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Aurora und Cephalus.

Aurora und Cephalus – So viele von den Alten die Geschichte des Cephalus erzählen, so vielmal verschieden lautet sie auch, und deshalb glaubte wohl Wieland, sich ebenfalls die möglichste Freiheit mit ihr erlauben zu dürfen. Ungeachtet er also am meisten dem Ovid folgt ( Metam. 7, 600 fgg.), ist doch seine Erzählung auch von der Ovidischen wesentlich verschieden geworden, wenigstens was den Erfolg der Prüfung und die Tendenz des Ganzen betrifft. Daß einem Dichter hiezu die unbedingteste Erlaubniß zustehe, bezweifelt Niemand, und es folgt von selbst, daß er dann auch den Ton so wählen müsse, wie er zu der Tendenz des Ganzen paßt. Hier scheint sich Wieland an zwei berühmte frühere Nachbildner der Ovidischen Erzählung angeschlossen zu haben, an Ariosto nämlich und la Fontaine (in Contes de Nouvelles s. la Coupe enchantée): ob mit Glück, ist hier noch nicht der Ort zu untersuchen.

Eine scherzhafte Erzählung.

1764.

 


 

                    Noch lag, umhüllt vom braunen Schleier
Der Mitternacht, die halbe Welt;
Es ruhn in ungestörter Feier
Das stille Thal, das öde Feld,
Die Nymphen über ihren Krügen,
Der trunkne Faun auf seinem Schlauch;
Vielleicht fügt's Nacht und Zufall auch,
Daß manche noch bequemer liegen;
Der Elfen schöne Königin
Hatt' ihren Ringeltanz beschlossen
Und sanft auf Blumen hingegossen
Schlief jede kleine Tänzerin.
Mit einem Wort', es war zur Zeit der Mette,
Als sich zum ersten Mal
Tithonia Tithonia – Heißt Aurora von ihrem Gemahl Tithon. aus ihrem Rosenbette
Von ihres Alten Seite stahl.

Die Schlafsucht, die sie ihrem Gatten
Sonst öfters vorzurücken pflegt,
Kommt dieses Mal ihr wohl zu Statten.
Sie zieht die Brust, an die er schnarchend sich gelegt,
Sanft unter ihm hinweg, verschiebt mit Zephyrhänden
Die Decke, glitscht heraus, deckt leis' ihn wieder zu,
Wirft einen Schlafrock um die Lenden
Und wünscht ihm eine sanfte Ruh.

Sie fand im Vorgemach die Stunden,
Die ihre Zofen sind, vom Schlummer noch gebunden;
Nur eine ward, indem die Göttin sich
Mit leisem Fuß bei ihr vorüber schlich,
Aus einem Traum, den Mädchen gerne träumen,
Halb aufgeschreckt. Sie schrie, wie Nymphen schrein,
Um feuriger geküßt, nicht, um gehört zu seyn.
Auror' erschrickt und flieht. Allein,
Das Mädchen legt, um ruhig auszuträumen,
Sich auf das andre Ohr und schlummert wieder ein.

Die Göttin eilt, spannt (was sie nie gethan)
Mit eigner Hand vor ihren Silberwagen
Die rosenfarbnen Stuten an
Und läßt sich nach Hymettus Hymettus – Berg in Attika, berühmt wegen seiner würzigen Kräuter, aus denen die Bienen den schönsten Honig zogen. tragen.
Dort steigt sie ab, läßt Pferd' und Wagen
In einer Grotte stehn und sucht mit zartem Fuß',
Aus dessen Tritten Rosen sprossen,
Den schönen Cephalus.

Aurora? – Wie? – Das Muster weiser Frauen,
Auf deren Treu, die schon Homer uns pries,
Ein jeder alte Mann sein junges Weibchen schauen
Und sie zum Vorbild nehmen hieß?
Sie, die nur ihrem Tithon lachte
Und, ob er gleich, bei silbergrauem Haar'
Und taubem Ohr, kaum noch ergetzbar war,
Doch Tag und Nacht auf sein Ergetzen dachte;
Die ihre schöne Brust so oft zum Pfühl' ihm machte,
Ihm öfters ganze Nächte wachte,
Ihm oft die Füße rieb, ihm oft den Puls befühlt',
Erwärmend ihn in ihren Armen hielt,
Ihn immer fragt', ob ihm was fehlte,
Und, bis er schlief, ihm Mährchen vorerzählte –
Aurora, die so viele Proben gab,
Wie zärtlich sie den alten Tithon liebe;
Sie fiele nun auf einmal ab
Und nährete verbotne Triebe?

Mir ist es leid, daß ich's gestehen muß:
Ihr mögt nun, was ihr könnt, von ihrer Tugend halten,
Allein so war's! Sie schlich von ihrem Alten
Sich heimlich weg und sucht' den jüngern Kuß
Des schönen Cephalus.

Helvetius Helvetius – Der reiche Generalpächter, der eben so uneigennützig im Leben als in seinen Schriften ein Lobredner des Eigennutzes war, und der berühmte Naturgeschichtschreiber Graf Büffon hielten beide die platonische Liebe für unnatürlich und gestanden nur der physischen Liebe Werth zu, außer – sagt Helvetius – für Müßiggänger. Wer mehr Erläuterung wünscht, findet sie in seinem Werke über den Menschen Bd. 2. S. 206 der Uebers. und Büffon werden sagen,
Daß dieses nicht so unnatürlich sey:
Allein (wie wackre Leute klagen)
Die Herren denken etwas frei.
Doch will ein Feind von aller Ketzerei,
Albertus Magnus Albertus Magnus – Albert der Große, Dominicaner, Bischof zu Regensburg, ein berühmter Physiker des 13. Jahrhunderts; der zugleich für einen großen Zauberer und Besitzer des Steins des Weisen galt. selbst, vorlängst gesehen haben,
»Daß junger Mädchen Aug' auf schönen jungen Knaben
Sich gern verweil'« – und an Gestalt,
An Neigungen und Reizbarkeit der Sinnen
Sind, wie man weiß, die ältesten Göttinnen
Stets – sechzehn Jahre alt.

Dieß war Aurorens Fall, als aus Hymettus Höhen,
Zur Jagd geschürzt, mit Bogen, Pfeil und Spieß,
Der schöne Jäger ihr zum ersten Mal sich wies.
Verbeut die strengste Pflicht, was sichtbar ist, zu sehen?
Sie sah in Unschuld hin und blieb, ihm nachzusehen,
Uneingedenk der lauernden Gefahr,
Auf einer Silberwolke stehen.
War's ihre Schuld, daß er so reizend war?

