Joseph Christian Freiherr von Zedlitz
Soldatenbüchlein
Joseph Christian Freiherr von Zedlitz

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Zwischen Gräbern.

Wenn ihr jungen Kampfgesellen zieht durch Ungarns Fruchtgefilde,
Und ihr seht auf öden Haiden nebelhafte Luftgebilde,
Wie sie an den Brunnen lehnen, an zerschossnen Mauerwänden,
Wie sie um die Kirchhofräume, um die Graben, Brücken liegen,
Wie der Hand das Schwert entfallen, ihre Haar' im Winde fliegen:
Geister sind es jener Krieger, die, gefällt von Todesblitzen,
Dort auf ihrer blut'gen Wahlstatt in den hellen Nächten sitzen;
Die um volle Rebenhügel, oder in den Wiesenthalen
Einsam lagern, einsam wallen, in des Mondes bleichen Strahlen.
Ach, es ist kein dürftig Fleckchen Grund in diesem weiten Land,
Wo nicht Tapferkeit und Treue Ruhm im Heldentode fand;
Wohin nicht mit Thränenströmen rothgeweinte Augen blicken,
Wohin fernher arme Seelen nicht sehnsücht'ge Grüße schicken!
Ja, der Tod hielt reichlich Ernte, wie er sie hierher gebettet,
Die zwar dem Geschick erlegen, aber Oestreichs Schild gerettet.
Ruft sie an, nennt sie beim Namen, daß sie im Vorübergehen
Sich der Waffenbrüder freuen, ihren Fragen Rede stehen! –

Von der Waag anmuth'gem Garten, längs der Wiesen, Weizenauen,
Von der Leitha schilf'gem Rande bis wo, trotzig anzuschauen,
Gleich dem wilden Stier der Pußta, das gewaltige Komorn
Ueber beide Flussesarme weithin streckt sein Doppelhorn:
Seht ihr Grab an Grab geschüttet, und in jedem schläft ein Held,
Und ein ewiges Walhalla breitet sich dieß Todtenfeld.
An der Donau beiden Ufern, überall auf allen Wegen
Tritt bluttriefend uns des grausen Brudermordes Bild entgegen! – –
Kommt zur stutenreichen Ebne, zu Babolna's weiten Haiden,
Wo die hohen Brunnen ragen, wo die schlanken Rosse werden,
Wo die edlen Füllen grasen, jener Zucht, die einst im Lande
Jemen trank aus salz'gen Quellen im erglühten Wüstensande.
Fühlt ihr, wie der Boden wanket, wo Moors Thürme sich erheben,
Weithin alle Hügel zittern, und die staub'gen Felder beben?
Kennt ihr jene Reiterschaaren, die, mit Sternberg an der Spitze,
Sich auf die Kanonen stürzen, unbesorgt um ihre Blitze?
Ottingers gewalt'ge Recken sind es, die mit scharfen Klingen
Zu entfliehn aus schlanken Leibern der Magyaren Seelen zwingen.
Opfer sind sie deinen Manen, edler Todter, hier gefallen:
»Dieß für Lamberg!« also hört man's bei jedwedem Hiebe schallen!
Doch auch von den Rächern mancher sank dem Eisen, dem Geschoße,
Und mit blutgetränktem Sattel rannten hin die leeren Rosse.
Gleich hier ist der Ersten Einer in des Sieges Arm gesunken,
Er, deß Blut die durst'ge Erbe hat wie Opferwein getrunken,
Schafgotsch,Graf Schaffgotsch, Rittmeister von Wallmoden-Kürassiere, fiel im Treffen bei Moor. dessen Klinge, würdig seines Namens, hier gewaltet,
Bis ihm der Rebellen Säbel Helm und Stirn zugleich gespaltet!
Diesseits liegen hundert Felder, hundert jenseits blutbegossen,
Wo der Fuß hintritt im Lande, ist ein rother Strom geflossen.
Csornya, Raab, Acs, Pußta Herkaly – wie so stumm dieß Feld der Leichen,
Wo gehäuft die Heldenschädel in der heißen Sonne bleichen!
Csornya! – Wyß,Generalmajor Wyß, einer der ausgezeichnetsten Officiere der Armee; er wurde auf einer Recognoscirung gefangen und niedergemacht. der Unerschrockne, der mit stolzem Todverachten
Wie zum Spiel ist eingezogen in das offne Thor der Schlachten:
Jetzt auch ist er ohne Herold, ohne Knappen eingeritten,
Doch nicht heimgekehrt vom Zuge, hat hier blut'gen Tod erlitten! –

