, daß so ein ärmlicher Platz wie seiner für solch einen seltenen, feinen Vogel nicht fein genug wäre. Aber der Sommer war bereits so weit vorgeschritten, daß er beim besten Willen keine Zeit mehr hatte, seinen Stall erst umzubauen.

Als sie heimwärts gingen, war Klein-Ola mit allem äußerst zufrieden, nur eins behagte ihm nicht: es war ihm so vorgekommen, als ob der Vater und Paal einmal gelächelt hätten, als er sich gerade umgedreht hatte, und so war er doch nicht ganz sicher, ob sie ihn nicht zum Narren hielten.

* * *

Rönnog Nordlien konnte gar nicht begreifen, wie das zuging; wohl war Klein-Ola alle seine Tage ein schlimmer Hosenreißer gewesen, aber heuer im Sommer konnte sie flicken, was sie wollte, seine Kleider waren trotzdem immer zerrissen. Sie ahnte aber auch nicht, daß Ola jeden geschlagenen Tag oben im Elsternnest war, um nachzusehen, ob die Jungen noch nicht ausgekrochen wären; er hatte damit gleich am nächsten Tage begonnen.

Je weiter die Zeit vorschritt, um so ungeduldiger wurde er und war da wohl zweimal und noch öfter an einem Tage dort; es war also nicht zu verwundern, daß es über die Hosen ging. Endlich, nachdem mehr als drei Wochen verstrichen waren, hörte er, es piepste – ja wirklich, nun waren sie da! Er fühlte nach seiner Zipfelmütze, um sich zu überzeugen, daß sie auch in Ordnung war; er hatte eine Schnur unten eingebändelt, um die Mütze damit zuziehen zu können, und einen Haken daran befestigt, mit dem er sie in den Gürtelring einhängen wollte, wenn er wieder herunterkletterte. Ja, die war in Ordnung. Nun kletterte er, so rasch er vermochte, hinauf und – dort lagen drei nackte Junge und rissen die Schnäbel auf, aber in der Mitte lag eins mit Federn auf dem Leibe und stieß die andern mit seinen Füßen fast zum Nest heraus. Da hatte er das wunderbare Huhn!

Er nahm es vorsichtig heraus, es versuchte sogar, ihn in die Finger zu hacken, steckte es in die Mütze, schnürte zu und hängte sie hinten an den Gürtelring. Darauf kletterte er eiligst hinunter und lief zu dem Häuslerplatz. In einer Ecke im Sommerstall hatte er einen Bretterverschlag eingerichtet, mit Stäbchen zum Draufsitzen; hier sollte das Huhn fürs erste bleiben.

Er war nicht wenig stolz, als er es glücklich in den Verschlag gebracht hatte und es bereits anfing herumzuhüpfen, und nicht minder stolz wurde er, als er Paal herbeigeholt hatte, um es ihm zu zeigen, und Paal sagte, das sei allerdings ein ganz merkwürdiger Vogel; am meisten gliche er dem Vogel Phönix, von dem er in einem Geschichtsbuche gelesen hätte.

Nun bekam Ola alle Hände voll zu tun mit dem Warten, viele Male am Tage war er oben auf dem Platz, und es war ganz unglaublich, was er alles dem Huhn mitbrachte. Und es fraß auch alles, Sachen, die Hühner sonst nie zu fressen pflegen. Dafür wuchs es aber auch fabelhaft rasch; es dauerte nicht lange, bis aus den weichen Daunen Federn zu werden begannen, und jetzt sah Ola auch, daß es nicht einmal dieselbe Farbe bekam wie andre Hühner, sondern schwarz und weiß gestreift, fast wie eine richtige Elster. Und ehe er sichs versah, begann es herumzuflattern und setzte sich des Nachts auf die Stäbchen; es fiel ihm sichtlich leicht, zu fliegen, seine Flügel waren auch länger, als es bei Hühnern sonst der Fall ist.

Eines Tages war es bis auf die oberste Kante des Verschlags hinaufgeflogen, und am folgenden Morgen, als Ola kam, saß es sogar auf der Stalltür, die gerade offen stand. Nun war es fast so groß wie ein gewöhnliches Huhn, und Ola wurde ein bißchen bedenklich, es sah ja aus, als bekäme es einen Hahnenkamm und einen Bart unter dem Kinn; aber das war wohl, wie es sein mußte, sintemal es ein so ganz apartes Huhn war. Zutraulich wurde es auch, zu Ola wenigstens; es flog ihm auf die Schulter, was Hühner sonst nie zu tun pflegen.

Eines Morgens saß es, als Ola kam, bereits auf dem Dachfirst des Stalls. Als es seiner ansichtig wurde, schlug es mit den Flügeln und fing an zu krähen, aber so merkwürdig krächzend, ganz wie eine Elster.

Ja wahrlich, war nicht ein Hahn aus ihm geworden? Er wußte nicht, sollte er sich ärgern oder nicht. Für sich dachte er, es sei auch ganz schön, einen Hahn zu haben, aber er war doch nicht ganz sicher, was die Mutter und Kari Kleiven dazu sagen würden.

Er vertraute sich sowohl dem alten Ola an wie auch Paal. Nun, die meinten alle beide, ein Hahn wäre unbedingt das allerfeinste; sie waren fest überzeugt davon, daß Kari Kleiven derselben Meinung sein würde.

Der Hahn wuchs unglaublich schnell während des Herbstes, bald war er ebenso groß wie ein gewöhnlicher Hahn. Das Allermerkwürdigste war aber, daß er anfing, in den Wald zu fliegen und sich dort auf die Bäume zu setzen, etwas, was Hühner sonst nie tun.