Dabei blieb's dieses Mal. Doch, da sie, wider Hoffen,
Zum zweiten Mal' ihn schlafend angetroffen,
Wie sollte sie dem Einfall widerstehn,
Von ihrem Wagen abzusteigen,
Und ihn genauer anzusehn?
Die Dämmerung macht Manche schön,
Die sich im Sonnenschein mit schlechtem Vortheil zeigen.
Sie muß doch sehn, ob's hier nicht auch so sey?
Zu rasch flog neulich er vorbei;
Was schadet's näher hinzugehen?
Sie thut's. Allein, wie angenehm erblaßt,
Da sie ihn recht ins Auge faßt,
Ihr Rosenmund – den Tithon selbst zu sehen!

Den Tithon? Ja, doch wie er damals war,
Als er, in auserlesner Schaar
Der schönsten Phrygier, vor allen
Der Schönste war, vor allen ihr gefallen;
Mit langem dunkelbraunem Haar,
Mit blühendem Gesicht' und Lippen von Korallen.

Je mehr sie ihn beschaut, je stärkre Farben leiht
Ihr gern betrognes Herz der seltnen Aehnlichkeit.
Sie überläßt sich nun mit Ruh den neuen Trieben
Und find't ich weiß nicht was für eine Süßigkeit,
Den werthen Greis in Cephalus zu lieben.
Mit welcher Lust, mit welcher Zärtlichkeit
Sie auf das Ebenbild von Tithons schöner Zeit
Die gern betrognen Blicke heftet!
So war er einst mit jedem Reiz geschmückt!
So ward er oft, eh' ihn der Jahre Lust entkräftet,
Im Taumel süßer Lust an ihre Brust gedrückt!

So sieht und liebt, nach Platons Lehren,
Der junge Kallias in seiner Tänzerin
Das höchste Gut, womit sich unsre Geister nähren,
Eh sie in diese Leiber ziehn.
Singt ihm, den Grazien zu Ehren,
Ihr süßer Mund ein tejisch Liedchen Ein tejisch Liedchen – Eins von Anakreon, dem Sänger der Liebe, der auf der Insel Tejos geboren wurde. vor.
So glaubt auch der entzückte Thor,
Er höre den Gesang der Sphären.
Ein Druck von ihrer weichen Hand,
Das Spiel der buhlerischen Zungen,
Erweckt von seinem Götterstand
Die schlummernden Erinnerungen;
Auf einmal ist's, ob um ihn her
Der blaue Himmel offen wär';
Er sieht die Sterne doppelt blinken;
Er steigt, verliert sich in den Schwarm
Der Geister, welche Nektar trinken,
Glaubt in den Quell des Lichts zu sinken
Und sinkt und sinkt in Phrynens Phryne – Eine der Schönen, welche die galante Welt in Griechenland, zum Unterschiede von den Hausfrauen, Freundinnen nannte. Wieland will bei dieser Stelle von ihren Reizen bloß an deren Feilheit gedacht wissen, die jedoch keine Wohlfeilheit war, denn ein griechischer Dichter sagte von ihr:

Läßt nicht Phryne die Charybdis weit an Habsucht hinter sich?
Neulich schlang sie einen Seemann mit der ganzen Fracht hinab.

Arm.

Daß oft dergleichen Aehnlichkeiten
Zu süßen Irrungen verleiten,
Ist ein Erfahrungssatz, den Niemand leugnen wird.
Aurora sah, durch sie verirrt,
Im schönen Cephalus den Tithon sich verjüngen;
Und sah' es kaum, so faßte sie den Schluß,
Die Stunden, welche sie, nicht ohne Ueberdruß,
Bei diesem nur verträumen muß,
Mit jenem besser zuzubringen.

Mit welcher Lust verschlingt ihr lauschend Ohr
Der raschen Stöber Laut, die ins Gehölze dringen!
Sonst hörte sie der Lerchen frühes Chor
Gern neben ihrem Wagen singen:
Allein ihr däucht in diesem Augenblick'
Hylaktors Jagdgeheul die lieblichste Musik.
Sie sieht die raschen Jäger ziehen,
Das Hüfthorn tönt, der Wald erwacht,
Die Hunde schlagen an, die scheuen Rehe fliehen.
Doch plötzlich fühlt von einer fremden Macht
Der Jüngling sich ergriffen, fortgezogen
Und schneller als ein Pfeil vom Bogen
Durch Luft und Wolken weg, wer weiß wohin, gebracht.

Betäubt von seinem Abenteuer,
Begriff er nicht, wie ihm geschah.
Er sieht aus Furcht, die stets Gespenster sah,
Bei zugeschloss'nem Aug, ein gräßlich Ungeheuer
Mit offnem Schlund ihm dräun und glaubt sein Letztes nah.
Doch Düfte von Ambrosia,
Die ihm, mit süßerm Schwall, als von den Zimmethügeln
An Ceylons Strand, entgegen wehn,
Ermuntern ihn, die Augen aufzuriegeln;
Und, o, wer wünschte nicht, was er jetzt sah, zu sehn!

Der Perlenmuttersaal mit Säulen von Rubinen,
Den unsre Göttin sich zum Schauplatz' auserkor,
Hat einem Kenner Kenner – In der ersten Ausgabe der komischen Erzählungen hieß es:

Stellt, wenn ihr könnt, auf Säulen von Rubinen
Euch einen Saal von Perlenmutter vor;
In diesem Saal' ein Bette mit Gardinen
En pavillon, von rosenfarbnem Flor'
Und reich gestickt: auf diesem Ruhebette,
Was Jupiter sich selbst gewünschet hätte,
Die schönste Fee.

Ein Kritiker in der Neuen Bibl. d. sch. Wiss. Bd. 1. St. 2. S. 308, dessen Kritik Wieland als die eines Kenners anerkennt, bemerkte dabei, daß er die schöne Fee sich in dieser Stellung noch lieber in einer romantischen Gegend als in einem Saal von Rubinen vorgestellt hätte.

nicht romantisch gnug geschienen.
So stellt euch denn, umwölbet mit Jasminen,
Auf weichem Moos' ein Schwanenlager vor,
Mit reichem Sammt bedeckt; auf diesen Schwanenbetten,
Ringsum behängt mit frischen Blumenketten,
Die schönste Fee, so schön und jung, als man
An einem Sommertag sie immer sehen kann;
Und diese Fee in einer Lage,
Wie Tizian der Liebesgöttin gibt,
Und in dem halb gebrochnen Tage,
Worin die blöde Scham sich williger ergibt;
Verhüllt, doch so, daß jede kleine Regung
Das neidische Gewand verschiebt,
Und unter seidnem Flor die steigende Bewegung
Des schönsten Busens sichtbar wird –
Den Anblick stellt euch vor und werdet nicht gerührt!

Der Jüngling ward's, der in dem Augenblicke,
Worin der schöne Gegenstand
Ihn überrascht, zu gutem Glücke
Sich selbst zu ihren Füßen fand.

Die Göttin wundert, wie natürlich,
Sich ungemein, ihn hier zu sehn;
Und er gibt ihr, doch nur figürlich,
Den ganzen Eindruck zu verstehn,
Den so viel reizungsvolle Sachen
Auf sein geblend'tes Auge machen.
Die Freiheit, die er nimmt, fällt billig
Dem Schicksal, nach Gebrauch, zur Last;
Und wenn Auror' ihn nur nicht haßt,
Ist er zu jeder Strafe willig.