Weit den Strom hinab blickt Ofen,Die Eroberung Ofens, wo 3000 Mann in einer unhaltbaren, eiligst befestigten, überall von höheren Bergen überragten und eingesehenen Stellung, hinter ein paar flüchtig errichteten Brustwehren dem Angriffe eines ungarischen Heeres von 30,000 Mann ihrer besten Truppen unter ihrem besten Generale so lange und so tapfer widerstanden, wurde sehr mit Unrecht dem vorgeblichen Verrath des italienischen Regimentes Ceccopieri Schuld gegeben. – Diese Verleumdung machte die Runde in allen Zeitungen, während gerade das Gegentheil wahr ist. Außer dem Obersten Alluoch, dessen Tod wie er hier erwähnt wird, stattfand, fielen von diesem Regimente bei der Erstürmung noch sechs Officiere: der Oberlieutenant Mühlwerth und die Lieutenants Sarti, Rosa, Dalaglio, Fiedler und Rosenzweig, und der tapfere Hauptmann Benigni wurde verwundet. Jedes geregelte Kriegsheer, von was immer für einer europäischen Macht, würde sich selbst und diese heldenmüthige Vertheidigung durch Milde gegen die Überwundenen geehrt haben; die Rebellenhaufen zeichneten sich noch nach der Erstürmung durch kalte Grausamkeit aus. herrschend über Städt' und Land,
Und um seine düstre Stirne liegt ein dunkles Wolkenband!
Manche Gräul' in alten Zeiten sahen diese Mauerzacken,
Als der Türke seine Ferse schlug in deinen stolzen Nacken,
Bis dich deutsche« Blut gelöset, deutsche Schwerter dich gerettet,
Deutscher Fleiß des Reichthums Teppich über deine Au'n gebettet! –
Dichte Feindesmassen stehen jetzt auf Bergen, in den Gründen,
Und ein ehrner Gürtel drohet her mit hundert mächt'gen Schlünden!
Als die Nacht hatt' ihre Schwingen über alle Höhn gebreitet,
Taucht ein Kriegsheer aus dem Boden, das heran zum Sturme schreitet;
Niederbrausen, wie die Bäche brausen von der Felsenkrone,
Von jedwedem Traubenhügel ungezählte Bataillone;
Als ob jeder Grashalm lebte, jeder Rebstock Waffen trüge,
Und aus jeder Baumeswurzel des Geschützes Flamme schlüge;
Während dicht die Eisenkugeln wie aus schwarzen Wolken wettern,
Von dem hohen Kranz der Berge nieder auf die Veste schmettern! –
Unermeßlich lärmt der Sturmruf, und die Schlachtendonner toben,
Trommeln wirbeln bald im Graben, bald hoch auf der Brustwehr oben:
Doch wie auch die Blätter fallen aus dem dürr gewordnen Kranze,
Fest noch stehen die Vertheid'ger auf der unerstiegnen Schanze.
Wo Gefahr am ärgsten drohet, wo die meisten Todten fallen,
Hört man aus dem schwarzen Pechrauch drohend Hentzi's Stimme schallen:

Hochgeschwungen seinen Degen, wirft er rasch die Feinde wieder
Von der fast erstürmten Bresche siegreich in den Graben nieder!
Doch stets frische Reihen eilen, auf die Mauern sich zu schwingen,
Ueber der gefallnen Leichen blut'gen Weg sich zu erzwingen;
Und wie, wenn bei mächt'gem Eisgang sich die Schollen Stück zu Stücken
Drängen, sie des mächt'gen Stromes Wogen endlich überbrücken,
So auch haben die gedrängten Massen festen Weg gefunden,
Und der Rettung letzte Schimmer sind allmählig hingeschwunden!
Hentzi fällt – die Tapfern fallen – und die Festung ist erstiegen,
Und von Ofens alten Wällen der Rebellen Fahnen fliegen! – –
Allnoch sieht's. Da spricht er ruhig: »Ich gelobte, diesen Ort
Lebend nicht dem Feind zu lassen,« und ein Braver hält sein Wort!
Und mit brennender Cigarre zündet er den Pulverlauf;
Mit gewalt'gem Donnerschlage kracht die volle Mine auf,
Und ein Flammenmeer blitzt jählings – und schwarz wieder ist die Gruft –
Und die wild zerstückten Glieder fliegen weithin durch die Luft! – –
Einer gegen zehn! So standen dieses Kampfs ungleiche Loose,
Und so steht des Kampfes Ehre! Leuchtend wird die makellose
Auf zum hohen Himmel strahlen; und so lang ein Berg am Strande,
Noch ein Pfeiler dieser alten Königsveste ragt im Lande,
Wird die mächt'ge Tuba tönen; eines Sternenbildes Pracht
Einst noch Hentzi's Namen führen, und hell leuchten durch die Nacht!
Doch nicht Einer wird von Jenen fort im Buch der Zeiten leben,
Die, befleckt von schnödem Meineid, sich der Schande hingegeben:
Denn die Edlen sterben nimmer; doch den Frevlern zugemessen
Ist der Guten Fluch im Leben, nach dem Tod ein schnell Vergessen! – –

