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Die schattigen Wasser

Dramatis Personae

Forgael

Aibric

Schiffer

Dectora


Die sieben Wälder schritt ich durch von Coole
Shan-walla wo ein Teich im Weiden-Kreis
Die wilden Enten hegt seit Winters-Dämmern
Schattig Kyle-dortha, sonniger Kyle-na-gno
Wo zahllos Eichhörnchen so glücklich sind
Als wären sie gedeckt von grünen Zweigen
Wo Alter sie nicht findet, Paire-na-lea
Wo Hasel, Weid' und Esch' die Pfade dunkeln
Fahl Paire-na-carraig wo in die grüne Luft
Die Bienen ihre jähen Düfte werfen
Fahl Paire-na-tarav wo berückte Augen
Mild-stolz-unsterbliche Schatten gehen sahn
Fahl Inchy-wald, der Dachs und Marder birgt
Und Fuchs und der den alten Wald begrenzt
Den bös der weise Biddy Early hieß:
Sieben Düfte sieben Hauche sieben Wälder.
Mein Aug war nicht wie die berückten Augen
Doch sah ich Wesen glücklicher als Menschen
Rundum gehn in den Schatten und zu Nacht
Durchbrachen Feuer und Stimmen meine Träume
Und die ich hier von Forgael gab, die Bilder
Und von Dectora und den öden Wassern
Regten sich in den Stimmen und den Feuern.
Mehr sag ich nicht, denn die des Schlafes Wasser
Zerteilen, machen Schwätzer-zungen schwer
Wie Steine, ihre Weisheit ist halb Schweigen.
Wie nenn ich euch, mild-stolz-unsterbliche Schatten!
Ich weiß nur, was wir kennen kommt von euch
Und daß ihr flüchtigen Schritts von Eden kommt.
Ist Eden fern und meidet ihr das Denken
Der Menschen wie Kaninchen, Hasen, Mäuse
Die Sichel fliehn und in der letzten Furche
Der Gerste liegen? sind in unsren Wäldern,
Winden und Teichen mehr der stillen Wälder
Mehr helle Winde, sternbeglänzte Teiche?
Ist Eden nicht im Raum noch in der Zeit?
Und schart ihr euch um uns wenn blasses Licht
Auf Wasser scheinend und durch Blätter fallend
Und Wind von Blumen her, Geschwirr von Federn
Und grüne Ruhe uns das Herz gestärkt?
Ich schrieb euch dies Gedicht, daß man es lese
Ehe man von Forgael und Dectora liest
Wie Menschen einst, bevor die Harfe sang,
Wein gossen für die hohen Unsichtbaren.

September 1900
Die Harfe des Aengus

Edain kam her aus Midhers Holm und lag
Beim jungen Aengus in dem Turm von Glas
Wo Zeit er trank in duft-beladenen Winden
Und Zaubermonden, in des Laubs Geflüster
In Laub, das schläft und Laub, drin Äpfel aus
Opal, Rubin und blassem Chrysolith
Schlaflose Feuer wecken, und wob sieben Saiten
Süß von Musik aus seinem langen Haar
Weil Liebe ihre Hände wild gemacht
Als sie durch Midhers Weib zur Fliege ward
Schuf eine Harfe er aus Zauberholz
Daß sie im Wald von seinen Tränen wüßte
Seither gab er nur denen Schutz, die treu
Im Lieben waren.

Das Deck eines vorzeitlichen Schiffes. Auf der rechten Seite der Bühne ist der Mast mit einem breiten viereckigen Segel, das auf dieser Seite einen großen Teil des Himmels und des Meers verdeckt, das Steuer befindet sich links, es ist ein langes Ruder, das durch eine Öffnung in der Schanzkleidung hindurch ragt. Das Deck erhebt sich hinter dem Steuer in einer Folge von Stufen und der Stern des Schiffes krümmt sich nach oben. Alles Holzwerk ist dunkelgrün, auch das Segel ist dunkelgrün mit einem blauen Muster darauf, das hier und da ein wenig Kupferfarbe zeigt. Der Himmel und die See sind dunkelblau. Alle Personen des Spiels sind in verschiedene Farbstufen von grün und blau gekleidet, die Männer mit Helmen und Schwertern von Kupfer, die Frau mit Kupferschmuck an der Kleidung.

Beim Beginn des Spiels sind vier Personen an Deck. Aibric steht am Steuer. Forgael schläft auf dem erhöhten Teil des Deckes nach dem Vordergrund der Bühne zu. Zwei Schiffer stehen in der Nähe des Mastes, daran eine Harfe hängt.

1. Schiffer Bracht er uns nicht in diese wüste See
Auf lang genug?

2. Schiffer Ja, lang und lang genug.

1. Schiffer Wir haben Küste nicht noch Schiff gesehn
Zwölf Wochen lang.

2. Schiffer Mir sollte diese Fahrt –
So hoffte ich – ein reichlich Geld gewinnen.
Denn vorwärts will ich gehn, für ein Gewerb
Das weniger auf und ab kennt als der Raub.

1. Schiffer So lüstern hat Enthaltung mich gemacht –
Acht Heuern gäb ich, würde mir dafür
Die rote Moll, die nur ein Auge hat.

2. Schiffer Das ganze Ael lief aus beim neuen Mond
Und seit ins Blut die Zeit mir Wasser gießt
Ist nur der Ael-Krug Vater mir und Mutter.

1. Schiffer Wohl besser wärs, wir kehrten wieder heim
Ob er es will, ob nicht, und besser noch,
Wir brächten es zu End solang er schläft.
Dächten wir gleich, ich täts.

2. Schiffer Wär das nur nicht,
Daß dort Magie in seiner Harfe ist
was mir Furcht macht, auf ihn die Hand zu heben
So wär ich deines Sinns, doch wenn er spielt
flattern seltsame Wesen vor den Augen
Und rufen in das Ohr.