Aurora will ihm gern gestehn,
Daß Leute, die ihm ähnlich sehn,
Nicht sehr gehaßt zu werden pflegen;
Es sey ihr auch nicht sehr entgegen
(Die Schlaue hält, indem sie's spricht,
Die Rosenfinger vors Gesicht),
Von einem hübschen Mann sich hochgeschätzt zu wissen;
Wie weit ihr eignes Herz hierbei
Vielleicht zu gehen fähig sey,
Das werde mit der Zeit sich erst entwickeln müssen;
Man komme mit Beständigkeit
Und vielem Muth' im Lieben weit:
Doch, was sie seiner Zärtlichkeit
Für dieses Mal gestatten wollte
(Und dieses selbst vielleicht noch nicht gestatten sollte),
Sey, nebst dem Recht, sie ungescheut
Auf seinen Knieen anzuschauen,
Ein ungezweifeltes Vertrauen
In seine Ehrerbietigkeit.

Mein Mann verspricht mit vielen Schwüren,
Indem er ihre Knie aus Dankbarkeit umfaßt,
Sich sehr bescheiden aufzuführen;
Doch Dankbarkeit ist eine schwere Last!
Aus Dankbarkeit, von der er glühet,
Wird ihre schöne Hand, wer weiß wie oft, geküßt;
Und, da man sie zerstreut zurücke ziehet,
Indem er noch im Küssen ist,
Verirrt sein Mund – Da seht mir doch die Musen;
Die kleinen Spröden schämen sich!
Und halten plötzlich ein – doch ich bekenn' es, ich
(Und Cicero an Pätus spricht für mich Und Cicero an Pätus spricht für mich – Lucius Papirius Pätus, ein römischer Patricier, Anhänger der Philosophie Epikurs, genoß in der stürmischsten Zeit der untergehenden römischen Republik seiner Reichthümer in freier Muse. Er war ein Mann von Geist und Witz, der Scherz liebte und verstand. Da Cicero in gleichem Falle war, so knüpfte dieß eine freundschaftliche Vertraulichkeit zwischen beiden, von denen die 12 Briefe Cicero's an ihn die Beweise sind. Der hier gemeinte Brief ist in der gewöhnlichen Ausgabe ( ad Diversos) IX. 22. bei Schütz, Bd. 5. S. 337. Br. 658, worin Cicero den stoischen Satz ausführt, man müsse jedes Ding bei seinem wahren Namen nennen. Die Beachtung dieses Briefes in Beziehung auf Wieland selbst ist merkwürdig. Wie muthwillig er hier auch zuweilen ist, konnte er mit Cicero von sich sagen: Ego servo et servabo, sic enim assuevi, Platonis verecundiam. Itaque tectis verbis ea ad de scripsi, quae appertissimis agunt Stoici.),
Verirrt – wie leicht verirrt man sich!
Verirrt sein Mund auf ihren Busen.

»Wer einmal – lehrt uns Marcus Tullius Lehrt uns Marc. Tullius –Das ist Cicero. Die Stelle, welche Wieland hier anführt, und von der er etwas beißend sagt, sie stehe nicht in dem Buche von den Sitten (Pflichten), findet sich in einem Briefe an den Geschichtschreiber Luccejus ( ad Div. V. 19. ed. Schütz. Bd. 2. S. 85. Br. 108), welchen er um die Beschreibung der Thaten seines Consulats ersucht. Die Stelle lautet nach Wielands Uebersetzung so: Uebrigens weiß ich nur zu wohl, wie unverschämt ich bin, dir eine solche Last aufzubürden und sogar auf dein Lob Anspruch zu machen. Wie wenn du nun nicht finden könntest, daß so gar viel Ruhmwürdiges an der Sache sey. Aber, wer einmal über die Gränzen der Schamhaftigkeit gegangen ist, thut am besten, wenn er recht überschwenglich unverschämt ist. Ich trage also kein Bedenken, dich aufs ernstliche und inständigste zu bitten, daß du dich in Anpreisung dessen, was ich gethan, weder auf deine eigene Ueberzeugung noch auf die Pflichten des Geschichtsschreibers einschränken, noch der Versicherung dich erinnern wollest, die du in einer deiner Vorreden mit einer so artigen Wendung gibst: daß Gunst oder Gefälligkeit nicht mehr über dich vermocht hätten, als die Wollust über den Xenophontischen Hercules. (Cic. Br. v. Wieland 2. 228. fgg.),
Doch nicht im Buche von den Sitten –
Des Wohlstands Gränzen überschritten,
(Wofür man zwar sich möglichst hüten muß),
Dem rath' ich, statt aus Blödigkeit^
Auf halbem Wege stehn zu bleiben,
Vielmehr die Unbescheidenheit,
Soweit sie gehen kann, zu treiben.«

Dies Axioma Axioma – Ein Grundsatz, dessen Wahrheit nicht erst erwiesen zu werden braucht; ausgemachter Grundsatz. mag sehr oft, nach Ort und Zeit,
Ein Körnchen Salz in praxi nöthig haben;
Vermess'ne, unbescheidne Knaben,
Mit Bart und ohne Bart, gehn leicht hierin zu weit.
Doch Cephalus (man muß Eins wie das Andre sagen)
Befand sich wohl bei dem, was Marcus schrieb:
Er wagt's von Grad zu Grad, bis ihm vor lauter Wagen
Nichts mehr zu wagen übrig blieb.

Wenn seinem Ungestüm die Göttin endlich wich,
So that sie freilich nichts, als was sie längst beschlossen.
Doch keineswegs verhielt es sich
Mit Cephaln so. Ein Glück, das ihn den Göttern glich,
War ihm durch Zufall aufgestoßen;
Und diese Zauberei, die süße Trunkenheit,
Die sein Gehirn' auf ziemlich lange Zeit
Der Stimme seiner Pflicht verschlossen,
Wird gradweis' aufgelöst und endlich ganz zerstreut.

Ihm hatte, da sein Mund (wie schon gesagt) verirrte,
Die Phantasie den gleichen Streich gespielt,
Wodurch die Göttin ihn für ihren Tithon hielt:
Es stellt' im Feuer der Begierde
Die schöne Prokris ihm sich in Auroren dar.
»Wie ähnlich! Götter! ja, fürwahr!
Sie ist's, sie ist's! An Stirne, Brust und Haar
Kann in der Welt sich nichts vollkommner gleichen!
Wen muß dieß Lächeln nicht erweichen?
So lächelt Prokris nur! so schön
Sah er in ihren blauen Augen
Vor Uebermaß der Wonne Thränen stehn
Und war entzückt sie aufzusaugen!«

So dacht' er, und Auror', in diesem Stück mehr klug
Als zärtlich, sieht und nährt den nützlichen Betrug.
Nehmt noch dazu die zärtlichste der Farben,
Die dieser Göttin eigen ist,
Das süße Rosenroth, das ihren Leib umfließt,
Und einen Mund, der griechisch küßt,
Und Augen, die in Wollust starben:
So wird bei Leuten – die verzeihn,
Sein Selbstbetrug vielleicht verzeihlich seyn.

