Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der verklagte Amor.

Ein Gedicht in fünf Gesängen.

 

 

Leipzig.
G. J. Göschen'sche Verlagshandlung.
1853.

 

 

Vorbericht.

Die Idee dieses Gedichts, welches eben sowohl als Musarion (zu welchem es als ein Gegenstück angesehen werden kann) nicht leicht unter eine schon bekannte Rubrik zu bringen ist, erschien dem Verfasser schon im Jahre 1771, und der kleinere Theil desselben wurde an einigen Winterabenden des besagten Jahres zu Papier gebracht. Wie Musarion, hatte es das Schicksal, einige Jahre bei Seite gelegt zu werden, bis es im Winter 1774 wieder hervorgesucht, vollendet und im siebenten Stücke des T.Merkurs dieses Jahres zuerst bekannt gemacht wurde. Es war anfangs in vier Bücher oder Gesänge abgetheilt; man hat aber, um ein besseres Verhältniß in Rücksicht der Größe zwischen den Gesängen zu bewirken, für gut gefunden, in dieser Ausgabe aus dem vierten Gesange zwei zu machen.

 


 

Erster Gesang.

        Der große Tag war nun gekommen,
An dem im Götter-Parlament'
In Sachen zwischen den Weisen und Frommen,
Als Kläger, an einem und Amorn, den man Cupido nennt, Amorn, den man Cupido nennt Cupido, das Verlangen (Pathos bei den Griechen), wurde dem Amor eigentlich nur beigesellt, bald aber nahm man auch beide für eine und dieselbe Gottheit, und Amor als Cupido ist es eigentlich der mit den Herzen sein Spiel treibt.
Beklagten, am andern Theil gesprochen werden sollte.
Die Götter versammelten sich, indem das hehre Signal
Des großen Donnerers sieben Mal
Rings um die himmlische Burg durch heitre Lüfte rollte.
Sie schritten heran, Neptun vom alten Trözen,
Von Delos der schöne Apollo, und von den thracischen Höhn
Der junge Bacchus, begleitet von Vater Silen
Auf seinem trägen Thier. Die Jägerin Diane
Verließ den waldigen Cynthus, und ihr geliebtes Athen
Minerva. Nicht von ihrem lahmen Vulcane
Geschleppt, vom Mars im Triumphe geführt,
Schwamm auch Cythere daher in luftigem Morgengewande,
Nicht ohne List mit ihrem Gürtel geziert.
Die Götter von der fröhlichen Bande
Sehn ihr mit Lüsternheit nach, und jeder nimmt sich vor,
Wohlfeiler nicht für sie, als um den Preis, zu sprechen,
Um welchen Pallas und Juno den goldnen Apfel verlor:
Denn, daß sie die Richter für ihren Sohn zu bestechen
Gekommen sey, zischeln die Frauen einander laut ins Ohr.
Die Klugheit räth, bei zweifelhaften Sachen
Die Rhadamanten sich voraus geneigt zu machen;
Und wem ist unbekannt, wie groß in diesem Stück
Der Schönheit Vortheil ist? Sogar der Hippiassen
Berüchtigte Kunst Der Hippiassen berüchtigte Kunst Die Disputirkunst der Sophisten. muß ihr den Vorzug lassen;
Sie überzeugt mit einem einzigen Blick.
Man zeige mir vor seinem neunzigsten Jahre
Den Cato oder Catinat Catinat Im Jahr 1712 als Marschall von Frankreich gestorben, zu welcher Höhe ihn nur Verdienst gehoben hatte, wurde wegen seiner immer gleichen Stimmung von den Soldaten le père la Pensée genannt. In seiner Jugend war er Advocat gewesen, wegen einer Entscheidung aber, die ihm ungerecht schien, hatte er diese Laufbahn mit der militairischen vertauscht.,
Bei dem (vorausgesetzt, er leide nicht am Staare)
Ein schöner Busen Unrecht hat!

Indessen sich nun im großen Saale die Götter
Und ihre Damen nach und nach
Versammelten, Venus die Männer bestach,
Und Hermes, der Höfling, und Momus, der Spötter,
Der alten Vesta die Stimme versprach,
War's ziemlich laut im zweiten Vorgemach.

Die hohe Dienerschaft der Götter,
Der Adler Jupiters, und, stolz wie seine Frau,
Der in sich selbst verliebte Pfau,
Cytherens Spatz, Minervens Eule,
Apollo's Schwan, und einer, der schon grau
In Mutterleibe war, und den man just nicht gerne
Vor zarten Ohren nennt, wiewohl Freund Tristram-Sterne
In diesem Punkt, dem Himmel sey's geklagt!
Und noch in manchem Punkt, nichts nach dem Wohlstand fragt
Kurz, und so züchtig als möglich gesagt,
Der Esel Silens, verkürzten sich die Weile,
Die Welt, an der sie viel, sehr viel zu bessern sehn,
In eine andre Form zu gießen:
Denn so, spricht Doctor Kauz, so kann's nicht länger bestehn.
Nur lassen wir uns, um nicht am Ziel vorbei zu schießen,
Die kleine Mühe nicht verdrießen,
Bis auf den Grund des Grundes zu gehn.
Die Leute sind nicht klug, ist eine alte Sage
Und nicht der Weisen allein, auch selbst der Thoren Klage;
Vom Spötter Lucian zu Gerhard Gerhardssohn,
Genannt Erasmus, ist Alles voll davon.
Akademien und Lyceen
Erschallen davon, beweisen's zum Greifen und zum Sehen,
In Duodez, in Quart, in Folio;
Man hört nichts anders. Gut, ihr Narren! ist ihm so
Und, daß ihm so ist, scheint vom Ganges bis zum Po
(Um ohne Noth die Beweise nicht zu häufen)
Consensus gentium Consensus gentium Die gleiche Meinung aller Völker. zu besteifen,
(Ein Argument, wovor nach Marcus Cicero
Sich billig aller Respect geziemet)
Nun gut, so sag' ich unverblümet:
Was hilft's den Narren, wenn einer den andern belacht,
Und keiner weder sich selbst noch andre weiser macht?
Zwar hör' ich diesen und jenen, der sein Arcan uns rühmet:
»Ihr Herrn, probatum est! Wer kauft mein Elixir?
Die Quintessenz der Weisheit aller Zeiten!
Es führt die Grillen ab, vertreibt die Uebelkeiten,
Stärkt Kopf und Herz« Sehr wohl! Wir wollen uns hier
Nicht um des Esels Schatten Des Esels Schatten S. Wielands Abderiten. zanken:
Hilft dein Arcan, so ist dafür zu danken;
Nur zeig' uns, Wundermann, die erste Probe an dir!
Kurz denn wir andre Denker pflegen
Auch unsre Worte, so leicht sie sind, zu wägen
Die Welt ist voller Narren, darin stimmt Jeder mir bei
(Nur mit dem Vorbehalt, sie selber auszunehmen);
Doch, wie den Narren zu helfen sey,
Ist immer noch das schwerste von allen Problemen.
Mich kümmert es nichts; indessen sag' ich frei,
Zeus thäte wohl, Notiz davon zu nehmen.
Wär' ich an seinem Platz
»An seinem Platze?« fällt
Der Adler ihm ins Wort: »ein blinder Regent der Welt!
Da wäre sie, ma Dia! Ma Dia Eine den alten Griechen gewöhnliche Betheurung, beim Jupiter! die sich für den Vogel Jupiters besonders zu schicken schien.W. wohl bestellt!
Doch immerhin! Laß sehn, an seinem Platze
Was thätest du, Herr Kauz?«
Man wähne nicht, ich schwatze
Ins Blaue hinein! ich stehe zu meinem Satze.
Der Grund des Uebels ist: Die Leute denken nicht,
Nicht oder nicht genug und selten, wo sie sollen;
Allein das Aergste ist, auch wenn sie denken wollen,
Verhindert sie an dieser großen Pflicht
Die Sinnlichkeit, besonders das Gesicht.
Um tief zu denken, darf uns nichts von außen stören,
Und was zerstreut so sehr, als Licht?
Wie leicht wir Denker es entbehren,
Kann euch mein eignes Beispiel lehren.
Zwei Sinne oder drei aufs höchste sind genug
Zum Hausgebrauch; was soll das Auge dienen?
Was ist es, als ein Quell von Irrthum und Betrug?
Kurz, eure Leute sind, blos weil sie sehn, nicht klug;
Die Augen, wär' ich Zeus, die Augen nähm' ich ihnen.
»Die Augen?« zwitschert ihm Cytherens Vogel zu,
»Und dieß, um klüger zu seyn? Ich denke nicht wie du!
Gesetzt, wir würden dabei fürs Raisonniren gewinnen,
An Wohlseyn, glaube mir, Kauz, gewännen wir nicht viel.
Wir Spatzen halten's mit den Sinnen
Und gäben um alles Andre nicht einen Pappenstiel.
Dank sey der Göttin, die uns von ihrem Nektar zu naschen
Freigebig erlaubt! wir wenden das Daseyn besser an,
Als Grillen in hohlen Aesten zu haschen.
Wir leben ohne Zweck und Plan
In stolzer Freiheit von allen andern Gesetzen
Als, was uns lüstert, zu thun. Ist's wohl oder übel gethan
In Andrer Augen, das ficht uns wenig an.
Was kümmert's uns, wenn wir uns nur ergetzen,
Ob unser Zettergesang dem Hausherrn wohl gefällt,
Von dessen Dache wir in Besitz uns setzen,
Und wer das Feld für uns bestellt,
Worin wir die Schnäbel an jungen Erbsen wetzen?
Kurz, unsre geringste Sorge ist, ob wir Pflichten verletzen,
Und unser ist dafür die Welt!
Willst du, Freund Kauz, deßwegen uns Narren schelten,
So lachen wir dazu; uns ist's Philosophie!
Die Worte, wie du weißt, sind Alles, was sie gelten.
Nur, daß wir zu Narren uns denken, dazu bekehrst du uns nie!
Mehr sag' ich nicht. Was hältst du von der Sache,
Herr Nachbar mit dem langen Ohr?«