1. Schiffer 's ist nichts zu fürchten.

2. Schiffer Weißt du's, wie die Galeere wir versenkten
Beim vollen Mond?

1. Schiffer Er spielte die ganze Nacht.

2. Schiffer Bis der Mond sank, und als ich hinsah, wo
Die Toten trieben, sah ich Vögel hocken
Auf jedem Körper, grauen Möven gleich.
Die hoben sich in Hast, dieweil ich schaute
Und kreisten seltsam schreiend und entflohn
Nach Westen hin – und oft und oft seitdem
Hört ich ein Rauschen über mir im Wind.

1. Schiffer Ich sah sie in der Nacht so gut wie du.
Doch als ich satt gegessen und getrunken
Kam mir der Mut zurück.

2. Schiffer Das ist nicht alles.
Die andre Nacht, da er sie spielte, stiegen
Ein schöner Jüngling und ein Mädchen auf
In einer weißen Woge Fall – die blickten
Wie jene, die allzeit lebendig sind.

1. Schiffer Ich sah sie auch – im Dunkel. Forgael spielte
Und hinter jenem Segel lauschten sie.
Er sah sie nicht, ich aber hob die Hände
Das Weib zu greifen.

2. Schiffer Wagtest du den Griff?

1. Schiffer O sie war nur ein Schatten und glitt fort.

2. Schiffer Doch hattest du nicht Furcht?

1. Schiffer Was sollt ich fürchten?

2. Schiffer 's war Aengus mit Edain, die liebenden Wandrer,
Schutz aller Liebenden.

1. Schiffer Was folgt daraus?
Ein Schatten trägt kein Schwert und keinen Speer.

2. Schiffer Es sagte mir die Mutter, daß nicht einer
Der Ewigen halb so gefährlich sei
Wie jener wilde Aengus. Lang zuvor
Trug er Edain aus eines Königs Haus
Und barg sie unter Früchten und Juwelen
In einem Turm von Glas und seit dem Tag
Haßte er jeden, der nicht lieben mochte.
Und brachte ihm Gefahr.

1. Schiffer Ich hab gehört,
Er hasse Schiffer nicht so sehr als jene
Friedlichen Männer, die den Wind aussperren
Und hängen an dem trägen Ehebett.

2. Schiffer Ich denk, er hat Forgael in seinem Netz
Und zieht ihn übers Meer.

1. Schiffer Netz oder nicht,
Ich schlüg ihn tot, solang es möglich ist.

2. Schiffer Gewiß, ich schliefe friedlicher zu Nacht
Wenn er tot wär – doch wer sieht nach den Sternen
Als Kapitän und findet unsren Kurs?

1. Schiffer Das ist bedacht. Mit uns soll Aibric sein.
Der kennt so gut als Forgael die Gestirne.
Er geht auf Aibric zu.
Aibric, sei Kapitän. Ich bin entschlossen
Den Forgael abzutun dieweil er schläft.
Da ist nicht einer, der nicht froh sein wird
Wenn es vorbei, nicht einer auch wird murren.
Den Teil des Kapitäns bekommst du ganz.

Aibric Still! denn genommen habt ihr Forgaels Geld.

1. Schiffer Das Geld nahm uns in Dienst, doch sahn wir keins
Die lange Zeit – auch gäb es keinen Aufstand,
Wenn in befahrne Seen er uns gebracht,
Denn so war das Geschäft, als wir es schlossen.
Welch Gutes bringt so harte Lebensart
Trinken wir nicht im Jahr mehr Flaschen leer
Und küssen mehr als tüchtig friedliche Männer
In ihrem Leben? sei von unsrer Schar,
Du wirst kein schechtrer Führer.

Aibric Eurer Schar!
Nein, nicht mit hundert Männern eurer Art
wenn Forgael drüben ist. Ich spräche so
Auch dann, wenn Forgael nicht mein Herr gewesen
Seit frühster Kindheit, doch weil es so ist,
Wenn du das Schwert dort aus der Scheide ziehst
Weiß ich die Antwort euch.

1. Schiffer Du wecktest ihn.
Zum 2. Schiffer
Komm, wir verloren diese Möglichkeit.
Sie gehen ab.

Forgael Sind sie vorbei – die Vögel? ich hörte dich.
Und andre noch.

Aibric Ich habe nichts gesehn.

Forgael Weißt du's gewiß? nie fahr ich aus dem Schlaf
Frei von der Angst, daß sie vorbei mir flohn,
Die einzigen Lotsen. Wenn ich sie verlor,
Zu weit nach Norden oder Süden weichend,
Gelang ich niemals zu der Seligkeit
Die mir verheißen ward. Ich sah sie nicht
Seit vielen Tagen und doch gibt es viele
Die immerzu dort sterben in der Welt
Und ihrer Rast zufliegen.

Aibric Laß dies Sinnen
Und höre mich ein Weilchen an. Die Schiffer
Beraten deinen Tod.

Forgael Und gab ich nicht
Mehr Schätze, als sie je zu finden hofften?
Mir wollen sie nicht folgen, da ich suche
Den einzigen Schatz, den meine Sehnsucht will.

Aibric Wie kann dies wüste Meer dir Schätze bringen
Wo kein Schiff segelt, wo nichts Lebendes
Hinkommt denn diese menschen-köpfigen Vögel,
Als zu dem Rand der Welt.

Forgael Wo die Welt endet
Wird wandellos der Geist, denn er gewinnt
Verzückung, Wunder, unerfüllbar Hoffen,
Den Grundstein selbst, das Feuer aller Feuer,
Das Wurzelwerk der Welt.

Aibric Wer weiß, ob Schatten
Zu eigner Lust nicht deinen Sinn verrückt.

