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Das Stundenglas

Dramatis personae

Der Weise

Der Irre

Einige Schüler

Ein Engel

Die Frau des Weisen

und zwei Kinder


Ein großer Raum mit einer Tür im Hintergrund und einer anderen, die seitwärts zu einem inneren Raum führt. Ein Schreibpult und ein Stuhl in der Mitte. Ein Stundenglas auf einem Wandbrett neben der Tür. Ein Stuhl daneben. Einige Bänke. Ein astronomischer Globus. Eine schwarze Tafel. Eine große alte Weltkarte an der Wand. Einige Musikinstrumente. Der Boden mit Binsen bestreut. Ein Weiser Mann sitzt an seinem Pult.

Der Weise die Seiten eines Buches umwendend Wo ist der Satz den ich meinen Schülern heute erklären soll? hier ist er – und das Buch sagt, daß ein Mann ihn geschrieben auf die Mauer von Babylon: »Da sind zwei lebende Länder, das eine sichtbar und das andre unsichtbar, und ist es Winter bei uns, so ist Sommer in jenem Land, und wehen bei uns die Novemberwinde, so ist dort die Wurfzeit der Lämmer.« Ich wollte daß meine Schüler mich um die Erklärung eines anderen Satzes gebeten hätten. Der Irre kommt und steht neben der Tür mit vorgestrecktem Hut. Er hält eine Schere in der anderen Hand. Es klingt mir wie Narretei, und doch kann das nicht sein, denn der Schreiber dieses Buches in dem ich so viel Kenntnis gefunden, würde es nicht für sich auf diese Seite gesetzt und mit so vielen Bildern umgeben haben und so vielen tiefen Farben und so feiner Vergoldung, wäre es Narretei gewesen.

Der Irre Gib mir einen Pfennig.

Der Weise wendet ein anderes Blatt um Hier hat er geschrieben: »Die Gelehrten der alten Zeiten vergaßen das sichtbare Land.« Dies verstehe ich, aber ich habe meine Lernenden besser belehrt.

Der Irre Willst du mir nicht einen Pfennig geben?

Der Weise Was verlangst du? die Worte des weisen Sarazenen werden dich nicht vieles lehren.

Der Irre Solch ein großer weiser Lehrer wie du wird dem Irren nicht einen Pfennig weigern.

Der Weise Was weißt du von Weisheit?

Der Irre O ich weiß! ich weiß was ich gesehen habe.

Der Weise Was hast du gesehen?

Der Irre Als ich durch Kilcluan ging, wo die Glocken immer läuten bei Tages Anbruch, hörte ich nichts als das Schnarchen der Leute in ihren Häusern. Als ich durch Tubbervanach kam, wo die Jünglinge den Hügel hinanzusteigen pflegen zum gesegneten Quell, saßen sie an den Kreuzwegen und spielten Karten. Als ich durch Carrigoras ging, wo die Brüder zu fasten pflegten und den Armen zu dienen, sah ich sie Wein trinken und ihren Weibern gehorchen. Und da ich fragte, welch ein Mißgeschick all diese Wandlung hervorgebracht, Sagten sie, das sei nicht Mißgeschick sondern die Weisheit die deine Lehren sie gelehrt hätten.

Der Weise Lauf in die Küche und mein Weib wird dir etwas zu essen geben.

Der Irre Das ist ein närrischer Rat von einem Weisen wie du.

Der Weise Warum, Narr?

Der Irre Was gegessen ist, ist fort. Ich brauche Pfennige für meinen Beutel. Ich muß Speck kaufen in den Läden und Nüsse auf dem Markt und starkes Getränk für die Zeit da die Sonne schwach ist. Und ich brauche Schlingen um die Kaninchen zu fangen und die Eichhörnchen und die Hasen, und einen Topf um sie darin zu kochen.

Der Weise Geh fort. Ich habe jetzt an andere Dinge zu denken als daran dir Pfennige zu geben.

