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Des Königs Schwelle

Dramatis personae

König Guaire Seanchan (sprich Schännahan)

Seine Schüler

Der Bürgermeister von Kinvara

Zwei Krüppel

Brian, ein alter Diener

Der Lord Oberkämmerer

Ein Soldat

Ein Mönch

Hofdamen

Zwei Prinzessinnen

Fedelm


Prolog.

Ein alter Mann in einem roten Schlafrock, roten Pantoffeln und roter Nachtmütze, einen Armleuchter tragend mit einer tropfenden Kerze, kommt von der Seite der Bühne und geht nach vorn vor den matt grünen Vorhang.

Der alte Mann Ich soll den Prolog sprechen. Er tut schleifend ein paar Schritte. Mein Neffe, der einer von den Schauspielern ist, kam zu mir – und ich schon in meinem Bett – und das Gebet gesprochen – und die Kerze gelöscht – und er sagte mir, es seien so viele Rollen in diesem neuen Stück, daß die ganze Gesellschaft darin beschäftigt sei, ob einer nun lang oder kurz bei dem Geschäft gewesen, und daß keiner übrig geblieben um den Prolog zu sprechen. Warten Sie ein wenig, es zieht hier. Er zieht den Vorhang dichter zusammen. So ists besser. Und darum bin ich hier und bin vielleicht ein Narr bei all meiner Mühe. Und mein Neffe sagte, es könnten Ihnen noch recht viele Stücke vorgespielt werden, einige heute und einige an anderen Abenden im Lauf des Winters und die meisten davon seien einfach genug und erzählen ihre Geschichte ganz zu Ende. Was aber das große Stück betrifft, das Sie heut sehen werden, so hat mein Neffe mich das zu sagen gelehrt, was der Dichter ihn darüber zu sagen gelehrt hat. Er setzt den Leuchter nieder und legt den rechten Zeigefinger an den linken Daumen. Erstens, er, der die Geschichte von Seanchan auf König Guaires Schwelle vor langer Zeit in den alten Büchern erzählt hat, hat sie falsch erzählt, denn er war ein Freund des Königs, oder hatte vielleicht Furcht vor dem König und so gab er dem König recht. Aber der die Geschichte jetzt erzählt, ist ein Dichter und so hat er dem Dichter sein Recht gegeben.

Und dann berührt den zweiten Finger muß ich sagen: einige meinen, die Geschichte wäre schöner wenn Seanchan am Ende stürbe und der König die Schuld vor seiner Türe hätte, denn so wäre schließlich der Sache des Dichters besser gedient. Aber das ist nicht wahr, denn wenn der, der in der Geschichte nur ein Schatten und Abbild der Dichtkunst ist, nicht erstanden wäre vom Tod, der ihn bedrohte, so wäre der Schluß nicht wahr und freudevoll genug gewesen, um von den Stimmen der Spieler gesprochen und den Mündern der Trompeten verkündet zu werden und der Dichtkunst wäre schlecht gedient. Er nimmt den Leuchter wieder auf.

Was aber mit Seanchan später geschah, so sagt mein Neffe, er wisse es nicht und der Dichter wisse es nicht und es sei wahrscheinlich, daß niemand es wisse. Aber mein Neffe meint, er habe sich nie wieder an des Königs Tisch gesetzt, nach der Art wie er behandelt worden, sondern er sei an irgendeinen stillen grünen Ort auf den Hügeln gegangen, mit Fedelm seiner Geliebten, wo das arme Volk ihn hoch ehrte um seiner Weisheit willen und wo er Lieder und Gedichte machte und es sei wahrscheinlich genug, daß er einige jener alten Lieder und alten Gedichte gemacht habe, die das arme Volk auf den Hügeln heutzutage sagt und singt. Ein Trompetenstoß.

Nun, es wird Zeit daß ich gehe. Jene Trompete sagt, daß der Vorhang sich öffnen wird und nach einer Weile wird die Bühne gefüllt sein mit hohen Damen und hohen Edelherren und Dichtern und einem König mit einer Krone und alle so erlaucht in sich selbst in dem Stolz ihrer Jugend und in ihrer Kraft und in ihren schönen Gewändern, als gäbe es kein solch Ding in der Welt wie ein Reißen in der Schulter und Flecken auf dem Schienbein und Schmerz in den Knochen und die Steifheit der Gelenke, die einen alten Mann, der die ganze Last der Welt auf dem Rücken trägt, so bereit macht für sein Bett. Er bewegt sich schleifend fort, bleibt dann stehen.

Und es wäre besser für mich, wenn dieser mein Neffe weniger an seine Schauspielerei dächte und nicht den Flockenblumentee vergessen hätte mit ein wenig Dreipfennigzucker, daß ich mir dann und wann die Kehle erfrische in der Nacht und einen Schluck trinke, um den Schmerz in den Knochen zu lindern. Er geht ab nach der Seite der Bühne.


Szene: Stufen vor dem Palast des Königs Quaire in Gort. Auf der einen Seite vor den Stufen ein Tisch mit Speisen darauf und eine Bank am Tisch. Seanchan liegt auf den Stufen. Die Schüler vor den Stufen. Der König auf der obersten Stufe vor der verhängten Tür.

König Willkommen euch, die ihr die beiden Arten
In der Musik beherrscht: die eine Art
Ist gleich der Frau, die andre gleich dem Mann.
So ihr, die ihr das Spiel der Saiten kennt,
Und mit den Worten Klang so kunstvoll mischt,
Daß alle Kunst nur Rede wird, entzückt
Von ihrem eignen Ton, und die ihr tragt
Das lange krumme Horn und die verzückten
Gesänge kennt, die, weil sie wortlos sind,
Auffliegen über Zeit, Geschick und Tod.
Die hohen Engel mit dem Roß der Zeit –
Dem silbernen bei Nacht, am Tag dem goldnen –
Sind nicht willkommner einem, der die Welt liebt
Um eine schone Frau. – Ich rief euch her
Zur Rettung eures großen Meisters Seanchan.
Sein Leben flammt und flackt den ganzen Tag,
Ein rasch löschender Herd.

Ältester Schüler Wann ward er krank?
Ist es ein Fieber, das ihn schwinden macht?

König Nicht Sucht noch Fieber. Er hat Tod gewählt:
Er weigert Trank und Speise um auf mich
Schande zu häufen – denn es ist ein Brauch,
Ein alter, törichter, daß wenn ein Mann
Unrecht erlitt, zu leiden meint und sich
Zu Tode darbt auf eines andren Schwelle,
Das niedre Volk alsdann zu allen Zeiten
Mit schwerer Anklag jener Schwelle naht,
Und wärs des Königs.

Ältester Schüler Mein Haupt geht im Kreis,
Ich weiß nicht was zu denken noch zu sagen.
Gehorsam schuld ich euch und doch, wie kann ich
Ihn üben, wenn der Mann, den ich geliebt
Vor allen sonst, glaubt, daß ihm Unrecht ward
So bitterlich, daß er zu Tod sich darbt
Eh ers erträgt? wirft irgend nur ein Mann
Sein Leben fort um nichtiger Sache willen?

König Es ziemt sich, daß du ihm zur Seite stehst
Bis du erfassen kannst, welch nichtige Sache
Uns aufeinander hetzte. Vor drei Tagen
Gab ich der Fordrung meines Hofes nach,
Der Bischöfe, Soldaten, Rechtsgelehrten –
Es kränkte sie in ihrer Würde, daß
Ein bloßer Mann des Worts bei ihnen sitze
An meinem Tisch. Als man das Mahl gebracht
Wies ich Seanchan zu einer untren Tafel
Und da er pochte auf des Dichters Recht,
Das da besteht seit dem Bestand der Welt
Sagt ich: ich bin der König – und ein König
Ist jeden Rechtes anfänglicher Quell
Und daß den Männern, die der Welt gebieten,
Nicht ihren Sängern dieser Platz gebührt
Der meisten Ehre. Meine Höflinge –
Die Bischöfe, Soldaten, Rechtsgelehrten –
Riefen mir Beifall und in diesem Lärm
Ging Seanchan fort und nahm seit jener Stunde,
Ob dort auch guter Trank und Speise ist,
Nicht einen Bissen mehr.