Forgael Zweifelst auch du? bist du in ihrem Bund?

Aibric Nein, nein, sprich nicht so. Du weißt gut genug –
Niemals heb ich die Hände wider dich.

Forgael Willst du mir treuer sein, der du so wenig
Mir traust als sie?

Aibric Ich hab dich allzulang
Den Herrn genannt um wider dich zu stehn.

Forgael Es mag natürlich sein an mir zu zweifeln.
Du wußtest nie – darauf halt ich die Wette –
Von einer Schwermut, die ein Becher Wein,
Ein glückliches Gefecht, ein Frauenkuß
Nicht heilen konnte.

Aibric Ich bin wohl gestimmt.
Sodbrennen hab ich nur von Zeit zu Zeit
Und das vertreibt gekochter Süßholz-Saft.

Forgael Gib mir all dein Gehör für eine Weile –
Ganz, ganz bis zu der Schale wahrem Grund –
So zeig ich dir, daß ich von andrer Art
Daß nichts sie heilen kann als diese Wasser
Wo's nicht dies Leben gibt – der Welt Geschehen –
Wie nennt lhr's gleich – den alten Eidesbrecher
Den trügenden Propheten, der dir flüstert
»Dir wird Erfüllung, wenn du Land erwarbst
Für dein Geschlecht und Geld in einen Topf.«
Und haben wir's sind wir nicht glücklicher,
Weil etwa Zugwind herweht von der Tür
Und Schuhe knarren. Und zuguterletzt
Gehts uns nicht besser als Seaghan, dem Narrn,
Der nie den Finger rührte. Aibric! Aibric!
Wir sind im Traum, den die All-Lebenden
Dem hellen Spiegelschild der Welt anhauchen
Und tilgen mit der weißen Hand und seufzen
Und süßer um des kurzen Seufzers willen
Ihr Lachen finden.

Aibric Liebtest du ein Weib –

Forgael Du sagst das auch? du hörtest ihre Stimmen
Denn dieses sagen sie – all, all die Schatten –
Edain und Aengus, jene liebenden Wandrer
Und alle sonst, doch Liebe muß es sein
Der ihren gleich. Nun siehst du mein Geheimnis
Denn Liebe ist es, die ich suchen muß
Nur so von schöner unerhörter Art
Wie sie die Welt nicht kennt.

Aibric Die Welt besitzt
Manch schönes Weib zur Freude jedem Mann.

Forgael Doch wers gewinnt nach dem Gebrauch, der liebt
In kurzem Sehnen, trügerischer Hoffnung
Und Leibes Zärtlichkeit und findet gar:
Das Bett der Liebe, das der Einbildung
Erschienen war als Bringer allen Friedens
Ist nur ein Weinkrug dem Geschmack und auch
So rasch zu Ende.

Aibric Wer nur je geliebt
Hat so geliebt – da ist kein andrer Weg.

Forgael Doch niemals küßten zwei, daß sie nicht glaubten
Es wäre noch ein andrer nah zur Hand
Und weinten, weil sie ihn nicht finden konnten.

Aibric Mit zwanzig Jahren; wer gereist ist, achtet
Den Kuß nicht höher als nach seinem Wert
Und läßt den Traum vorüber.

Forgael 's ist nicht Traum,
's ist Wirklichkeit, was unsre Glut erschafft
Wie Lichter Schatten – nein, nicht Lichter – Sonne.
Wonach der Welt Millionen Lippen dürsten
Muß sonstwo Wesen sein.

Aibric Dergleichen raunen
Druiden, sagt man, aufgeweckt vom Rausch.
Kann sein, daß die All-Lebenden es wissen –
Kein Sterblicher.

Forgael Doch – wenn sie mit uns sind.

Aibric Sie narren uns, wie sie den irren Schäfer
Betören, der zu den Genossen spricht
Daß er die Nacht durch auf den Hügeln war
Reitend im Wind oder im Kriegerschwarm
Der All-Lebendigen.

Forgael Wie, wenn er wahr spricht
Und Anteil nahm an jenem mächtigern Leben
Zwölf Stunden lang?

Aibric Sein Ehweib weiß Bescheid.
Sah sie ihn liegen nicht wie einen Klotz
Oder hintappen um das Haus im Traum?
Und hört sie ihn von wilden Reitern murmeln
So weiß sie gut: des Zugpferds Keuchen machte
Ihn solches träumen.

Forgael Alles wäre gut.
Könnten wir uns nur ganz den Träumen geben
Und deren Welt erlangen, die dem Sinn
Ein Schatten ist, und nicht verweilen kläglich
Inmitten irdschen Stoffs – denn Träume heben
Uns zu der strömend wandelbaren Welt
Danach das Herz sich sehnt. Was ist selbst Liebe
Und wär es Liebe, leichteste der leichten.
Als Träume nur, von jenseits nieder eilend
Da wird leis Lachen mehr denn Speis' und Trank
Auch wenn's uns seufzen machte. Weg-Gefährte,
Könnten wir uns nur mengen mit dem Traum
Nicht nur mit seinem Spiegelbild!

Aibric Solang
Wir noch im Körper sind, ist dies unmöglich.

Forgael Doch glaub ichs nicht, daß sie zum Tod mich leiten.
Denn die mir Liebe, jener gleich, verhießen
Wie des der Mondes Dauer überlebt
Hatten, so schiens, des Lebens All gespeichert
In ihrer Glieder Glanz – mich lehrten Große.
Edain und Aengus tauchten aus der Woge –
Du wüßtests, daß sie Leben mir verhießen.
Sahst du sie so von Angesicht wie ich:
Lippen so rot, auf solchen Füßen gehend.
So weit die Augen offen und so hell.

