Heinrich Zschokke
Jonathan Frock
Heinrich Zschokke

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Und als Frock sein Stübchen bei der alten Witwe wieder betrat, hätte er weinen mögen vor Freuden, und Tisch und Stühle wie alte, wiedergefundene Freunde umarmen und küssen mögen. Aber den ersten Gang machte er doch mit dem Fernrohr zum Fenster hinten hinaus. Er grüßte die drei Bäume mit den Seilen, woran wieder das weiße Linnen wehte, wie Wimpel und Fahnen, ihm zu Liebe ausgehängt und ihn zu begrüßen. Aber die artige Blaufärberin mit Berenicens Lockenwuchs kam leider nicht grüßend hervor.

Ein wunderlicher Mensch war Frock bei dem Allem. Er hatte ein Herz voll Tugend, folglich aller Seligkeit der zartesten Freundschaft fähig. Und doch blieb er von den Menschen zurückgezogen, und zog ihnen Fernsichten, Waschseile, Stühle und Tische vor. Er mochte seine Gründe haben, die man schweigend ehren muß. Die Zuneigung und Dankbarkeit, welche ihm der Fürst bezeugte, hatte ihn sehr gerührt; und doch fiel ihm nicht bei, dem Fürsten um eines Strohhalms Breite näher zu treten. Der Fürst hatte ihn sogar zu sich eingeladen, ihm von einer Stelle an der Schulanstalt seines Fürstentums gesprochen: und Frock, der ohne Versorgung war, verneigte sich doch nur stumm und ablehnend dabei. Der alte Major von Tulpen hatte ihn gewiß recht herzlich um nähere Bekanntschaft und Umgang gebeten; aber wer nicht kam, war Frock. Und doch war er nichts weniger, als menschenscheu; und übergroße Geschäfte fesselten ihn auch nicht ans Zimmer; denn obwohl er sogleich sein Aushängeschild wieder an das Haus der Witwe befestigte, kam doch in den ersten Tagen seiner Befreiung Niemand, seine Schreiberdienste in Anspruch zu nehmen.

Endlich erschien eines Abends der Major selbst und sagte: »Könnte wohl bis zum jüngsten Tag warten, Jonathan Rock oder Tarrock, ehe du zu mir kämest. Drum fort, mit mir, daß du mein Haus finden lernest. Es ist heut mein so und so vielter Geburtstag. Habe den Keller voll Burgunder und Pontak und Champagner, mit dem mich der Fürst von Dings da bereichert hat, bloß für den Gang mit ihm zum Juwelier und zu dir, und für die Geschichte von der Dose, die ich oft genug schon ganz unentgeltlich erzählt habe.«

Frock widerstand nicht. Sie setzten sich in eine Lohnkutsche, weil es schon dunkel war, und fuhren ab. Der Major war ungemein aufgeweckt und gesprächig, wie immer; als sie aber beinahe an Ort und Stelle waren, hob er an zu pesten und zu fluchen. »Dummer Streich!« rief er: »Fahre vor dem Registrator Dings da vorbei, und hab' ihm doch gesagt, ich werd' ihn zum Abendessen abholen. Der ist ein kreuzbraver Mann; wirst dich freuen, Jonathan, ihn kennen zu lernen. Nun, ich setze dich bei meinem Hause ab, und fahre wieder zurück und hole ihn.«

Der Wagen mußte halten, Frock absteigen, ins Haus gehen. »Rechter Hand ins Zimmer!« rief der Major, und fuhr zurück.

Frock tappte im Dunkeln der Hausflur; fand die Tür; pochte an; ward hineingerufen, sah den gedeckten Tisch; helle Kerzen brannten – und in dem Augenblick ward es ihm fast dunkel vor den Augen. Denn die berühmte Blaufärberin stand lebendig vor ihm da mit ihrem goldenen Haarwuchs, und empfing ihn sehr gütig.

