Ignaz Vinzenz Zingerle
Sagen aus Tirol
Ignaz Vinzenz Zingerle

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Der Riese Haymon

»Bey Regierung Kaisers Ludwigen des anderen dieß namens, ungefähr umb das Jahr Christi 860ist in das Innthal kommen aus Italien, oder wie andere wellen, und glaubwürdiger zu halten ist,von dem Rheinstrom eine lange Mannsperson, Haymon genannt, so nach Anzeig und Ausweisung derselbenWappen von einem adelichen Geschlecht geborn sein muß, dann dergleichen Wappen dazumal gar theur, seltsam und in hohem Ansehen gewesen sind, diser weil er stark war von Gliedern und lang zwölfWerchschuh vier Zoll und also den Goliath um etwas wenig in der Länge übertroffen, hat erder Riesen arth nach ein übermüthigs, stolz und aufgeblasenes Herz bekommen. Und weilin dieser Landfarth, in dem oberen Innthal ein anderer Ries war mit Namen Thürsus, hat er denselbennit leiden wellen, sondern ihme stark nach seinem Leben gesetzt und nachgetrachtet.

Haymon war noch jung und in dem 35. Jahr seines Alters. Einstmals kamen sie bede nahent bei dem Seewelt,an einem Bach zusammen, kämpfen mit einander so ernstlich, daß Thürsus auf dem Platzverbleiben und sterben müssen. Daßelbig Ort wird noch heutigs Tags von den Inwohnerndaselbsten der Thürsenbach genannt und die roten Stein so daraus genommen und hernach zu Wassergebrannt werden Thürsenblut genannt.

Ab sollicher That bekomt der Haymon einen großen Schmerzen und, weil er ein Christ war, gedenkter auf Mittel und Weg, wie er das vergossene Blut stillen, und sein Gewissen befriedigen möchte.Die Benediktiner münich zu Tegernsee waren dazumal in hohem Ansehen. Obgedachter Haymon wirddurch ihr Andacht dahin bewegt, daß er ihm aus dieser und vorgehender Ursachen halber,fürgenommen und sich entschlossen hat, in die Ehr des h. Benedikti ein ansehnlich Klosteraufzubauen an das Ort, da es dieser Zeit gesehen wird, und fürnehmlich auch darum, weiles an einem frischen Wasser, die Sill genannt, nahent gelegen, auch der Stein halber einen großen Vortheil geben, dann wie oben angezeigt worden, war vor etlich hundert Jahren daselbsten ein Stadtvon den Römern erbaut worden, Veldidena genannt, so hernach die Herzogen in Baiernzerstört und allein die Stein und gehaueten viereckigen Stuck von Tuffstein haben liegen lassen.

Als er nun angefangen zu bauen, hat sich derselben Orthen befunden ein großer Drack, so sichin den Hölen aufgehalten, dann es dazumal ein grobe wilde Landfarth und bloße Aue war.Dieser hat mit seinem vergifteten Athem den Luft fast infizirt, den Arbeitern großen Schreckeneingejagt, auch mit seinem Schwanz die neuen Mauern umfangen, niedergeworfen und zerissen.

Der Ries bekümmert sich sehr darob, befiehlt das Werk dem allmächtigen Gott, setzt sich widerden Dracken, treibt denselben in ein enges Loch und tödtet ihn gar meisterlich. Hernach schnitter ihm sein Zung aus dem Rachen, nahm die selb mit ihm, gab sie hernach dem neuerbauten Kloster,alda sie noch heutigs Tags gewiesen wird. Nach solcher Niederlag vollendet er den angehebten Bauund starb letzlich im Jahr Christi 878. Sein Leib wird zu der gerechten Hand des hohen Altarsim Chor begraben. Sein Bildniß wird über viel Jahr in Holz geschnitten und nochheutigs Tags gewiesen.« (Burglechner, Ander Theil des tyrolischen Adlers S. 343.)

 


 


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