Aibric Es ist gewiß, sie leiten dich zum Tod.
Nur Tote oder die nie lebten, kennen
Verzückung solcher Art. Forgael! Forgael!
Dies trieb dich nach den menschen-köpfigen Vögeln
Und du erzähltest mir, daß ihre Fahrt
Zum Land der Toten geht.

Forgael Geh ich dem Tod
Entgegen auch, was tut es, find ich nur
Da oder dort die Liebe, die verheißne.
So viel ist sicher. Eine Frau, (ich denk.
Der All-Lebendigen eine) soll ich finden –
Eine der Lachenden – dann treffen wir
Zu zweit auf einen Ort im Kern der Welt
Wo Glut erreift zum wandellosen Ding
Dem Zauber-Apfel gleich aus Chrysopras
Chrysoberyll Beryll und Chrysolith
Und dann im Gaukelspiel von Sicht und Sinnen
Ganz Kraft wird und Bewegung und Entzücken
Bis unter seiner Last der Mond verging.
Eine Anzahl Schiffer tritt eilig auf.

1. Schiffer Im Nebel! seht! ein Schiff dort mit Gewürz!
Wir sind schon fast heran!

2. Schiffer Wir wissens nur
Vom grauen Amber und vom Sandelholz.

1. Schiffer Nein, von dem Panaxgummi und vom Zimt.

Forgael Übernimmt das Ruder von Aibric
Mir wahrten mein Geschäft die All-Lebendigen
Und zahlten bar dich aus.

Aibric Nehmt jenes Seil
Und macht es fest, wenn wir zum Plündern gehn.

1. Schiffer König und Königin sind dort an Deck
Und wo ein Weib ist, sind wohl andre noch.

Aibric Sprich leis, sie hören sonst.

1. Schiffer Sie könnens nicht.
Sie sind zu eifrig miteinander. Seht!
Er neigte sich und küßte ihren Mund.

2. Schiffer Sieht sie, daß bessre Männer hier an Bord
Mag sie zuletzt nicht allzu traurig sein.

1. Schiffer Wie eine Wildkatz wird sie sein – Fürstinnen
Sorgen sich mehr um ihre Tönnchen Goldes
Und hohen Ruhm den Ehe ihnen wirbt,
Als um geschickte Hand und Kraft im Leib.

2. Schiffer 's ist niemand so natürlich als ein Räuber
Und darum ists, warum die Welt so schwankt
Auf ihrem Hinkefuß.

Aibric Rennt sie jetzt an
Und übermannt das Schiffervolk im Schlaf!

Die Schiffer ab. Stimmen und Schwertergeklirr vom andren Schiff
herüber, das man hinter dem Segel nicht sieht.

Stimme Männer in Waffen über uns! o Tod!

Andre Stimme Auf, auf, im Raum!

Andre Stimme Was stört ihr unsren Schlaf?

Erste Stimme Männer in Waffen über uns! o Tod!

Forgael der am Ruder geblieben
Da! da! sie kommen! Rotgans, Möwe, Taucher
Dort Mannes Haupt, hier schönen Weibes Haupt
Sie flattern um den Mastkorb eine Weile
Und warten, doch wenn die Gefährten kamen
Entfliegen sie auf der geheimen Bahn
Eins – noch eins – dann ein Paar – und fünf zusammen
Und hören werd ich, wie sie sprechen, gleich.
Ja, Stimmen! doch ich faß die Worte nicht.
Jetzt kann ich hören. Einer ists der spricht:
»Wie leicht sind wir seitdem wir Vögel wurden!«
Ein andrer: »Kann sein, wir finden wohl
Den Wunsch des Herzens jetzt da wir so leicht sind.«
Und dann ein andrer fragt, warum er starb
Und sagt: »Schwertklinge bohrte mich in Schlaf.«
Jetzt wenden sie sich alle jäh und fliegen
Nach dort hinaus und höher in die Luft.
Und jetzt ein Nachzügler mit Weibes Haupt
Kommt rufend: »Ich bin auf das Schwert gerannt.
Ich flog zu meinem Liebsten in die Luft,
Die Wildnis hoher Luft, auf daß wir wandern
Im Dämmern über Wiesen hin im Wind.«
Doch was erwarten sie? was kreisen sie
Und kreisen immer um den höchsten Mast?
Welch eine Macht gewaltiger als ihr Wunsch,
Hinwegzueilen zum verborgnen Glück,
Hält sie zurück? sind die All-Lebenden
Im Bund mit diesem Kreisen über uns?
Was aber ist ihr Ziel?
Er ruft hinauf
Was zaudert ihr?
Was stürzt ihr nicht entgegen eurem Wunsch
Jetzt, da euch Flügel tragen?
Seine Stimme sinkt wieder
Zu rastlos dort in Luft und hoher Luft,
Hören sie nicht – was aber ist ihr Ziel?
Die Schiffer sind zurückgekehrt. Dectora ist mit ihnen. Sie ist in blasses
Grün gekleidet mit Kupferschmuck am Kleid und einer Kupferkrone auf
dem Haupt. Ihr Haar ist stumpf rot. Forgael wendet sich um und erblickt
sie.

Was stehst du so mit deinem Blick auf mir?
Du bist der Welt Kern nicht. O nein, nein, nein!
Das kann die Meinung nicht der Vögel sein.
Nicht du der Kern. Mein Mund ergriff die Welt,
Doch biß ich noch nicht zu.

Dectora Als Königin
Verlang ich hier Genugtuung von diesen
Für meines Gatten Tod und meine Haft.
Sie reißt sich los von den Schiffern, die sie halten.
Die Hand mir frei!

Forgael Was wirfst du einen Schatten?
Wo kommst du her? was brachte dich hierher?
Sie senden keine mir die Schatten wirft.