Doch, wie die stärksten Zauberein
Der Wahrheit endlich weichen müssen:
So däucht' auch ihm, nach wiederholten Küssen,
Die Aehnlichkeit nicht mehr so groß zu seyn.
Der Dunst zerfließt, der sein Gesicht geblendet,
Er staunt, er fühlt sich träg' und lau
Und zürnt sich selbst, daß er an eine fremde Frau
So viel Entzückungen verschwendet.
Vergebens sucht ihr feuervoller Blick
Die Flamme wieder anzufachen;
Ihm winkt umsonst ein neues Glück
In ihrem offnen Arm: die Scherze fliehn zurück,
Und Reu' und Ueberdruß erwachen.

Bald kommt es, wie man denken kann,
Zu Fragen und Erläuterungen;
Und Cephalus, von Scham und Schmerz bezwungen,
Fängt stotternd diese Beichte an:

Zu wahr ist's nur, o Göttin, mein Betragen
Beleidigt deinen Reiz und läßt mir weiter nichts,
Als tief beschämt mich selber anzuklagen.
Nicht halb so sehr verwirrt von deinen Klagen
Als meiner eignen Schuld, weiß ich, beim Gott des Lichts!
Nicht, was ich sagen soll. – Mein Herr, das thut hier nichts,
Fällt ihm Aurora ein: Ihr braucht Euch nicht zu plagen;
Der Eingang will, soviel ich merke, sagen,
Ihr liebt mich nicht und habt mich nie geliebt?

Ach, allzu wahr! (ruft Cephalus betrübt,
Indem Aurora, doch nur bloß mit halbem Munde
Bei seinem Ach ihm an die Nase lacht)
Ja, ich gesteh's, daß diese Morgenstunde
Mich doppelt ungetreu, mich doppelt strafbar macht.
Unwürdig, so beglückt zu werden,
Liebt' ich, o Göttin, dich – die, ohne Schmeichelei,
So sehr verdient, daß ihr ein Herz ganz eigen sey –
Dich liebt' ich – nie; und ihr, der Einzigen auf Erden,
Für die ich zärtlich bin, ihr ward ich ungetreu!

Das Compliment, versetzt die Dame,
Ist minder schmeichelhaft als neu:
Doch, wenn man bitten darf, der Name
Der Schönen, die so glücklich ist,
Daß solch ein Herz – sie so geschwind vergißt?

Der Schein, ich fühl's und sag's mit Schmerzen,
Ist wider mich, spricht Cephalus:
Und doch – verzeih, daß ich so deutlich reden muß,
Du hattest nichts als meinen Kuß,
Und Prokris war in meinem Herzen.
Wir waren schon vom Führband' an
Die unzertrennlichsten Gespielen
Und lieben uns, seitdem wir fühlen,
So zärtlich, als man lieben kann.
Als Kind schon kannt' ich keine Lust,
Als meiner Prokris liebzukosen,
Lag gerne mit ihr unter Rosen
Und spielte mit der jungen Brust.
Oft wurde sie in Sommerschatten
Am kühlen Bach von mir belauscht;
Wir wußten nicht warum und hatten
Schon unsre Herzen ausgetauscht.
So wurden wir bei Scherz und Küssen
Eins in des Andern Armen groß;
Und unwillkommne Pflichten rissen
Mich weinend jetzt aus ihrem Schooß.
Nun folgen kriegerische Spiele
Dem Gänsespiel, der blinden Kuh;
Es flieht vorm lärmenden Gewühle
Der Kindheit sorgenfreie Ruh'.
Allein das Bild der holden Schönen
Schwebt mir, wohin ich gehe, nach;
Ein banges wehmuthsvolles Sehnen
Ertränkt mein Aug' in stillen Thränen
Und hält in öder Nacht mich wach.
Jetzt däucht der Tag mich nicht mehr helle,
Die Luft nicht blau, der Frühling todt;
Nichts reizt mich mehr, kein Abendroth,
Kein Hain, kein Schlummer an der Quelle.
Allein, sobald ein Götterfest
Die Mädchen sichtbar werden läßt,
Und Prokris, weiß und frisch umkränzet,
Mit offner Brust und freiem Haar,
Die Schönste in der schönen Schaar,
Wie Hebe mir entgegen glänzet;
Dann ist mir – nein! der Götter Glück
Kann keinen höhern Grad erschwingen!
Mein offnes Aug' und starrer Blick
Scheint ihre Reize zu verschlingen.
Sie sieht im gleichen Augenblick
Nach mir sich um, und unsre Blicke
Begegnen sich: sie seufzt und zieht,
Da sie mein Auge schmachten sieht,
Verschämt die ihrigen zurücke;
Doch bald, von Amorn übermocht,
Der ihr im jungen Busen pocht,
Kann sie sich länger nicht erwehren,
Sich zärtlich nach mir hin zu kehren;
Sie fühlt –
                Unfehlbar! (fällt Aurora ein) sie fühlt –
Was alle jungen Mädchen fühlen.
Ich bitte dich, was soll die Elegie erzielen,
Womit du mich hier abgekühlt?
Man dächte, wenn man dich so reden hört, es hätte
Noch Niemand es wie ihr gemacht.
Fang lieber den Roman von hinten an; ich wette,
Er endet doch in – einer Hochzeitnacht.

Um kurz zu seyn, so sind es nun drei Jahre,
Fuhr Cephal schamroth fort, daß Hymen uns beglückt,
Und ich in Prokris Arm erfahre,
Daß Afterliebe nur von Sättigung erstickt.
Uns ist, ob jeder Tag der allererste wäre.
Man sagt sonst, der Genuß verzehre
Der stärksten Liebe Glut; bei uns ist's umgekehrt;
Die unsre wird dadurch genährt
Und wächst, dem Phönix gleich, aus ihrer eignen Asche.

Der junge Mann (fällt hier die Göttin wieder ein)
Hat, wahrlich! aus der Purpurflasche Purpurflasche – Wem es anstößig ist, daß Aurora die quatre flacons von Marmontel gelesen haben sollte, und gerade nicht die Laune hat, Anachronismen hier als eine komische Zuthat anzusehen, der kann sich ja denken, daß die Sache mit der Liebe, die aus der Purpurflasche kommt, ihre Richtigkeit, und daß Aurora viel früher davon gewußt habe, als Marmontel. Wenigstens muß Wieland sich Auroren als eine Göttin von viel Erfahrung gedacht haben. Da die Griechen von Allen, die in der Blüthe des Lebens starben, sagten, Aurora habe sie geraubt; so zog er daraus vielleicht schalkhaftere Folgerungen, als der Sentimentalität lieb ist, die meinige nicht ausgenommen.
Bescheid gethan! er liebt ja ungemein!
Wer hätte sich bei so gestalten Sachen
Des Glücks versehn, ihn ungetreu zu machen?