Ältester Schüler Ich atme auf.
Ihr nehmt ein schwer Gewicht von meinem Sinn
Denn nicht den Tod lohnt jener alte Brauch.

König Beredet ihn zu Speis und Trank. Bis gestern
Hielt ich des Hungers Schwäche für genug,
Doch da sie allzu leicht und nichtig ist
Und seinem Mund nicht wehrt die Grabesspeise,
Rief ich euch her und hoffe ganz auf euch
Und seiner Nachbarn etliche und Freunde
Um die ich sandte. Während er dort liegt
Und stirbt – liegt in der Welt mein guter Name
Im Sterben auch. Ich kann nicht weichen, denn
Ich bin der König. Gäb ich nach, so würde
Mein Hof mich Schwächling heißen und dies machte
Den Thron gar wanken.

Ältester Schüler Ich will ihn bereden.
Beredt genug, Herr, war schon euer Wort
Doch da ihn Schlummer oder Traum umfängt
Kann ers nicht hören.

König Mach, daß er sich nährt.
Nicht einzig um des guten Namens willen
Verlang ich dieses, denn er ist ein Mann,
Der eines landverbannten Königs Neigung
Wohl wecken könnte, oder einer Frau
Und jedes, der den Menschen schätzen darf
Nach seinem Wert. Mir auf dem Thron doch scheint,
Der ich am Staatsbedarf mein Handeln messe,
Sein wilder Sinn, der jedes Maß zerbricht
Und Wort setzt über Tat, sowie sein Stolz
Der alles stürzen will, höchst unheilvoll
Wie er mir selbst höchst unheilvoll erscheint.

Er wendet sich zu gehen und kehrt wieder um.
Verheißt ein Haus mit Gras und Ackerland
Ein Jahresgeld, Juwelen, Seiden, alles,
Nur jenes alte Recht der Dichter nicht.
Er geht in den Palast.

Ältester Schüler Falsch tat der König, unser Recht zu kürzen,
Doch Seanchan der dafür sterben will,
Spricht wie ein Tor. Blick uns an, Seanchan,
Erwach aus deinem Traum und blick uns an
Die unterm Monde und den ganzen Tag
Geritten bis der Mond uns wiederkam,
Um neben dir zu sein.

Seanchan Halb umgewandt, auf den Ellbogen gestützt und sprechend wie im Traum
Ich war in Almhuin
In einem großen Haus mit hohem Dach
Mit Finn und Osgar, Duft gebratnen Fleisches
War um mich und ich sah die Spieße glühn
Und dann zerbrach das Traumbild und ich sah
Grania an einem Strom den Salm austeilen.

Ältester Schüler Dich machte Hunger von dem Braten träumen
Und ob ich weinen muß, wenn ich dran denke:
Des Kranichs Hunger, der zu Tod sich darbt
Beim vollen Mond, weil ihn der eigne Schatten
Erschrecken machte und des Wassers Glanz,
Erscheint mir nicht viel mehr verwunderlich
Als dieser deine.

Seanchan Wie, das ist ganz wahr.
Der Mond, so scheints, hat jedes Ding verwandelt –
Mich selbst und alles was ich hör und seh,
Denn wenn der schwere Körper schwach geworden
So gibt es nichts, den wilden Sinn zu fesseln
Den Mondsucht traf und der im Traum hingeht
Der Laune nach. Ich glaubte schon, bekannt
Sei Stimme und Gesicht, doch sind die Worte
So unwahrscheinlich, daß ich fragen muß:
Wer ists, der mir den Hunger widerrät?

Ältester Schüler Ich bin dein erster Schüler, Seanchan,
Der eine, der bei dir war viele Jahre –
So viele, daß du sprachst zur Zeit der Lichtmeß
Die Schule sei zu Ende und ich wisse
Ein jedes Ding, das nur ein Dichter weiß.

Seanchan Mein erster Schüler? nein, das kann nicht sein,
Denn es ist einer von der Höflingsschar
Die um mich her seit Sonnenaufgang war
Und Traum tauscht mich, doch will ichs widerlegen.
Als Lichtmeß war, befrug ich jenen Schüler,
Warum man Dichtkunst ehrt und wollte wissen
Ob er gültge Erklärung kennt für ferne
Gebiete und für fremde rohe Fürsten.
Was sagte er?

Ältester Schüler Ich sprach: die Dichter hingen
Bilder des Lebens das in Eden war
Um das Kindbett der Welt, daß sie beim Anblick
Von solchen Bildern Mutter werde von
Siegreichen Kindern. Doch was sag ich hier
Die alte Lehre her, dieweil du stirbst?

Seanchan Sprich weiter, ich erkenne nun die Stimme.
Welch Mißgeschick befällt die Erde wenn
Die Künste sterben?

Ältester Schüler Sterben sie, so wäre
Die Welt, die sie entbehrt, gleich einer Frau
Die blickend auf des Hasen spaltigen Mund
Ein hasenschartig Kind gebiert.

Seanchan Noch mehr:
Denn fragte ich, wie man dergleichen Bilder
Behüten soll, wußtest du Antwort auch,
Bist wahrlich du der Mann den du dich nennst,
Mit höchst ehrwürdigen Dingen sie vergleichend
Die Gott uns gab, eh er den Weizen gab.

Ältester Schüler Ich sagte – und das Wort ist halb dein eigen –
Er soll sie hüten wie das Volk der Dea
Seine vier Schätze, wie der Fürst des Grals
Den heiligen Kelch, das helle edle Roß
Den Edelstein wahrt unter seinem Horn,
Sein Blut dafür vergießend wie man süßen
Trunkenen Wein gießt ... doch versteh ich jetzt,
Du willst durch meinen Mund mich widerlegen
Und dennoch ist ein Platz am Königstisch
Kein Ding von großem Werte, Seanchan.
Wie kann ein solches Nichts an Dichtkunst rühren?

Seanchan Sitzt nun aufrecht, er blickt noch träumerisch vor sich hin
Zu Lichtmeß dünkte diese Dichtkunst dich
Ein so zerbrechlich mächtig Gottesding
Das stirbt an Kränkung.

Ältester Schüler zu den anderen

Gebt mir eine Antwort.
An jenem Tage sagten wir vom Hof,
Daß wen von diesem etwa Kränkung trifft,
Die Welt auch kränkt, dieweil des Hofes Leben,
Dies erste anmutige Kind der Welt,
Zugleich ihr Abbild ist. Wie sag ichs ihm?
Wißt ihr mir nicht ein wahres Argument?
Ich will ihn nicht mit einem falschen locken.

Jüngster Schüler O sag ihm, daß die Freunde seiner Weisen
Ihn nötig brauchen.

Seanchan Doch mein Tun gilt welchen,
Geboren in dem Angelpunkt der Zeit,
Daß süße Pflege ihnen Stimmen gebe,
Sogar im Zorn der Harfe Saiten gleich.
Wie würden sie zur Majestät geboren
Hätt ich die goldne Wiege nie gemacht?

Jüngster Schüler Wirft sich Seanchan zu Füßen
Was nahmst du mich von meines Vaters Land?
Wenn du mich jetzt verläßt, was soll ich lieben?
Wo soll ich hin? woran leg ich die Hand?
Was tatest du Musik mir in das Ohr
Wenn du mich sendest zum Gelärm der Häuser?
Ich werde Horn und Harfe von mir werfen,
Denn wie mach ich Musik zerstörten Herzens
Und Verse ohne einen der mich lobt?