Der Irre Gib mir einen Pfennig und ich werde dir Glück bringen. Bresal der Fischer läßt mich bei seinen Netzen schlafen auf dem Speicher im Winter, weil er sagt daß ich ihm Glück bringe, und im Sommer lassen mich die wilden Kreaturen in der Nähe ihrer Nester und Erdlöcher schlafen. Es bringt Glück mich nur anzusehen oder zu berühren, aber es bringt noch viel mehr Glück mir einen Pfennig zu geben. Streckt seine Hand aus. Wär ich nicht glückhaft, würd ich verhungern.

Der Weise Wozu brauchst du die Schere dort?

Der Irre Ich will es nicht sagen. Wenn ichs dir sagte, würdest du sie vertreiben.

Der Weise Wen würde ich vertreiben?

Der Irre Ich wills nicht sagen.

Der Weise Nicht wenn ich dir einen Pfennig gebe?

Der Irre Nein.

Der Weise Nicht wenn ich dir zwei Pfennige gebe?

Der Irre Du wirst sehr glücklich werden wenn du mir zwei Pfennige gibst, aber ich wills nicht sagen.

Der Weise Drei Pfennige?

Der Irre Vier – und ich sag es dir.

Der Weise Gut, vier. Aber ich werde dich nicht länger Teigue den Irren heißen.

Der Irre Laß mich nah zu dir kommen wo niemand mich hören kann. Aber zuerst mußt du versprechen daß du sie nicht vertreiben wirst. Der Weise nickt. Jeden Tag gehen schwarzgekleidete Männer aus und breiten große schwarze Netze über die Hügel, große schwarze Netze.

Der Weise Warum tun sie das?

Der Irre Sie wollen die Füße der Engel fangen. Aber jeden Morgen just vor der Dämmerung gehe ich hinaus und zerschneide die Netze mit meiner Schere und die Engel fliegen fort.

Der Weise Ah, jetzt weiß ich, daß du Teigue der Irre bist. Du sagtest mir daß ich weise bin, und ich habe nie einen Engel gesehen.

Der Irre Ich sah viele viele Engel.

Der Weise Bringst du auch den Engeln Glück?

Der Irre O nein, nein! niemand könnte das. Aber sie sind immer da, wenn man sich umsieht – sie sind wie die Halme der Gräser.

Der Weise Wann siehst du sie?

Der Irre Wenn man ruhig wird, dann wacht etwas in einem auf, etwas glückliches und ruhiges wie die Sterne – nicht wie die sieben, die sich bewegen, sondern wie die Fixsterne. Er deutet empor.

Der Weise Und was geschieht danach?

Der Irre Dann all in einem Augenblick riecht es nach Sommerblumen und hohe Leute gehen vorüber, glücklich und lachend, und ihre Gewänder haben die Farbe von brennendem Grasboden.

Der Weise Ist es lange her seit du sie gesehen, Teigue der Irre?

Der Irre Nicht lange, Ehre sei Gott! ich sah einen just eben hinter mir herkommen. Er lachte nicht, aber sein Gewand hatte die Farbe von brennendem Grasboden und da war etwas Glänzendes um sein Haupt.

Der Weise Schön, da sind deine vier Pfennige. Du, ein Narr, sagst »Ehre sei Gott,« aber bevor ich kam, da sagten es die Weisen. Lauf jetzt fort. Ich muß die Glocke läuten für meine Schüler.

Der Irre Vier Pfennige! das bedeutet eine große Menge Glück. Großer Lehrer, ich habe dir viel Glück gebracht. Er geht ab, seinen Beutel schwenkend.