Jenseits, wo an hoher Dome Fuß die grünen Wogen schlagen,
Wo empor die goldnen Thürme kreuzgeschmückter Tempel ragen,
Wo die weite prächt'ge Kuppel strahlet in des Himmels Blau,
Die ein Bischof nachgebildet einst Sankt Peters stolzem Bau,
Schimmert Waitzen! Welch ein wildes Schlachten hat sich hier erhoben?
Götz und JablonovskyDie Generale Götz und Fürst Jablanowsky. kämpfen, rings von Glut und Rauch umwoben!
Da aus eines Fensters Raume nahm ein Meuchler sich zum Ziel
Jener muth'gen Führer Einen – zielt, und schoß – und Einer fiel!
Götz sank nieder; und des Helden tapfrer Geist flog auf zum Himmel;
Doch der Mord fand seinen Rächer; blutig währte das Gewimmel,
Denn des edlen Polenfürsten muth'ge Seele hatt' beschlossen,
Hekatomben hier zu schlachten dem gefallenen Genossen! – –
In den Rebengarten Afzods rastet, früh vom Ruhm getragen,
Geramb,Oberstlieutenant Baron Geramb, durch Tapferkeit in hohem Grade ausgezeichnet, fiel in der Nähe von Aszod. dessen tapfres Herz hier schnell verblutend ausgeschlagen! – –
Ziehet längs den Höhen weiter, wo die frischen Wälder rauschen.
Wo sonst unbesorgt am Rande gern die scheuen Rehe lauschen,
Hinter jenem Fürstenschlosse, dessen baumumgebne Spitzen
In dem Strahl der Frühlingssonne hell wie goldne Flammen blitzen:
Sank durchbohrt der Kühnsten einer, weit voraus auf weißem Pferde,
Ohne Laut und ohne Zeichen mit dem Roß zugleich zur Erde!«Major Baron Piatroli, von Hartmann-Infanterie Nr. 9, kämpfte mit dem verwegensten Muthe gegen eine große Uebermacht bei Isaseg unweit Gödölö, dem prächtigen Schlosse des Fürsten Grassalkowich, am Charfreitag, 6. April.
Zürnend riefen seine Krieger: »Nimmer laßt in Feindeshänden
Unsres edlen Führers Leiche, daß sie nicht den Todten schänden!
Held Piattoli, nein, nimmer sollen dich die Honved haben,
Nimmer, wenn wir alle fallen, sollst du liegen unbegraben!«
Und ein blut'ger Kampf entspann sich. Neune sanken noch erschlagen,
Doch die Leich' auf ihren Armen haben sie davon getragen! – –

Theiß, du Ganges der Magyaren, ich betrachte dich mit Grauen,
Blutig roth sind deine Wellen, wüst zerstört dein Strand zu schauen!
Du, die frisch um ihren Thyrsus dort den jungen Kranz geschlungen,
Wo die Zimbeln unaufhörlich zu berauschtem Tanz geklungen,
Wo durch Hesperidengärten deine kaum gebornen Wellen
Lustig zwischen Tokay's duft'gen Nektarhügeln nieder quellen:
Ziehst nun langsam, weite Flächen hohen Schilfs an deinem Rand,
Fort durch schwarze schwere Triften und durch Szolnoks öden Sand,
Bis dein Strom, der wegesmüde, schiffetragend hingeflossen
Durch das Kanaan des Ostens, bis er endlich sich ergossen
In der hehren Donau Fluten! – Welch ein weites Todtenfeld,
Wo der Edelste und Höchste wie der Niedrigste ein Held! – –