So widersinnig, als es klingt,
Versetzt' er mit gesenkten Blicken,
So wahr ist's doch: was mir ihr Bild vor Augen bringt,
Ein Zug von ihr, ein Blick, ein Augennicken,
Wie Prokris nickt, setzt flugs mich in Entzücken;
Und reizend, Göttin, wie du bist,
Konnt' Amorn diese Hinterlist
Nur gar zu leicht, zumal im Dunkeln glücken.
Allein bei kälterm Blut und hellem Sonnenschein
Soll Venus selbst nicht fähig seyn,
Noch einmal mich so sträflich zu berücken!

Die Göttin wendet lächelnd ein,
Was einst geschehen sey, das könne mehr geschehen.
Sie hofft umsonst! Er schwört ihr Stein und Bein,
Sie niemals mehr für Prokris anzusehen.

Und meinst du, fragt sie ihn, daß ihre Gegentreu
Der seltnen Großmuth würdig sey,
Ihr einer Göttin Gunst zum Opfer darzubringen?
Du kennst nun, dächt' ich, Amors Schlingen!
Frau Prokris hat ein zärtlich Herz;
Ein zärtlich Herz läßt sich bezwingen;
Und schirmt' es auch ein Thurm von Erz,
Wohin kann nicht ein goldner Regen Ein goldner Regen – In einen solchen verwandelt, erreichte Jupiter seinen Zweck bei Danae, die ihr Vater Akrisios in einen Thurm von Erz verschlossen hatte. Wer Wunder nicht liebt, erklärt vielleicht die Sache mit la Fontaine a. a. O. natürlich so:

Pour dernière machine à la fin notre
Proposa de l'argent; et la somme fut telle
Qu'on ne s'en mit point en courroux.
La quantité rend excusable.
Calliste enfin l'inexpugnable
Commença d'écouter raison.

Man kann dies als Einleitung zu dem gedrängtern Ausspruch betrachten, den Wieland bald darauf von ihm anführt.

dringen?

Seyd unbesorgt, erwiedert unser Held:
Ihr würde selbst vom Zeus vergebens nachgestellt.
Ich kenne sie; sie würd' in ihrem Leben
Auf einen andern Mann (und wär' es ein Adon)
Sich keinen Seitenblick vergeben.
Der Götterfürst regiert auf seinem Thron
Nicht ruhiger, als ich in ihrem Herzen.

Du bist ein Sohn des Glücks, versetzt Tithonia,
Und ferne sey's von mir, sie bei dir anzuschwärzen!
Allein erinnre dich, was kaum dir selbst geschah.
Gelegenheit, mein Freund, und Jugend
Sind immer ihrem Falle nah.
Wie oft geschah es schon, daß sich die strengste Tugend
Zu schwach zum Widerstande sah!
Zum Glück war eben kein Versucher da:
Allein man spielt nicht allezeit mit Glücke;
Und Unschuld, die nichts Böses denkt noch scheut,
Fällt öfters bloß aus Sicherheit
In Amors unsichtbare Stricke.

Aurora, die mit Kenntniß sprechen kann,
Spricht so beredt vom süßen Gift der Sünde
Und unsrer Fehlbarkeit, gibt ihm so viele Gründe
Und führt so manches Beispiel an,
Daß ihr die List gelingt. Der Mann fällt in Gedanken.
Er staunt mit unterstütztem Haupt'
Und staunt so lange, bis er Prokris fähig glaubt,
Wo nicht zu fallen, doch zu wanken.
Die Eifersucht, ein Uebel, das er nie
Bisher gekannt, verwirrt schon sein Gehirne;
Es schwindelt ihm, es schwanken ihm die Knie,
Er reibt sich die gerümpfte Stirne,
Und seine kranke Phantasie
Zeigt ihm bereits in einer dunkeln Grotte
Bei Lunens ungewissem Licht,
Was jeder kluge Mann dem Gotte
Von Delphi selbst nicht glaubt, das schrecklichste Gesicht!
Dieß schwindet zwar, doch seine Unruh nicht.
Es bleibt doch möglich, daß sie fehle.
Wie Manche fiel! Wird Prokris wohl allein
Vom Reiz verbotner Frucht nicht zu versuchen seyn?
Vielleicht – dieß foltert seine Seele:
Es koste, was es will, er muß beruhigt seyn!

Die Göttin spricht: In solchen Fällen
Pflegt man zu bess'rer Sicherheit
Oft gute Freunde anzustellen;
Doch Mancher hat es sehr bereut.
Nimm (fährt sie fort und zieht vom kleinen Finger
Ein Reifchen ab) nimm diesen Talisman!
Er macht dich fremd, unkenntlich, älter, jünger,
Zum reichsten oder schönsten Mann,
Zu was du willst; ein Wunsch, so ist's gethan!
Du kannst nun selbst die Probe machen.
Hält sie sich gut, so opfre ja dem Glück;
Wo nicht, so bleibt doch nichts an deiner Stirn zurück,
Und wenn du weinst, so wird doch Niemand lachen.

Mein Cephalus geht alles willig ein,
Bedankt sich, küßt die Hand, doch macht er wenig Worte
Und wünscht aus diesem Zauberorte
Nur schon daheim zu seyn.
Er eilt hinweg, sieht vor der goldnen Pforte
Ein rosenfarbnes Pferd gesattelt und gezäumt,
Steigt auf und trabt davon, als hätt' er viel versäumt.

Frau Prokris saß indeß, nach ihres Landes Sitten,
Wie beim Homer Kalypso, mitten
In einer hübschen Mädchenschaar,
Worin sie (nach Gebühr) als Frau die schönste war.
Die spinnt, die andre zwirnt, die wirkt, und jene sticken.
Die Dame selbst ist emsig dran,
So künstlich, als man sticken kann,
Minerven zum Geschenk' ein Schleiertuch zu sticken.
Homer erzählte gleich mit großer Wörterpracht
Was sie darauf gestickt, als: Sonne, Mond und Sterne,
Den Pol, der Götter Sitz und in der tiefsten Ferne
Den Erebus, ja gar die alte Nacht;
Das feste Land, ringsum verschlossen
Vom Vater Ocean, und Luft und Berg und Thal
Und eine schöne Flur, vom Sonnenschein umflossen,
Und einen Hain, wo Vögel ohne Zahl
Die liederreichen Kehlen stimmen,
Und Nymphen, die mit halb entblößtem Leib
In scherzendem Gewühl auf blauen Wellen schwimmen,
Und einen Hirtentanz und, wenn die Sterne glimmen,
Im dunkeln Busch der Faunen Zeitvertreib.
Dann wie im Herbst durch falbe Traubengärten
Der Weingott zieht, und mit zerstreutem Haar
Die Mänas, und mit taumelnden Geberden
Der Satyrn ungezähmte Schaar,
Die tanzend um den Wagen schweben,
Und wie sie den Silen, der fiel,
Laut lachend auf den Esel heben;
Und, halb versteckt im Laub der Reben,
Der Liebesgötter loses Spiel:
Dieß und wohl zwanzigmal so viel,
Was in der Stadt, im Tempel, auf den Gassen
Und auf dem Feld begegnen kann,
Das würde sie der gute alte Mann,
Der gar zu gerne malt, recht zierlich sticken lassen.
Doch, was ihm ziemt, steht Andern selten an.
Genug, Frau Prokris saß und stickte,
Als sich – ein Herr Amphibolis,
Dem stracks die Gunst der Kammernymphe glückte,
Bei Ihrer Gnaden melden ließ.