Ich? (gähnt das träge Thier und reckt die Ohren empor)
Nicht daß ich besser mich als andre Leute mache,
Doch großen Dank dem, der mich Esel werden hieß!
Ich möchte nichts Andres seyn, wenn man mich wählen ließ'.
Ich denke nichts und finde, daß Nichtsdenken
Ein trefflich Mittel ist sich über nichts zu kränken.
Ich trage meinen Herrn und seinen Schlauch dazu
Und käue meine Disteln in epikurischer Ruh;
Gibt's Feigen oder Macaronen Feigen oder Macaronen Die Macaronen beziehen sich auf eine Stelle im VII.Theile des Tristram Shandy und die Feigen auf das Mährchen von einem Feigen essenden Esel, über den der stoische Philosoph Chrysippus, der ihn bei diesem ungewöhnlichen Schmaus ertappte, sich zu Tode gelacht haben soll. Das Nämliche wurde auch dem Komödien-Dichter Philemon nachgesagt.W.,
Nun, desto besser! Wo nicht, so gilt mir's einerlei;
Ihm nachzusinnen mag sich nicht der Mühe verlohnen:
Ununtersucht glaub' ich, das Beste sey,
Was vor mir liegt, und bis zur Schwärmerei
Hat weder Liebe noch Haß kein Esel je getrieben.
Doch, wer mir nachgesagt, ich sey
Ein Narr gewesen und zwischen zwei gleichen Bündeln Heu Und zwischen zwei gleichen Bündeln Heu Johann Buridan, ein subtiler Scholastiker von der Secte der Nominalisten, im vierzehnten Jahrhundert, dessen zu seiner Zeit vielgeltende Commentarien über den Aristoteles längst vergessen sind, hat seine Unsterblichkeit einem, unter dem Namen der Esel Buridans, berühmten Sophisma zu danken oder vielmehr der Celebrität, die ihm Merlinus Coccajus (Theofilo Folengo) in seiner Macaronea durch seinen Spott und Bayle, Spinoza, Leibnitz u.A. durch ernsthafte Beantwortung desselben gegeben haben. Wenn, sagt Buridan, ein hungriger Esel sich gleich weit zwischen zwei vollkommen gleichen Bündeln Heu oder Grasplätzen befände: was könnte er thun? Da kein objectiver Beweggrund vorhanden ist, warum er den einen dem andern vorziehen sollte, und der subective (sein Hunger) ihn gleich stark zu beiden zieht: so muß er entweder in diesem fatalen Gleichgewichte Hungers sterben welches wenigstens alle Esel in der Welt eben so ungereimt finden werden, als der Esel Silens oder er muß, ohne Beweggrund, aus freiem Willen sich zum einen oder zum andern entschließen können, welches, nach den Scholastikern, ein Vorrecht der vernünftigen Wesen ist, das keinem Esel zukommen kann. Leibnitz gesteht ohne Bedenken, wenn der vorausgesetzte Fall Statt fände, müßte der Esel wirklich Hungers sterben; er behauptet aber, dieser Fall sey nach dem ordentlichen Laufe der Natur gar nicht möglich; wiewohl er aus Achtung für die Theologen seiner Zeit (die nicht ganz so geschmeidig waren, wie die unsrigen) hinzusetzt: es wäre denn, daß unser Herr Gott es schlechterdings so veranstalten wollte. Aber auch in diesem Falle würde sich, glaube ich, jeder Esel noch zu helfen wissen: denn er würde sich ohne Zweifel vor Hunger oder Ungeduld so lange herumwälzen, bis er dem einen Heuhaufen näher wäre als dem andern.W.
Mit offnem Maul unschlüssig stehn geblieben,
Mag seyn, er ist zum Doctor übrig klug,
Allein zum Esel hat er nicht Verstand genug!
Daß wir die Kunst der Musen lieben,
Ist kein Verdienst vielleicht bei einem solchen Ohr;
Und, ziehn wir Mozarts Schwierigkeiten
Und Schweizers Gesange Schweizers Gesange Die launenhafte Göttin Tyche, welche nicht gewohnt ist, »Glück und Verdienst gegen einander gleich zu wägen,« hat dem hier genannten großen Musikkünstler den Platz, der ihm, neben den Jomelli's, Sacchini's, Gulielmi's, Sarti's und ihres Gleichen, unter den dramatischen Componisten gebührt, in der Meinung der Welt (die ihn wenig kennt, und in welcher er nie empor kommen konnte) nicht zu Theil werden lassen. Aber gewiß wird Niemand, der die von ihm in Musik gesetzten Sinnspiele, Elysium (von J.G.Jacobi), Alceste und Rosemunde, besonders das letztere, kennt oder ehemals zu Manheim aufführen gehört hat, es unserm Dichter verdenken, daß er seinem verewigten Freunde bei dieser Gelegenheit eine Gerechtigkeit erweist, die nichts dadurch verliert, daß sie aus dem naiven Munde eines so unbefangenen Wesens kommt, als Silens Esel, zumal da dieser hier als Repräsentant vieler anderer spricht, die sich, wiewohl mit kürzern Ohren, in einerlei Falle mit ihm befinden.W. den schnarrenden Dudelsack vor,
So wird es uns gewiß kein Weiser übel deuten.
Wohl dem, der sich um einen kleinen Preis
Am Schlechten selbst zu laben weiß!
Seyd nur, wie wir, nicht allzu zart im Wählen,
So kann es euch nie an Vergnügen fehlen
Dieß in Parenthesi! weil ich de gustibus
Mit Niemand hadern will. Und also, um zum Schluß
Zu kommen, meint' ich unmaßgeblich,
Creirte Zeus die ganze Menschenschaar
Zu meines Gleichen, Paar und Paar,
Der Schade wäre unerheblich,
Und für die größre Zahl der Vortheil sonnenklar.

Vortrefflich! ruft der Vogel, der die Keile
Des Götterkönigs trägt, den Esel lob' ich mir!
Es lebe das naive Thier!
Was der verbuhlte Spatz und die gelehrte Eule
Nur zu verstehen gab, sagt Langohr rund heraus.
Ich hörte in Zenons Halle einst einen Bocksbart schwatzen,
Und, in der That, es kam auf Eins hinaus.
Beim Donner! eine Welt von lauter Eulen, Spatzen
Und Eseln müßt' ein feines Weltchen seyn!
Mir leuchtet die Erfindung ein;
Noch heute soll dem Oberherrn der Erden
Beim Schlafengehn Bericht erstattet werden.
Wer weiß, wozu er sich entschließt,
Wenn unsre Liebe Frau bei guter Laune ist.
So viel ist ausgemacht, er würde
Der Weltregierung lästige Bürde,
Die jetzt ihm oft die Galle schwellt,
Sich selbst dadurch unendlich leichter machen.
Was würde bei dieser neuen Organisirung der Welt
Nur bloß an Blitzen erspart? Und uns im Sternenfeld,
Was blieb' uns zu thun, als Schmausen und Tanzen und Lachen?
Der Esel lebe hoch, und seine beste Welt!

Indessen daß man hier so stark philosophirte,
Saß Junons Pfau auf einem Polster da,
Dem größten Spiegel des Saals gegenüber, und amusirte
Sich mit dem Bilde, das ihm daraus entgegen sah.
Apollo's Schwan, erzogen unter den Musen
Und zärtlicher, als der beste, der je am Strymon sang,
Lag schmeichelnd ihm zu Füßen und schlang
Den langen buhl'rischen Hals hinauf an seinem Busen.
Er hatte von Leda's Schwan die Stellung abgesehn.
O Schönste, lispelt er ihm mit schmachtendem Flötengetön
(Zum Zeichen, wie weit der Taumel bei Dichtern gehen könne,
Verwandelt der Schwärmer den Pfau in eine Pfauenhenne Den Pfau in eine Pfauhenne Diese beiden Verse, die in den ältern Ausgaben fehlen, schienen, zu Beschönigung der Ungereimtheit, den Dichter-Schwan eine so ekstatische Rolle bei Junons Pfauen spielen zu lassen, unumgänglich nöthig zu seyn.W.),
Die Welt, o Schönste, die Welt mag meinethalben gehn,
So gut sie kann; Projecte bessern selten,
Und wirklich find' ich nicht sehr viel an ihr zu schelten;
Sie scheint zur Rosenzeit, zumal beim Mondenlicht,
Mit Allem dem so übel nicht;
Und sie für mich zur besten aller Welten
Zu machen, möcht' ich mir von Zeus nur Eins erflehn,
Nur dich, o Schönste, dich ewig aus eben so vielen Augen,
Als man in deinem Rade bewundert, anzusehn
Und ewig den süßesten Tod aus deinen Blicken zu saugen.
Sehr neu, ich muß es selbst gestehn,
Ist der Gedanke nicht; doch, wollten Sie vergönnen,
Sie sollten gleich ein kleines Beispiel sehn,
Welch einen frischen Glanz wir ihm ertheilen können.
Mir sind, zumal für ein Sonnet,
Die abgetragensten Ideen
Die liebsten; aber, sie zu drehen,
Zu drehn, Madame, zu drehn o, diese Kunst versteht
Nicht jeder kaiserlich belorberte Poet!
Geruhn Sie
Nein, Herr Schwan! Und, wäre dein Sonnet
Auf einer Drechselbank gedreht
Und düftete lauter Zimmt und Amber
Wie Mühlpfort oder Lohenstein Mühlpfort (Heinr.) geb. zu Breslau 1639, gest. daselbst 1681, gehörte zu den schlesischen Dichtern, die sich, nach Bouterwecks Ausdruck, durch galantes Kauderwälsch zu empfehlen dachten. Lohenstein (geb. 1635) hat zwar auch alle Fehler jener schlesischen Dichterschule, war aber gewiß ein Mann von echt poetischem Genie, der zu einer andern Zeit ein Schiller geworden seyn würde.,
Wir müssen fort! Man winkt uns aus der Antichambre
Zur Audienz im Götterrath' hinein.


Zweiter Gesang.

                    Nach Standes Gebühr, geliebte Brüder, Vettern
Und Söhne, auch Schwestern, Basen und Töchter lobesam
(So sprach jetzt Zeus vom Thron zu den ringsum stehenden Göttern),
Ich war zu jeder Zeit Processen herzlich gram
Und nie ein Gott von vielen Worten:
Um also kurz zu seyn, so ist euch Allen kund,
Wie lange schon Minerva und Consorten
Mit Klagen gegen den Sohn der Frau von Amathunt
Olymp und Erde betäuben. Er macht es wirklich so bunt,
Und täglich laufen von allen Enden und Orten
So viel Beschwerden bei uns ein,
Daß unser Richteramt uns wehret,
Ihm länger nachzusehn. Beklagter, dem der Schein
Vorhin nicht günstig war, erschweret
Durch Trotzen noch die aufgehäufte Schuld;
Sein Uebermuth zerreißt die Dämme der Geduld.
Was hielt ihn ab, sich vor Gericht zu stellen?
Ihr wisset, was in solchen Fällen
Sonst Rechtens ist. Jedoch, der ganzen Welt
(Die es theils ohne Scheu, theils heimlich mit ihm hält)
Zu zeigen, daß wir ihn nicht ungehört verdammen,
Ermangelten wir nicht, den Vater Sanchez Vater Sanchez. Jesuit, geb. zu Cordova 1551, gest. zu Grenada 1610, behauptete stets den Ruf strenger Sitten, ungeachtet er in seinem Werk über die Ehe ( de matrimonio, zuerst erschienen 1592 fol. zu Genua; beste Ausgabe zu Antwerpen 1607) die schlüpfrigsten Fälle aus dieser delicaten Materie abhandelte. Was auf den Verfasser selbst keinen Eindruck gemacht hatte, machte dessen um so mehr auf den Censor, der die Genehmigung zum Drucke mit den Worten beifügte: Legi, perlegi, maxima cum voluptate. dort
Ihm ex officio zum Anwalt zu bestellen.

Papa, fiel Venus hier dem Donnerer ins Wort,
Den Anwalt will ich mir im Namen meines Knaben
Aus Gründen sehr verbeten haben.

»Warum, mein Kind? Wenn ich nicht irrig bin,
Sind Naso selbst und Peter Aretin Naso, Ovid. Peter Aretin, italienischer Dichter aus dem 16. Jahrhundert, der nächste Geistesverwandte Ovids, von seinen Zeitgenossen der Göttliche genannt, und nicht seiner Erbauungsbücher wegen, die er neben den schlüpfrigsten Gedichten ebenfalls herausgab. S. Flögels Gesch. d. kom. Literatur 2,144.
In deinen Angelegenheiten
Nur arme Laien gegen ihn.«

Ich war, erwiedert sie, den tief gelehrten Leuten Den tiefgelehrten Leuten von seiner Gattung Mangel an Einsichten in die Geheimnisse der Venus Volgivaga war es gewiß nicht, was die Liebesgöttin gegen den ehrwürdigen Pater Thomas Sanchez, S.J. einzuwenden hatte, dessen berüchtigtes Buch de Matrimonio, nach dem Urtheile des berühmten Abts von St.Cyran, ein Werk von unendlicher Gelehrsamkeit in denjenigen Wissenschaften und Künsten ist, welche unter Asmodi's unmittelbarem Einfluß stehen, und in welchen unwissend zu seyn rühmlich und nützlich ist (s.oben). Vermuthlich rührt also der Widerwille Cytherens gegen ihn bloß daher, weil die Göttin der Liebe nicht die Göttin der Leichtfertigkeit ist. Ein Sachwalter, wie Doctor Sanchez, würde Amors Sache nur verschlimmert haben; und der Erfolg zeigt, daß dieser sein Interesse am besten verstand, da er sich mit seinen Gegnern in gar keine Rechtfertigung einlassen wollte.W.
Von seiner Gattung niemals gut
Und fühl' in mir, auch ohne Doctorhut
Für meinen Sohn im Fall der Noth zu streiten,
Beruf und Fähigkeit und Muth.