Der Weise Ob sie ihn auch Teigue den Irren nennen, ist er doch nicht närrischer als sie alle zu sein pflegten, mit ihren Träumen und Predigten und ihren drei Welten aber ich habe ihre drei Welten umgestürzt durch die sieben Wissenschaften. Er berührt die Bücher mit seinen Händen. Durch Philosophie, die gemacht war für den einsamen Stern, lehrte ich sie Theologie vergessen. Hinter der Architektur verbarg ich die Wälle ihrer bewölkten Himmel. Mit Musik der wilden Planetentochter, deren Haar immer im Feuer ist, und mit Grammatik der Tochter des Mondes verschloß ich ihr Gehör dem eingebildeten Geharfe und den Reden der Engel. Und mit der Arithmetik habe ich Schlachtordnungen aufgestellt, welche die Scharen des Himmels in die Flucht schlugen. Doch ihr, Rhetorik und Dialektik, die ihr erzeugt seid aus den Sternen des Lichtes und der Liebe, ihr seid mein Speerträger und mein Katapult gewesen? o ihr meine raschen Reiter! o meine scharf treffenden Argumente! mit eurer Hilfe warf ich die Heerscharen der Narretei über den Haufen. Ein Engel in einem Gewand von der Farbe glühender Asche, mit einem blühenden Apfelzweig in der Hand und einem goldenen Schein um das Haupt, steht auf der Schwelle. Bevor ich kam, war der Menschen Hirn angefüllt mit Narrheit von einem Himmel, wo Vögel die Stunden sangen, und von Engeln die kamen und auf der Menschen Schwellen standen. Aber ich verschloß diese Gesichte im Himmel und habe den Schlüssel umgedreht. Nun, ich muß mir diesen Satz von den zwei Ländern überlegen. Meine Mutter pflegte etwas in der Art zu sagen. Sie mochte sagen daß, wenn unsre Leiber schlafen, die Seelen erwachen und daß was auch immer hier verwelkt, dort zur Reife kommt und daß ganze Ernten uns entzogen werden, um die Unsichtbaren zu nähren. Aber die Meinung hier im Buch mag eine andre sein, denn nur Narren und Weiber haben Gedanken wie diese, niemals werden ihre Gedanken verzeichnet auf die Mauer von Babylon. Er erblickt den Engel. Was bist du? wer bist du? mir scheint, ich sah welche die dir gleichen in meinen Träumen da ich ein Kind war – dieses helle Ding, dieses Gewand von der Farbe brennender Asche! aber ich hab zu Ende geträumt, ich hab zu Ende geträumt.

Der Engel Ich bin der Engel des Allerhöchsten Gottes.

Der Weise Warum kamst du zu mir?

Der Engel Ich brachte dir eine Botschaft.

Der Weise Welch eine Botschaft hast du für mich?

Der Engel Du wirst sterben in einer Stunde. Du wirst sterben sobald der letzte Sand in dieses Glas fiel. Er wendet das Stundenglas um.

Der Weise Meine Zeit zum Sterben ist noch nicht gekommen. Ich hab meine Schüler. Ich hab ein junges Weib und Kinder, die ich nicht verlassen darf. Warum muß ich sterben?

Der Engel Du mußt sterben weil keine Seelen mehr über die Schwelle des Himmels gegangen sind, seit du in dieses Land gekommen. Die Schwelle bewuchs mit Gras und das Gitter ward rostig und die Engel, die dort Wache halten, sind einsam.

Der Weise Wohin wird der Tod mich führen?

Der Engel Die Tore des Himmels werden sich dir nicht auftun, denn du hast das Dasein des Himmels geleugnet, und die Tore des Fegfeuers werden sich dir nicht auftun, denn du hast das Dasein des Fegfeuers geleugnet.

Der Weise Aber ich leugnete auch das Dasein der Hölle!

Der Engel Die Hölle ist der Ort für die welche leugnen.

Der Weise kniet Ich habe in Wahrheit alles geleugnet und habe andre das Leugnen gelehrt. Ich glaubte an nichts als was meine Sinne mir sagten. Doch o, schöner Engel, vergib mir, vergib mir!

Der Engel Du solltest längst um Vergebung gefleht haben.

Der Weise Hätt ich dein Antlitz gesehn wie ich es jetzt sehe – o schöner Engel, ich hätte geglaubt und um Vergebung gefleht. Vielleicht weißt du es nicht wie leicht es ist zu zweifeln. Sturm, Tod, Grasfäule, viele Krankheiten – dieses waren die Boten die zu mir kamen. O warum schweigst du? du trägst die Verzeihung des Allerhöchsten, gib sie mir! ich wollte deine Hände küssen wenn ich nicht fürchtete – nein, nein, den Saum deines Gewandes!