Dectora Hätte der Sturm, der meine Schiffe brach
Mit allen Schätzen neun besiegter Völker
Und mich hieher zur ewigen Trauer blies.
Auch mich ertränkt. Doch weil ich lebend bin
Verlang ich Strafe nach Gebühr für alle
Die Hand gelegt an ihn.

Forgael Etwelche wiegen
In diesem weiten Neer und messen alles –
Sie denen allen Lebens Weisheit ward
Samt jener die verkünderische Bilder
Von mattem Gold aus tiefen Gräbern raffen –
Sie wissens: aller Herrscher Plane sind
Auf Falter-Flügeln Staub, nichts hat Gewicht
Als Lachen und Tränen – Lachen Lachen und Tränen,
Auch schleppe jedermann die eigne Seele
Auf sich dahin.

Dectora Du hast nur wilde Worte
Und ich frag dich ob du mir Rache gibst.

Forgael Wenn sie erfährt, daß ich sie fort nicht lasse.
Wenn sie das weiß –

Dectora Was raunst du da für dich –
Mich fort nicht lassen? ich bin Königin!

Forgael Ob du auch schöner bist als jede sonst
Sehn ich mich fast daß mir dies möglich wär ...
Doch brächt ich dich auf jenes Schiff – mit Schiffern
Durch Eid an dich geknüpft – und hättst du schon
Heimwärts gesetzt das Segel – spränge jäh
Ein Wind auf oder gräßlich eine Welle,
Die zu den Sternen schlüge und sie löschte
Und bräche unser Schanzwerk in einander
Bis du neu stündest hier vor mir an Deck –
Wie jetzt.

Dectora Bringt Fahrt auf dieser wüsten See
Und Horchen auf den Schrei von Wind und Welle
Irrsinn mit sich?

Forgael Herrin, ich bin nicht irr.

Dectora Doch sagst du, sich erheben wider mich
Wird Wind und Welle.

Forgael Nein, ich bin nicht irr –
Wenn nicht der Botschaft Klang der ewigen Wächter,
Die selbst des Mondes Dauer überleben,
Zur stillsten Mittnacht uns mit Wahnsinn trifft.

Dectora Gebot dir solch ein Wächter meine Haft?

Forgael Wir beide fingen uns im gleichen Netz,
Von ihrer Hand wurden die Winde wach
Die dich herwehten und ihr Mund verhieß
Mir Liebe nach der Art Unsterblicher.
Die alte Harfe neunmal spruch-geweiht
Gaben sie mir, mächtiger als Sonn und Mond
Und als das schwanke Wurfnetz der Gestirne,
Daß keiner dich mir nehme.

Dectora Zuerst vor dem Mast, wo die Harfe ist, zurückschaudernd, dann lachend
Hier dein Wahnwitz
Von Botschaft und von Harfe hat zurstund
Mich mächtiger als die Sterne fast bewegt.
Doch Wahnwitz ist das nur. Wer zwänge wohl
Das Kind und Enkelkind von Königen
Zu seiner Bettgenossin?

Forgael Eh dein Mund
Mich nicht Geliebter nennt, küß ich ihn nicht.

Dectora Mein Gatte und mein Fürst starb mir zu Füßen
Und Liebe redest du.

Forgael Der Zeit Bewegung
Ward wank in dieser See und was man tut
Im Jetzt hat nicht mehr übers Nächste Macht,
Das jenem nachfolgt.

Dectora Ich begreif dich nun.
Du kennst ein Zauberwort von bösem Schall
Den kalten Frauen dieser See entrungen –
Irgend Magie die einen Dämon ruft
Bis dir mein Körper hingibt Kuß für Kuß.

Forgael Dein Herz gibt mir den Kuß.

Dectora Ich hab nicht Furcht
Solang ein Seil noch in der Schlinge läuft
Und Flut ertränkt. Genug der Worte seis.
Du sollst mir einen Blick ins Antlitz tun
Und sehn: 's ist ohne Furcht.

Forgael Tu was du willst.
Nicht du noch ich brech eine Masche auf
Vom großen goldnen Netz das um uns ist.

Dectora Nichts auf der Erde ist ein Fürchten wert.
Sie geht an Forgael vorüber, bleibt einen Augenblick stehn und sieht ihm ins Gesicht.
Was ich gesagt hat guten Grund.
Sie eilt plötzlich auf das erhöhte Teil des Decks.
Und jetzt
Kann ich Furcht forttun wie's die Fürstin soll.
Sie steigt auf die Schanzkleidung und wendet sich zu Forgael
Narr, Narr! ob du ins Antlitz mir geblickt,
Sahst du nicht meinen Zweck. Ich werde fort sein,
Eh eine Hand mich hält.

Forgael schlägt die Arme über einander
Still sind die Meinen.
Die Ewigen halten uns. Tu was du willst
Du kannst nicht schlüpfen aus dem goldnen Netz.

1. Schiffer Dies tut nicht not, denn wenn du uns verzeihst
Und uns den Kurs gibst und nach Hause führst,
Töten wir diesen Mann.

Dectora Dies ist gelobt.

1. Schiffer Nicht einer hält zu ihm.

Aibric Ich halt zu ihm.
Ich schlage einen Schlag, dies geb ihm Zeit
Die Träume abzutun.
Aibric stellt sich vor Forgael mit gezogenem Schwert. Forgael nimmt die Harfe.

1. Schiffer Kein andrer wills.

Die Schiffer werfen Aibric zur Seite. Er fällt auf das Deck nach dem Hinterschiff zu. Sie heben ihre Schwerter um Forgael zu treffen, der sich anschickt die Harfe zu spielen. Die Bühne wird dunkler. Die Schiffer zaudern in Furcht.

2. Schiffer Er warf ein jähes Dunkel vor den Mond.

Dectora Neun Schwerter, Griffe von Rhinozeros-Horn
Dem, der zuerst ihn trifft!