Hier zog au« dem Eisfeld Polens Schlick durch der Karpathen Thore,
Trieb vor sich die flücht'gen Feinde durch Gebirge, Wälder, Moore,
Nach der Hernat steilen Rändern, wo die süßen Weine kochen.
Während bald an Kaschan's Pforten ehrne Schläg' um Einlaß pochen,
Sieht man, wie in engern Kreisen jetzt heran die Seinen schreiten
Stürmend, und mit sichrer Kugel Todesnoth dem Feind bereiten!
Ha, ihr grünen Reiterschaaren, wie bei dem verwegnen Jagen
Eure Sturmtrompeten schmettern! Gleichen Takt habt ihr geschlagen
Mit dem Schwert! Doch sind als Opfer dem erzürnten Gott des Krieges
Eurer Führer zwei gesunken in dem Morgenroth des Sieges,
Concoreggio,Concoreggio, Major im Regimente Kaiser-Chevauxlegers. der, bevor er auf dem blut'gen Feld erblaßte,
Kühn, ein andrer Meleager, den Sarmateneber faßte,
Der Podoliens Wald entkommen, jetzt in Ungarns schönen Auen
Wühlt', und in den fetten Boden seinen weißen Zahn gehauen.
BöhmRittmeister Baron Böhm, vom selben Regimente, ein junger Officier von großen Hoffnungen. Sohn des Gouverneurs von Olmütz, eines würdigen Veteranen aus dem Befreiungskrieg. auch fiel hier, dem der Vater früh den blut'gen Weg der Ehre
Zeigte; doch nicht war's beschieden, daß der schöne Jüngling kehre
Zu den Seinen! Voran ritt er in des Kampfes grimmstem Tosen,
Bis er sank, um's bleiche Antlitz einen Kranz von Purpurrosen! – –

Immer weiter! – Nach Kapolna führt die Straße! Sie durchschneidet,
Hochgedämmt, ein weites Moorland, wo das schwere Hornvieh weidet.
Eilig zogen Nachts die Honved in verworrenem Gedränge
Drüber hin, die Angst im Herzen, daß die Flucht am Tag mißlänge!
Held von Wien, der Ehre Spiegel, nimm in ungetrübtem Glanze
Diesen Lorbeer, der der deine, ein' ihn dem Erinnerungskranze,
Den zu Prag du auf die Bahre legtest jener Heil'gen, Frommen,
Die von deinem Herzen grausam frevler Mord hinweggenommen;
Als, ein Muster hoher Seelen, du, ein christlich milder Krieger,
Fortgescheucht der Rache Geister, deines eignen Busens Sieger! – –

Immer fort auf blut'ger Fährte! Tapio Bieske heißt der Flecken,
Wo dem fünfmal stärkern Feinde RasticsGeneralmajor Rastics, der Held des Tages, erhielt in diesem Treffen den Maria-Theresienorden. soll die Waffen strecken:
Doch ein Andres hatte Jener, und ein Andres Er beschlossen;
Er blieb stehn im Feld als Sieger, Jener floh davon verdrossen! – –

Szolnok! Unglück tönt dein Name, wild Entsetzen ruft er wach!
Längs den weiß getünchten Häusern rieselt wie ein rother Bach
Aus den Gossen deiner Straßen langsam der Erschlagnen Blut
In der Theiß, der uferlosen, angestaute trübe Flut;
Denn der Raum zur linken Seite ist vom Lauf des Stroms geschlossen,
Und rechts her in dichten Massen starrt's von blinkenden Geschossen,
Und es tönt der Feinde Trommel und die Bajonette ragen
Zahllos, wie das Schneegestöber herweht in des Winters Tagen! –
Jetzt gilts mit dem scharfen Schwerte sich den Rückzug zu erzwingen
Aus gewaltiger Umarmung, aus des Netzes ehrnen Schlingen;
Und beim bleichen Gott des Krieges, so geschah's am hellen Tage,
Trotz dem flammenden Geschütze, trotz der Kugeln Hagelschlage! –
Mancher ist nicht mehr gekehret, den sein Stern hierher gesendet:
Sachareck mit siebzehn Wunden hat als Reitersmann geendet!Rittmeister Sachareck von Kaiser-Dragoner.