Der Engel Du ließest unsterbliche Hände zu lang aus den deinen um sie jetzt wieder zu fassen.

Der Weise Du kannst nicht verstehen. Du lebst in einem Land von dem wir nur träumen können. Vielleicht ist es dir ebenso schwer unseren Unglauben zu verstehen, wie es uns schwer ist, zu glauben. O was habe ich gesagt! du weißt alles! gib mir Zeit, ungetan zu machen was ich getan. Gib mir ein Jahr – einen Monat – einen Tag – eine Stunde! gib mir zum Ende dieser Stunde daß ich ungetan mache was ich getan!

Der Engel Du kannst, was du tatest, nicht ungetan machen. Doch habe ich solche Macht außer meiner Botschaft. Findest du einen der glaubt, vor dem Ende dieser Stunde, so sollst du in den Himmel kommen nach den Jahren des Fegfeuers. Denn von einem feurigen Saatkorn, in der Hut derer die mich sandten, kann die Ernte sich wieder häufen auf dem goldenen Boden der Tenne. Doch jetzt fahrwohl, denn ich bin müd vom Gewicht der Zeit.

Der Weise Gesegnet sei der Vater, gesegnet sei der Sohn, gesegnet sei der Geist, gesegnet der Bote den sie gesandt!

Der Engel In der Tür und auf das Stundenglas deutend In einer kleinen Weile wird das obere Glas leer sein. Er geht ab.

Der Weise Alles wird wieder gut. Ich will meine Schüler rufen – sie sagen nur, daß sie zweifeln. Er zieht die Glocke. Sie werden in einem Augenblick hiersein. Ich höre ihre Schritte draußen auf dem Pfad. Sie wünschen mir zu gefallen, sie geben vor, daß sie ungläubig sind. Der Glaube ist zu alt, er kann nicht in einem Augenblick überwunden werden. Außerdem kann ich beweisen, was ich einst mit Gegenbeweisen bekämpft. Zieht wieder die Glocke. Sie kommen jetzt. Ich will an mein Pult gehen. Ich will ruhig sprechen als ob nichts geschehen wäre. Er steht am Pult mit einem festen Blick in den Augen. Die Schüler und der Irre treten ein.

Der Irre Laßt mich doch. Laßt mich doch, wer zerrt an meinem Beutel? Königssohn, du sollst nicht an meinem Beutel zerren.

Schüler Gaben deine Freunde, die Engel, dir diesen Sack? warum haben sie dir nicht den Sack gefüllt?

Der Irre Gebt mir Pfennige! gebt mir einige Pfennige!

Schüler Wozu brauchst du Pfennige, dieser große Sack um deinen Leib ist schwer.

Der Irre Ich möchte Speck kaufen in den Läden und Nüsse auf dem Markt und stark Getränk für die Zeit da die Sonne schwach ist und Schlingen um die Kaninchen zu fangen und die Eichhörnchen, welche die Nüsse stehlen, und die Hasen, und einen großen Topf, um sie darin zu kochen.

Schüler Warum sagen dir deine Freunde nicht, wo es vergrabene Schätze gibt?

Ein andrer Warum machen sie dich nicht von Schätzen träumen? wenn man dreimal träumt, gibt es immer einen Schatz.

Der Irre seinen Hut hinstreckend Gebt mir Pfennige! gebt mir Pfennige! Sie werfen Pfennige in seinen Hut. Er steht dicht neben der Tür um jedem der neu kommt seinen Hut hinzuhalten.

Schüler Meister, willst du Teigue den Irren zum Schüler haben?

Ein andrer Teigue, willst du daß wir dir für deine Pfennige Unterricht geben? nein, er geht ohne Geld zur Schule auf die Berge hinauf. Sag uns, was du lernst auf den Bergen, Teigue?