Seanchan Was ist es, was die Dichter dir verhießen,
War es nicht ihre Trauer? rede nicht.
Hielt ich nicht Schul auf diesen nackten Stufen
Und bist du nicht der jüngste meiner Schüler?
Und alle sollten wissen, daß wenn alles
In Trümmer fällt, Dichtkunst in Freude jauchzt
Sie ist die Hand, die sät, die Frucht die birst,
Des Opfers Freude in der heiligen Flamme,
Das Lachen Gottes im Zerfall der Welt.
Und jetzt lacht diese Lust und weint und brennt
Auf diesen nackten Stufen.

Jüngster Schüler Stirb nicht, Meister!

Ältester Schüler Erreg ihn nicht durch fruchtlosen Disput.
Sei ruhig! es ist nichts zu tun als nur
Den König finden und ihn knieend bitten
Um unser altes Recht. – Denn etliches
Wär hier zu sagen, mehr noch, und mit grad
So wenig Glück. Komm, Knabe, dieses hilft nicht.
Hebt den jüngsten Schüler auf.
Dünkt es euch gut, daß wir den König bitten,
Legt auf die Steine Horn und Harfe nieder
In Schweigen und so schweigend kommt mit mir,
Langsamen Schrittes und gebeugten Haupts,
Denn das gebeugte Haupt geziemt der Trauer.

Sie legen einer nach dem anderen Hörner und Harfen nieder und entfernen sich stillschweigend sehr feierlich und langsam, einer nach dem anderen. Der Bürgermeister, zwei Krüppel und Brian, ein alter Diener, treten auf. Der Bürgermeister, den man schon ehe er auf die Bühne kam, murmeln hörte: »Hauptdichter! Irland!« usw. geht an Seanchan vorüber auf die andere Seite der Stufen. Brian nimmt Speise aus einem Korb. Die Krüppel blicken spähend auf den Korb. Der Bürgermeister hat einen Stab mit den Zeichen der irischen geheimen Ogham-Schrift in der Hand.

Bürgermeister im Vorübergehen

»Hauptdichter«, »Irland«, »Bürger«, »Weideland«,
Dies sind die Worte, die ich merken soll –
»Hauptdichter«, »Irland«, »Bürger«, »Weideland«
Ich weiß nun, sie sind alle aus dem Ogham
»Hauptdichter«, »Irland«, »Bürger«, »Weideland«
Doch welche Folge?

Er fährt während des Folgenden fort seine Rede vor sich hin zu murmeln.

1. Krüppel Recht geschäh dem König,
Vertriebe Seanchan ihm sein gutes Glück.
Was ist ein König denn, der von der Wiege
Zum Grab gleich jedem andren ist im Leben,
Daß er die alten Bräuche ändern dürfte
Die in der Welt sind seit die Welt besteht?

2. Krüppel Wär ich der König, sollt er mich nicht kümmern,
Denn etwas ist verdreht an einem Dichter.
Von einem hört ich, der bei einem Weißdorn
Am Kreuzweg dreier Wege Reime machte.
Er war so lumpig wie wir selbst und doch,
Gestorben war er kaum, starb auch von Inchy
Bis zu Kiltartan jeder Weißdorn ab.

1. Krüppel Der König ist ein Karr!

Bürgermeister Ich bin bald fertig.

1. Krüppel Ein Dichter hat Gewalt vom Jenseits her
Daß er an alte Zeit uns denken macht,
Glückhafte Fürstinnen und heilige Fischchen
Auftauchend alle sieben Jahr –

Bürgermeister Still! still!

1. Krüppel – Und Krüppel heilend.

Bürgermeister Jetzt bin ich halb fertig.

Brian Ein jedes Unheil gönnte ich dem König,
Wär es ein andrer nur –

Bürgermeister Still! ich bin fertig.

Brian – Der dafür stürbe. Speise bracht ich her
Und will mein Herr davon nicht essen, hol ich
Vorrat für sein Erwachen von zuhaus
Denn das ist nicht weit. Nun, sagt euren Spruch,
Doch braucht nicht allzu lang.

Bürgermeister Tritt nahe zu Seanchan heran.

Hauptdichter Irlands,
Ich bin das Haupt von deiner Stadt Kinvara
Und komme dir zu sagen daß die Nachricht
Von diesem Zwiste mit dem denn von Gort
Uns tiefe Sorge brachte – teils um dich,
Den werten Bürger, teils um unsre Stadt.

Er stockt – kratzt sich den Kopf

Doch was kommt jetzt? ... es war etwas vom König.

Brian Vorwärts! vorwärts! die Speisen sind bereit.

Bürgermeister Treibt mich nicht an.

1. Krüppel Laßt uns davon versuchen.
Er gönnt es uns.

2. Krüppel Laß die zu Tod sich hungern
Die ihre Glieder haben. Uns bekümmert
Der Leib den Gott uns ließ.

Bürgermeister Still jetzt! ich habs!
Der König war uns stets höchst wohlgesinnt
Und uns ward Grund, wie du dich wohl entsinnst,
Zu denken, daß er uns beschenken wollte
Mit jenem Weideland, das uns so not tut,
Da wir gezwängt sind zwischen See und Fels.
Wir mähen mit den Messern zwischen Steinen,
Die See bespült die Wiesen. Du weißt wohl,
Wir forderten nur was vernünftig ist.

Seanchan Vernunft in Menge. Gelblich weißes Haar,
Ein hohl Gesicht und nicht zu viele Zähne.
Wie lebte er so lange in der Welt
Und fand Vernunft nicht aus?

Er hat sich im Sprechen halb umgewandt. Er blickt kaum auf den Bürgermeister.

Brian versucht den Bürgermeister fortzuziehen.
Was taugt es ihm
Zu hören was er jeden Tag gehört!
Ich will ihm Nahrung bringen.

Bürgermeister schiebt Brian fort

Treibt mich nicht!
Nur wenig Achtung zeigst du deiner Stadt!
Geh weiter fort! Zu Seanchan
Wir wünschen nicht, du dächtest –
So wichtig diese Umstände auch sind –
Daß sie in unsrem Sinn so wichtig waren
Wie unser Wunsch, daß er, auf den wir stolz sind,
Der Mann, der Ehre brachte unsrer Stadt,
Gedeihen mög – und wir beschwören dich
Gib nach in einer Sache ohne Wert
Die nur Gefühl betrifft, in einem Nichts,
Daß wir den Stolz auf dich stets wahren mögen.

Er schließt seine Rede in pompöser Haltung, winkt Brian, Seanchan Speise zu bringen, und setzt sich nieder.

Brian Herr, Herr, eßt dies! es ist nicht Königsspeise,
Gekocht für niemand und für jedermann.
Hier Gerstenbrod aus eures Vaters Ofen
Und Sellerie von Duras. Hier, Euer Ehren,
Er kräftigt euch und hat den Schmack der See.

Nimmt den Sellerie in die eine und das Brot in die andre Hand und drückt sie Seanchan in die Hände. Seanchan zeigt Brian durch eine
Bewegung seine Abneigung.

1. Krüppel Er nahm es und da wird nichts übrig bleiben.

2. Krüppel Gar nichts, er wünschte die gewohnte Kost.
Was ist dem Hunde Korn, der Katze Honig,
Ein grüner Apfel dem Kirchhofsgespenst?

Seanchan Drängt die Speise zurück in Brian's Hände
Iß du es selbst, du tatest eine Reise
Und hast wohl nichts gegessen unterwegs.