Jenen Jüngling dort auch kenn' ich, der bei seiner Fahne ruht,
Ivo Feueregger heißt er – armes, wackres, junges Blut!War eben zum Officier ernannt und führte als Cadet, noch im Treffen von Szolnok, die Fahne des Bataillons.
Doch ein Held hat seines Blutes Purpurströme hier vergossen,
Die nicht edler und erlauchter je in Fürstenadern flossen.
Jenes Helden hoher Schatten steigt empor aus dem Gewimmel,
Riesengroß und lichtumflossen hebt er sich zum hohen Himmel!
Jener ist es, mit dem groben Lodenkittel angethan,
Er, ein Niedrer, Unbekannter, – nicht einmal ein Reitersmann, –
Des Geschützes Rosse führend! Sieh, da saust des Feindes Schuß,
Und zerschmettert aus dem Bügel niederhängt des Reiters Fuß! –
»Mag er hängen!« Jetzt nicht ist es Zeit, an Qual und Tod zu denken,
Vorwärts! Laßt grad in des Feindes Mitte das Gespann mich lenken,
Wo der Hölle Pfuhl eröffnet, Feuer regnet und Verderben,
Dort wo jetzt allein der Sieg wankt, ist der beste Ort zu sterben!«
Und hin fliegen die Geschütze! – Durch zwei heiße Kampfesstunden
Sorgt der Tapfre des Gespannes, seines Fußes nicht, des wunden;
Führt im Sturm der Feindeskugeln standhaft seinen Flammenwagen,
Ob todt neben, hinter ihm, auch Roß und Reiter niederschlagen!
Und ein zweiter Ball fährt nieder, und die früher heil geblieben,
Hüft' und Schenkel, seht sie krachend splitternd aus einander stieben!
Doch der Mann wankt nicht im Sattel; geisterbleich, voll Blut, doch heiter
Führt die siegende Kanone, bis der Kampf zu End', Er weiter!
Da erst als der Lärm des Tages auf dem blut'gen Feld verhallet,
Schon vom breiten Schilf des Stromes abendlich Gesäusel wallet,
Sprach er: »Hebt mich jetzt vom Pferd, und lohnt es noch die Müh, so tillet
Diesen Rest von meinem Blute, der mir aus den Wunden quillet!« – –
Wollt ihr mit dem Wallfahrtzuge pilgernd längs dem Berghang gehen
Gen Mariazell in Oestreich, werdet ihr ein Denkmal sehen
Stehn auf offner Straß', und lesen: »Scheder«Scheder, Gemeiner vom Artillerie-Fuhrwesen. in granitner Rahme:
Dieß ist dieses schlichten Helden ewig ruhmgekrönter Name,
Der nicht lebend seiner schönen Heimath frische sammtne Auen,
Nicht die blinkenden Krystalle ihrer Quellen mehr sollt' schauen!
Nicht das Land, das ihn geboren, deckt des Tapferen Gebeine;
Doch ein Herold seines Ruhmes ruft die Schrift im Marmorsteine;
Und die Leiche, die zu Pesth liegt, wo sein Geist zu Gott entflogen,
Ward gleich eines Kriegesfürsten todtem Leib in's Grab gezogen.
Jene hohen Führer alle, die das Heer im Kampf geleitet,
Haben dieses Troßknechts Bahre auf dem letzten Gang begleitet. –
Ach, wer kann sie alle zählen! Ist doch, wie wir weiter gehn,
Gleis an Gleis der Kriegeswagen tiefe blut'ge Spur zu sehn;
Bis zu Sirmiens fernen Strecken, bis zum blauen Donaubogen,
Den Wardein von hoher Wartburg überwacht, sind sie gezogen;
Und Brand, Mord, Verwüstung drangen in entsetzenvollen Reigen
Sich heran, euch durch die Oede den unsel'gen Weg zu zeigen. –
Wo der Donau blaue Flut sich wie ein dunkler Meerarm weitet,
In Wardein, der starken Veste, welch ein Werk wird dort bereitet?