Dort saß er des Nachts über, und wenn Ola am Morgen kam und ihn lockte, kam er angesaust wie ein großer, wilder Waldvogel und setzte sich ihm auf die Schulter. Aber er war freilich nicht gleich gutgesinnt gegen alle. Den ganzen Sommer über hatte er keine andern Leute zu sehen gekriegt als Klein-Ola und Paal Platz; Weibsleute hatte er überhaupt noch nicht gesehen. Und eines Tages, als die Sennerin von Nordlien mit einem Auftrag im Walde gewesen war, kam sie ganz entsetzt heim und erzählte, ein großer, merkwürdiger Vogel sei mit einem Mal aus einer Tanne herausgefahren gekommen, wäre ihr gerade ins Gesicht geflogen und hätte versucht, sie zu kratzen.

Da sagte der alte Ola, nun sei es wohl das beste, er ginge zu Kari Kleiven und fragte sie, welchen Tag sie kommen könne, dann wollten sie den Festschmaus abhalten und den Hahn überreichen.

Er müsse aber wohl erst mit der Mutter reden, wenn überhaupt aus dem Schmause etwas werden sollte?

Das würde der alte Ola besorgen, er würde sie schon dazu kriegen.

Ola trabte davon. – Ja, Kari könne bereits den morgenden Tag kommen!

Der Tag kam. Rönnog Nordlien begriff sofort: wenn der alte Ola mit im Spiele war, so geschah es, weil er ihr und Kari einen Schabernack spielen wollte; aber so gefährlich würde es wohl nicht sein, sie gönnte dem Alten gern einen kleinen Spaß. Sie wollte gern Speck für sie braten und Kaffee kochen.

Klein-Ola hatte den Hahn herbeigeholt und im Schafstall versteckt, und nun saßen sie alle um den Tisch herum und ließen sich den Kaffee schmecken, nachdem sie sich an einer ordentlichen Pfanne Speckeier gütlich getan. Und Kari hatte ihren Pfeifenstummel im Munde und wußte nicht genug davon zu erzählen, wie merkwürdig solche verwilderte Hühner wirken könnten; sie hatten weder ihr noch Rönnog etwas davon gesagt, daß ihrs ein Hahn war.

Ja, meinte der alte Ola, sollten die Hühner nun wieder mehr Eier legen, so wollten sie ihr auch ein andermal, wenn sie wieder käme, eine weitere Pfanne Speckeier nicht mißgönnen.

Mehr Eier? Aber natürlich! Das wäre so sicher wie daß sie Kari hieße!

Klein-Ola saß bloß dabei und wartete darauf, daß sie mit ihrer Pfeife fertig würde. Als die endlich ausgeraucht war, stand er auf.

Ja, nun müßt ihr mitkommen, bis ganz dicht an die Schafstalltür.

Sie gingen alle hinaus und zum Schafstall hin. Kari, die am Stock ging, trat als die, die sich am besten darauf verstand, am nächsten an die Tür heran; hinter ihr standen der alte Ola, Rönnog und Paal Platz.

Klein-Ola ging in den Stall hinein. Sie hörten ihn locken; darauf hörten sie etwas flattern. Bald darauf ging die Tür auf, und er erschien auf der Türschwelle. Auf seiner Achsel saß der Hahn. Es war ziemlich dunkel drinnen gewesen, und der Hahn blinzelte ein bißchen mit den Augen, als er ins Tageslicht kam. Dann aber, als er wieder sehen konnte, schlug er mit den Flügeln und krähte.

Da schrie Kari:

Aber, was ist denn das für dummes Zeug! Das ist ja bloß ein Hahn!

Ob nun der Hahn sie verstanden hatte, oder ob es war, weil ihre Stimme so krächzte, Tatsache ist: als er sah, daß es ein Frauenzimmer war, neigte er erst den Kopf ein bißchen zur Seite, bauschte dann seine Nackenfedern auf und – da saß er ihr mitten im Gesicht und hackte auf sie ein.

Sie schrie und versuchte ihn abzuschütteln, zerrte an ihm und schlug mit den Händen wild um sich. Endlich gelang es ihr, ihn wegzustoßen, und er fiel auf den Boden.

Du Scheusal! Du freches Vieh! Du gemeiner Racker! Sie hob den Stock: du – du –

Aber der Hahn ließ sich nicht lumpen; er kam von neuem angesaust, und da saß er ihr wieder mitten im Gesicht. Es gelang ihm, ihr ein paar tüchtige Schrammen beizubringen, ehe sie ihn loswerden konnte. Nun war sie aber auch so rasend geworden, daß sie sich vor Wut nicht zu beherrschen und kein einziges Wort herauszubringen vermochte. Sie hob ihren Stock, und ehe noch Klein-Ola dazwischenfahren konnte, hieb sie mit aller Kraft auf den Hahn los, so daß er nur noch ein paarmal mit den Flügeln schlagen konnte und dann auf dem Flecke liegen blieb.

Eine Weile war es ganz still. Dann trat Paal vor, hob den Hahn auf und sagte ganz ruhig und höhnisch:

Wahrhaftig, Kari, du hast ihn besiegt.

Klein-Ola konnte anfangs kein Wort hervorbringen, so wütend war er, dann aber ballte er die Fäuste, trat ganz dicht an sie heran und sagte:

Nun magst du wahrhaftig den Hühnern das Eierlegen selber beibringen.

* * *


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