Brian Wie äß ich wohl dieweil Euer Ehren hungert?
Dies sendet euer Vater und er weinte
Weil diese Steifheit in den Knochen ihm
Das Kommen wehrte – und er ließ mich sagen
Daß er alt ist, daß ihr ihm nötig seid
Und daß die Menge auf ihn deuten wird
Und er unfähig nur das Haupt zu heben,
Wenn ihr des Königs Gnade von euch weist.
Auch sagt er noch, daß er euch gut gepflegt
In eurer Jugendzeit und es sei recht
Daß ihr ihn heute pflegt.

Seanchan der jetzt Anteil nimmt

Und ist das alles?
Was sprach die Mutter?

Brian Sie gab keine Botschaft
Denn als sie hörte, daß im Hunger ihr
Den Tod sucht um das alte Recht der Dichter
Da sprach sie: »Keine Botschaft kann hier helfen.
Er sendet nicht die Antwort die ihr braucht.
Wir wandeln ihn nicht um.« Und ging hinein
Und legte sich aufs Bett, das Antlitz fort
vom Licht gewandt. Und dann sprach euer Vater:
»Sag ihm die Mutter sendet keine Botschaft
Ob sie auch niederbrach und elend ist.«
Pause
Hier ist ein Taubenei von Duras – und
Die hier von euren Hühnern.

Seanchan Keine Botschaft.
Die Mütter kennen uns – ja, bis ins Mark.
Sie kannten uns vor der Geburt und darum
Kennen sie uns noch mehr als die Geliebten
Auf deren Brust wir lagen.
Rasch! geh hin
Sag ihnen, meine Mutter hatte recht.
's ist keine Antwort. Geh und sage das.
Geh, sag, daß sie mich kannte.

Bürgermeister Was sagt er?
Nicht mehr versteh ich eines Dichters Rede
Als eines Schafes Bäh.

Geht hinüber von seinem Sitz. Seanchan wendet sich ab.

Du hörtest nicht,
Kann sein, weil du so häufig fort gewesen,
Wie oft das Vieh im letzten Winter fiel
Aus Futternot und daß viel Krankheit war
Weil sich mit Salzfisch nur die Armen nährten
Den ganzen Winter durch?

Brian Geh fort von hier
Und lasse mir den Platz! 's ist meine Reihe,
Dein Sack ist leer!

Bürgermeister So heißt es »fort von hier!«
Darf man in solcher Weise mit mir reden!
Bin ich nicht Bürgermeister? Obrigkeit?
Nicht an des Königs Statt? antworte mir!

Brian Dann zeig dem Volke was ein König ist:
Stürz alte Marken, rotte Bräuche aus,
Tünche den Kot, mach Gans und Ferkel fett,
Häng deiner Kette Gold um Esels Nacken,
Seng den geweihten Dornbusch aus dem Feld
Und treib die Anmut aus!

Bürgermeister Ihr Heilgen all!

1. Krüppel Schön, schön gesagt! was tut der König sonst?
Er mästet Ferkel und treibt Dichter aus!

2. Krüppel Er macht den Sänger hungern!

1. Krüppel Mästet Gänse!

Bürgermeister Nimmst du so seinen Namen in den Mund!
Hebst du die Stimme wider deinen König?
Was wärt ihr ohne ihn?

Brian Was rühmst du ihn?
Kein Mensch soll gut von diesem König reden,
Noch einem sonst, der meinen Herrn beraubt.

Bürgermeister Und darf er das nicht tun? und dürfte er
Nicht köpfen deinen Herrn – weil er der König –
Und dich und mich? ich sag »Lang leb der König!
Weil er den Kopf auf unsren Schultern läßt.«
Ruft aus »Lang lebe er!«

Brian Ruft »hoch« für ihn!

Spricht zugleich mit dem Bürgermeister

Kein Mensch bringt ihm den Hochruf aus
Die Schmiede drehn den Amboß
Die Müller drehn das Rad
Die Farmer drehn den Quirl
Die Hexen drehn den Daum
Bis er zerbricht und ganz in Stücke splittert.

Bürgermeister zugleich mit Brian

Er könnte, stünd ihm so der Sinn,
Ausschneiden unsre Zungen
Ausziehen unser Haar
Uns bleichen wie ein Kalb
Entwöhnen wie ein Lamm
Wär nicht die Güte und die Sänftlichkeit in ihm!

1. Krüppel Ich fluch ihm, bis ich fall!
Er spricht zugleich mit dem zweiten Krüppel und dem Bürgermeister und Brian, die wieder begonnen haben

Der Fluch unsrer Armen sei auf ihm
Der Fluch unsrer Witwen sei auf ihm
Der Fluch unsrer Kinder sei auf ihm
Der Fluch unsrer Priester sei auf ihm
Bis er so faul ward wie ein alter Pilz.

2. Krüppel Spricht zugleich mit dem ersten Krüppel und dem Bürgermeister und Brian
Der Fluch der Runzeln sei auf ihm!
Runzeln wo sein Aug ist
Runzeln wo die Nas ist
Runzeln wo sein Mund ist
Und ein kleiner alter Teufel guck aus jeder Runzel!

Brian Spricht zugleich mit dem Bürgermeister und den Krüppeln

Und niemand hat ein Lied für ihn
Und niemand geht auf Jagd für ihn
Und niemand fängt den Fisch für ihn
Und niemand hat Gebet für ihn
Doch jeder flucht und schilt ihn jetzt und immer.

Bürgermeister Spricht zugleich mit den Krüppeln und Brian

Was hat ein Dichter Gutes?
Hat er Geld in einem Strumpfe
Und Most in dem Keller
Und Speck in seinem Rauchfang
Und irgendwas irgendwo außer dem Müßiggang?

Brian packt den Bürgermeister

Bürgermeister Helft! helft! bin ich nicht die Obrigkeit?

Brian So ruf ich hoch für den König!

Bürgermeister Helft! helft! bin ich nicht an Königs Statt?

Brian Ich lehr ihn die Milde zu Armen!

Bürgermeister Helft! helft! wart, bis wir in Kinvara sind!

1. Krüppel Schlägt dem Bürgermeister mit der Krücke auf die Beine
Ich schlag das Königtum aus seinen Lenden!

2. Krüppel Gräbt seine Nägel in des Bürgermeisters Gesicht
Ich rauf den Hermelin aus seinem Fell!

Der Kämmerer Kommt die Stufen herab, ruft

Ruhe! Ruhe! Ruhe!
Vermeßt ihr solchen Aufruhrs euch am Tor,
Betäubt den Allerhöchsten hier im Land
Als wäre jede Dirnenschenke leer
Und jeder Viehhof!

1. Krüppel 's ist der Kämmerer.

Die Krüppel ab.

Kämmerer Nehmt eure Spreu dort auf und macht euch fort!
Rasch fort damit! ehrt ihr so wenig diese
Verbrauchten Stufen, dies ganz heilige Tor
Dem Flehende und Könige mit Zins
Genaht und wo der Welt Ruhm schweigend kniete?
Habt ihr vor dem nicht Ehrfurcht was sonst jedem
Ehrwürdig scheint?

Brian Dürft ich mein Denken sagen,
Sagt ich, der König fände neu sein Glück,
Gäb er sein Recht zurück an meinen Herrn.

Kämmerer Nehmt eure Spreu fort! euren Lärm tut fort!
Geschwind, und nehmt den Klöppel aus der Glocke!

Brian Legt die Speisen zurück in den Korb

Was kümmern sich die Mächtigen um Rechte
Die ohne Heere sind!

Der Kämmerer beginnt sie mit seinem Stab hinauszuschieben.

Bürgermeister Mich trifft kein Tadel.
Ich dien dem König und sie packten mich.

Brian Wir können beten, beten und verfluchen
Und machen einen Namen klein und groß.

Der Bürgermeister schiebt Brian mit einer Hand vor sich her. Er wendet sein Gesicht dem Kämmerer zu und verbeugt sich wiederholt. Der Kämmerer schiebt ihn mit seinem Stab.