Der Weise Seid alle still! Er war ruhig dagestanden ohne hinzublicken steht still auf euren Plätzen, denn da ist etwas, was ich von euch erfahren möchte. Einen Augenblick Stille. Sie alle stehen im Kreis an ihren Plätzen. Der Irre steht noch neben der Tür. Ist einer unter euch der an Gott glaubt? an den Himmel? oder an das Fegfeuer? oder an die Hölle?

Alle Schüler Nicht einer, Meister, nicht einer!

Der Weise Ich wußte, daß ihr das sagen würdet aber habt keine Furcht. Ich werde nicht böse sein. Sagt mir die Wahrheit. Glaubt ihr nicht?

Schüler Einmal taten wir das, aber du hast uns besser belehrt.

Der Weise Oh Lehren, Lehren gehen nicht sehr tief. Das Herz darunter bleibt ganz unverwandelt. Ihr habt den Glauben, den ihr immer hattet, und fürchtet euch, es mir zu sagen.

Schüler Nein, nein, Meister!

Der Weise Wenn ihr mir sagt daß ihr euch nicht gewandelt habt, werde ich froh sein und nicht zornig.

Ein Schüler zu seinem Nachbar Er braucht einen zum Disputieren.

Der andre Ich wußte das von Anbeginn.

Schüler Das ist nicht der Gegenstand für heute, du wolltest zu uns von den Worten sprechen die der Bettler an die Mauer Babylons schrieb.

Der Weise Ist einer unter euch der sich nicht gewandelt hat, so wird er mein nächster Freund sein. Gewiß ist ein solcher unter euch. Sie alle schweigen. Gewiß ist nicht so bald zu vergessen, was ihr an den Knieen eurer Mütter gelernt.

Schüler Meister, bevor du kamst, hatte kein Lehrer im Lande Macht gegen die Narrheit und gegen die Unkenntnis. Doch ein jeder hat auf dich gehört, ein jeder hat die Wahrheit gelernt. Deinen letzten Disput hast du hinter dir.

Ein andrer Welch einen Narren machtest du aus dem Mönch auf dem Marktplatz! er hatte nicht ein Wort zu entgegnen.

Der Weise Kommt vom Pult herab und steht zwischen ihnen in der Mitte des Raumes. Schüler, teure Freunde, ich habe euch all die Zeit her betrogen. Ich selbst war es, der unwissend war. Es ist ein Gott. Es ist ein Himmel. Es gibt Feuer das vergeht und es gibt ein Feuer das ewig währt.

Der Irre sitzt unterdessen auf einem Stuhl neben der Tür, an seinen Fingern berechnend was er sich für sein Geld kaufen wird.

Schüler zum andren Er wird nicht zufrieden sein bevor wir nicht mit ihm disputieren. Zum Weisen Beweise es, Meister. Hast du sie gesehen?

Der Weise mit einer tiefen feierlichen Stimme Eben jetzt bevor ihr kamt, trat einer zur Tür herein und da ich aufblickte sah ich dort einen Engel stehen.

Schüler Du warst in einem Traum, jedermann kann einen Engel in seinen Träumen sehen.

Der Weise O mein Gott! es war kein Traum! ich war wach, wach wie jetzt. Ich sage dir, ich war wach wie jetzt.

Schüler Einige träumen auch im Wachen, aber sie sind verrückt und wer wollte glauben was sie sagen? verzeih mir, Meister, aber das ist was du mich zu sagen lehrtest. Das ist was du zum Mönch sagtest, als er von den Gesichten der Heiligen und Märtyrer sprach.

Ein andrer Du siehst wie gut wir deine Lehren lernten.

Der Weise Fort, aus meinen Augen fort! ich brauche einen der sich nicht gewandelt hat. Das ist das Saatkorn von dem der Engel sprach – ich muß es finden bevor ich sterbe. Ich sag euch, ich muß es finden. Dort fällt der Sand und ihr gebt mir Argumente. Hinaus mit euch, mir aus den Augen!