Ihr erster Einfall war, den Fremden abzuweisen;
Allein das Mädchen läßt nicht ab:
»Er ist ein feiner Mann und kommt ganz frisch von Reisen
Mit einem Auftrag her, den unser Herr ihm gab.«

Man läßt ihn also vor, hört seinen Auftrag an,
Dankt ihm, entschuldigt sich und läßt ihn wieder gehen.
Das Schlimmste war dabei, daß man
Ihn kaum ein einzigs Mal nur flüchtig angesehen.

So sehr er sich beim ersten Blick
Des Mädchens Gunst erwarb, so muß man doch gestehen,
Daß seine Mien' ihm dieses schnelle Glück
Vermuthlich nicht verschafft; denn Herr Amphibolis
War in der That bei weitem kein Narciß
Und auch der Jüngste nicht – ein Seemann, stark von Knochen,
Rasch wie sein Element, in Reden kurz und rund,
Plump von Manier und gar nicht ausgestochen,
Großnasig überdieß und größer noch von Mund.

Die Damen schütteln ihre Köpfe? –
Geduld, ich sag' es ja, schön war er nicht:
Allein, er hatte was, das in die Augen sticht;
Er hatte was, womit ein Carnevalsgesicht
Die Schönsten – schüttelt nur die Köpfe!
Die Schönsten unter euch dem Amor selbst entführt,
Was manchen Höcker deckt und ekelhafte Kröpfe
Mit Grazien und Liebesgöttern ziert;
Kurz, das, wodurch ein Gnom' oft zum Adonis wird,
Er hatte Gold, und was dazu gehöret,
Juwelen, Perlen, Diamant,
Smaragd, Rubin, so viel, als hätt' in seiner Hand
Sich, was er nur berührt, in Edelstein verkehret.

Mit solchen Waffen hielt mein Herr Amphibolis
Sich eines schnellen Siegs gewiß.
Er überströmt mit einem Perlenregen
Das ganze Haus und kauft sich jedes Herz;
Sie wallen ihm und seinem Gold entgegen,
Nur Prokris kann er nicht bewegen,
Nur Prokris bleibt, zu ihres Mädchens Schmerz,
Beim Glanze persischer Guineen
So kalt, als wie bei seinem plumpen Flehen.
Hans La Fontaine, nun sagt mir noch einmal,
Der Cassenschlüssel sey der Schlüssel zu den Herzen!
Meint ihr, es gelte nur, ohn' Ausnahm', ohne Wahl,
Das schöne Volk so häßlich anzuschwärzen?
Von Wäscher-Nymphen, gut, da geb' ich Alles zu;
Die sind in Rom und selbst in Kambalu Kambalu – Heißt ein Theil der chinesischen Residenzstadt Peking.
So feil als in Paris! – Auch geb' ich (ungern) zu,
Daß hier und da gelddürft'ge Spielerinnen
An Zahlungsstatt das Herz sich lassen abgewinnen;
Sogar, daß Manche, die von Berg und Thal sich schreibt,
Wenn alte Richards ihre Bitten
In blankem Gold ihr vor die Füße schütten,
Aus – Ekel zwar sich eine Weile sträubt,
Doch selten unerbittlich bleibt;
Auch das gesteh' ich ein. – Allein, so dreist zu singen,
Die Beste lasse sich zur Uebergabe zwingen:
Das nenn' ich Felonie Felonie – Verbrechen gegen die Lehenspflichten. Die Männer werden als Vasallen Amors und der Frauen gedacht.! das schmäht
Zugleich der Schönen Ruhm und Amors Majestät.
Das Beispiel kann statt tausend andrer dienen,
Das hier die schöne Prokris gab.
Der Seemann liest in ihren stolzen Mienen,
Daß einem Mann, wie er, hier keine Myrten grünen;
Und weil's nicht anders ist, so sucht er seinen Stab,
Packt seinen Kram von Perlen und Rubinen
Hübsch wieder ein und führt sich ab.

Er geht davon, in seinem Herzen
Vergnügter, als im trüben Blick:
Allein, von Freuden und von Scherzen
Umflattert, kommt er bald – als Seladon zurück.

Herr Schuhmann Herr Schuhmann – Eine ironische Aufforderung eines ehemaligen Hofmalers zu W**. W., malen Sie zu dieser Phyllis Füßen
Uns einen hübschen Knaben hin:
Ein rund Gesicht, wie einer Schäferin,
Hellbraunes Haar, ein glattes Kinn,
Ein schwarzes Aug' und einen Mund zum Küssen;
Schlank von Gestalt, geschmeidig, zierlich,
In allen Wendungen so reizend als natürlich,
Wie Zephyr leicht und schmeichelhaft und dreist
Wie ein Abbé – kurz, schön, als wie gegossen,
Und um und um von diesem Reiz umflossen,
Von diesem Glanz, von diesem Jugendgeist,
Den Winkelmann uns am Apollo preist.
Wie schön er ist! Man muß ihn gerne sehen!
Die Augen zu, ihr Mädchen, lauft davon!
Hier ist Gefahr! – Ihr lächelt und bleibt stehen?
Wohlan, so guckt – es ist mein Seladon.

Der Weise nur, wenn wir der Stoa Stoa – Die Philosophen von der stoischen Sekte; Stoiker. glauben,
Ist schön und voller Reiz; nur er ist groß und frei,
Hochedel, hochgelehrt, ein Krösus noch dabei
Und ein Monarch, so gut als Uzim-Oschantey Uzim Oschantey – Der König der schwarzen Inseln im Wintermährchen..
Doch bei den Stoikern in Hauben
Ist dieser Lehrsatz – Ketzerei.
Was jene uns von ihrem Weisen prahlen,
Das legen sie – dem Schönen bei.
Sey schön, ich meine schön zum Malen,
Ein Seladon und, auf mein Ehrenwort,
Sie schicken dir zu Lieb den Zoroaster fort!
Du machst beim ersten Blick die Herzen unterthänig,
Bist weise, tapfer, edel, ja (wie dort
Astolphens Zwerg beim Ariost) ein König,
Wo nicht der Könige, doch oft der Königinnen. –
Sie leugnen's zwar; allein das irrt mich wenig;
Was Herz und Mund verhehlt, läßt oft ihr Aug' entrinnen.