Bürgermeister Wir konnten nicht dem Dichter Nahrung geben.

Der Kämmerer schiebt ihn mit seinem Stab.

Viel Ehre, wird geschoben
Herr, mit euch zu sprechen, Herr
Ich suche jetzt das Mädchen das er freit.
Sie kommt, doch will ich sie noch treiben, Herr.
Denn unter uns, Herr wird geschoben
Sie weiß gut zu schmeicheln.
Viel Ehre, Herr. O dieses Mädchen kann's
Denn, Herr, wenn die Vernunft nichts mehr vermag,
So hilft nichts andres mehr als eine Frau.
wird geschoben
Viel Ehre, Herr wird geschoben
Viel Ehre, Herr, viel Ehre!

Wird hinausgeschoben, indem er Brian vor sich her schiebt, während dieser ganzen Szene vom Ausbruch des Streites an hat Seanchan sein Gesicht abgewendet gehalten oder in seinen Mantel gehüllt. Während der Kämmerer spricht kommen der Soldat und der Mönch aus dem Palast. Der Mönch steht oberhalb der Stufen auf der einen, der Soldat ein wenig tiefer auf der anderen Seite. Durch die Öffnung im Vorhang hinter dem Soldaten sind Hofdamen sichtbar. Der Kämmerer steht in der Mitte.

Kämmerer zu Seanchan
Nun, du bist wohl zufrieden, denn dein Tun
Erhob das niedre Volk wider den König
Und hat sein Ansehn ihm geraubt. Der Staat
Gleicht einem ruhigen und würdigen Haus
Darinnen, da sein Eigner plötzlich starb,
Die Diener zanken recht nach ihrer Lust
Und mausen dort und hier.

Pause, da er sieht, daß Seanchan nicht Antwort gibt.

Wie lange noch
Hältst du den Streit jetzt aufrecht mit dem König
Und mit des Königs Edlen, mir, und allen
Die gern dir Freunde wären, willst dus nur?
Er tritt zum Mönch
Versuche doch ihn zu bereden, Vater.
Ich bring ihn nicht zum Sprechen, dennoch aber
Wenn ihm die rechten Hände Speise brächten,
Nähm er sie wohl.

Mönch Gewiß will ich das nicht.
Zu viele Predigten hab ich gehalten
Darin die üppige Einbildung der Dichter
Gezüchtigt ward, um Schmeichler ihm zu sein.
Bleibt Stolz und Ungehorsam unbestraft
Wer wird gehorchen?

Kämmerer Geht auf die andere Seite zum Soldaten

Rede du mit ihm
Du kannst nicht Überredung schwierig finden.
Denn alle Hungerteufel stehn dir bei.

Soldat Ich mische mich nicht ein und wenn er stirbt
Für seinen starren Kopf und steifen Nacken,
Ists nur Befreiung.

Kämmerer Einer muß es tun.
Vielleicht wenn ihrs mit ihm beredet, Damen,
Ißt er etwas, denn ich hab eine Ahnung
Daß wir, wenn unsren König und sein Haus
Unheil betraf, so wenig gelten werden
Wie Sommerlinnen wenn der Winter kam.

1. Mädchen Doch es wär eine größre Höflichkeit
Wenn Peter spräche.

2. Mädchen Peter, sprich mit ihm.
Mach, daß er ißt, solch armer Sack voll Knochen!

Soldat Nie wieder trau ich einem Frauenwort!
Kein andrer war so heftig gegen ihn
Am Königstisch, jetzt wandte sich der Wind,
Die ihr sein Reden nicht noch Schweigen littet,
Wünscht ihn jetzt auf den alten Platz zurück.
Das glaube ich, doch will ich euch nicht helfen.

2. Mädchen Warum willst du mit uns so streng sein, Peter?
Das niedre Volk ward wider uns gereizt.
Und er sieht elend aus.

1. Mädchen Es gibt nicht Tanz
Kein Harfner wird für uns die Saiten schlagen.

2. Mädchen Mich flieht der Schlaf, denk ich an sein Gesicht.

1. Mädchen Und mir ist Tanz so lieb wie sonst kein Ding.

2. Mädchen Sei nicht so streng mit uns, erst gestern warf
Ein Weib am Weg nach mir mit Steinen. Willst du
Daß man mich steinige?

1. Mädchen Soll ich nicht tanzen?

Soldat Ich will nichts tun. Ihr tatet ihn hinaus
Jetzt da er draußen ist – so laßt ihn draußen.

1. Mädchen Tus mir zu liebe, Peter.

2. Mädchen Und für mich.

Jede hat einen Arm Peters mit der rechten Hand gefaßt und streichelt den Arm mit der linken. Während das 2. Mädchen den Arm streichelt läßt das 1. Mädchen los und reicht ihm die Schüssel.

Soldat Gut, doch in andrer Art.
Zu Seandian
Hier hast du Speise.
Sie kam von einem allzuguten Tisch
Für deinesgleichen und ich biet sie dir
weil diese Frauen mich zum Narrn gemacht,
Pause
Du willst verhungern? willst davon nichts haben?
Ich laß es dort wo dich der Duft erreicht.
Nun schnüffle, alter Igel, und entroll dich!
Wär aber ich der König, macht ichs dich
Mit einem Brand von Stroh.

Seanchan Du nennst mich recht.
Ich lieg gerollt unter den rauhen Dornen
Die an dem Rand der großen Wasser stehn.
Wo jedes Ding verweht und ich vernahm
Geraun das allem Klang ein Ende ist.
Ich ließ das Leben, lieg gerollt – und doch
Ob auch ein Igel, roll ich mich nicht auf
Für dich, des Königs Hund! such deinen Herrn.
Duck dich und wedle mit dem Schwanz, vielleicht
Hat er nichts gegen dich und alle Spuren
Der letzten Züchtigung, denk ich, sind verheilt.
Der Soldat hat sein Schwert gezogen.

Kämmerer schlägt es beiseite
Hinweg dein Schwert, Herr, weg damit, sag ich!
Das niedre Volk wird dich in Stücke reißen
Rührst du an ihn!

Soldat Wenn man ihm schmeicheln soll.
Ihn kosen, hätscheln und in Stimmung tändeln,
wars grad so gut, wir ließen ihn am Tisch.

Geht zur Seite, steckt das Schwert in die Scheide.

Seanchan Ihr müßt Geduld noch für ein Weilchen haben,
Denn einige Atemzüge süßer Luft
Muß ich noch tun, eh ich so höflich werde
Wie jeder andre Staub.

Kämmerer Du kränkst uns, Seanchan.
Dir bringt hier jeder hohe Achtung dar
Und nähmst du nur von dieser Kost, so zeigte
Der König dir wie würdig er dich hält.
Verneigt sich und lächelt
Wer dachte je, daß die Vertreibung von
Des Königs Tisch dir so zu Herzen ginge?
Ich bin gewiß, bedenkst dus nur, so wirst du
Begreifen, daß die Männer des Gesetzes,
Die Feldherrn der Armee und ihresgleichen
Dort sitzen sollten.

Seanchan Man hat dich betrogen
Oder dein eignes Auge log vielleicht,
Da es dir schien, daß ich von Königs Tafel
Vertrieben ward. Hinausgetrieben habt ihr
Die Bilder jener, die im Bergesgarten
Bei den vier Strömen ihren Reigen führen.

Kämmerer Du meinst, daß wir die Dichtkunst fortgetrieben.
Doch dieses ist nicht völlig wahr, denn ich,
Wie dir bekannt sein dürfte, schrieb Gedichte.
Und oft, sobald die Tafel abgeräumt,
Und Kerzen brannten, ließ der König mich
Die Verse sprechen. Meine Dichtung ist
Nicht zu vergleichen mit der deinen – dennoch
Wo man mich ehrt, wird – in gewisser Weise –
Die Kunst geehrt.