In dem tiefen Festungsgraben ist ein Hügel Sand geschichtet,
Wo Rebellen Kriegsvolk harret! Kaum daß sich der Morgen lichtet,
Führt man drei gebundne Männer aus der nahen Kasematte,
Die zu Debreczin der Blutrath Kossuths sich erkoren hatte;
Und die Augen unverbunden, knien mit ungebrochnem Muthe
Auf dem Hügel sie – da kracht es, und sie liegen todt im Blute!
Niedern Rangs nur waren jene in des Kaisers großem Heere,
Aber erste Würdenträger in dem hohen Saal der Ehre:Der Stabsprofos Kusmaneck zu Peterwardein, die Unterofficiere Braunstein und Kraue und der Eigenthümer der Donaufähren Gerberich, konnten den Widerwillen, die Festung in den Händen der Insurgenten zu sehen, nicht mehr ertragen. Schon vom Augenblicke an, als sie durch Verrath in die Hände der Feinde übergegangen war, hatten sie den Entschluß gefaßt, sie wieder in die des Kaisers zu bringen. Sie wollten mit Hülfe der dort noch befindlichen vormärzlichen Militärarrestanten einen Aufstand ausbrechen lassen, eines der Thore angreifen und es dem die Festung belagernden Obersten Mamula, der, davon unterrichtet, zu gleicher Zeit dasselbe Thor von außen stürmen sollte, in die Hände liefern. Sie vertrauten ihre Absicht dem tapferen Major Graf Pimodan, der kurz zuvor von den Honveds gefangen nach Peterwardein gebracht worden war. – Der Versuch mißlang und die Treuen bezahlten ihn mit dem Leben. Die ungarischen Blutgerichte ließen sie erschießen mit Ausnahme des Grafen Pimodan, in dessen zu Paris erschienenen Aufzeichnungen über den Feldzug von 1849 in Ungarn die Erzählung dieses Unternehmens einen interessanten Abschnitt bildet. Sogar die gesammten Festungsarrestanten, früher Militärverbrecher, gaben den Rebellen ein demüthigendes Beispiel von Treue und Pflichtgefühl, indem sie alle, ohne Ausnahme, die Freiheit als Lohn für ihren Uebergang zum Feinde ausschlugen.
Wieder auf dem Wall der Festung sollten Oestreichs Fahnen weben,
Freudig an die Heldenhoffnung setzten sie das eigne Leben;
Pimodan, hier kriegsgefangen, war des kühnen Werkes Leiter,
Und Verbrecher, hier zur Strafe, waren die erhofften Streiter.
Kossuth trug einst Dienst und Freiheit ihnen an, doch sie erlitten
Lieber ihres Schicksals Strenge, als daß sie für ihn gestritten;
Mancher Unthat schuldig, trugen sie viel lieber ihre Ketten,
Als sich durch Verrath an ihrem angestammten Herrn zu retten. –
Welch ein Anblick durch die Haide! Fahler Dunst webt auf dem Grunde,
Den des Krieges Schrecken alle heimgesucht zur selben Stunde,
Pesthauch und des Feinds Geschosse! Wo die schattenlose Fläche
Ausgebrannt, die staub'gen Felder quellenlos und ohne Bäche,
Schutt die Brunnen! Wo kein Baum grünt und der Sommerhitze Gluten
Das Gehirn zum Wahnsinn sengend, senkrecht auf die Ebne fluten,
Hier am Fuß der Römerschanze, wo an oft bestürmter Wand,
Unbewegt, gleich einem Schlachtthurm, Knicanin, der Serbe, stand!
Titell, Kovil, O Kér, Hegyes – wo sind eure Weizenfluren?
Werden aus dem blut'gen Boden je hervor der Halme Spuren,
Je das Fruchtmeer wieder keimen, das hier schimmernd ausgestreckt,
Gleich als wär' das Goldvließ Jasons endlos drüber hin gedeckt? – –Die Gegend der unteren Donau zwischen Esseg und dem Franzkanal mit den Schlachtfeldern von Neusatz, Panczova, Peterwardein, Tittel, Perlaß, Mohorin, Kovil, Kacs, O-Ker, Hegpest, war wohl der Punkt des Kriegsschauplatzes, wo die Gräuel des Todes und der Verwüstung am furchtbarsten wütheten. – Die Bravour Knicanins, der diese Linie vertheidigte, Mamula's, Puffers und ihrer Truppen, überhaupt die beispiellose Aufopferung dieser Armee des Ban Jelacic gehört der Kriegsgeschichte künftiger Zeiten.