»Ich bin ohne Zweifel verirrt«, stammelte er, »denn ich wollte zu Herrn Major von Tulpen, den ich hier erwarten soll.«

»Sie sind am rechten Ort; mein Vater kann nicht mehr lange ausbleiben, wenn Sie sich ein Weilchen gedulden wollen!« sagte sie und bot einen Stuhl. Ein junges Mädchen von zehn Jahren trat vor, betrachtete einen Augenblick lang den Fremdling, und sagte zu ihm schüchtern und mit angenehmem Lächeln: »Nicht wahr, Sie sind der Herr, der für den Vater eine goldene Dose weggegeben hat?«

»Nicht weggegeben, ich habe sie wieder!« sagte Frock, der sich von der ersten Bestürzung nicht erholen konnte. Aber seine Bestürzung ward noch größer, als die Goldgelockte ihm ganz nahe trat, ihre schöne Hand sanft drückend auf seinen Arm legte und sagte: »Ach wie viel sind wir Ihnen alle schuldig! Die Dose muß Ihnen ein rechtes Heiligtum werden, da sie Ihnen nun das Denkmal von zween Menschen geworden ist, die Sie retteten.«

»Sind Sie im Gefängnis so blaß geworden?« fragte ihn die Kleine, und sah ihn mit recht mitleidigen Augen an: »Ich habe oft für Sie gebetet, und es hat gewiß geholfen.«

Frock sah wohl, er sei hier schon bekannter, als er glauben konnte; und um das Gespräch von der Dankbarkeit zu ändern, erzählte er von der Anmut seines Gefängnislebens. Das fanden die beiden Schwestern sonderbar, daß er den Verlust seiner Freiheit so ruhig ertragen, und sogar im Verhaft viel Angenehmes gefunden habe. »Ich würde mich in einem Gefängnis gleich tot weinen«, sagte die Kleine, »wenn ich von Josephinen und dem Vater weg, da allein wohnen müßte.«

»Das glaub' ich, Fräulein«, sagte Frock: »aber wenn man um keine Josephine und keinen Vater zu weinen hat, so ist einem, mit reinem Herzen, überall wohl. Einem Menschen, der sich im Notfall genug sein kann, ist alles Äußere nur Bühnenverwandlung, und das engste Stübchen eine große Welt. Wer sich selber nicht genug ist, und Zufriedenheit von Umgebungen erwarten muß, lebt im freiesten Raum des Weltalls eingekerkert.«

»Aber doch auch so den ganzen, lieben Tag allein sein!« versetzte seufzend die Kleine.

»Wissen Sie denn, ob ich allein war? War nicht meine ganze Vergangenheit bei mir? War nicht der bei mir, der mehr ist, als aller menschliche Umgang? Wissen Sie, wer? Gott!«

Das Gespräch ward ernst, darum nicht minder anziehend. Josephine hörte, über eine Stuhllehne gebogen, schweigend zu. Ihre kleine Schwester hatte immer hundert Fragen und hundert Einwendungen.