Seanchan Wenn du ein Dichter bist,
Ruf aus, das Geld des Königs kaufte nicht,
Der hohe Stirnreif weihte nicht sein Haupt,
Wenn Dichter Gold nicht und das arme Kind
Des Mondes gar, dies Milchgesicht-metall,
Kostbar genannt, und ruf: »kein Lebender
Ritte mit hohem Herzen unter Pfeilen
Und schenkte je mit offner Hand, pries unsre
Berauschte Kunst nicht des Verschwenders Tugend.
Und wenn dies Lied aus – schüttle deinen Rock
Darauf Juwelen glimmern und sprich so:
Ein Hirt saß aus der Säue Tummelplatz
Und sang ein Lied von zauberhaften Fürsten.
So schön war ihr Gewand, daß es gleich Feuer
Erschien und Fraun am Buttereimer merkten
Und Kinder auch am Herde sich das Lied
Und summten es, bis es die Schneider hörten.
Kämmerer Wenn du ein wenig äßest, sähst du ein,
Daß Nahrungsmangel dich so denken läßt.
Denn Hunger macht uns fiebern.

Seanchan Rufe laut:
Wir kommen wieder wenn man uns vertrieb.
Gleich großem Wind der aus der Öde läuft
Und rein die Tafeln weht – und lege dich
Dann auf die Schwelle bis der König uns
Das alte Recht der Dichter wiedergibt.

Mönch Du machst den Mann nicht irr. Ich will zum König
Und ihm in seiner Wirrsal Tröstung bieten
Denn jener hängt am Sterben mit den Zähnen.
Er ist ein solcher, der Gehorsam haßt
Und strenge Zucht und ein geordnet Leben.
So klag ich nicht um ihn.

1. Mädchen Du reiztest ihn.
Du reiztest ihn den Tanz uns zu verderben.
Warum nicht tanzen? 's ist nicht Fastenzeit.
Doch niemand wird uns pfeifen oder spielen
Und keiner tut es jemals wenn er stirbt.
Und darum gehst du fort.

Mönch Welch Narrenzeug!

1. Mädchen Gut, wenn du es nicht tatest, sprich zu ihm –
Gebrauch dein Ansehn – mach ihn dir gehorchen,
welch Übel liegt im Tanzen?

Mönch Still! hinweg!
Geh auf das Feld und sieh dem Ballspiel zu
Oder geh sonst wohin der Sinn dich treibt.
Dies ist kein Frauenwerk.

1. Mädchen Komm! gehen wir!
Wir können hier nichts tun.

Mönch Der Stolz der Dichter!
Tanz, Ballspiel, Lärm im ganzen Land – und König
Wie Kirche sind mißachtet. Seanchan
Ich nehme Abschied, denn du gehst zugrund
Wie jeder den die üppige Einbildung
Hinträgt wohin sie will, und werde wohl
Dein lebend Angesicht nicht wiedersehn.

Seanchan Tritt nah – nah.

Mönch Hast du einen letzten Wunsch?

Seanchan Neig dich, daß ich ihn flüstre in dein Ohr.
Ward jener wilde Gott, der dir so wild war,
Als du zuletzt des Königs Zahlung nahmst
Nun sanfter? große Wirrsal schuf er euch.

Mönch Laß mein Gewand los!

Seanchan Machtest du ihn zwitschern
Am Tisch zwischen zwei Gängen, wenn der König
Zu Tafel saß?

Mönch Laß mein Gewand los, Herr!

Er geht zur Mitte der Bühne.

Seanchan Er hat vielleicht gelernt ganz leis zu singen
Weil lauter Sang den König stören möchte
Der schläfrig unter seinen Freunden sitzt
Da man die Tafel abgeräumt. Noch nicht!

Seanchan klammert sich an das Gewand des Mönchs und wird einige Schritte weit gezogen.

Du glaubtest nicht, daß Hände so voll Hunger
Fest halten könnten. Sie sind noch nicht zahm.
Ich weiß, du lehrtest ihn das Brot zu nehmen
Aus Königs Hand, auf seinem Finger sitzend.
Er sitzt wohl auf des Königs starker Hand.
Doch ist es möglich, er ist noch zu wild.
Ermatte nicht in deinem Werk, ein König
Ist oftmals müd und er braucht einen Gott
Um sich zu trösten.

Der Mönch reißt sein Gewand los und geht in den Palast. Seanchan hält die Hand so, als säße ein Vogel darauf. Er streichelt scheinbar den Vogel.

Einen kleinen Gott
Mit heilem Aug und tröstlichem Gefieder.

1. Mädchen Es wird kein Tanz mehr sein in unsrer Zeit
Denn keiner wird uns harfen oder fiedeln.
Komm fort, wir ändern dieses nicht, und laß uns
Das Ballspiel sehen.

2. Mädchen Still! er blickt uns an.

Seanchan Ja, ja! geht zu dem Ballspiel! geht zum Ballspiel!
Geht zu dem Ballspiel! hebt den Rock – lauft rasch!
Ihr könnt euch manchen Liebeslieds entsinnen
Ich seh's am Glanz in eurem Blick – doch werdet
Ihr sie vergessen. Ihr seid schön zum Ansehn.
Der Tanz freut euren Fuß – und eure Lippen
Das stille Lächeln das die Liebe weckt.
Die Mütter wählten gut, die euch gebaren
Ihr Ohr hat Durst nach vielen Liebesliedern
Ganz so wie ihr. Geht zu den Jünglingen.
Sind nicht blaßrötlich Fleisch und schmale Flanken
Und breite Schultern des Verlangens wert?
Geht fort! hier gibt es nichts für eure Augen.
Ich aber bins der euch fort von hier singt –
Fort zu den jungen Männern singt.

Die zwei jungen Prinzessinnen kommen aus dem Palast. Während er sprach sind die beiden Mädchen Hand in Hand zurückgewichen.

1. Mädchen Sei still!
Sieh wer es ist der aus dem Hause kam.
Prinzessinnen, wir gehn aufs Ballspielfeld.
Wollt ihr da hin?

1. Prinzessin Wir gehn mit euch, Aileen.
Doch ein paar Worte erst mit Seanchan
Wir wollen ihn zu Speis und Trank bereden.

Kämmerer Ich will den Kelch ihm und die Schüssel reichen Indes ihr ihm von seiner Torheit sprecht. Wenn ihr es wünscht, Prinzessin.

Er hat Kelch und Schüssel genommen.

1. Prinzessin Nein – Finula
Reicht ihm die Schüssel hin und ich den Kelch
Wir bieten sie ihm selbst.
Sie nehmen Kelch und Schüssel.

1. Mädchen Sie sind so gnädig.
Die lieblichen Prinzeßlein sind so gnädig.

Die Prinzessin hält Seanchan ihre Hand zum Kuß hin. Er regt sich nicht.

Obwohl sie ihm die Hand zum Kuß hinreicht
Küßt er sie nicht.

1. Prinzessin Mein Vater läßt uns sagen.
Wird dir der Platz auch nicht an seinem Tisch,
Magst du doch jedes andre Ding verlangen
Und er gewährt es dir. Wir brachten dir
Mit eigner Hand den Kelch mit Wein – und Speise.

1. Mädchen O sieh! er nahms! er nahm es an! die lieben
Prinzessinnen! ich habe stets gesagt
Kein Mensch kann irgendetwas ihnen weigern.

Seanchan hat den Kelch in die eine Hand genommen. In der anderen hält er einen Augenblick die Hand der Prinzessin.