Bald erklungen ist der Schlachtlärm, ungehört verhallt das Stöhnen
Sterbender, die Schmerzenslaute, des Getümmels wildes Tönen,
Und das Blut, das statt des Thaues heut auf Halm und Gras gelegen,
Morgen wäscht die Tropfen wieder spurlos ab des Himmels Regen;
Ueber der Erschlagnen Leichen geht des Pflügers Eisenspaten,
Und vergnügt hebt sich die Lerche trillernd aus den Frühlingssaaten;
Nur der Schmerz einsamer Liebe sucht nach gramdurchlebten Jahren
Noch die Hügel ihrer Todten, und selbst diese Hügel waren!
Kommen die drei Brüder Pringle durch die Nacht dort nicht geritten?
Briten, tapfre Waffenbrüder, hohen Muths und edler Sitten.Drei Brüder Pringle, Söhne des englischen Colonels Pringle, dienten als Cavallerieofficiere in der östreichischen Armee. Einer von ihnen, Officier bei Schwarzenberg-Uhlanen, blieb bei dem Angriffe auf Engelsbrunn nächst Arad; die Art des Todes des zweiten, Rittmeisters bei Kaiser-Kürassiere, ist ungewiß; er blieb schwer verwundet auf dem Schlachtfelde bei Pered liegen. – Der jüngste Bruder konnte trotz aller gemachten Nachforschungen keine genauere Nachricht von seinem Tode einholen. Von Officieren, wie die Brüder Pringle, Dundas. der Oberstlieutenant Carry, die Brüder Yates Swinborn und so viele andere Briten in der östreichischen Armee, hätte man in England ganz andere und gewichtigere Nachrichten über die ungarischen Verhältnisse, über Veranlassung und Fortgang dieses unseligen Rebellenkrieges erhalten können, als sie John Bull von den ungarischen Flüchtlingen und Journalen wie Daily-News zu Theil geworden sind; Nachrichten die Lord Palmerston und die englischen Minister trotz besserer Ueberzeugung zu bestärken, aber nicht zu entkräften bemüht waren!
Ist's kein Pringle, dessen Stimme lauten Rufs von ferne schallt?
Doch die echolose Haide schweigt, und keine Antwort hallt! –
Ach, die Brüder beide liegen auf der Wahlstatt längst erschlagen
Und im Land umirrt der Dritte, ihre Leichen zu erfragen;
Wenigstens den Ort erkunden möcht' er, wo die Tapfern schlafen,
Die des Feindes scharfe Säbel, seiner Schützen Kugeln trafen! –
Ich auch rufe ihre Schatten in des Grabes Tiefe wach,
Daß sie bleich und blutig treten aus dem dunklen Erdgemach;
Ruf' die Männer Albions alle, hundert, die bei Oestreichs Fahnen
Standen und mit uns gegangen jene siegumstrahlten Bahnen,
Die gesehn das Land im Frieden und den Kampf des Rechts gestritten,
Daß sie mögen Zeugniß geben vor dem Parlament der Briten,
Wenn Verleumder frechen Mundes sich in seinem Schooß erheben,
Ehr' und Treue zu begeifern, Schande zu verklären streben!
Daß dem Lord voll Trug und Tücke, der wie Satan sitzt und sinnt,
Und die Welt in Brand zu stecken, schadenfrohe Pläne spinnt,
Der wie jener York im Purpur, einst im Tode wird erbleichen
Unter Krämpfen des Gewissens, aber ohne Gnadenzeichen;
Daß dem Mann auch auf dem Wollsack, daß den trunknen Meutrermassen,
Die in Barklays Bräuhaus Haynau ungestraft am Barte fassen,
Daß dem rohen Volk von England, das beim Frevel feig geschwiegen,
Kunde werde, wo der Ehre Nibelungenschätze liegen!
So dem edlen Marquis Landsdown' mög' es klingen in dem Ohre,
Wem er gastlich seine Pforten aufthut, wem Britanniens Thore!
Um geringrer Frevel willen, um Verrath, noch nicht begangen,
Mußten sonst die Söhne Irlands an engländ'schen Galgen hangen;
Und die Geier Joniens sah man schaarweis um die Leichen fliegen,
Die ein britischer Satrape eignem Wahlspruch hieß erliegen.
Drum was ihr daheim nennt Schande, preist's nicht außer Englands Gränze,
Und wenn eignen Schurken Stricke, windet nicht den fremden Kränze!
Thut es kund, Lebend'ge, Todte, – Briten, die in Oestreichs Heere
Starben, leben – auf, und redet, gebt Gott und der Wahrheit Ehre!
Nicht um Ungarns Volk zu knechten, zogt ihr aus mit unsern Fahnen,
Nein, daß es nicht andre knechte! Nicht vom Throne seiner Ahnen
Frech den hohen Jüngling treibe, der ein Stern ist aufgegangen
Goldner Hoffnung für die Zukunft und ein Trost nach langem Bangen.
Dort ein Grab noch laßt mich schauen – – doch wir müssen weiter ziehn
Ueber jene Ruhmesstätten, wo der Temes Wogen fliehn;
Wo, am Abgrund stehend, endlich die Verräther sehn mit Schrecken,
Daß der tolle Wahn zu Ende, sie die schuld'gen Waffen strecken;
Als dem eigenen Gewissen und dem Schwerte sie erlagen,
Und sich scheuten, ihre Blicke vor den Brüdern aufzuschlagen;
Als sie flohn in fremde Zelte, gleich wie Adam nach der Sünde
Nicht gewagt dem Herrn zu stehen und sich barg in dunkle Gründe! – –
Szegedin, erstürmt, erobert! – Szöreg, wo auf Dammesbreite
Gegen unzählbar Geschütze Oestreich schritt zum stolzen Streite –
Temeswar! das unbezwungen Trotz geboten allen Toden,
Auf die Thore! Oestreichs Fahnen flattern vom erstrittnen Boden!
Auf die Thore! deine Feinde fliehen ohne umzuschauen,
Wild geschreckt von Haynau's Schwerte und der eignen Seele Grauen! – –

Auch von hier noch liegt ein weiter Blutweg vor uns zu durchgehen,
Bis daß wir den letzten Markstein dieses grausen Kampfes sehen;
Noch auf Transsilvaniens Bergen müssen wir, in seinen Gründen
Helle Ruhm- und Todtenfeuer, weithinstrahlende, entzünden,
Hier wo treue Freundeshülfe muthig uns zur Seite stand,
Als wir fruchtlos umgeblicket rings um sie im deutschen Land!
Mögen eurer Helden Namen heimathliche Sänger finden,
Dir Skariatin und den Deinen den verdienten Kranz zu winden! – –