Die Schüler lachen Wie gut er Glauben spielt! er ist wie der Mönch, wenn der nichts mehr zu sagen hatte.

Der Weise Hinaus, hinaus, dies ist nicht Zeit zum Lachen! hinaus mit dir, ob du auch ein Königssohn bist!

Die Schüler beginnen hinauszueilen Kommt, kommt, er will daß wir einen finden der mit ihm disputiert.

Alle gehen ab.

Der Weise allein, geht zur Seitentür Ich will meine Frau rufen. Sie wird glauben, Frauen glauben immer. Er öffnet die Tür und ruft Brigitte! Brigitte! Brigitte kommt in einer Schürze, die Ärmel zurückgeschlagen, die Arme in Mehl Brigitte, sag mir die Wahrheit, sag nicht was mir, wie du denkst, gefallen soll. Sagst du zuweilen deine Gebete?

Brigitte Gebete! nein, du hast mich vor langer Zeit schon gelehrt das zu lassen. Zuerst war ich traurig, aber jetzt bin ich froh, denn abends bin ich schläfrig.

Der Weise Aber glaubst du nicht an Gott?

Brigitte O, eine gute Frau glaubt nur was ihr Mann sagt!

Der Weise Doch zuweilen wenn du allein bist, wenn ich in der Schule bin und die Kinder schlafen – denkst du nicht an die Heiligen, an Dinge woran du früher geglaubt hast? woran denkst du, wenn du allein bist?

Brigitte überlegt Ich denke an nichts. Zuweilen möchte ich wissen, ob das Linnen weiß wird in der Bleiche, oder ich gehe hinaus um zu sehen ob die Krähen nicht das Hühnerfutter wegpicken.

Der Weise O, was kann ich tun! ist hier keiner der glaubt daß er nicht sterben könne? ich muß gehn und einen finden! Er geht zur Tür, bleibt aber stehen, die Augen auf das Stundenglas geheftet. Ich kann nicht hinaus, ich kann das nicht verlassen. Geh und rufe meine Schüler zurück. Ich will es sie verstehen machen. Ich will ihnen sagen daß wir nur inmitten geistlichen Entsetzens oder wenn alles erschüttert ward, was am Leben festhielt, die Wahrheit zu sehen vermögen. Da ist etwas im Plato, aber – nein, rufe sie nicht. Sie würden mir so antworten wie ich sie gelehrt.

Brigitte Du brauchst einen mit dem du einen Streit führen könntest.

Der Weise O blick hinaus und sag mir ob jemand dort auf der Straße ist. Ich kann dieses Glas nicht verlassen, jemand könnte es schütteln, dann würde der Sand rascher fallen.

Brigitte Ich verstehe nicht was du sprichst. Blickt hinaus Da ist eine große Menschenmenge die mit deinen Schülern spricht.

Der Weise O lauf hinaus, Brigitte, und sieh ob sie einen gefunden haben, der solang ich nur lehrte, nichts verstanden hat oder nicht zugehört.

Brigitte Wischt ihre Arme mit der Schürze ab und läßt die Ärmel herunter Es ist schwer mit einem Gelehrten verheiratet zu sein, der immer seine Disputationen haben muß. Geht hinaus und ruft durch die Küchentür Mischt nicht im Brod herum, Kinder, während ich draußen bin.

Der Weise Confiteor deo omnipotenti, beatae Mariae, salvum – salvum … Ich habe alles vergessen. Es sind dreißig Jahre vergangen seit ich zuletzt gebetet. Ich muß in der Sprache des Volkes beten wie ein Narr der auf dem Markt bettelt, wie Teigue der Irre! Er betet hilf mir, Vater, Sohn und Geist!

Brigitte tritt ein gefolgt vom Irren, der ihr seinen Hut hinhält.

Der Irre Gib mir etwas – gib mir einen Pfennig um Speck in den Läden zu kaufen und Nüsse auf dem Markt und stark Getränk für die Zeit da die Sonne schwach wird.