Mein Seladon gefällt aufs erstemal;
Beim zweiten pocht schon was im reizenden Oval,
Das, sittsam um und um verdecket,
Sich in gewebte Luft vor seinem Blick verstecket.
Beim dritten wird sie oft zerstreut,
Und Seufzerchen, wie Liebesgötter,
Entschlüpfen ihr, vielleicht aus Bangigkeit,
Denn (wie die Chronik sagt) war's um die Rosenzeit
Und diesen Tag sehr schwüles Wetter;
Am vierten wundert Prokris sich,
Daß sie nicht anfangs gleich bemerket,
Wie sehr er ihrem Manne glich;
Am fünften wird ihr Ohr noch mehr hierin bestärket,
Indem er seine Liebespein
Zu ihren Füßen klagt. Nichts kann so rührend tönen,
Und nichts dem Ton, worin einst Cephalus sein Sehnen
Ihr vorgegirrt, so ähnlich seyn!
Und kurz, nach sieben vollen Tagen
Kam – eine Nacht, und diese Nacht verging
Schon halb, als Seladon sich bebend unterfing,
Den ersten Kuß auf ihren Mund zu wagen.

Ah! welch ein Kuß, indem sie sich bemüht,
Ihm zu entfliehn, und doch ihm nicht entflieht!
Wie blinkt ihr Aug'! wie süße Seufzer regen,
Da sich zugleich vor holder Scham und Lust
Dieß Auge schließt, die halb enthüllte Brust
Und hauchen ihm den Geist der Lieb' entgegen!
Ihr Götter! – Seladon! Was kann
Solch eine Wonne – Wie, du fährst ergrimmt zurücke?
Wie glücklich, ruft er, wär' in diesem Augenblicke
Ein jeder Andrer – als dein Mann!

Kein Donnerkeil, der an der Gattin Seiten
Den besten Jüngling schnell zu Asche macht,
Sie leben läßt – sie, die nun jede Nacht,
Sonst nur gestört von seinen Zärtlichkeiten,
Mit seinem Schattenbild und ihrem Schmerz durchwacht;
Kein Wolkenbruch, der wild und ungehemmt
Ein sichres Thal schnell rauschend überschwemmt;
Kein Stoß, der Rhea's Riesenglieder Rhea's Riesenglieder – Rhea steht hier für Erde. schüttelt,
Kein Sturm, der Meer und Luft, Olymp und Acheron
Im Wirbel faßt und durch einander rüttelt,
Ist schrecklicher, als unser Seladon
Im Augenblick, da er verschwindet,
Und Prokris ihren Mann in ihrem Buhler findet.
Was, meint ihr, kann ein Weib von zärtlichem Gemüth,
Das unverhofft sich so gefangen sieht,
Was kann es thun, was kann es sagen?
Nichts sagte sie – schwoll gleich von Scham und Grimm
Ihr stolzes Herz, indem sein Ungestüm
Mit einer Fluth von ungerechten Klagen
Sie übergoß. Was helfen Gegenklagen?
So sehr sie auch durch eine Hinterlist,
Die Zärtlichkeit und Treu beleidigt,
Dazu berechtigt ist.
Ihr Frauen, die ihr euch ein wenig schuldig wißt,
Glaubt mir, daß Schweigen oft weit sicherer vertheidigt,
Als was der schönste Mund zu sagen fähig ist.
Die feine Lobred' anzuhören,
Die er ihr hält, das würde (wie ihr däucht)
Ihm wenig Trost, ihr wenig Lust gewähren.
Sie nimmt daher den kürzern Weg – sie weicht,
Schießt einen Blick, der alle Liebesgötter
Aus ihren schönen Augen scheucht,
So einen Blick, als ob ein Donnerwetter
Ihm in die Seele schlüg', auf Cephaln und – entfleucht.

Kaum ist sie fort und nirgends zu erfragen,
So wechselt Cephalus die Tonart seiner Klagen,
Und Alles wird nunmehr in anderm Licht gesehn.
Er sieht sein Weibchen nun nicht ungetreu, nur schön,
Nur liebenswerth; und unter jenen Bildern,
Die sein verlornes Glück ihm schildern
(Den Schatten mancher süßen Nacht,
Worin sie ihn den Göttern gleich gemacht),
Vergäß' er bald, daß diese holden Augen
Dem schönen Seladon gelacht
Und einen fremden Mund verwegen gnug gemacht,
Aus ihrem Mund Ambrosia zu saugen.

»Doch wie? zu rascher Cephalus!
Worin bestand denn ihr Verbrechen?
Zürnst du auf deinen eignen Kuß
Und willst an ihr und an dir selber rächen,
Was du als Seladon gethan?
Du sprichst, sie sah mich doch für einen Andern an.
Wie? ist dir denn die Macht der Sympathie verborgen?
Grausamer! frage jenen Morgen
Da dir (so leicht ihr Rosenhaar
Dir den Betrug verrieth) Aurora Prokris war!
Dort war's die Phantasie, was deinen Sinn verführte
Und eine fremde Frau mit Prokris Reizen zierte;
Hier war es mehr als Wahn und Aehnlichkeit,
Du selbst warst Seladon. Du suchtest sie zu trügen,
Nicht Prokris sich: ein großer Unterscheid!
Und doch gelang dir's nur – ihr Auge zu belügen,
Nicht ihre Zärtlichkeit:
Selbst unter den geborgten Zügen
Entdeckte dich ihr Herz; ihr Auge wandte sich
Von Seladon, ihr Arm umfaßte dich.
Betrogner Cephalus! was hat sie denn verbrochen?
Die Allgewalt der Sympathie
Zog sie in deinen Arm – und du bestraftest sie?
Doch, du entbehrst sie nun, und Prokris ist gerochen.«

So denkt er jetzt, wenn Einsamkeit und Nacht
Der Schönen Flucht ihm unerträglich macht.
Er zehrt sich ab mit Sehnsucht und Verlangen,
Sucht sie des Tags, soweit sein Fuß ihn trägt,
Und wenn er Nachts an einen Baum sich legt,
Glaubt er im Traume sie zu finden, zu umfangen
Und wüthet schier wie Roland, wenn, erwacht,
Der Morgen ihm den Irrthum sichtbar macht.