1. Schiffer Ich treff zuerst.
Er geht dicht an Forgael heran mit erhobenem Schwert. Die Harfe beginnt ein schwaches Licht auszustrahlen. Die Szene ist so dunkel geworden, daß das einzige Licht von der Harfe kommt. Er weicht zurück.
Er fing den jungen Mond herab vom Himmel
Und trägt ihn vor sich her.

2. Schiffer Das heilige Feuer
Drang in der Harfe Edelsteine ein
Das brennt uns, wenn wir schlagen, bis ins Mark.

Dectora Ich geb ein goldnes Boot von Früchten voll
Mit Duft berauschend wie von neuem Wein
Dem, der ihn tödlich schlägt.

1. Schiffer Ich will es tun.
Denn all sein Zauber schwindet, wenn er starb
Da er in ihm nur lebt.

2. Schiffer Wärs auch der Mond
Den er dort hochhält zwischen sich und uns
Ich treffe ihn.

Die anderen Und ich! und ich! und ich!

Forgael spielt die Harfe.

1. Schiffer fällt in jähen Traum
Du sagtest, dort sei einer auf dem Schiff
Und halten müßten wir die Totenwache.
Du wußtest nicht was ihm sein Ende brachte
Doch kam es plötzlich.

2. Schiffer Du entsinnst dich recht,
Vergessen hatt ich diese Totenwache.

Dectora Druiden-Zauber warf er in die Luft
Und macht euch träumen.

2. Schiffer Doch wie wachen wir
Wenn uns so braunes Ael wie gelbes mangelt?

1. Schiffer Ich sah nen Krug mit braunem Ael an Bord.

3. Schiffer Wie stimmen wir die Klage an und wissen
Doch seinen Namen nicht?

1. Schiffer Komm auf sein Schiff.
Sein Name fällt uns ein im Augenblick.
Ich weiß, er starb vor tausend Jahren wohl
Und sah noch keine Wacht.

2. Schiffer anstimmend
Ohone! o! o! o!
Der Ast vom Baum der Eibe brach entzwei
Verstreut sind alle Vögel.

Alle Schiffer O! o! o! o!
Sie gehen singend ab.

Dectora Nun schützt mich, meines Volkes Götter, ihr.

Aibric ist aufgestanden von dem Fleck, wo er niedergestürzt war, er hat begonnen sich nach seinem Schwert umzusehen wie in einem Traum.
Wo ist mein Schwert, das meiner Hand entfiel
Da erst die Botschaft kam? ah, es ist hier!
Er geht träumerisch auf das Schwert zu aber Dectora eilt hin und nimmt es auf bevor er es erreichen kann. Wie aus dem Schlaf.
Herrin, gib her.

Dectora Ich nicht, es tut mir not.

Aibric Wozu brauchst du ein Schwert? doch hab es nur,
Jetzt da er tot ist, brauch ich es nicht mehr,
Denn alles ist dahin.

Ein Schiffer Vom andren Schiff herüberrufend
Komm hierher, Aibric,
Und sag mir, wer es ist, den wir bewachen.

Aibric Halb zu Dectora, halb vor sich hin
Wie hieß der tote Fürst? Artus von England?
Nein, nein, nicht Artus. Ich besinne mich.
Jollan war es, gold-bewehrt, und starb
Gebrochnen Herzens, der sein Weib verlor
Durch böse Kunst. 's ist nicht die ganze Sage
Denn man erschlug ihn. O! o! o! o! o!
Denn Jollan mit den goldnen Waffen starb.

Er geht ab. Während er sprach und hin und wieder während des Folgenden hört man die Klage der Schiffer vom anderen Schiff herüber. Dectora steht mit erhobenem Schwert Forgael gegenüber.

Dectora Ich end all deine Kunst im Augenblick.
Ihre Stimme wird träumerisch und sie senkt langsam das Schwert und läßt es endlich fallen. Sie wirft ihr Haar los. Sie nimmt die Krone ab und legt sie auf das Deck.
Dies Schwert soll mit ihm sein in seinem Grab.
Es wars in allen Schlachten. Breiten will ich
Mein Haar und händeringend bitter klagen
Ich hörte daß er stolz und lachend war,
Blau-äugig, rasch im Lauf mit bloßen Füßen
Und daß er starb vor tausend Jahren wohl.
O! o! o! o!
Forgael ändert die Weise
Doch nein, es ist nicht das.
Ich kannt ihn wohl und eben da er lachte
Starb er zu Füßen mir. O! o! o! o!
Den ich geliebt! Jollan mit goldnen Waffen.
Was aber sagt in mir, ich liebte ihn?
Der Harfner dort tat mirs in meinen Sinn,
Doch ist es wahr. Was rennen die auf ihn,
Den goldnen Helm mit ihren Schwertern schlagend?

Forgael Erkennst du mich nicht, Herrin? ich bin der
Um den du Klage führst.

Dectora Nein, denn er starb.
O! o! o! Jollan mit den goldnen Waffen.

Forgael So war die Kunde, doch ich will beweisen
Daß in das Grab in Traumes Raserei
Die Knechte nur die goldnen Waffen legten.
Horch auf der Mondes-Saite tiefes Lachen
So kennst du mich an Stimme und Gesicht
Denn meinem Spiel auf ihr hast du gelauscht
Schon tausend Jahr.
Er fährt auf, nach den Vögeln horchend. Die Harfe gleitet aus seinen Händen und bleibt gelehnt an die Schanzkleidung hinter ihm. Das Licht geht von ihr aus.
Was tun die Vögel dort?
Was macht sie flattern all mit einem Schlag?
Was ruft ihr aus dort oben überm Mast?
Wenns Vorwurf ist, Gezischel, Spötterei,
Weil ich mit magischen Zaubersaiten sie
Zur Liebe weckte, geb ich dies zur Antwort:
Von Stimmen angetrieben und von Träumen,
Von klarer Botschaft der All-Lebenden
Tat ich nur recht. Was konnt ich als gehorchen?
Und doch macht ihr gleich Vorwurf ein Gelärm.