»Gut, gut, mein Töchterchen, gut! Um uns nicht aufzuhalten,
Thut, was ihr wollt!« Er spricht's und winkt dem Alten,
Der einem Aegipan Aegipan Dieser Ziegenfüßler steht hier im Allgemeinen statt Satyr. an Bart und Miene glich,
Zum Saal hinaus. Und nun erhoben sich,
Hier Pallas, Hymen dort, als Sprecher an der Spitze
Der Klägerschaft, von ihrem Polstersitze;
Minerven folgt Aurora und Dian',
Und neben Hymen hinkt der gute Mann Vulcan.
Frau Pallas räuspert sich, wirft ihren Schleier zurücke,
Macht einen tiefen Knicks und fängt zu reden an;
Nur Schade, daß man das, was ihre sprechenden Blicke,
Was Augenbrauen und Arm und Hand dabei gethan,
Das ist gerade das Beste Was ihre sprechenden Blicke u.s.w. Wenigstens nach dem Urtheile des Demosthenes, der auf die Frage, was in der Redekunst das Erste sey, antwortete: Die Action ist das Erste, das Andere und das Dritte. Cicero de Oratore III.56.W., nicht übersetzen kann.

»Wir sehen uns, Vater Zeus und ihr Unsterblichen alle,
Indem wir hier vor euch als Amors Kläger stehn,
Im außerordentlichsten Falle,
Worin sich Kläger je gesehn.
Es fällt uns schwer, uns selbst zu überzeugen,
Daß unsre Klage möglich sey;
Wir stehn verwirrt und möchten lieber schweigen.
Doch, schwiegen wir, so weckt uns das Geschrei
Der Erde, des Olymps für die gemeine Sache:
Wir dulden zu lange schon und fordern endlich Rache!
Und gegen wen? Ist's glaublich? Kann es seyn?
Kaum glauben wir's dem Augenschein;
Und welche Meinung wird die Nachwelt von uns haben?
Die Harmonie der Dinge wird gestört,
Die Tugend ausgezischt, der Götterstand entehrt,
Die ganze Schöpfung umgekehrt,
Und Alles dieß von wem? von wem? Von einem Knaben,
Der, bloß damit kein Unfug unverübt
Von ihm gelassen sey, für einen Gott sich gibt,
Wiewohl Cythere selbst zu ihm sich zu bekennen
Erröthet wenigstens, aus einem Rest von Scham,
Indem sie ihm erlaubt, sich ihren Sohn zu nennen,
Uns nie gestand, woher sie ihn bekam.
Und er? was darf nicht Amor sich erfrechen?
Er prahlt noch mit der Dunkelheit,
Die seinen Ursprung deckt! Die Nacht, hört man ihn sprechen,
Hat lange vor der Götterzeit,
Als Alles Chaos war, mich ersten Gott geboren. Die Nacht hat – – mich geboren Daß Amor (Eros) in dem ältesten griechischen Systeme der Weltentstehung die Stelle einer philosophischen Idee vertrat (durch Liebe Wahlverwandtschaft habe das Chaos sich harmonisch geordnet), erhellet noch aus Hesiod. Theog. 116fgg.
Und denket nicht, er prahl' in diesem Ton
Aus Unverstand bei Kindern nur und Thoren:
Der schlaue Bube zieht davon
Den Vortheil, unter dem Namen des himmlischen Amors, in Seelen
Von bessrer Art sich heimlich einzustehlen;
In Seelen, denen er als Aphroditens Aphrodite Hier Venus, weil sie aus Schaum des Meeres entsprungen war; ursprünglich eine naturphilosophische Idee, hier als ein Vorwurf, der auf die Natur des Meerschaumes anspielt. Gegensatz zur himmlischen Venus. Sohn
Nicht nahe kommen darf. Um diese zu berücken,
Entkörpert sich der Schalk und spielt den reinen Geist,
Spricht Metaphysik, schwatzt von himmlischem Entzücken,
Von einer Liebe, die sich mit bloßem Anschaun speist,
Von Flammen, worin sich alle Begierden verzehren,
Und wie die Seelen, durch ihn aus ihrem Raupenstand
Zu Schmetterlingen entwickelt, ins unsichtbare Land,
Das sie geboren, wiederkehren.
Der Heuchler! Macht er nicht Dianens Nymphen weiß,
Es bleibe, wenn sein Geist nach ihrem Busen schiele
Und sich zum Urbild der Busen empor gezogen fühle,
Sein Blut dabei so kalt wie Alpeneis?
Ist gleich die Schlinge zu sichtbar ein kluges Mädchen zu fangen,
So bleibt doch zuweilen daran ein blödes Gimpelchen hangen.

»Doch dieses Alles ist, wiewohl bereits zu viel,
Mit dem, was uns zur Klage zwinget,
Verglichen, bloßes Kinderspiel.
Wo ist ein Platz im Himmel und auf Erden,
Den Amors Frevel nicht entweiht?
Wo ist der Sterbliche, wo der Gott, der nicht Beschwerden
Zu führen hat? Ihr Alle wißt, wie weit
Sein Muthwill' es sogar mit unserm Stande getrieben,
Und wie die Unschuld selbst nicht sicher vor ihm geblieben.
Gesetzt auch, sie verwahre sich
Vor seinem Pfeil, was kann vor seiner Natterzunge
Sie schützen? Ach! ihr unsichtbarer Stich
Dringt selbst durch meinen Schild! Wie pflegt der wilde Junge
Beim Faunenfest, wenn auf der Mänas Schoß
Der Wein ihn schwärmen macht, uns Andern mitzuspielen?
Ihm ist, sein Müthchen abzukühlen,
Hestia nicht zu fromm Hestia (Vesta) nicht zu fromm Anspielung auf eine Anekdote, welche Ovidius im sechsten Buche seines Festkalenders v.331f. erzählt, und deren noch etwas deutlicher zu erwähnen Momus im dritten Gesange sich die Freiheit nimmt.W., und Juno nicht zu groß.
Hofft nicht, durch Weisheit ihn zur Ehrfurcht zu vermögen!
Seyd ohne Tadel, seyd Latonens Tochter Latonens Tochter Die keusche Artemis oder Diana. Ueber ihr Verhältniß zu Endymion. gleich;
Wenn Alles fehlt, so weiß er euch
Endymions Schlaf zur Last zu legen.
Doch diesen Muthwill könnte man
Auf Rechnung seines Alters schreiben;
Und, da sein Witz uns doch nicht treffen kann,
So möcht' er immerhin, um minder schädlich zu bleiben,
Mit Lästern sich die Zeit vertreiben;
Allein, den Unfug auszustehn,
Den sein Gewerb in unsrer Herrschaft stiftet,
Und, was wir Gutes thun, stets ohne Frucht zu sehn,
Solang' er ungestraft die Sittenlehre vergiftet,
Solang' er singen darf: »ein Becher und ein Kuß
Könn' einen Sterblichen froher und, nach Gestalt der Sachen,
Selbst besser, als er war, und zehnmal klüger machen
Als alle Philosophien der Weisen in es und us«
Was dünkt euch, selige Götter, von solchen Sittensprüchen?
Kein Wunder, daß er längst damit
Die Monarchie der Welt erschlichen!
Ein Lehrbegriff von diesem Schnitt
Wird nie an Schülern Mangel haben;
Den jungen Dirnen und den Knaben,
Um deren Kinn die erste Wolle spielt,
Scheint nichts so gründlich. »O, man fühlt,
Man fühlt ja, rufen sie, die Wahrheit seiner Lehren!«
Nun, sagt mir, werden sie der Weisheit Stimme hören,
Wo Amor solche Schulen hält?
Wollt ihr die Früchte sehn? Schaut nieder auf die Welt,
Die ihr regieren sollt, und seht sie von Cytheren
Und ihrem Söhnchen so bestellt,
Als ob wir Andre nichts als Figuranten wären.
Wer präsidirt im Rath' und im Gericht?
Wer hat die Gnaden auszuspenden?
Ich und Asträa Asträa Die Sternenjungfrau, Göttin der Gerechtigkeit. S. Anmerkungen zu den moral. Briefen, 5.Br. wahrlich nicht!
Cupido wälzt mit seinen Kinderhänden
Den Erdenball, sein Spiel; das Glück
Von einem ganzen Volk entscheidet
Durch seinen Einfluß oft der Blick
Von einer Pompadour Pompadour Durch den Einfluß dieser berühmten Maitresse LudwigsXV. soll Prinz Soubise, der bei Roßbach geschlagen wurde, den Oberbefehl des Heeres erhalten haben.: sie winkt den Helden zurück,
Und ihr Adonis wird in einen Mars verkleidet,
Der, trotz Homers Achill, ein Fest
Besorgen kann und sich, wie Paris, jagen läßt.
Verwundern wir uns noch, wenn wir den Scepter sehen,
Der unterm Mond die Herrschaft führt,
Daß alle Dinge dort so widersinnig gehen?
Mich wundert nicht, daß er schlecht, nur, daß er nicht schlechter regiert.
Das Restchen von Weisheit, daß noch aus jener guten alten
Saturnuszeit Saturnuszeit Das goldene Weltalter voll Unschuld und Glück. Agathon, Bd.3. sich bis hieher erhalten,
Wiewohl schon längst der Geist davon
Verflogen ist, erweist noch seine Tugend.
Doch selbst den kleinen Rest von jener goldnen Jugend
Der erstern Welt mißgönnt Cytherens Sohn
Dem Erdenvolk. Sein Thorenreich zu gründen,
Soll jede Spur der Sittlichkeit
Und Unschuld aus der Welt verschwinden.
Fortunens Freunde haben sich
Zu diesem großen Werk vorlängst mit ihm verschworen.
Die Musen, zu meinen Gespielen geboren,
Die Musen selbst entehren sich und mich,
Seitdem sie Amorn zum Führer erkoren.
Und ach! die Weisen sogar, die Weisen haben verloren,
Was ihren Orden sonst den Thoren
Verhaßt und fürchterlich gemacht.
Der Ernst ist lächerlich, der von den Pythagoren
Das Zeichen war. Jetzt trinkt man, scherzt und lacht
Und salbt sein Haar und kränzt mit Rosen die Scheitel,
Ruft mit Diogenes, der Menschen Thun ist eitel,
Und nennt sich Philosoph und wird dafür erkannt.
Was soll ich sagen, nachdem der Fürst der sieben Weisen,
Ein Mann, der fähig war, bis in das Wunderland,
Wo Isis thront, der Weisheit nachzureisen,
Ein Solon selbst Ein Solon selbst Dieser berühmte Gesetzgeber der Athener vertrieb sich die Zeit noch in seinem hohen Alter mit Versemachen. Plutarch führt unter Anderm folgendes Distichon ihm an, auf welches Minerva hier anzuspielen scheint:

Εργα δε Κυπρογενους μοι φιλα και Διονυσου,
Και Μουσων, α τιδησ' ανδρασιν ευφροσυνας

Wiewohl man diese Verse in ihrem Zusammenhange mit den vorgehenden müßte lesen können, um ihren Sinn ohne Gefahr eines Mißverstandes ganz bestimmt angeben zu können: so erhellt doch immer so viel daraus, daß die runde Erklärung: »daß er noch immer Lust und Liebe zu den Werken (oder Gaben) der cyprischen Göttin und des Bacchus habe,« Minerven einen hinlänglichen Vorwand zu geben scheint, seine Weisheit wenigstens denjenigen verdächtig zu machen, welche nicht so glücklich sind, in Solons damaligem Alter ein gleiches von sich rühmen zu können.W.