Brigitte Ich habe keine Pfennige. Zum Weisen Deine Schüler können keinen zum Disput mit dir bewegen. Da ist niemand im ganzen Land der so viel Glauben hätte um eine Pfeife damit zu füllen, seitdem du den Mönch niedergerungen hast. Kannst du jetzt nicht ruhig sein und nicht immer nach gelehrtem Streit begehren? es muß schrecklich sein einen solchen Geist zu haben.

Der Weise Ich bin verloren! ich bin verloren!

Brigitte Laß mich jetzt in Ruh, ich muß das Brod für dich und die Kinder backen.

Der Weise Fort von hier, fort von hier, sag ich! Brigitte ab durch die Küchentür Wird niemand mir einen Weg der Hilfe finden! doch sie sprach von meinen Kindern. Ich hatte sie vergessen. Sie werden sich nicht gewandelt haben. Es sind nur die Vernunft besitzen welche zweifeln, die Jungen sind voll Glaubens. Brigitte, Brigitte, schick die Kinder zu mir!

Brigitte von innen

Der Vater braucht euch, lauft gleich zu ihm.

Die beiden Kinder kommen. Sie stehen zusammen nicht weit von der Küchentür, blicken schüchtern auf den Vater.

Der Weise Kinder, woran glaubt ihr? gibt es einen Himmel! gibt es eine Hölle? gibt es ein Fegfeuer!

1. Kind Wir haben nicht vergessen, Vater.

2. Kind O nein, Vater. Die beiden sprechen zugleich wie in der Schule. Da ist nichts, was wir sehen können, da ist nichts was wir greifen können.

1. Kind Törichte Leute pflegten zu denken daß da etwas ist, aber du bist sehr gelehrt und hast es uns besser gesagt.

Der Weise Ihr seid ebenso schlecht wie die andren, ebenso schlecht wie die andren! lauft nicht fort! kommt zurück zu mir! Die Kinder beginnen zu weinen und laufen fort. Warum fürchtet ihr euch! ich will euch besser lehren – nein, ich werde euch nie wieder lehren. Geht zu eurer Mutter! nein, sie wird nicht fähig sein sie zu lehren … hilf ihnen, o Gott! … Die Körner fallen sehr rasch. Da ist sehr wenig Sand im oberen Glas, jemand wird in einem Augenblick bei mir sein, vielleicht ist er jetzt an der Tür! alle Kreaturen, die Vernunft haben, zweifeln. O daß das Gras und die Pflanzen sprechen könnten! jemand hat gesagt, sie würden verdorren, wenn sie zweifelten. O sprecht zu mir, o Grashalme! o ihr Finger von Gottes Gewißheit, sprecht zu mir! ihr seid Millionen und ihr wollt nicht reden. Ich wage es nicht, den Augenblick zu kennen, da der Bote mich abholen wird. Ich will das Glas bedecken. Er bedeckt es mit einem Tuch. Er blickt den Irren der neben der Tür sitzt und mit einigen Blumen spielt die er an seinen Hut gesteckt hat. Er hat begonnen auf eine Löwenzahnblüte zu blasen. Was tust du da?

Der Irre Wart ein wenig. Er bläst. Vier, fünf, sechs.

Der Weise Warum tust du das?

Der Irre Ich blase auf den Löwenzahn um zu wissen wieviel Uhr es ist.

Der Weise Du hast alles gehört! darum möchtest du herausfinden, welche Stunde es ist! du wartest daß sie durch die Tür kommen um mich davonzutragen. Der Irre fährt fort zu blasen. Ich will nicht daß du dort sitzest. Ich will daß keiner hier sei wenn sie kommen. Er faßt den Irren an den Schultern und beginnt ihn zur Tür hinauszudrängen, dann ändert er plötzlich seinen Sinn. Nein, ich muß dich etwas fragen. Er zieht ihn zurück in den Raum. Gibt es einen Himmel? gibt es eine Hölle? gibt es ein Fegfeuer?