Darüber trat der Major herein, mit ihm ein junger, bildschöner Mann, der Registrator Burkhardt. Dieser schien in der Familie schon ganz einheimisch, so vertraut tat er mit den Frauenzimmern. Frock war auf gutem Wege gewesen, bekannt zu werden; aber je unbefangener Burkhardt in diesem Kreise auftrat, je fremder fühlte sich Frock; er wußte selbst nicht, wie es zuging. Der Major stellte ihm den »kreuzbraven« Registrator vor. Das Gespräch ward allgemeiner, Frock zurückhaltender. Die Töchter des Majors entfernten sich und trugen die einfachen Gerichte zum Abendessen auf. Man setzte sich. Der Registrator kam an Josephinens Seite, Frock beiden gegenüber neben die gern plaudernde Leonore. Der Registrator hatte für seine Nachbarin unendlich viel Aufmerksamkeiten; Frock geriet bald mit Händen, bald mit Füßen in Verlegenheit, und zuweilen sogar mit den Augen. Die goldlockige Josephine war in der Tat, wie sie hinter dem Lichte der Kerze saß, und wenn sie sich zufällig mit dem edeln Gesicht aus dem Strahlenkreis vorbog, überraschend schön. Die Überraschungen waren nämlich auf Seiten Frocks; denn weder der Major noch Leonore achteten sonderlich darauf; eher vielleicht der »kreuzbrave« Registrator. Zum Glück stieß Herr von Tulpen fleißig mit den Burgundergläsern an; dann kam hintennach der brausende Champagner. Das hob unsern blassen Philosophen in diejenige harmlose Laune, welche alle Übrigen hatten. Nun wurde er sogar gesprächig und liebenswürdig. Besonders beschäftigte sich die lebhafte Plauderin Leonore voll Wohlgefallens mit ihm. Sie hörte ihm gern zu, wenn er erzählte; und da er bemerkte, daß sie im Kopfrechnen nicht zurecht kam, lehrte er sie dazu kleine Kunstgriffe. Das gab dem Kinde Anlaß, ihn ohne weitere Umstände zu bitten, ihr Lehrmeister zu werden. Sie versprach ihm, den Verlust seiner ehemaligen Zöglinge in dem Schwarzischen Hause, von denen er mit vieler Wärme geredet hatte, durch Dankbarkeit vollkommen zu ersetzen. »Denn«, sagte sie, »das waren doch nur Knaben, und die vergessen Einen den Augenblick, und sind viel zu wild und flüchtig.« Frock ließ sich zu dem Versprechen hinreißen, ihr in der Woche Mittwochs und Sonnabends ein paar Stunden zu widmen. Der Major drückte ihm väterlich dankbar die Hand. »Geschieht mir«, sagt er, »bei dem Mädchen da ein recht wichtiger Dienst. Hab's nicht, sonst hätt' ich's gern schon in die Fräuleinschule geschickt. Dem Windbeutel tut's Not, still sitzen zu lernen.«

Frock wußte nicht, welche Not er sich aufgebürdet hatte. Aber schon den folgenden Tag bereuete er es, wie nicht weniger das gegebene Versprechen, in der Tulpenschen Familie den folgenden Tag zu Mittag zu speisen. Es war eben ein Sonntag.

 

Er hatte, weil er spät nach Hause gekommen war, lange geschlafen. Das Läuten der Glocken, die von allen Kirchtürmen nahe und fern zum Gottesdienst riefen, weckte ihn. Er besann sich des gestrigen Tages beim Ankleiden. Sein erster Gang war natürlich zum Fernrohr und Fenster. Aber als er das Rohr zum Auge heben wollte, legte er es geschwind nieder, schloß das Fenster, sah den ganzen Morgen nicht wieder hinaus, und ging singend und pfeifend im Stübchen auf und ab. Gegen Mittag schrieb er dem Major ein Briefchen, meldete ihm, er könne heut' unmöglich kommen, ihm sei nicht ganz wohl; siegelte zu, und besann sich nun, daß er keinen Boten zum Versenden habe, und am Ende wohl den Botendienst selber verrichten müsse. Zudem war es spät und gegen alle Höflichkeit, auf sich warten zu lassen. Er zerriß den Brief und ging zum Major; aber bereute bei jedem Schritt, den er tat, die, welche er schon getan hatte.

Er ward mit eben der Güte und liebenswürdigen Unbefangenheit aufgenommen, als es den Tag vorher geschehen war; und er selbst fühlte sich bei diesen guten Menschen behaglicher, als das erste Mal. Sie zeigten sich alle, so schien es ihm, in einer feierlichen Stimmung, die kleine Leonore nicht ausgenommen. Die lieben Leute waren erst aus der Kirche gekommen, und die Andacht des Gottesdienstes hinterließ in ihren Seelen einen schönen Ernst, der ihre gewohnte Freundlichkeit milderte, ich möchte sagen, adelte.

»Sind Sie auch in der Kirche gewesen?« fragte ihn Leonore.

»Heute nicht!« antwortete Frock.