Dectora lachend
Dies ist ein Wunder über jedes Maß
Daß ich vom Vollmond bis zur Sichel ihn
Beklage und er heil und kräftig ist.

Forgael Wie tat ich unrecht ihr, jetzt da sie froh ist!
Doch nein, nein, nein! ihr kreischt nicht gegen mich.
Ihr kennt den Ratschluß der All-Lebenden
Und all eur Flügelschlagen ist nur Lust
Und all dies Raunen nur ein Hochzeitslied ...
Doch ist es Vorwurf, so antwort ich dies:
Nicht einer ist von euch, der Liebe schuf
Auf irgend andrem Weg. Ihr nennts Gefühlsglut,
Ihr nennt es Achtung und Freigebigkeit,
Doch dies ist ganz Betrug und Schmeichelei
Ein Weib sich zu gewinnen ihr zum Trotz
Denn Liebe ist Krieg und da ist Haß darin –
Und sagt ihr, daß sie willig zu mir kam –

Dectora Was siehst du fort und birgst dein Angesicht?
Nur dieses ewig will ich sehn.

Forgael Mein Weh.

Dectora Hab ich dich nicht an tausend Jahr geliebt?

Forgael Nie war ich Jollan mit den goldnen Waffen.

Dectora Ich faß dich nicht. Ich kenne dein Gesicht
Besser als meine Hände.

Forgael Ich betrog dich
Mehr als ichs messen kann.

Dectora Es ist nicht wahr
Daß du zur Welt vor tausend Jahren kamst
Auf Inseln wo des Aengus Kinder selig
Den Reigen schlingen unterm Mond im Wind
Und daß du mich dahin führst?

Forgael Ich betrog dich,
Betrog dich fürchterlich.

Dectora Wie kann das sein?
Ists ob dein Aug auch voll von Liebe ist
Ein andres Weib das Anrecht hat auf dich
Und ich nur halb?

Forgael O nein!

Dectora Und wär das so,
Wär da ein halbes hundert mehr – was tuts?
Ich wende mehr keinen Gedanken dran
Nein, nein nicht einen halben – doch sei still.
Frauen sind hart und stolz und eigensinnig
Wirr wird ihr Haupt durch Preis und Schmeichelei
Und darum fürchten ihre Geliebten sich
Einfach ein Ding zu sagen.

Forgael 's ist nicht dies.
Doch gegen dich tat ich so großes Unrecht
Da ist kein Maß mehr das es nicht zersprengte.
Bekennen will ichs ganz.

Dectora Was kümmerts mich,
Jetzt da mein Körper seinen Traum begann
Und da aus dir ein brennender Boden ward
In der Vernunft und in der Einbildung!
Wär etwas wahr, was mehr als Fabel ist –
Wenn du durch Zauberkünste mich gewannst
Und vor mich hin Gatten und Liebsten schlugst –
Ich ließe dich nicht sprechen, denn ich wüßte
Daß dieses gestern war und heute nicht
Daß ich ihn liebte ... ich verschlöß mein Ohr
So wie es jetzt geschieht.
Eine Stille.
Sag, warum weinst du?

Forgael Weil ich nichts deinen Augen geben kann
Als Wüste, Wasser und ein wrackes Schiff.

Dectora O warum hebst du nicht auf mich die Augen?

Forgael Ich weine – weil die nackte Nacht dort ist
Und nicht ein Dach von Elfenbein und Gold.

Dectora Neidisch wär ich dem Dach von Elfenbein
Und schlüg die goldnen Pfeiler mit den Händen.
Ich wollte daß nichts wäre in der Welt
Als den ich lieb ... daß Tag und Nacht verdürben,
Alles was ist und alles was sein wird
Ist nicht was die Begegnung unsrer Lippen.

Forgael Ich auch, ich auch. Was blickst du fort von mir?
Soll ich die Wellen fürchten? oder ist
Der Mond mein Feind?

Dectora Ich blickte nach dem Mond
Und wünschte ihn zu fassen und zu formen
Daß er als Krone um das Haupt dir läge.
Doch nun geht dein Gedanke auf die Fahrt
Denn du blickst auf das Meer. So weißt du nicht
Wie unrecht dies, wenn die Gedanken wandern
In solcher Zeit da man in Liebe ist?
Er hat sich fortbewegt. Sie folgt ihm. Er blickt auf das Meer hinaus, die Augen beschattend.
Warum blickst du aufs Meer hinaus?

Forgael Sieh dort!

Dectora Was ist dort als ein Schwarm aschgrauer Vögel
Die nach dem Westen fliegen?

Forgael Horch, o horch!

Dectora Was ist dort als das Kreischen nur der Vögel?

Forgael Doch wenn du besser horchst auf das Geschrei
Wirst du sie rufen hören zu einander
Mit Menschen-stimmen.

Dectora O ich hör sie jetzt.
Was sind sie? welchem Land fliegen sie zu?

Forgael Zu unausdenklicher Glückseligkeit.
Sie kreisten uns zu Häupten in der Luft
Jetzt aber haben sie den Weg genommen
Der unsrer ist, denn unsre Lotsen sind sie –
Und ob sie nur aschgrau von Farbe sind
So rufen sie, wenn du die Worte hörtest:
»Ein Land am Weltrand und da ist kein Kind
Das nicht des Mondes Leben überdaure.«
Die Schiffer kommen mit Aibric. Sie sind in großer Erregung.