Lyäen und Amorn anzupreisen
Und, was noch schlimmer ist, in seinem siebzigsten Jahr
Ihr Priester zu seyn noch nicht zu weise war!
Und wie? den Mann, den Delphi für den besten
Der Griechen erklärte, den Mann, der meinem Athen
Den hohen Plato erzog, bei wenig ehrbaren Festen
Zum Lehrer, muß ich es gestehn?
Von einer Tänzerin herabgesetzt zu sehn Von einer Tänzerin herabgesetzt zu sehen S. Xenophons Gastmahl, wo diese Anekdote umständlich erzählt wird.W.,
Sprecht, wie gefällt euch dieß? und doch sind's Kleinigkeiten;
Sein Liebling Xenophon macht uns noch mehr bekannt:
Er läßt ihn gar zu einer Dirne schreiten,
Die als Modell für junge Künstler stand.
Ein Knabe hatte sie unsäglich schön genannt:
Gut, spricht der weise Mann, so werden wir, zu wissen,
Wie schön sie ist, die Augen brauchen müssen.
Der Griechen Lehrer geht, die Jünger hinterdrein
An hellem Tag bei einer Lais ein
(Ein Andrer, fällt der Spötter Momus ein,
Ein Andrer wäre bei Nacht zum mindsten eingegangen),
Und, für die Augenlust nicht undankbar zu seyn,
Was, meint ihr, lehrt er sie? Die Weisheit, Herzen zu fangen. Die Weisheit, Herzen zu fangen S. Xenophons Denkwürdigkeiten des Sokrates III.13. Daß Minerva auch des weisesten Mannes, den ihr geliebtes Athen je hervorgebracht, nicht verschont, soll den Richtern vermuthlich eine desto größere Meinung von der Gerechtigkeit ihrer Sache geben: indessen wäre es leichter, den guten Sokrates gegen diese beide Anschuldigungen, als die redselige Göttin gegen den Vorwurf der Chicane zu vertheidigen.W.

»Nun, große Götter, sprecht, ist's nicht die höchste Zeit,
Dem Fortgang dieser Pest zu steuern?
Der Unfug geht, beim Styx! zu weit;
Was wird der Ausgang seyn, wenn wir noch länger feiern?
Verbannet Amorn, schließt ihn ein,
Der Hain zu Amathunt mag sein Gefängniß seyn;
Dort laßt ihn, was er will, mit seinen Charitinnen
Und Nymphen und Zephyretten und Amorinen beginnen!
Ist nur um seinen Rosenhain
Ein Zauberkreis, der ihm den Ausgang wehrt, gezogen,
Kann er nur nicht heraus, und Niemand zu ihm ein,
So spiel' er, wie er will, mit seinem goldnen Bogen
Und singe bis zum Ueberdruß
Von Kuß und Wein, von Wein und Kuß,
Regiere Löwen und Schwanen
Mit seinem Rosenzaum und plappre von Dianen
Und Pallas, was ihm wohlgefällt;
Nur, Götter, nur befreit von ihm die Welt.«


Dritter Gesang.

    Minerva schwieg, und mit verschämten Wangen
Trat Hymen jetzt hervor. Die Wahrheit zu gestehn,
Sein Auszug gab kein mächtiges Verlangen,
Aus Amors Sold in seinen Dienst zu gehn.
An Schönheit fehlt' es ihm nicht, wiewohl sie etwas vergangen
Und abgetragen schien; hingegen fehlt' ihm sehr
Der Talisman, womit uns Amors Schwestern fangen.
Matt ist sein blaues Aug', und ohne Anmuth hangen
Die Locken ihm um Stirn' und Nacken her.
Er hätte (Vesta Vesta War die älteste Göttin ( Hom. Hymn. in Vener. 32), Kybele hieß die Göttermutter. Beide also waren die Matronen des Olymps. selbst bemerkt es heimlich gegen
Cybelen) ohne Furcht, zu viel darin zu thun,
Vor seinem Spiegel sich ein wenig säumen mögen.
Doch im Vorbeigehn dieß! denn nun
Ist's um die Sache selbst, nicht um die Form, zu thun.
Vielleicht war's List, die schönen Richterinnen
Beim ersten Anblick zu gewinnen
Zur Liebe freilich nicht; allein
Er will auch nicht geliebt, bedaurt nur will er seyn,
Und wirklich nur ein Herz von Stein
War fähig, ihm so wenig zu versagen.

»Ihr Götter, fängt er stockend an,
Nach einer Pallas noch vor euch zu reden wagen
Ist kühn; allein, was Amor mir gethan
Und täglich thut, ist länger nicht zu tragen
Und spornte wohl zu lauten Klagen,
Beim Herkules! selbst einen Stummen an.
Ihr wißt, daß Themis, kurz eh sie der Welt enteilte,
Noch zwischen ihm und mir das Reich der Liebe theilte.
Er, sprach sie (weil sein Blick, der lauter Unschuld log,
Die Herzenskennerin betrog),
Er, sprach sie, soll es auf sich nehmen,
Den jugendlichen Trotz des Mädchens zu bezähmen,
Das, stolz auf seinen Reiz, in wilder Fröhlichkeit
Der Liebe lacht und Hymens Bande scheut:
Und ihrem Seladon, dem seine Schüchternheit
Mehr Schaden thut als ihre Sprödigkeit,
Ihm geb' er Muth, sich freier auszudrücken,
Und seinem Ton Musik und Feuer seinen Blicken.
Er zwinge sie mit sanfter Uebermacht,
Ihr fühlend Herz vergebens zu verhehlen.
Doch hüt' er sich, auch wenn die schönste Nacht
Verzeihlicher der Sinnen Irrthum macht,
In Hymens Grenzen sich verräthrisch einzustehlen!
Er soll in einer jungen Brust
Den sanft sich sträubenden verschämten Wunsch entfalten,
In Hymens Arm die unbekannte Lust
Des Mutternamens zu erhalten.
Ein Kuß, zum Pfand von ihrem Liebesbund,
Mag ihm verwilligt seyn, nur niemals auf den Mund:
Was weiter geht, das bleibt, nach unsrer Alten
Wohllöblichem Gebrauch, dem Hymen vorbehalten.

»So, Götter, sollten wir in aller Ehrbarkeit
Und Eintracht unser Amt verwalten;
Und thäte Amor nicht, o welche goldne Zeit!
Doch sehet selbst der Sache Kundbarkeit
Kommt leider! meiner Scham zu Statten!
Was mir der Schalk für Abbruch thut;
Wozu er, wenn sein Pfeil das jugendliche Blut
Zu Feuer macht, in kupplerische Schatten,
Da wo die Rose verliebt sich um die Myrte schränkt,
Die junge Unschuld lockt, die an nichts Böses denkt;
Mit welchem grausamen Vergnügen,
Wenn sie der Arglist sich am wenigsten versieht,
Er über ihr sein Garn zusammen zieht;
Wie er, die Wachsamkeit der Klügern zu betrügen,
Sich stellt, als ließ' er sich besiegen,
Und jeden warnenden Verdacht
Einschläfert oder gar zu seinem Freunde macht;
Wie oft er seine Masken tauschet,
Und wie geduldig der Schalk die Schäferstund' erlauschet;
Mit welchem Fleiß (nach mehr als tausend einer Nacht,
Worin der schlaue Gast Bemerkungen gemacht,
Die ihm zu schlechtem Ruhm gereichen)
Er die Verführungskunst in ein System gebracht,
Dem wenige an Gewißheit gleichen;
Und wie es nun ihr Schönen wißt,
Ich übertreibe nicht beinah' unmöglich ist,
Dem Tausendkünstler auszuweichen!
O Unschuld, holde Schüchternheit
Und süße Scham, Beschützerin der Tugend,
Wo seyd ihr hingeflohn, seit Amor unsre Jugend
Belehrte, daß ihr Blödigkeit
Und Vorurtheil und bloße Larven seyd!
Seit dieser Zeit, ich schwör' es bei den Flüssen
Des furchtbarn Styx! hat Hymen nichts zu thun,
Als, gleich dem Gott des Schlafs, auf seinem Pfühl zu ruhn:
Cupido lehrt die jungen Nymphen küssen
Und lehret sie so gut, daß mir
Nichts, das sie nicht schon besser wissen,
Zu lehren übrig ist. Und nun verwundern wir
Uns noch, wenn Weiber wie wir sehen,
Aus Töchtern dieser Art entstehen?
Wenn Messalinen und Poppäen Messalina Die Gemahlin des Kaisers Claudius (s. die Anm. zu Anti-Ovid, Ges.1. V.112119.), und Poppäa, des Nero, waren ihrer Ausschweifungen halber berüchtigt.
Verzeiht, Göttinnen, mir; allein mein Herz ist voll,
Und meinen Schmerz hat noch kein Gott gefühlet!
Daß ich, wenn Amor mich bestiehlet,
Ihm noch dazu die Fackel halten soll,
Gesteht, das ist zu viel für einen Gott von Ehre:
Auch sag' ichs öffentlich, wofern mir nicht in Zeit
Genug geschieht, und volle Sicherheit
Fürs Künftige gegeben wird, so kehre
Ich meine Fackel um und lösche sie und bin
Nicht Hymen mehr! Sey Hymen meinetwegen,
Wer Schultern hat, die dieß ertragen mögen!
In eine Gruft des rauhsten Apennin
Will ich zurück mich ziehn und ein Gelübde schwören
(Beim ersten Tritt von einem Mädchenfuß,
Den er im Schnee erblickt, ganz sachte umzukehren,
Spricht Bacchus laut genug, daß man ihn hören muß)
Und, sag' ich, ein Gelübde schwören,
Der Weiber und des Weins auf ewig zu entbehren!«

Das ist ein grausamer Entschluß,
Erwiedert lachend Bromius Bromius, Bacchus.;
Das heiß' ich Amors Schuld an deinem Leibe rächen!
Sey unbesorgt, versetzt der Gott von Lampsakus Der Gott von Lampsakus, Priapus.,
Ich weiß, wie man ihn fangen muß;
Er soll mir bald aus anderm Tone sprechen!