»Komm' ich Sonntags nicht zur Kirche«, fuhr Leonore fort, »so ist mir's nicht wie Sonntag, und die ganze Woche wird mir gemein und schlecht. Der Sonntag ist gewiß unter allen Tagen, wie die Sonne, welche den übrigen Tagen Licht gibt. Ich kann es wohl begreifen, wie Menschen endlich zu groben Verbrechen übergehen, wenn sie keinen Sonntag haben.«

»Glauben Sie nicht, liebe Leonore, daß es auch gute Menschen ohne Sonntag gebe?«

»O wohl mag es geben. Aber dann ist ihr Gutsein doch nur ganz gemein, und für sie selbst nicht erquickend. Sie werden gut sein aus Verstand, aber es kommt nicht aus dem Schönsten hervor.«

»Was nennen Sie denn das Schönste?«

»Ei, das Schönste ist das Schönste. Sie wissen's besser, als ich. Sagen kann ich's nicht. Es ist das Schönste, wenn ich in der Kirche höre und bete, und dann mit dem Himmel eins werde, und ich von dem, was in und außer der Kirche ist, denke: das vergeht! Und ich doch daneben weiß, das Beste bleibt in unvergänglicher Herrlichkeit, und alle meine geliebten Toten leben mit mir, und meine Mutter und mein Großvater, und viele Helden, von denen mein Vater erzählt, und Jesus Christus und viele heilige Seelen leben seliger, als ich, und leben noch mit mir, und lieben mich, wie ich sie. Das ist das Schönste. Dann höre ich das Flüstern der betenden Herzen und den heiligen Orgelklang und die Stimme des Predigers, und höre es auch nicht; und doch spricht Alles in mich hinein, und ich verstehe es, und vernehme doch nichts.«

Frock lächelte. Er hing mit seinen Blicken am Mienenspiel Leonorens, die wie aus Entzücken redete. Dann bog er sich herab über das Mädchen, welches ihn ansah, als erwarte es eine Antwort, und küßte die helle Stirn des Kindes, ohne eine Silbe zu sagen.

»Das Mädchen schwatzt wie ein Star«, rief der Major, »aber es schwatzt mir oft Sachen aus dem Herzen heraus, wie ich sie habe, und wie ich sie nun und nimmermehr auf die Zunge zu bringen wüßte.«

Nach dem Essen ward ein Spaziergang vorgeschlagen. Man ging in das sogenannte Lilienthal, ein benachbartes Wäldchen, eine Viertelstunde von den äußersten Häusern der Vorstadt. Im Innern des Wäldchens lag zwischen Wiesen und Gärten ein Gasthaus, wo sich die Bewohner der Hauptstadt zu vergnügen pflegten. Frock führte beide Schwestern am Arm. Der Major ging plaudernd nebenher. Josephine verriet in ihren Gesprächen eben so viel Geist und Gefühl, als sie schön war.

»Es ist doch ein prächtiger Tag!« rief Leonore, und hüpfte vor Freuden: »Ich bin ganz gewiß im Himmel, ich bin im Himmel! Und wären Sie in der Kirche gewesen, Herr Frock, so würden Sie nun auch im Himmel sein.«

»Aber wenn ich Ihnen sage, meine fromme Leonore, ich bin wirklich in diesem Augenblick im Himmel!«

»Nein, Sie gehen nur spazieren. Aber ich bin im Himmel. Sehen Sie, alle Blumen haben brennendere Farben und sehen still und himmlisch aus; und das Laub an den Bäumen ist durchsichtig, wie wenn es grüne Flammen wären, und der Himmel hat ein anderes Kleid und die Sonne einen andern Schein. Alles hat eigene Weise und Stellung, und Alles sagt etwas Festliches an; aber ich begreife es nur nicht ganz. Doch ich werde es gewiß einmal verstehen lernen.«

Frock war im Himmel, trotz dem, daß es Leonore wegleugnen wollte. Die ganze Welt prangte ihm am Arme Josephinens anders. Er hörte Leonoren gern plaudern, um schweigen zu können. Denn das Reden war ihm lästig, weil er von Empfindungen bedrängt wurde, die er sich nicht klar machen konnte.