Seanchan O Finger lang und sanft mit blassen Spitzen
Wohl wert, daß man euch legt in Königs Hand.
O schöne weiße Hände! denn gewiß
Mehr als gewöhnlich weiß sind diese Hände.
Doch mir kommt etwas in den Sinn, Prinzessin.
Nicht lang bevor sie dich gebar, sah ich
In einem Hochstuhl deine Mutter sitzen
Am Weg. Und wenn ein Mann mit Aussatz kam
So wies sie ihm die Richtung nach der Stadt.
Er hob die Hand und segnete die ihre.
Ich sahs mit eignen Augen. Zeigt die Hände
Ich prüfe ob daran Befleckung sitzt.
Denn mir kam in den Sinn, der König sandte
Mir Speis und Trank vielleicht durch Hände die
Befleckt sind. Eure Hände möcht ich sehn.
Ihr blickt mit Tänzeraugen – doch zeigt die Hände
Denn keine mag gesund sein unter euch.

Die Prinzessinnen sind entsetzt zurückgewichen.

1. Prinzessin Er hieß uns aussätzig.

Der Soldat zieht das Schwert.

Kämmerer Er ist von Sinnen
Und weiß die Meinung seiner Worte nicht.

Seanchan steht auf
Nicht eine Hand – gesund nicht eine Hand.
Hinweg mit euch! hinweg mit allen! Aussatz
Liegt auf euch allen! da ist Aussatz auf
Den Schüsseln und Geschirr, die ihr getragen.
Und warum brachtet ihr mir Aussatzwein?
Er gießt ihnen den Inhalt des Kelches ins Gesicht.
Da! da! ich gab es euch zurück. Und jetzt
Hinweg! sonst tu ich meinen Fluch auf euch.
Ihr habt des Siechen Segen doch ihr denkt
Vielleicht, es wird dem Brot an Wohlschmack mangeln
Wenn ihr den Fluch nicht mischt in seinen Teig.

Sie eilen ab nach allen Seiten. Seanchan steht wankend in der Mitte der Bühne.
Woher doch sagt ich daß der Aussatz kam?
Ich sagt, er kam aus eines Siechen Hand,
Die Krüppel treten auf.
Der auf der Straße schritt. Doch das ist Narrheit,
Denn er ging oben in den Himmel hin
Und dort ist er auch jetzt – die weiße Hand
Gereckt aus blauer Luft – und segnet sie
Mit seinem Aussatz.

1. Krüppel Er zeigt auf den Mond
Der aufwärts steigt da drüben und er nennt ihn
Aussätzig, weil das Tageslicht ihn bleicht.

Seanchan Er reckt die Hand über sie alle – Könige,
Hofherren, Königstöchter – segnend alle.
Wer dachte je er hab so viel Geduld?

1. Krüppel packt den andern Krüppel

Komm weg hiervon!

2. Krüppel zeigt auf die Speisen

Wenn du das, Herr, nicht brauchst,
Dürfen wir nicht ein wenig mit uns nehmen?

Sie gehen zum Tisch an Seanchan vorüber.

Seanchan Wer spricht? wer seid denn ihr?

1. Krüppel Komm weg hiervon!

2. Krüppel Habt Mitleid, da wir durch die ganze Welt
Von Tisch zu Tisch uns Brot erbetteln müssen
Und dennoch hungern.

Seandian Wer zeugte euch so krumm?
Welch schlechtem Dichter lauschten eure Mütter
Daß ihr so krumm geboren seid?

1. Krüppel Komm fort!
Die Kost mag tödlich sein durch seinen Fluch.

2. Krüppel Ja, komm von hinnen.

Sie gehen ab.

Seanchan Wankend und mit Anstrengung sprechend
Er hat große Kraft
Und viel Geduld, die rechte Hand so hoch
Zu halten – und kein Schwanken ist darin.
Er ist viel stärker als ich bin – viel stärker.

Sinkt auf die Stufen nieder. Der Bürgermeister und Fedelm treten auf.

Fedelm den Finger auf ihren Lippen

Sag nichts! ich will ihn fort aus diesem bringen
Eh ich ein Wort von Speis und Trank gesagt
Denn auf der Schwelle hier lauscht er vielleicht
Den Stimmen, die den Spott mit ihm gehabt
Und hört mich nicht. Laß mich allein mit ihm.

Der Bürgermeister ab. Fedelm geht zu Seanchan und kniet vor ihm nieder.

Seanchan! Seanchan!

Er blickt noch zum Simmel auf.

Hörst du mich nicht, Seanchan?
Ich bin es selbst.

Er sieht sie an, zuerst wie träumend, faßt dann ihre Hand.

Seanchan Ists deine Hand, Fedelm?
Ich hab nach einer andren Hand geblickt
Die droben ist.

Fedelm Ich kam, um dich zu holen.

Seanchan Fedelm, ich wußte nicht du wärst bei mir.

Fedelm Und weißt du denn nicht mehr, daß ich versprach
Zu kommen und nach Hause dich zu nehmen
Wenn ich die Ernte heimgebracht. Nun kam ich
Und du sollst mit, sollst mit im Augenblick.

Seanchan Ich komme – ja. Die Ernte ist herein?
Die Luft hat etwas wie Geschmack des Sommers.

Fedelm Doch ist die wilde Sommersmitte nicht
Die beste Zeit für Hochzeit? komm jetzt mit.

Seanchan Faßt sie an beiden Handgelenken

Wer hat dich das gelehrt? denn 's ist Gewißheit,
Obwohl ich es bis gestern nie gewußt,
Daß Hochzeit, die des Lebens Höhe ist,
Sich völlig in den hohen Tagen nur
Des Jahrs erfüllen kann. Ich lag und wachte:
Da kam ein Rasen in das Licht der Sterne
Und näher kamen sie und ich erkannte,
Sie würden Hochzeit auf dem Acker jetzt
Gleich mit den Schollen halten, um zu zeugen
Ein mächtiges Geschlecht wie keins je war.
Doch drinnen welche machten einen Lärm
Und scheuchten sie hinweg.

Fedelm Komm mit mir jetzt!
Der Weg ist weit und Tages Licht rinnt aus.

Seanchan Die Sterne kamen nah und ich vernahm
Ihr Singen. Und sie priesen jenes große
Geschlecht – von weißem Leib – und Stolz – und freudig –
Mit hohem Haupt und offner Hand – und wie
Es lachend nach der Herrschaft greift der Welt.

Fedelm Du sollst mir mehr von ihren Liedern sagen
Zuhaus. Dir tuen Rast und Pflege not.
Dies geb ich dir, wenn wir zu Hause sind
Und darum laß uns schnell nach Hause gehn.

Seanchan Gewiß ist irgend eine Wirrsal hier
Obwohl sie mir aus der Erinnerung kam.
Und ich will fort davon. Komm stütze mich.
Versucht aufzustehen
Doch wo sind meine Schüler, mir zu helfen?
Geh – rufe sie, denn ihre Hilfe brauch ich.

Fedelm Komm mit mir und ich sende gleich nach ihnen
Ich kann ein großes Zimmer voller Betten
Bereiten – und dort ist ein weicher Rasen
Fürs Ballspiel und sie können singen unter
Dem Apfelbaum.

Seanchan Ich kenne jenen Platz:
Mit Apfelbaum und ebnem weichen Grund
Für Jünglinge die ihre Schläger schwingen.

Er singt

Vier Ströme die dort rannen
Durch glatt gemähten Grund
Entsprangen dem geweihten Quell
Der rund ging und im Rund
Um große Wurzeln sprang
Und im Gezweig am Ort
Sind luftiger Vögel Scharen
Und singen immerfort.

Fedelm Bedeckt sich erregt die Augen mit der Hand

Nein – nicht vier Ströme sinds – und dieses Lied
preist Adams Paradies.