Der Gott der Ehen schwieg, und unversehens trat
Der Spötter Momus Der Spötter Momus Daß Momus hier ungefähr eben dieselbe Rolle spielt, wie in Lucians Götterversammlung und im Jupiter Tragödus, braucht für Leser, die mit diesem Schriftsteller nicht unbekannt sind, kaum erinnert zu werden.W. auf und bat
Um günstiges Gehör. »Ihr Götter und Göttinnen,
So fing er an, ihr wißt, mir liegt
Daran sehr wenig, wer in dieser Fehde siegt;
Ich werde nichts dabei verlieren noch gewinnen.
Ich bin dem Hymen gut, ich bin auch Amorn gut;
Sie geben beide mir zu lachen,
Und, frisches Blut vel quasi Frisches Blut vel quasi Anspielung auf eine Stelle in Cicero's Dialogen de Natura Deorum, die wir im neuen Amadis schon angeführt haben. uns zu machen,
Ist keine Panacee, die bess're Wirkung thut.
Kurz, wider oder für, am Ende bin ich immer
Freund der Person, der Sache Feind,
Und selbst mein Spott ist herzlich gut gemeint.
Ich sehe, daß das Frauenzimmer,
Das gegen Amorn hier mit Hymen sich vereint,
Aus Sittsamkeit nicht Alles sagen wollte,
Und Schwager Hymen hat, vor Eifer, wie es scheint,
Das Beste, was er sagen sollte,
Vergessen. Oder ist's vielleicht nicht ahndenswerth,
Wie mit uns Göttern selbst der kleine Schalk verfährt?
Ich sage nicht, wer Leda's Schwan gewesen,
Nicht, wer Alkmenen eine Nacht
Drei Sommertage lang gemacht:
Die Dichter geben uns nur zu viel davon zu lesen,
Und unser Ruhm gewinnt nicht sehr dabei;
Indessen gilt der Vorwurf freilich Allen.
Die Hand aufs Herz und ohne Gleißnerei!
Wer unter uns ist nie in Amors Netz gefallen?
Wird nicht der Vesta selbst ein Buhler vorgerückt,
Den weder Frau noch Jungfrau gern gestehet?
Daß just Silens Grauschimmel drein gekrähet,
War sehr viel Glück für sie; allein es glückt
Nicht immer so; und, hätt' er nicht gekrähet,
Wer sagt uns, hätte man den Buhler fortgeschickt?
So spricht die böse Welt! Man hat nicht immer Zeugen
Von seinem Widerstand', und eine einzige Nacht
Hat große Tugenden schon um ihren Ruf gebracht.
Man darf Selenen nur von ihrem Wagen steigen
Und sich dem schlummernden Endymion nähern sehn,
Sie darf aus Neugier nur auf ihn herab sich beugen,
So ist es schon um sie geschehn,
Sie hat nichts mehr im Wahn der Leute zu verlieren;
Und, sollte gar ihr Mund den seinigen berühren,
So nennt, verlaßt euch drauf, die Welt es einen Kuß;
Und weh' ihr dann, wenn ein Ovidius
Den Einfall kriegt, das Mährchen zu brodiren!
Wir wissen insgesammt, wie weise Pallas ist;
Und dennoch zischelt man von einem feinen Knaben
(Mit Drachenfüßchen zwar), den sie aus einem Zwist
Mit Mulcibern soll aufgelesen haben Mit Mulcibern soll aufgelesen haben Die Rede ist von dem drachenfüßigen Erichthonius, der sein Daseyn einem ziemlich seltsamen Paroxismus zu danken hatte, der den guten Vulcan überfiel, als Minerva einst allein in seine Werkstätte kam, um sich neue Waffen bei ihm zu bestellen eine Anekdote, die man in Benjamin Hederichs mythol. Lexikon in einem Ton und Styl, die vermuthlich einzig in ihrer Art sind, erzählt finden kann.W.;
Man spricht nicht gerne laut davon.
Sie wand sich, sagt man, los und doch fiel Erichthon
Nicht aus dem Mond' herab. Sein Daseyn macht die Sache
Nicht besser. Hatte, wie sie spricht,
Das kleine Mittelding von Feuergott und Drache
Kein näher Recht an ihre Mutterpflicht,
Was trieb sie an, in ihrem eignen Tempel
Den Fündling zu erziehn? Man flieht doch gern den Schein
Und mag an den verhaßten Stempel,
Deß Bild der Unhold trägt, nicht gern' erinnert seyn.
Doch freilich lehrt ein neueres Exempel
Der Götterkönigin, daß gegen Amors List
Die strengste Sprödigkeit noch unzulänglich ist.
»Sie sollte sich mit Ganymeden,
Der so verhaßt ihr ist, vergehn?«
Gut! wenn uns nicht die Danaen und Leden
Zur Rache reizten! Zwar hat Niemand zugesehn,
Und Iris schweigt, allein die Wände reden Allein die Wände reden Dieser Ausfall des Momus auf den Ruhm der Götterkönigin bezieht sich auf die komische Erzählung Juno und Ganymed und würde, da die Lauterkeit dieser Quelle mehr als verdächtig ist, in dem Munde eines jeden Andern als des Momus nicht zu entschuldigen seyn, da sich in der alten Mythologie nichts findet, was den Urheber derselben von dem Vorwurfe, diese Göttin verleumdet zu haben, frei sprechen könnte.W..
Des Himmels Chronik ist ein wenig ärgerlich;
Genug davon! Doch, daß die Damen mich
Nicht etwa für parteiisch halten,
Wer weiß die Kurzweil nicht, die Amor täglich sich
Mit unsern Herren macht? die komischen Gestalten,
In die er, wann und wo und wie es ihm gefällt,
Uns übersetzt? wie klein von uns die Welt
Um seinetwillen denkt, und, wenn sie uns verachtet,
Wie recht sie hat? Der Kriegsgott, spricht man, ist
Der Gott nicht mehr, der Krieg für Lustspiel achtet,
Der Hunger, Durst und Schmerz als Kleinigkeit betrachtet,
Und dem, wenn ja sein Aug' auf eine Stunde sich schließt,
Der harte Grund ein Schwanenlager ist:
Ein Weichling, der an Venus Busen schmachtet,
Ein Attys ist er, ein Bathyll,
Bei Grazien und bei Liebesgöttern
Entwöhnet von den Donnerwettern
Der wilden Schlacht, gepflegt auf Rosenblättern;
Und, rafft er auch einmal sich auf und will
Seyn, was er war in Hektors Heldentagen,
So fühlt er bald die Sehnen ihm versagen.
Apollo selbst, der Gott der hohen Schwärmerei,
Die jene schönen Thaten zeuget,
Auf deren Stufen man zum Sitz der Götter steiget,
Ist nicht Apollo mehr. Die Zeiten sind vorbei,
Da sein Geschäfte war, die Wilden
Am Rhodope zu Menschen umzubilden,
Da Löwen sich, wenn seine Leier klang,
Entzückt zu seinen Füßen schmiegten,
Da Steine, wie beseelt von seinem Zaubergesang,
Sich tanzend in einander fügten,
Und durch der Dichtkunst süßen Zwang
Deukalions Stamm aus Wäldern sich entfernte,
Gesellig ward und Götter ehren lernte.
Entgöttert schleicht im Hain', am Rosenbach,
Der Musengott den Schäferinnen nach;
Der von den Sphären sang, besingt jetzt junge Busen,
Singt von des Kusses Wunderkraft,
Und, ihrem Führer gleich, berauschen seine Musen
Mit Amorn sich in süßem Traubensaft.

»So könnt' ich, liebe Herrn und Brüder,
Das ganze Götterchor durchgehn;
Allein es möchte leicht Satiren ähnlich sehn,
Und diese waren mir, ihr wißt es, stets zuwider.
Ich bin fürwahr kein Rigorist;
Indessen geb' ich zu bedenken,
Ob Amors Lust zu losen Ränken
Des Uebels einzige Quelle ist.
Es wäre viel davon zu sprechen;
Doch Schweigen hat, wie Reden, seine Zeit.
Des Rangen Ungebundenheit
Bleibt allemal ein Polizeigebrechen.
Man muß ihm Einhalt thun. Nur, wie? ist überhaupt,
Wo man verbessern will, zumal in Sachen
Von dieser Häklichkeit, viel schwerer, als man glaubt.
Man kann so bald das Uebel ärger machen!
Bedenket also wohl, ihr Herren, was ihr thut!
Ein Schluß ist freilich leicht zu fassen,
Zumal um Tafelzeit; allein, sich reuen lassen,
Was man gethan, steht Göttern gar nicht gut.«

So sprach der Patriarch der Spötter,
Der im Besitze war, die andern sel'gen Götter
Und all ihr Thun zu tadeln und zu schmähn;
Und, weil es leichter war, ihn seitwärts anzusehn
Und stumm zu seyn, als ihn zu widerlegen:
So thaten auch die Damen, die es traf,
Was sie in solchen Fällen pflegen.
Die eine stellte sich, als könnte sie dem Schlaf
Nicht widerstehn und schloß die Augenlieder;
Unachtsam gafft die andre hin und wieder,
Spielt mit den Fingerchen an ihrer schönen Hand,
Bespiegelt sich, berichtiget ein Band
An ihrem Latz' und flüstert Kleinigkeiten
Der Nachbarin ins Ohr, als ob sie viel bedeuten,
Die Fächer rauschen auf und zu,
Kurz, keine thut, als ob sie Ohren habe.
Uns scheint dieß nicht der Damen kleinste Gabe,
Wir wünschen ihnen Glück dazu.
Auch Vater Zeus läßt, ohne sich zu rühren,
Die Danaen sich zu Gemüthe führen,
Und Mars, solang der Panegyrikus
Ihm um die Ohren saust, scherzt achtlos mit Auroren,
Fragt, ob ihr Alter noch die Schlafsucht nicht verloren,
Und trägt sich an zu ihrem Cephalus.

Der Musengott allein – man weiß, wie leicht die Galle
Den Dichtern schwillt fährt zürnend auf und kräht,
Als ob die Nymphenwuth ihn plötzlich überfalle.
»Wie, ruft er, wenn vielleicht ein Reimer sich vergeht,
Die Leier zwingt, dem Liebesgott zu fröhnen,
Mit Paphos den Parnaß vertauscht
Und statt der klaren Hippokrenen
In Wein von Beaune sich berauscht,
Soll es der Musen Chor, soll Phöbus es entgelten?
Bekenn' ich mich zu jedem Dichterling'?
Und soll man mich für Amors Sünden schelten?
Wohl weislich spricht Aesop: das schlimmste Ding
In dieser besten Welt sey eines Narren Zunge «

Halt, lieber Sohn! ruft Zeus vom Thron' ihm zu,
Besänftige dich und schone deiner Lunge!
Man kennt den Momus ja! Sey ruhig, goldner Junge!
Ei! bringt so wenig schon dich um die Seelenruh?
Bemerkst du nicht, wie unsre frommen Damen
Des Spötters Neckerein so ruhig auf sich nahmen?
Ich selber, wie du siehst, ich thu',
Als fühlt' ich nichts, wenn er von hinten zu
Mir Eins versetzt. Mit Leuten seines Gleichen
Gibt sich kein Kluger ab; man sucht ihm auszuweichen:
Und, kömmt er dennoch uns mit seiner Pritsche bei,
Was hilft ein knabenhaft Geschrei?
Das Klügste ist, sich schweigend wegzuschleichen.


Vierter Gesang.

