Ignaz Vinzenz Zingerle
Sagen aus Tirol
Ignaz Vinzenz Zingerle

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Frau Hitt

In uralten Zeiten lebte eine mächtige Riesenkönigin, Frau Hitt genannt, und wohnte auf den Gebirgen über Innsbruck, die jetzt grau und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicherÄcker, und grüner Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte und jammerte, Schlammbedeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein Kleid schwarz aus, wie ein Köhlerkittel.Er hatte sich eine Tanne zum Steckenpferd abknicken wollen, weil der Baum aber am Rande des Morastesstand, so war das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum Haupt in den Moder gesunken, docher hatte sich noch glücklich herausgeholfen. Frau Hitt tröstete ihn, versprach ihm einneues schönes Röcklein und rief einen Diener, der sollte weiche Brosamen nehmen und ihn damitreinigen. Kaum aber hatte dieser angefangen mit der heiligen Gottesgabe also sündlich umzugehen, so zog einschweres, schwarzes Gewitter daher, das den Himmel ganz zudeckte und ein entzetzlicher Donner schlugein. Als es wieder sich aufgehellt, da waren die reichen Kornäcker, grünen Wiesen und Wälderund die Wohnung der Frau Hitt verschwunden und überall war nur eine Wüste mit zerstreuten Steinen,wo kein Grashalm mehr wachsen konnte, in der Mitte aber Stand Frau Hitt, die Riesenkönigin, versteinertund wird so stehen bis zum jüngsten Tage.

In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird bösen und muthwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt, wenn sie sich mit Brod werfen oder sonst Übermuth damittreiben. »Spart Eure Brosamen«, heißt es, »für die Armen, damit es euch nicht ergehe, wie der Frau Hitt.« (Innsbruck.)

 


 


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