Der Irre So fragst du mich jetzt. Ich dachte als du deine Schüler fragtest, ich sagte zu mir, wenn er Teigue den Irren fragen wollte, Teigue könnte ihm alles darüber sagen, denn Teigue hat alles darüber erfahren so oft er die Netze durchschnitt.

Der Weise Sag es mir rasch!

Der Irre Ich sagte, Teigue weiß jedes Ding. Nicht einmal die Katzen und die Hasen, welche Kühe melken, haben Teigues Weisheit. Aber Teigue will nicht sprechen, er sagt nichts.

Der Weise Sag mir, sag mir! denn unter der Hülle fallen die Körner und sind sie alle gefallen so werde ich sterben und meine Seele wird verloren sein, wenn ich nicht einen fand der weiß und glaubt! sprich, sprich!

Der Irre weise blickend

Ich will nicht sprechen! ich will nicht sagen was in meinem Sinn und ich werde nicht sagen was in meinem Beutel ist. Du könntest meine Gedanken stehlen. Ich traf gestern einen Greis auf dem Weg und er sagte: »Teigue, sag mir wieviel Pfennige in deinem Beutel sind, ich wette drei Pfennige daß da nicht zwanzig Pfennige in deinem Beutel sind, laß mich die Hand hinein tun und sie zählen.« Aber ich zog die Schnur fester, so, und jedesmal wenn ich schlafen gehe verstecke ich den Beutel wo niemand weiß.

Der Weise Geht auf das Stundenglas zu wie um es aufzudecken

Nein, nein, ich habe nicht den Mut. Er kniet. Hab Mitleid mit mir, Irrer, und sag mir!

Der Irre Ah! jetzt ist das anders. Ich fürchte mich jetzt nicht vor dir. Aber ich muß näher zu dir kommen, jemand da drinnen konnte hören was der Engel sagte.

Der Weise O, was sagte dir der Engel?

Der Irre Einst war ich allein auf den Hügeln und ein Engel kam vorüber und sprach: »Teigue der Irre, vergiß nicht die drei Feuer, das Feuer das straft, das Feuer das reinigt und das Feuer darin die Seele sich freuet für immer!«

Der Weise Er glaubt! ich bin gerettet! hilf mir! der Sand ist ausgelaufen. Ich sterbe … Der Irre führt ihn zu seinem Stuhl. Ich komme aus dem Lande der sieben wandernden Sterne und ich gehe in das Land der festen Sterne! ich verstehe das alles jetzt. Man sinkt hinein in Gott, wir sehen die Wahrheit nicht, Gott sieht die Wahrheit in uns. Zieh die Glocke. Sie kommen. Sag ihnen, Irrer, daß wenn das Leben und der Geist zerbrachen, die Wahrheit hindurchbricht wie Erbsen durch eine geplatzte Schote. Bete, Irrer, daß sie ein Zeichen empfangen und ihre Seelen lebendig forttragen aus der sterbenden Welt. Deine Gebete sind besser als die meinen.

Der Irre beugt das Haupt. Der Kopf des Weisen Mannes sinkt auf seinen Arm auf die Bücher nieder. Die Schüler kommen.

Schüler Seht den Irren, der ein Glöckner geworden ist!

Ein andrer Warum hast du uns gerufen Teigue? was hast du uns zu sagen?

Ein andrer Kein Wunder daß er Träume gehabt hat! seht, er liegt jetzt in festem Schlaf. Geht hin und rührt ihn an. Er schläft so fest daß ich ihn nicht wecken kann. O, er ist tot!

Der Irre Rührt euch nicht! er bat um ein Zeichen damit ihr gerettet würdet. Alle sind einen Augenblick still … Seht, was ihm aus dem Munde geschlüpft ist … ein kleines geflügeltes Ding … ein kleines leuchtendes Ding … es ging zur Türe hin. Der Engel erscheint in der Tür, streckt die Hände aus und schließt sie wieder. Der Engel hat sie in seine Hände genommen … er wird sie öffnen in dem Garten des Paradieses.

Sie alle knieen.


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