        Die Götter schickten nun, bei wohlverschloss'nen Thüren,
Mit hohem Ernst sich an, in Schachen zu votiren;
Als ein Getös' im Vorgemach
Das weitere Verfahren unterbrach.
Kaum lauscht man stutzend nach dem Orte,
Woher es kommt, so knarrt die goldne Pforte,
Die Flügel rauschen auf, und siehe! Paar an Paar
Schleicht leis' und schneckenhaft ganz Paphos und Cythere
Zum Saal hinein: der Scherze leichte Schaar
Mit düsterm Blick und ungebundnem Haar;
Die Grazien, in lange Trauerflöre
Wie Klageweiber eingehüllt,
Drei echte, heilige Nituschen Nituschen Une sainte Nitouche nennt man sprüchwörtlich einen, der sich heilig stellt.;
Die Liebesgötterchen, vermummt in Scaramuschen Scaramuschen Scaramuccia, Scaramouche, ist eine der italienischen komischen Masken, die in spanische Tracht, ganz schwarz, gekleidet waren.;
Der ganze Zug ein wahres Bild
Des Lustspiels, wo man weint. Die ernsten Oberalten
Des Himmels hatten Mühe, die richterlichen Falten
Auf ihrer Stirn' in Ordnung zu erhalten.
Was wird daraus noch werden? dachten sie;
Vermuthlich hofft der Schalk, der selber zu erscheinen
Sich nicht getraut, durch dieses Possenspiel
Die Strafe von sich abzuleiten.
Allein sie schossen weit vom Ziel.
Denn, während daß zu beiden Seiten
Die Karawan' im Saal sich auszubreiten
Beschäftigt war, wer, meint ihr, schloß den Zug?
Kein Wunder, wenn das Herz den guten Göttern schlug.
Cupido war es selbst und, o! so ganz Cupido,
Als weder Raphael noch Guido,
Wiewohl des Gottes voll, ihn jemals dargestellt;
So schön, daß Vater Zeus für Ganymed ihn hält,
Daß Junons großes Aug' noch eins so feurig spielet,
Und Mutter Cybele, indem sie seufzend sich
Erinnerte, wie sehr ihm Attys glich,
Zum zweiten Mal des Lieblings Wunde fühlet;
So schön, so zart, so voll von ewiger Jugendkraft,
Daß Mulciber in seine Vaterschaft
Mehr Zweifel setzt als je, die Stirne sich befühlet
Und grimmig bald nach Mars, bald nach dem Weingott schielet.
So, Amor, schwebtest du daher,
Und deinen Feinden sank der Muth beim ersten Blicke.
Selbst Hymen spürt schon keine Galle mehr
Und schmiegt verwirrt sich an Vulcan zurücke.
Minerva nur blieb unerschüttert stehn
Und machte Miene, ihr Lied von vornen anzufangen;
Allein Zeus läßt es nicht geschehn
Und nimmt das Wort, indeß mit feuerrothen Wangen
Und halb gesenktem Augenlied,
Wie einer, der sich überwiesen sieht,
Der Liebesgott sich vor dem Throne bücket.
Dem Nymphchen gleich, das seine Fruchtbarkeit
Zum Protokoll laut zu gestehn sich scheut,
Allein, vom Augenschein gedrücket,
Ein schüchtern Mittelding von Weib und Mädchen, steht
Und, unserm Blick den Umstand zu entwenden,
Der das verrätherische Blut
Ihr in die Wangen pumpt, mit ihren beiden Händen,
Was Venus zu Florenz mit einem Händchen, thut:
So stand der lose Gast, den Heuchlerblick zur Erde
Geheftet, da, mit züchtiger Geberde,
Als Vater Zeus beginnt: Mein trauter Enkelsohn,
Es thut mir leid, allein sehr große Klagen
Sind gegen dich den Göttern vorgetragen.
Komm', hurtig! denn die Tafel ruft uns schon
Was hast du uns zur Gegenwehr zu sagen?
Bring's in beliebter Kürze vor!

»Nichts, leider nichts! erwiedert Cypripor:
Auch komm' ich nicht, mit losen Rednerstreichen
Ein mildes Urtheil zu erschleichen.
Nur allzu wahr ist, was die Schmähsucht spricht;
Und, wollt' ich leugnen, spränge nicht
Aus euren Augen mir die Wahrheit ins Gesicht?
Ja, ich bekenn' und leugne nicht:
Das Aergste, was Ovid uns angedichtet,
Ist ärger nicht, als was wir angerichtet,
Ich und mein Hofgesind. Wem ist es unbekannt?
Gestohlen ward durch uns aus Pelops schönem Land
Der Leda Schwanenkind; wir hetzten am Skamander
Um nichts und wieder nichts die Helden aneinander;
Wir steckten Ilion in Brand;
Wir trugen Holz zu Dido's Scheiterhaufen;
Wo Fürsten sich mit Bürgerhaaren raufen,
Wo ein Eroberer in durchgeschwärmter Nacht
Die schönste Königsstadt zum zweiten Troja macht Die schönste Königsstadt zu in zweiten Troja macht Bei einem großen Gastmahl, welches Alexander zu Persepolis veranstaltet hatte, wünschte Thais, eine attische Hetäre, mit eigner Hand den Palast des Xerxes, des größten Feindes von Griechenland und Zerstörers von Athen, anzuzünden. Der zwiefach berauschte Sieger schleuderte selbst die erste brennende Fackel in den herrlichen Palast.,
Um einen Kuß von Thais zu erkaufen,
Mit einem Wort, wo eine Büberei
Verübt wird, seyd gewiß, da sind auch wir dabei.
Durch wen, als uns, ward Jemand einst zum Farren?
Zum Bock? zum Schwan? zu Allem, was ihr wollt?
Und wird nicht um der Minne Sold
Der Weise täglich noch zum Narren?
Was braucht es Klagen und Verhör?
Hier steh' ich, Götter, und bekenne,
Bekenne, was man mich beschuldigt, und noch mehr:
Verdien' ich noch, daß man mich störrig nenne?
Allein, wie Pallas weislich sprach,
Der Sünde folgt die Strafe billig nach.
Verbannet will die weise Frau mich sehen:
Verbannen will ich mich, ihr Wille soll geschehen!
Ich selbst ersparet euch die Müh',
Ein Urtheil über mich zu sprechen
Ich selbst will euch an Amorn rächen.
Kommt, meine Grazien, kommt, wir gehn:
Sie wollen's so! kommt, gute Knaben!
Die sollen scharfe Augen haben,
Die hier uns jemals wiedersehn!«

Kaum ist das letzte Wort dem schönen Mund entfallen,
So hebt Cytherens lose Schaar
Sich in die Luft; die Trauermäntel fallen,
In schönen Locken fließt der Charitinnen Haar,
Und um die runden Hüften wallen
Gewänder, Rosen gleich in angestrahltem Thau.
Sie ziehn in lieblichem Gewimmel,
Von Zephyrn hoch getragen, durch den Himmel,
Und, wo sie fliehen, welkt sein reines Blau
Und stirbt in freudeleerem Grau.
Doch, eh sie sich den Augen ganz entzogen,
Zerbricht Cupido seinen Bogen,
Wirft ihn herab und ruft den Göttern zu:
Gehabt euch wohl! Wir wünschen euch Vergnügen;
An Amorn soll's gewiß nicht liegen,
Wenn fürderhin nicht unbegrenzte Ruh
Den Himmel wiegt. Nur wähnet nicht, Göttinnen,
Daß, was er thut, er bloß zur Hälfte thu'.
Ihr hofft vielleicht, dabei noch zu gewinnen,
Weil doch mein Brüderchen von linker Hand Mein Brüderchen von linker Hand Ich vermuthe, daß Wieland den sogenannten himmlischen Amor meint. Was die Sittigkeit (Z.25.) freilich gegen diesen könnte einzuwenden haben, scheint nicht leicht zu erklären. Wahrscheinlich erinnerte sich aber der Dichter bei diesem kosmogonischen Amor, daß er in den Hymnen der Orphiker als König Priapus (auch als πολυσπορος, ἠρικασπαιος, Symbole der Befruchtung der Natur) dargestellt wurde, nahm dieß aber nicht im alterthümlichen, sondern im späteren Sinne, ganz seiner Ueberzeugung gemäß, daß es Liebe ohne einige Beimischung von Sinnlichkeit nicht gebe, und daß die himmlische Liebe meist ziemlich irdisch ende. euch bleibt,
Der, wie verlauten will, euch stolzen Sultaninnen
Oft ingeheim die Zeit vertreibt.
Doch, ihm das Reich zu übergeben,
Das ich verlassen muß, verbeut
Die Ehre mir und selbst die Sittigkeit;
Wir werden ihn der Arbeit überheben!

So sprach der Gott und lächelt' und verschwand.
Die himmlische Synode stand
Ein wenig dummer da, als mancher vor der Hand
Dem andern merken lassen wollte.
Man that sein Möglichstes, um gutes Muths zu seyn.
Doch, was man kann, und was man können sollte,
Trifft, wie ihr wißt, nicht immer überein.
Gleich bei dem ersten Mahl schleicht sich die Langweil' ein,
Wie sehr die Götter auch sich quälen,
Ein düstres Vorgefühl durch übertriebnen Schein
Von Lustigkeit einander zu verhehlen;
Vergebens! denn sogar der Götterwein
Erfreuet nicht das Herz, wenn Amors Schwestern fehlen.
Man ißt und weiß nicht was, man lacht und fragt warum,
Man öffnet weit den Mund, will reden und bleibt stumm.
Der Witz verläßt den Gott der Musen,
Die Munterkeit den Gott des Weins;
Mercur ruft Heben stets, noch Eins!
Und gafft, indem er trinkt, nach Vesta's plattem Busen.
Vergebens stimmt der Pieriden Chor
Der glühnden Sappho wärmste Oden,
Zwar etwas schläfrig, an: man hört mit halbem Ohr'
Und bleibt so frostig, als zuvor.
Die Damen sitzen wie Pagoden
In steifer Majestät, nach Juno's Beispiel, da,
Und, schleicht sich auch in einer Viertelstunde
Ein Wort aus einem schönen Munde,
So schnappt der Dialog beim ersten Nein und Ja
Gleich wieder zu: kurz, sumste hier und da
Nicht eine Fliege noch, so dächte man, es stünde
Der Puls der Schöpfung still. Zeus, der die Kurzweil liebt,
Fand diese Art zu tafeln sehr betrübt.
Noch nie ward Hebe so geschwinde
Des Dienst's entlassen. Aber, ach!
Die lange Weile schleicht den guten Göttern nach,
Wohin sie fliehn, bis in die Cabinetchen,
Bis in die Lauben von Jasmin
Und auf die nun nicht mehr wollüst'gen Ruhebettchen.
Zu bald erfuhren sie, sogar im Têt' à Têt',
Daß ohne der Grazien Gunst nichts wohl von Statten geht.
Vergebens wurde bei Auroren
Die Sommernacht ein wenig lang bestellt;
Selbst für die Heben und die Floren
Geht nun (so unbarmherzig hält
Der Liebesgott sein Wort) die schönste Nacht verloren.
Den schlummernden Endymion
Kann Lunens wärmster Kuß nicht aus der Schlafsucht küssen,
Und zu Aurorens Rosenfüßen
Petrarkisirt, trotz D'Urfé's Seladon d'Urfé's Seladon Ein sentimental-romantischer Schäferroman von Honoré d'Urfé, welcher 1610 zum Erstenmal zu Paris unter dem Titel »Asträa« erschien und eigentlich auch für die nachfolgenden historischen Romane den alten ritterlichen Ton der Galanterie in den langweiligen Ton galanter schäferlicher Empfindsamkeit umstimmte. Als er im J.1733 noch einmal in 5 Octavbänden herausgegeben wurde, mußten die ermüdend zärtlichen Monologe und Dialoge abgekürzt werden. Seladon hat sich aus dieser Asträa wenigstens dem Namen nach im Andenken erhalten.,
Der weise Cephalus. Sogar der Gott der Gärten
Schleicht von Pomonen sich ein wenig früh davon
Und schwört, gerichtlich zu erhärten,
Daß einem Manne, wie er, durch alle Zauberei
Von allen Nestelknüpferinnen
Der ganzen Welt, so was noch nie begegnet sey.
Die hintergangenen Göttinnen
Benahmen zwar sich meisterlich
Und sprachen von der Lust der Sinnen
Wie Zenons strengste Schülerinnen;
Doch sage mir nur Niemand, daß man sich
Durch Scenen dieser Art bei ihnen sehr empfehle.
Natürlich dünkt ein schönes Weib
Sich etwas mehr als eine nackte Seele;
Und Metaphysik ist ein schaler Zeitvertreib
Für Nymphen, die in Lauben wachend schlafen
Und sich gefaßt gemacht, anstatt
Dem Günstling zu verzeihn, der nichts begangen hat,
Ihn für Verbrechen zu bestrafen.