Seanchan Ich weiß nun wieder.
Dies ist aus einem Lied – ich sangs vor Zeiten
Von einem Garten in dem Ost der Welt
Wie Geister in Gestalt von Vögeln im
Gezweig von Adams altem Baum sich drängten.
Sie sind jetzt da und wühlen in der Frucht
Mit solcher Gier – so trunken von dem herben
Heilkräftigen Geschmack daß ihre Federn
Ganz an einander kleben von dem Saft.
Doch sprachst du mir von einem holden Platz
Und ich will schnell dahingehn.

Fedelm Hilft ihm aufzustehen

Komm mit mir.

Er geht langsam, von ihr unterstützt, bis er an den Tisch kommt.

Seanchan Warum bin ich so schwach? – war ich denn krank?
Geliebte, sag warum bin ich so schwach?

Sinkt in einen Sessel

Fedelm geht zum Tisch

Ich tauche dieses Brot in Wein für dich
Daß es dich stärker mache für die Reise.

Seanchan Ja – gib mir Brot und Wein – dies brauche ich
Denn es ist Hunger, was jetzt an mir nagt.

Er nimmt Brot von Fedelm, zögert und legt es zurück in ihre Hand.

Doch nein, ich darf nicht essen.

Fedelm Seanchan, iß.
Wenn du nicht Speise nimmst so mußt du sterben.

Seanchan Was gibst du Speise mir? was kamst du her?
Denn hatt ich nicht genug schon zu bekämpfen
Bevor du kamst?

Fedelm Iß, Seanchan, dieses Stückchen
Wenn du nur irgend Liebe hast für mich.

Seanchan Ich darf nicht – doch du kannst dies nicht verstehn.
Kind! Kind! ob ich auch sterben muß – ich darf nicht.

Fedelm leidenschaftlich

Du kennst die Liebe nicht, denn liebtest du
So blieb dir jedes andre Denken fern.
Nie hast du mich geliebt.

Seanchan faßt sie am Handgelenk

Und du, ein Kind,
Das Männer nur vom Fenster aus gesehn
Sagst mir, daß ich nichts von der Liebe weiß
Und daß ich dich nicht liebe? sagt ich nicht
Da war ein Rasen in dem Licht der Sterne
Die ganze lange Nacht und daß die Nacht
Voll Hochzeit war? doch jener Kampf ist aus
Und alles das ist aus und ich muß sterben.

Fedelm schlägt ihre Arme um ihn

Ich will nicht von dir gehn, obwohl ich denke
Ich klagte nicht wenn eine hohe Dame,
Des Königs Tochter, dir das Bett bereitet.
Ich laß dich nicht dem Tod – nein, nein! und sind nicht
Der weiche Hals, die weißen Arme hier
Mehr als die braune Erde?

Seanchan versucht sich loszuwinden

Fort von mir!
Verrat ist in den Armen – in der Stimme.
Sie sind mir feindlich. Was doch zauderst du?
Wie lang muß ichs ertragen dich zu sehn?

Fedelm O Seanchan! Seanchan!

Seanchan erhebt sich

Geh wohin du willst
Nur fort mir aus der Sicht und aus dem Sinn.
Ich werf dich fort wie die zerfetzte Kappe!
Den offnen Schuh! den Handschuh ohne Finger!
Den schlechten Pfennig! was nur wertlos ist!

Fedelm bricht in Tränen aus

O treibe mich nicht fort!

Seanchan nimmt sie in seine Arme
Was sagte ich
Dir Taube meiner Wälder? flucht ich dir?
Es war ein Wahnsinn. Ungesagt sei alles.
Doch du mußt von mir gehn.

Fedelm Laß mich bei dir.
Gehorchen will ich wie ein ehlich Weib.
Nur vor dir liegen laß mich.

Seanchan Komm heran.
Küßt sie.
Hätt ich gespeist auf deinen Rat, Geliebte
So wär der Kuß von künftigen Tausenden
Um so viel ärmer worden.

Der König kommt aus dem Palast gefolgt von den zwei Prinzessinnen.

König zu Fedelm
Aß er schon?

Fedelm Nein, Herr, und wird auch nicht – gibst du zurück nicht
Der Dichter Recht.

König Kommt herab und steht vor Seanchan.

Du wiesest alle fort
Die ich gesendet, Seanchan, und nun komme
Ich selbst zu dir und komme mit dem Wunsch
Daß du den Stolz so weit zur Seite tust
Wie ich den meinen. Mein war deine Liebe
Vor kurzer Frist – jetzt aber setztest du
Zum Herd in jede Hütte eine Stimme
Und in die Nacht wo keiner sieht, wer ruft.
Die gegen mich schreit bis mein Thron zerfiel.
Doch wenn ich weiche muß ich meine Diener
Und Edlen kränken bis auch sie mir nach
Der Krone schlagen. Was begehrst du, sprich!

Seanchan Wann stellt ein Dichter je den Schutzbrief aus?

König Seanchan, ich bringe Brot mit eigner Hand
Und fordre: iß, um all der Ursach willen
Und um der Ursach noch daß ich dich liebe.
Seanchan stößt mit Fedelms Hand das Brot zurück.
Du weist es fort, Seanchan?

Seanchan Wir wiesens fort.

König Ich war geduldig ob ich Herr auch bin
Und es erzwingen kann. Doch das ist aus
Ich bin ein König – du nur Untertan.
Diener und Edle – bringt die Dichter her.

Hofdamen, Mönch, Soldat, Kämmerer und Höflinge treten auf mit den Schülern, die Stränge um den Hals tragen.

Es sei nach deinem Sinn. Ich der ein Mensch war
Mit Menschensinn, bin jetzt ganz König wieder
Und weiß, daß jene Saat, von der ich kam,
von hundert Fürsten um und um gesät.
Doch nie zurückgeschaudert und gebebt
vor eines Königs lastendem Geschäft.
Ruft euren Herrn und fleht um euer Leben,
Zeigt ihm die Stränge rund um euren Hals.
Setzt er sein Herz daran, so mag er sterben,
Ihr aber sterbt mit ihm.

Geht die Stufen hinauf.

Ums Leben fleht!
Beginnt – denn wenig Zeit habt ihr zu sparen.
Beginn – der du sein erster Schuler bist.

Ältester Schüler Stirb, Seanchan, und verkünd das Recht der Dichter.

König Schweig! denn du bist so sinnlos wie dein Herr.
Doch jener junge, der der Jüngste scheint,
Mag reden. Kniee vor ihm nieder, Knabe,
Hebe die Hand zu ihm daß du die Schlinge
Dir von dem milchig-weißen Nacken nimmst.

Jüngster Schüler Stirb, Seanchan, und verkünd das Recht der Dichter.

Ältester Schüler Faß unsre Stränge all mit deiner Hand
Und treib uns wie du willst, denn wir gehorchen
Dir überall – nur nicht in unsrer Kunst.

Sie strecken die Enden ihrer Stränge dem König hin. Der König kommt langsam die Stufen herab.

König Kniet hin, kniet hin! er hat die größre Macht,
jedwede Macht kann nur in seiner wurzeln –
Ich faß es jetzt. Es gibt nicht andre Macht,
Nur sie kann Kronen weigern und gewähren
Und in der Menschen Augen sie erhöhn
Und darum legt ich sie in seine Hand
Und tu nach deinem Sinn.

Er hat die Krone in Seanchans Hände gelegt.

Seanchan Den seine Schüler beim Aufstehen unterstützen

O Krone! Krone!
Es ist nur recht, daß er der sie erschaffen
In alter Zeit, auch krönt nach seinem Wunsch.

Er setzt die Krone auf des Königs Haupt.

O Silberhörner! seid emporgehoben
Und ruft zum großen kommenden Geschlecht.
Langhälsige Schwäne auf dem Strom der Zeit,
Singt laut! denn jenseits von dem Wall der Welt
Harrt es und hört vielleicht und kommt zu uns.

Die Schüler blasen einen Hornruf.


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