In Lilienthal fanden sich Bekannte des Majors, Bekannte von Josephinen und Leonoren: man trat zusammen, man ging mit einander. Frock, als fremd, zog sich zurück. Er stellte sich Pflanzen suchend, und ging ins Gebüsch, und kam nicht wieder.

Der Major vermißte ihn nach einer Stunde zuerst. Man erwartete ihn und unterhielt sich mit Andern. Als es aber Zeit war aufzubrechen und an die Heimkehr zu denken, und Frock noch immer ausblieb, sprang Leonore fort, um im Wäldchen zu suchen. Der Major fluchte und nahm in gleicher Absicht einen andern Weg. Josephine erinnerte sich, in welcher Richtung Frock gegen die Gebüsche gegangen war, und folgte derselben. Wirklich fand sie ihn seitwärts unter einer Eiche im Grase liegend, das Gesicht in die gefalteten Hände gelegt, auf dem Erdboden. Sie glaubte, er sei entschlafen, und nannte seinen Namen leise. Er fuhr plötzlich mit verstörter, totenbleicher Miene auf; starrte sie einen Augenblick an; zwang sich zu einem höflichen Lächeln; bat um Verzeihung, die Gesellschaft verlassen zu haben, und wunderte sich, als er hörte, daß es Zeit sei, sich auf den Heimweg zu machen. Er begleitete sie, aber stumm und verlegen.

»Ihr Aussehen ist sehr übel«, sagte Josephine, »vielleicht ist Ihnen nicht wohl.«

»Mir war es nicht!« sagte er: »Aber ich fühle mich gestärkter.«

Die Andern kamen und erschraken bei Frock's Anblick. »Was hat's gegeben, Freund Jonathan?« fragte Herr von Tulpen mit weicher Stimme: »Du hast rote Augen geweint, und noch jetzt sehen sie gläsern hell aus.«

Frock lächelte, wischte sich mit flacher Hand über das Gesicht, und sagte: »Es kommen mir zuweilen Einfälle.« Niemand drang weiter in ihn.

Auch drang Niemand in ihn, wenn er in folgenden Tagen zuweilen in der Mitte des Gesprächs verstummte, oder in der allgemeinen Heiterkeit düster ward, oder bei gleichgültigen Worten errötete. Jedermann ehrte sein Geheimnis. Es dauerte lange, ehe selbst in der Tulpenschen Familie das Gespräch darauf gebracht ward, wenn er abwesend war.

Regelmäßig kam Frock Mittwochs und Sonnabends, Leonoren zu unterrichten. Er ließ es nicht bloß beim Rechnen. Er erzählte die Hauptbegebenheiten der Weltgeschichte; er erklärte vielerlei Erscheinungen der Natur. Er sprach sehr gut, klar und bestimmt; nie aber mit höherer Wärme, als wenn er vom Sinnlichen einen Übergang zum Übersinnlichen machte und sich in religiösen Gedanken verlor. Das geschah oft. Es schien ihm Bedürfnis zu sein. Josephine richtete es immer so ein, daß ihre Arbeiten außer dem Hause vollendet waren, wenn Frock kam. Dann setzte sie sich horchend und strickend ans Fenster in ihren Winkel. Frock, welcher ihr anfangs wegen dessen, was er für ihren Vater getan, als ein achtungswürdiger Mann erschienen war, machte bald durch die Anmut seines Umgangs und die Erhabenheit seiner Gesinnungen die kleinen Widerlichkeiten vergessen, die ihr an ihm entgegen gewesen waren, z. B. das bleiche Antlitz und dazu das krause, rabenschwarze Haar. Sie empfand wirklich etwas Freundschaftliches für ihn, und herzliches Mitleiden, wenn er ohne äußern Anlaß traurig, oder ernst, oder still war.

»Er verschließt einen großen Schmerz in seiner Brust!« sagte Josephine oft zu Leonoren, die ihn gern gefragt hätte: »Sei bescheiden gegen sein Geheimnis. Im Schwarzischen Hause hielt man ihn wegen seines Betragens für einen reuigen Verbrecher, ich glaube, seine Traurigkeit hat einen hochedeln Grund.«

 


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