Wie dem auch sey, so hatten dieses Mal
Die Götter keine andre Wahl,
Als Amors Strafgericht so leicht auf sich zu nehmen,
Als möglich war, und, statt der Weisheit sich zu schämen,
Wozu er sie verdammt, sie, wo nicht angenehm,
Doch ehrenvoll zum wenigsten zu machen.
Diotima's gepriesenes System Diotima's gepriesenes System Die sogenannte platonische Liebe, welche Plato in seinem Gastmahl von der Wahrsagerin Diotima dem Sokrates vortragen läßt.W.
Ist, wie ihr wisset, sehr bequem
Zu diesem Zweck. Zu was für schönen Sachen
Gibt es den Stoff! Wie fein es klingen muß,
Wenn selbst Priap, dem sonst der beste Kuß
Zu leichte Speise war, mit schwärmendem Entzücken
Von reiner Liebe schwatzt, sich sättiget an Blicken
Und in demüthiger Distanz
Von seinem Gegenstand, mit einem großen Kranz
Von Agnus castus um die Lenden Agnus castus um die Lenden Die Blätter dieser Staude haben, nach der Versicherung des Plinius, eine gewisse kühlende Kraft, die dem Gelübde der Enthaltung besonders zuträglich ist. Die athenischen Frauen, welche während der Thesmophorien (eines über 8Tage dauernden Festes der Ceres) von ihren Männern abgesondert leben mußten, bestreuten, aus einer Vorsicht, die ihrer Gewissenhaftigkeit mehr Ehre macht, als ihrem Temperament, ihr Lager mit Blättern von Agnus castus. Plin. H. N. XXIV.9.W.,
Pomonen überzeugt, ein Busen, dessen Glanz
Den Schnee beschämt, sey nicht gemacht, von Händen
Gedrückt zu seyn, und, einen kleinen Mund,
Der reizend spricht und lacht, um einen Kuß zu pfänden,
Sey Hochverrath. Wer kann so schön dich sehn
(So fährt Herr Phallus Phallus So viel als Itiphall, vergl. d. Anm. zu Idris und Zenide, Ges.1. St.53. fort, zu krähn)
Und mehr, als dich zu sehn, verlangen?
Die Seele, die dich anschaut, streift
Flugs ihren Körper ab, so wie verjüngte Schlangen
Die alte Haut; sie fliegt empor, durchschweift
Ihr neues Element, die Rosen deiner Wangen,
Die Lilien deiner Brust, vergißt
Der Sinnen letzten Wunsch und fühlt, daß wahrer Liebe
Die Liebe selbst die höchste Wonne ist.

Dieß Alles, wir gestehn's, ist schön und gut zum Sagen;
Auch sagen es die Götter oft genug
Den Himmelstöchtern vor; man hört in dreißig Tagen
Und Nächten nichts als dieß. Doch, diesen hohen Flug
Noch dreißig Tage auszuhalten,
Fühlt kein Olympier sich stark genug bekielt.
Ein Andres ist's, wenn man dergleichen wirklich fühlt,
Wie einst Petrarc'. Allein bei unsern kalten
Entgeisterten Verliebten war gewiß
Dieß nicht der Fall: die guten Götter hatten
Nichts Besseres zu thun und sagten Alles dieß,
Von Nacht und Mond und kupplerischen Schatten
Heraus gefordert, bloß in Fugam Vacui In Fugam Vacui Um der Leere zu entfliehen..
Die Damen gähnten, traun! noch mehr dabei als sie;
Und, wie das Lustspiel enden mußte,
Erräth sich leicht. Denn trotz der harten Kruste,
Die ihr jungfräulich Herz beschützt,
Kann Pallas selbst den Mann, der zu nichts Anderm nützt,
Als ihr zu Fuß zu liegen und zu schmachten,
Nicht anders als aus Herzensgrund verachten.
Das tugendhaftste Weib flößt gern was Wärmeres ein,
Als was wir bloß für ihre Tugend fühlen,
Und, ohne minder darum der Weisheit treu zu seyn,
Beim ruhigsten Vorsatz, das Feuer nie zu kühlen,
Das euch verzehrt, ergetzt sie innerlich
An seinem Spiel, an seiner Flamme sich.
Worin bestände denn auch, im Grunde, das Behagen
Von einer Lage, wobei sie nichts zu wagen,
Nichts zu verlieren sieht? sich selbst nicht sagen kann,
Dein Sieg ist ein Verdienst, dein Gegner war ein Mann!
Wir unterstehen uns, zu sagen,
Daß dieß sogar auf Bilder sich erstreckt,
Und daß ein Cherub ohne Magen
Und Unterleib in seinem Federkragen
Des frommen Nönnchens Herz nicht halb so gut erweckt,
Als Guido's Amor, zwar divino Als Guido's Amor, zwar divino Auf einem von Robert Strange gestochenen Blatte, das einen nackten schlafenden Knaben von sechs oder acht Monaten vorstellt, neben welchem eine junge Nonne mit gefalteten Händen ihre Andacht verrichtet, aber unfreiwillige Zerstreuungen zu haben scheint. Statt der Unterschrift Amoris primitiae, die sich auf die Nonne bezieht, hätte sich Amore divino um so besser geschickt, weil dieses Blatt das Gegenstück von einem ebenfalls nach Guido Reni gestochenen Cupido ist.W.
Der Absicht nach, allein der, wie ihr wißt,
Darum nicht minder als ein andrer Amorino
Ein sehr vollständig Bübchen ist.

Ist diesem so, wer kann den überirdischen Schönen
Verargen, wenn sie sich, sobald Cupido's Fluch
Durch manchen fehlgeschlagenen Versuch
Bestätigt ist, nach andrer Kurzweil sehnen?
So manche schöne Sommernacht
Vorbei gegähnt! Die nie betrogne Macht
Von ihren Reizen nun dem Zweifel preisgegeben!
Und Rachsucht sollte nicht die holden Busen heben?
Der erste Schäfer wäre just,
Was eine Göttin braucht, wenn sie der Rache Lust
Sich geben will; oft ist dabei zu gewinnen:
Allein auch diesen Behelf entbehren die Göttinnen.
Der Erdkreis wird von Amors Interdict
Nicht leichter als der Göttersitz gedrückt.
Den einzigen Trost, den ihnen zu versagen
In Amors Macht nicht lag, war das Talent zu plagen,
Womit das schöne Volk, zumal vom Götterstand,
Sehr reichlich sich versehen fand.
Die unfreiwilligen olympischen Kombaben,
Wie sollen sie erfahren haben,
Was Schönen können, denen man
Mißfallen hat, und die uns quälen wollen?
Zu unserm Glücke kommt's, wenn wir's empfinden sollen,
Auf einen kleinen Umstand an,
Auf den die Herzensköniginnen
Sich, wie es scheint, nicht allemal besinnen.
Ins Ohr gesagt, ich weiß euch ein Arcan,
Womit die Götter sich so fest als Eisen machen.
Ihr wünscht es mitgetheilt? Wohlan!
Das Ganze ist: zu ihrem Zorn zu lachen.
Das Mittel ist bewährt; von allen Remediis
Amoris
Remedia Amoris Hülfsmittel der Liebe, ist der Titel eines ovidischen Gedichtes. in der Welt hilft keines so wie dieß.
Die Göttin starrt, zum Exempel, mit Augen von Medusen
Dich an und hofft, versteinert werdest du,
Ein Denkmal ihrer Macht, nun da stehn; aber du,
Du bist kein Geck, du hast aes triplex Aes triplex Dreifaches Erz um den Busen haben, gebraucht Horaz, um die höchste Sorg- und Furchtlosigkeit auszudrücken. um den Busen,
Du issest, trinkst und pflegst der Ruh
Wie sonst und nimmst, statt abzunehmen, zu,
Und, statt der Quälerin was Dummes vorzuweinen,
Lachst du und gehst davon auf zwei gesunden Beinen.
Verachtung ist ein mächtiger Talisman,
Nur schlägt er nicht so gut in allen Fällen an,
Als wie in dem, worin für ihre Sünden,
Seit Amors Flucht, die Götter sich befinden.
Denn freilich thut ein gewisser geheimnißvoller Instinct,
Den wir in guter Gesellschaft nie unmaskirt erblicken,
Weit mehr dabei, als mancher Göttin dünkt,
Wenn ihre Reize selbst ein weises Hirn verrücken.
Durch ihn setzt oft ein Nymphchen in Entzücken,
Ist eine Ilia und Egeria Ilia und Egeria Ilia, die Mutter des Romulus und Remus; Egeria, eine Nymphe, Gemahlin des Numa. Ilia et Egeria est, do nomen quodlibet illi. Horat. Tota merum sal (von Kopf bis zu Fuße lauter Reiz). Lucret. de Rerum Natura, VI.W., überall
Mit Grazien garnirt und tota merum sal
In deinen fascinirten Blicken,
Die dir, wie uns, sobald du nüchtern bist,
Ein sehr alltäglich Thierchen ist.
Ohn' ihn erblickte vielleicht Adonis an Cytheren
Nur abgeschoss'nen Reiz und Rosen im Verblühn;
Ohn' ihn wird Juno zur Megären,
Zur Galatee ein Austerweib durch ihn.
Sie, deren Lieblichkeit zu hyperbolisiren
Die Göttersprache selbst einst unzulänglich war,
Sind jetzt der Gegenstand von hämischen Satiren.
Auroren wird ihr Rosenhaar
Zur Last gelegt, Dianen ihre Länge;
Mit unbarmherziger, kunstrichterlicher Strenge
Wird jeder Reiz anatomirt,
Und, wie natürlich ist, verliert
Der Reiz dabei. Bei Amors Zauberfackel
Muß man die Schönheit sehn! Der kalten Tadelsucht,
Die Reiz vor Reiz gerichtlich untersucht,
Ist Hebe selbst nicht ohne Makel.


Fünfter Gesang.