1. Schiffer Von Schätzen voll der Raum.

2. Schiffer Voll bis zum Rand.

1. Schiffer Schatz über Schätzen.

3. Schiffer Kostbares Gewürz.

1. Schiffer Bilder von Elfenbein mit Amethysten.

3. Schiffer Drachen mit Augen von Rubin.

1. Schiffer Das Schiff
Blitzt ganz, als wärs ein Netz gefüllt mit Fisch.

3. Schiffer Nach Haus! ein Weib soll die Rubinen haben.

2. Schiffer Ich weiß, für wen die amethystnen Augen.

1. Schiffer Nach Hause, gebt es aus in unsren Dörfern.

Aibric bedeutet sie zu schweigen
Wir wollen fort in unsre Heimat, Forgael
Denn Schätze fanden wir, so groß wie sich
Nur Einbildung allein errechnen kann
Und da es dich hier zu der Frau geführt,
Was hast du noch in diesem Meer zu suchen?

Forgael Ich kann nicht – bis ans Ende will ich gehn.
Und diese Frau ... ich denk, sie geht mit mir.

Aibric Die Ewigen störten dir den Sinn – doch nein,
Die Frau hier ists in ihrer Weibesrache
Die ihn verlockt und ich war Tor genug
Und glaubte, daß sie euch zur Heimat brächte.
Du hast ihn angestiftet denn du weißt
Daß er getrieben wird in seinen Tod.

Dectora Das ist nicht wahr, er war es und verhieß
Mir unausdenkliche Glückseligkeit.

Aibric Und gäb es solch ein Glück, mehr als ein Traum,
Mehr als Schaum, Feder, Wirbel nur von Staub,
Ein irres Nichts als das es mir erscheint,
So wird es in dem Land der Toten sein,
Gibt es nur solch ein Land.

Dectora Nein, 's ist nicht dort,
Ein Eiland wo das Leben dieser Welt
Zur Höhe springt als liefen alle Ströme
Vereint zu einer Quelle.

Aibric Sprich zu ihm.
Er weiß daß er dich mit zum Tode nimmt
Frag ihn – er wird nicht leugnen.

Dectora Ist es wahr?

Forgael Ich weiß es nicht gewißlich, doch ich weiß,
Ich hab die besten Lotsen.

Aibric Schatten, Lügen
Von den Verwandlern, den stets Lachenden,
Den ewigen Spöttern ihm ins Herz geworfen
Oder vors Aug gesetzt.

Dectora O führe mich
In sichre Gegend, an vertrauten Ort.
Sind nicht des Lebens ganze Gaben unser
Wenn wir zusammen sind?

Forgael Wie könnt ich ruhn,
Wies' ich die Boten und die Lotsen fort
Mit den Gesichten all und all den Rufen!

Dectora Doch Auge will ich dir und Ohr bedecken
Daß du der Vögel Schrei nie hören sollst
Und sie nie sehen.

Forgael Wären sie nur niedrer,
So folgt ich dir, doch sie sind hoch – zu hoch.

Dectora Weil sie zu hoch, berauscht uns die Verkündung
Und quält mit Hoffnung die sich nie erfüllt
Weil wir nicht stolz, beschwingt und ewig sind
Und einsam.

Forgael Unsre Liebe sei gleich ihrer
Wenn unser ward ihr wandelloses Bild.

Dectora Ich bin ein Weib, ich sterb mit jedem Hauch.

Aibric Laß fliehn die Vögel, da der Baum zerbrach
Und Worte helfen nicht.
Zu den Schiffern
Ins andre Schiff!
Ich folge nach und will das Seil zerschneiden
Sobald ich diesem Mann fahrwohl gesagt
Denn weder ich noch sonst ein Sterblicher
Sieht je sein Antlitz wieder.

Die Schiffer gehen ab.

Forgael zu Dectora
Geh mit ihm
Behüten wird er dich und bringt dich heim.

Aibric nimmt Forgaels Hand
Ich tus für ihn.

Dectora Nein, nein. Nimm dieses Schwert,
Schneide das Seil, ich geh voran mit Forgael.

Aibric Der Ast vom Baum der Eibe brach entzwei
Verstreut sind alle Vögel – o! o! o!
Fahrwohl! fahrwohl!
Er geht ab.

Dectora Das Schwert ist in dem Seil –
Entzwei das Seil – es fällt ins Meer – es wirbelt
Durch Schaum dahin. O alter Wurm, o Drache
Der du die Welt geliebt und uns dran bandest
Du brachst, du brachst. Die Welt treibt fort von uns
Ich bin allein mit dem Geliebten der
Mich nun aus seinem Aug nie bannen kann,
Wir sind allein für immer und ich lache,
Forgael, denn du kannst mich nicht von dir tun.
Den Himmel deckte Dunst – und du und ich
Wir sind allein für immer. Wir – die Krone –
Fast weiß ich noch. In meinen Träumen wars.
Neig dich, o König, mir, daß ich dich kröne.
O Blüte am Zweig, o Vogel unter Blättern
O Silberfisch den meine Hände hoben
Auf aus dem Lauf des Stroms, o Morgenstern
Bebend in Himmelsbläue wie im Wald
Ein weißes Reh an seinem Nebelrand
Neig dich, daß ich dich hülle in mein Haar
Und daß wir diese Welt nicht länger schauen.

Die Szene wird dunkel und die Harfe beginnt noch einmal zu brennen wie von einem schwachen Feuer. Forgael kniet zu Dectora Füßen und hüllt sich in ihr Haar.

Forgael Geliebte, da das Netz sich um uns wob
In allen Maschen fest, sind wir unsterblich –
Die alte Harfe wacht und ruft von selbst
Den grauen Vögeln nach und Traum um Traum –
Ein Kind von Träumen jeder – lebt in uns.


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