Heil dir, Karlsburg! Eine Handvoll Tapfrer hat hier gegen Heere
Ihrem Herrn den Platz erhalten, und sich selbst den Kranz der Ehre!Unter Obrist Augustin, einem sechsundsiebenzigjährigen Greise aus dem Pensionsstande.
Stolzenburg, zweimal erstürmte! Sieh mit seinen Grenadieren
Puchner, mit der Pfeif' im Munde, wie zum Spiel zum Sturm marschiren!
An der Brücke dort bei Piska wogt ein blutiges Gedränge!
Fröhlich reihten sich die Schaaren wie zu freundlichem Gepränge,
Die Muskete schwieg, die Scheide suchten unsrer Reiter Klingen,
Nicht mehr glaubten sie sie heute noch im Bruderkampf zu schwingen;
Weiße Friedensfahnen wehen, und kein Feind ist hier zu schauen,
Und des Kaisers ritterliche Krieger nahen mit Vertrauen,
Den bekehrten Reuevollen die versöhnte Hand zu reichen;
Denn noch niemals waren Ungarn eingeübt in Gaunerstreichen,
Wie sie noch als Waffenbrüder kämpften, rühmliche Genossen,
Mit uns Leid und Freude theilten, fest an Oestreichs Thron geschlossen:
Doch umsonst nicht hatten alle fremden Schurken hier geschaltet,
Nicht vergebens Bems Gesellen der Magyaren Ruhm verwaltet.
Wie sie nah genug sich stehen, öffnen plötzlich sich die Glieder,
Aus enthüllten Mordgeschützen schlägt Kartätschenhagel nieder;
Ein zerstörend Feuer rollet Schlag auf Schlag und legt die Reihen
Nieder, wie des Mähers Sense Schwad' auf Schwaden legt im Maien!
Dort ist Losenau gefallen, den der Ruhm vor Andern kränzte,Dieser ausgezeichnete Cavalerieoberst fiel an der Spitze der Truppen, nachdem er im Laufe des Feldzuges, sowie die beiden Cavalerieregimenter Savoyen-Dragoner und Ferdinand Maximilian-Chevaurlegers die glänzendsten Dienste geleistet hatte.
Der vor seinen tapfern Reitern wie ein heller Leitstern glänzte!
Baudissin!Zwei Brüder Grafen Baudissin fielen in diesem Kriege; beide ausgezeichnet tapfere Officiere. Sey euer Name nicht vergessen, den vom Strande
Holsteins riefen die Geschicke nach dem zweiten Vaterlande!
Allwärts ihrer Pflicht gedenkend, seinen alten Ruhm zu mehren,
Liegen Zweie, die ihn trugen todt auf diesem Bett der Ehren! – –
UrbanEiner der ausgezeichnetsten Generale der Armee. stand dem Sturm entgegen wildgehetzter Szekterhorde,
Der der Führer rothe Fackel leuchtete zu Raub und Morde;
Ein Odysseus, dem der Muth nie in der ehrnen Brust erkrankte,
Nie der Geist, der vielgewandte, rathlos in Gefahren wankte!
Neben ihm ein muntrer Knabe, den der Vater lehrt verachten
Tod und Wunden, selbst ihn sendend in den blut'gen Knäul der Schlachten,
Und dem auf der Brust die Zeichen mannhaft ernster Kämpfe glänzten,
Lang noch eh' des Bartes Flaumen seinen jungen Mund bekränzten! – –

Hermannstadt, du viel bedrängte, hast Raub, Brand und Mord erlitten,
Doch es hat sich deutsche Treue goldnen Namen hier erstritten!
Wallt dort unter Kriegerschemen nicht ein Priester? – seht ihn dort! –Der von den Insurgenten hingerichtete Prediger Roth.
Kennt ihr ihn? Von heil'ger Stätte zogen ihn die Mörder fort,
Ihn, den Greis, den hochbetagten, der ein Segen war dem Lande,
Schleift zum Mordpfahl hin und würget diese Blutgesellenbande! –
Ist kein Ziel denn dieses Weges? Hör' ich an den wilden Klausen
Nicht schon der Aluta Wasser schäumend in die Tiefe sausen?
Sind nicht hier die Felsenpforten zu der Türken Land zu schauen,
Sind dieß nicht die Moslimszelte, die dort ruhn im Nebelgrauen?
Ja, so ist's. Zum Rothenthurme, hin nach Borgo-Ruß gewendet,
Dort erst an des Reiches Grenze, ist der Gräbergang geendet! – –
Wen'ge hat des Sängers Stimme jener ruhmbedeckten Todten
Aus der heiligen Umzäunung ohne Wahl herauf entboten;
Nicht gesucht hat er im Kreise; Tausend schlafen unbesungen,
Und vielleicht die besten Namen sind's, die ungenannt verklungen.
Doch sie deckt das gleiche Bahrtuch, und dem einen Vaterlande
Sind sie eigen, dem verjüngten, neu verknüpft mit gleichem Bande! –


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