              Nun, liebe Freunde, setzet euch
Ein wenig an der Götter Stelle
Und sagt mir, ist ein Himmelreich,
Wo man einander quält, nicht eine wahre Hölle?
O Amor, Gott der Freuden, kehre um!
(So rufen heimlich Götter und Göttinnen)
O, kommt zurück, ihr holde Charitinnen!
Wo ihr verbannet seyd, da rinnen
Kocyt und Phlegethon, da quälen Plaggöttinnen;
Ach, ohne euch ist kein Elysium,
Ist kein Olymp! Allein, dieß laut zu rufen,
Verbietet Stolz und falsche Scham.
Sie mußten erst durch alle Stufen
Der langen Weile gehn. Zu welchen Mitteln nahm
Man seine Zuflucht nicht? Bald gab der dicke Komus
Ein prächtig Freudenfest, wobei
Nichts als die Freude fehlt; bald Momus
Ein possenreiches Allerlei,
Das desto mehr die Logen gähnen machte,
Je lauter Silen und Pan und der Verfasser lachte.
Herr Momus war, wie Dichter meistens sind,
Für seines Witzes Brut an beiden Augen blind
Und sprach im ersten Zorn zu seinem Freund, dem Thiere
Mit langem Ohr: Der Henker amusire
Die Damen und Herren, die nicht zu amusiren sind!
Doch dient es ihm zum Trost, daß Azor und Zemire
Von Monsieur Marmontel nicht bess're Wirkung that.
Die Musen dachten, so was Neues,
Dergleichen der Olymp noch nie gesehen hat,
Muß Wunder thun; allein Apoll verzeih' es
Zemiren-Erato! man fand sie kalt wie Schnee.
Zwar schien das arme Thier von Azor zehnmal ärmer
An Feuer noch, wiewohl der größte Schwärmer
Im ganzen Götterthum, der Sohn der Semele, Sohn der Semele Bacchus.
Die Rolle spielte; nur der Götter-Assemblee
Ward, wie ihr seht, dadurch nicht desto wärmer.
Wißt ihr was Traurigers im Himmel oder hier
In diesem Jammerthal, wo wir, nach Standsgebühr
Mehr oder weniger, der langen Weile fröhnen,
Als, unergetzt, bei langen frostigen Scenen
Mit Sang und ohne Sang, einander anzugähnen?
Auch hielten's die Schönen des Himmels nicht manchen Abend aus.
Viel lieber, sprachen sie, hojahnen wir zu Haus
Und schneiden Bilderchen aus und putzen unsre Puppen.
Zuletzt, nachdem man lang' auf neue Kurzweil sann,
Bot die Astronomie sich an.
Seitdem es Sterne gibt, sah man so schöne Gruppen
Um kein Dollondisch Rohr gebückt:
Die Damen schienen ganz von Wissenslust entzückt,
Sie guckten Nächte lang und holten sich den Schnuppen.
Der Wettstreit, wer im schönsten Nachtgewand
Den Sternen Cour zu machen käme,
Trug auch das Seine bei, daß man am Weltsysteme
Und am Planetentanz so viel Vergnügen fand.
Nehmt noch dazu, was allen Lustbarkeiten
(Sogar den fei'rlichen, wozu die Glocken läuten)
So was, wie nenn' ich's? gibt, das sie pikanter macht,
Mit einem Wort, die Zeit der Mitternacht;
So hätte wohl zum Glück der Mondenfinsternissen
Nur Amor noch ins Spiel sich mischen müssen.
Allein, da dieser fehlt, verlor die Warte bald
Den ersten Reiz. Die Nächte waren kalt;
Die Damen klagten über Flüsse
Und Rückenweh' und Drücken auf der Brust:
Man fand, daß man die Wissenslust
Gemächlicher zu stillen suchen müsse.
Versuche folgten nun in Guer'ckens leerem Raum Guer'ckens leerem Raum Otto von Guericke, Erfinder der Luftpumpe. Die Chronologie ist durch ihn und andre Angeführte verletzt, absichtlich, zur Vermehrung der komischen Kraft.;
Man wiegt die Luft, zergliedert Sonnenstrahlen
Und lernt, warum sie leichter Wolken Saum
Bald blau, bald gelb, bald purpurfarbig malen;
Man mißt den Schall, man zählt den Sand am Meer,
Die Flocken Schnee, die Tropfen Regen,
Die auf das Erdrund ungefähr
Ein Jahr ins andre fallen mögen;
Was mißt und zählt man nicht? Wenn man mit seiner Zeit
Sonst nichts zu machen weiß, alsdann ist Zeitersparung
Nur Zeitverlust. Die kleinste Kleinigkeit
Wird wichtig dann, und eh die Seele Hunger leid't,
Zieht sie aus Distelköpfen Nahrung.
Noch mehr vorausgesetzt, daß euer Trismegist Trismegist Hier Hermes, Mercur. Vergl. die sieb. Anm. zum 1.Buch der »Natur der Dinge« und die folg. Anm. S.305.
Die Klugheit hat, mit Demonstrationen
Und a + b die Damen zu verschonen,
Wo ist wenn den Endymionen
Was Menschliches begegnet ist,
Ein Zeitvertreib mit diesem zu vergleichen,
Dem Mütterchen Natur (die keine Zeugen liebt,
Wenn sie den Wangen Roth, dem Busen Lilien gibt)
Bis zur Toilette nachzuschleichen?
Die Schächtelchen, die Büchschen allzumal
Eins nach dem andern aufzumachen
Und tausend wunderbare Sachen,
Wovon euch nie geträumt, aus ihrem Futteral
Herauszuziehn und Stück vor Stück besehen,
Sie, jedes in sein Fach, zurück
Zu legen und so klug davon zu gehen,
Als ihr gekommen seyd! Man muß gestehen,
Dieß Spiel ist wohl so gut, als eines in der Welt.
Allein, so sehr es unterhält,
Verliert's doch, wenn ihr's lange spielet,
Der Neuheit Reiz, der anfangs es empfiehlet.
Ein andrer Spaß wird auf die Bahn gebracht;
Die Antlia Antlia Luftpumpe., die nicht mehr Kurzweil macht,
Muß dem Elektrophor', und der dem Luftball weichen,
Und diesem geht's, wie allen seines Gleichen.
Was wollen wir? da nichts mehr Lindrung gab,
Sank man von Spiel zu Spiel zur blinden Kuh herab.
Vergebens! Amor fehlt, die Charitinnen fehlen!
Die blinde Kuh sogar wird int'ressant durch sie;
Umsonst, umsonst, ihr gute Seelen,
Hofft ihr Vergnügen ohne sie!
Vergebens schwanket ihr von einer Phantasie
Zur andern; ohne sie sind Freuden ohne Freude,
Ergetzt kein Ohrenschmaus und keine Augenweide,
Herrscht lange Weil' und dumme Apathie Apathie gefühllose Gleichgültigkeit.
Und Ueberdruß und Spleen Spleen, Milzsucht, launisches Wesen. und Agrypnie Agrypnie, Schlaflosigkeit.
Bei aller Lust, beim schönsten Sommerwetter,
Beim Nektartisch, bei Tanz, Gesang und Symphonie
Sogar im goldnen Saal der Götter.

Die weise Frau verzeih' uns, deren Rath,
Zwar wohlgemeint, die schlimme Wirkung that;
Doch unser Sokrates scheint wohl gewußt zu haben,
Warum er stets die schönen Knaben,
In deren Cirkel er sich so gerne finden ließ,
Den keuschen Grazien opfern hieß.
Der Mann that, was wir Alle sollten,
Wofern wir weiser werden wollten:
Er fragte die Natur. Sie war sein Genius
Und seine Pythia. Doch, wohl gemerkt, er fragte,
Wie man, belehrt zu werden, fragen muß;
Und, was sie ihm in Antwort sagte,
Vernahm er recht und ganz. Wem dieß ein Räthsel ist,
Der lass' es sich von Xenophon erklären:
Ein jeder echter Sokratist
Versteht uns. Kurz und gut, Frau Pallas (ihren Ehren
Unschädlich!) hatte wohl die Folgen nicht bedacht,
Da sie den Göttern aus Cytheren
So strenge den Proceß gemacht.
Der Spleen, der nun, seitdem man sie vertrieben,
Den Götterhof erfüllt, der Augen trübes Licht,
Die finstre Stirne, das faltenreiche Gesicht,
Das Unvermögen, was zu lieben,
Die Trägheit, was zu thun, war noch das Schlimmste nicht.
Ist's dahin erst mit uns gekommen,
So nimmt das Uebel zu. Zeus, der die Unterwelt
Regieren soll, regiert, so wie ein Würfel fällt,
Auf gutes Glück und plagt die Bösen und die Frommen.
Minerva, deren Ernst die milden Grazien
Sonst unvermerkt erheiterten,
Ist vor Pedanterei nicht länger auszustehn.
Der schöne Bacchus wird, seit Amor sich verbrannt,
Mit Satyrn stets bezecht gesehn;
Mars tobt und macht den Sacripant Sakripant Der tscherkassische König, bekannt aus Ariosto's rasendem Roland durch seinen Liebesschmerz und seine Abenteuer.;
Die Musen krähen uns in fremden rauhen Tönen
Kamtschatkische Gesänge vor,
Entsagen, um neu zu seyn, dem Schönen,
Betäuben den Verstand und martern unser Ohr.
Es hieß sogar (wir wollen Bess'res hoffen!),
Sie hätten einst in dickem Gerstensaft Sie hätten einst in dickem Gerstensaft u.s.w. Diese ganze Stelle enthält eine Selbstvertheidigung Wielands gegen Gerstenbergs Angriffe und zugleich einen Angriff auf dessen und Anderer damalige Bardengesänge. Hiervon an einem andern Orte.
Mit Wodans wilder Brüderschaft
Aus Menschenschädeln sich besoffen.
Genug, der Unsinn ging von Grad zu Grad so weit,
Daß endlich Aeskulap, der Göttern und Göttinnen
Zweimal des Tags mit großer Fei'rlichkeit
Den Puls fühlt, um ihr Blut ein wenig zu verdünnen
Und wieder sie in aller ihrer Sinnen
Nutznießung und Gebrauch zu setzen, nöthig fand,
Auf Amors Rückkehr vor der Hand
In vollem Amtsernst' anzutragen.
Die Krankheit, sprach er, hat die Zirbeldrüse schon
Ergriffen; Alles hier zu wagen,
Ist nichts gewagt. So schlimm Cytherens Sohn
Auch seyn mag, wird er doch bei unsern Frauenzimmern
Und Herren überhaupt im Hirnchen nichts verschlimmern,
Hingegen desto mehr an Laune, gutem Muth'
Und selbst am Herzen besser machen;
Wir leben wieder, scherzen, lachen,
Verdauen, schlafen sanft und machen frisches Blut
Und werden mehr dabei gewinnen,
Als Mancher denkt. Der Arzt hat Recht,
Rief das olympische Geschlecht.
Man hatte Zeit gehabt, sich besser zu besinnen.
Sogar der Spröden weise Zunft
(Wiewohl sie sich's nicht merken ließen)
War müde, für Minervens Milz zu büßen,
Und sehnte heimlich sich nach Amors Wiederkunft.
Die Sache ging im Götterrathe
Einhellig durch. Es liegt dem ganzen Staate
Zu viel daran, sprach Zeus, daß wir in Einigkeit,
Wie Göttern ziemt, beisammen wohnen!
Stracks sendet man Mercurn mit Propositionen
Nach Paphos ab. Man gab sich etwas bloß,
Dieß ist gewiß; allein die Sehnsucht war zu groß,
Um durch Bedingungen den Frieden zu erschweren.
Ich sage nicht, sprach Momus, daß man es
Vermeiden konnte, just so weit zurück zu kehren,
Als man zu vorwärts ging. Wohl Recht hat Sokrates:
»So arg der Schalk auch ist, man kann ihn nicht entbehren«
Dieß sag' ich nur: das, was wir jetzo thun,
War schon gethan, und, hätten wir's beim Alten
Gelassen, wie ich stets für räthlicher gehalten,
So brauchten wir jetzt nicht zu thun,
Was schon gethan war; nun ist Amor unser Sieger!
Dafür, spricht Aeskulap, sind wir um so viel klüger.

Von ungefähr stand mit gespitztem Ohr
Das Eselchen dabei und lachte
In sich hinein: »He? sagt' ich's nicht zuvor?
Die Welt geht, wie ich immer dachte,
So gut sie kann. Sie sollte besser seyn,
Spricht man, dieß fehlt und das! Ich merk' es auch; allein
Den will ich sehn, der eine bess're machte!«


 << zurück weiter >>