Man sagt, wer immer sucht, find't allezeit am Ende
Dieß oder das und oft noch mehr,
Als er gesucht. Indem er weit umher
Das Land durchstreicht, läuft ihm von ungefähr
Die schönste Dryas in die Hände.
Es wallt ihr langes Haar, so schwarz wie Vogelbeer,
Um Schultern, die den Schnee beschämen,
Und was ihr Kleid, gebläht vom losen West'
Und bis ans Knie geschürzt, dem Jüngling sehen läßt,
Ist fähig, Herzen von Asbest
Die Unverbrennlichkeit zu nehmen.
Selbst Cephalus, den seit der Prokris Flucht
Nichts mehr gerührt, fühlt dießmal sich versucht;
Die Sympathie spielt ihre Spiele wieder:
Doch wehrt er sich, glitscht, so geschwind er kann,
Vom Hals zum Knie, vom Knie zur Ferse nieder,
Schnappt erst nach Luft und redet dann
Mit halb geschloss'nem Aug die Schöne stotternd an:

Du, wo nicht Artemis, doch ihrer Nymphen eine
(Denn so verkündigt dich die göttliche Gestalt),
O, zeige mir den Aufenthalt
Der besten Frau, um deren Flucht ich weine!
Vielleicht, daß sie in irgend einem Haine
Zu deinen Schwestern sich gesellt!
O nenne mir, bei dem, was in der Welt
Dein Liebstes ist! den Ort, der sie mir vorenthält;
So soll, von Marmor aufgestellt,
Dein schönes Bild, mit Blumenkränzen
Alltäglich frisch bekränzt, in meinem Garten glänzen!

So sagt er, wirft sich vor ihr hin
Und will ihr weißes Knie umfassen;
Allein die schöne Jägerin,
Zu sittsam, es geschehn zu lassen,
Entschlüpft ihm lächelnd aus der Hand,
Winkt ihn zurück und spricht: Mein jungfräulicher Stand
Erlaubt mir nicht, die Ehre anzunehmen,
Die mir dein Eifer zugedacht.
Doch höre auf, um Prokris dich zu grämen!
Ich bin erfreut, daß mich der Zufall fähig macht,
Dir einen Dienst zu thun. Zwar sollt' ich Anstand nehmen.
Sie steht in unserm Schutz. Sie hat auf Lebenszeit
Der keuschen Göttin sich geweiht
Und schwor, auf ewig dich zu meiden.
Das mag sie auch! Genug, mich rührt dein Leiden:
Ihr Andern habt, ich weiß nicht was, das euch
Gefährlich macht, ich will es nur gestehen;
Mir schmilzt das Herz von euren Thränen gleich;
Kurz, folge mir, du sollst sie sehen.

Mein Cephalus fällt ganz entzückt
Zum andern Mal zu ihren Füßen,
Vergißt aus Dankbarkeit schon wieder, was sich schickt,
Und drückt ihr Knie mit feuervollen Küssen.
Doch schnell besinnt er sich – der Thor!
Indem die reizende Rosette
(So hieß man sie im Nymphenchor)
Es selbst beinah vergessen hätte.
Er bebt, zieht Mund und Arm zurück
Und sucht beschämt in ihrem Blick
Den Zorn, den er – vielleicht dadurch verdiente,
Daß er zu viel und auch zu wenig sich erkühnte.

Du zauderst? ruft ihm, da er zittert
Und unentschlossen scheint, halb lächelnd, halb erbittert,
Rosette zu: steh' auf und folge mir;
Die Schöne, die du suchst, ist nicht sehr weit von hier.

Er dankt und folgt durch tausend krumme Pfade
Der schalkhaft lächelnden Dryade.
Ihm klopft sein Herz zugleich vor Angst und Lust.
Wie freut er sich, an seine treue Brust
Das lang entbehrte Weib zu drücken!
Wie schmiegt er sich vor ihren strengen Blicken
Im Geiste schon! Mit welcher Zärtlichkeit
Will er auf seinen Knien sie um Vergebung flehen!
Er schwört ihr zu, nicht eher aufzustehen,
Bis der Begnadigung, womit sie ihn beglückt,
Ihr süßer Mund das Siegel aufgedrückt.

Mit diesen zärtlichen Gedanken
Langt Cephalus und seine Führerin
An einer Grotte an, um die des Weinstocks Ranken,
Waldlilien und düftender Jasmin
Ein leicht gewebtes Gitter ziehn.
Hier schleiche (lispelt ihm Rosette)
Dich still hinein: du findest sie, ich wette,
Vom Bad erfrischt auf ihrem Ruhebette,
In einem Augenblick vielleicht,
Worin sie selbst dich hergewünschet hätte,
Und wo man insgemein uns mit Erfolg beschleicht.

Mein Held gehorcht und findet (wie Rosette
Ihm vorgesagt) Frau Prokris auf dem Bette
In süßem Schlaf. – Doch Götter! welch Gesicht!
Hat ihn das Angesicht der gräßlichen Medusen
Versteinernd angeblitzt? Wie? er bewegt sich nicht?
Er steht erstarrt! Was zeigt ihm denn das Licht,
Das hier die Nacht zu holder Dämmrung bricht?
Was siehst du, Cephalus? – O schreckliches Gesicht!
Ein Jüngling – ruht an ihrem Busen.
Wie wohl ein solcher Anblick thut,
Will ich die Männer rathen lassen.
Nicht jeder weiß, wie Dandin Dandin – Der arme George Dandin in Molière's Lustspiel dieses Namens, belauscht das Abenteuer seiner Frau sehr aufmerksam. Je veux, sagt er ihr, qu'on soit détrompé de vous, et que votre confusion éclate; leistet ihr aber nachher Abbitte. sich zu fassen.
Der arme Mann! ihm stockt sein Blut,
Ihm starrt das Haar; er will die Arme regen,
Will schrein und kann vor Schrecken und vor Wuth
Die Arme nicht, die Zunge nicht bewegen.
In dieser Noth thut ihm sein Aug' allein,
Wiewohl zu desto größrer Pein,
Den letzten Dienst. Er starrt mit Schrecken
Den Jüngling an und glaubt – o Zufall! o Natur!
Ein andres Selbst, doch ein geborgtes nur,
In diesem Jüngling zu entdecken.

Er irrte nicht: es war derselbe Seladon,
Von dem er jüngst Gestalt und Reize borgte;
Der schönste Hirt, schön wie Endymion,
Der, da mein Cephalus nichts weniger besorgte,
Frau Prokris (die er sich seit ihrem Nymphenstand
Zur Herzenskönigin erkoren)
Zu seinem Sieg schon vorbereitet fand.
Betrogner! durch dich selbst, durch dich gehst du verloren!
»Verwünschte Eifersucht! verfluchter Talisman!
Was für ein Dämon trieb dich an,
In Seladons Gestalt durch tausend Zärtlichkeiten
Dein ehrlich Weib zur Untreu zu verleiten?
Wer zweifelt wohl, du albernes Gesicht,
Daß Glas und Unschuld leicht zerbricht?
Bei beiden braucht es keine Proben.
Sie werden nur, weil sie zerbrechlich sind,
Mit größrer Sorgfalt aufgehoben.
Frau Prokris war ein gutes Kind,
Die Unschuld selbst, und wär' es auch geblieben:
Du, du verriethest sie dem wahren Seladon;
Du lehrtest sie in Andern dich zu lieben!
Sie lernte gut, du siehst die Frucht davon!«

So flüstert jetzt das strafende Gewissen
Dem Selbstbetrognen zu: doch (wie es immer geht)
Kommt nach der That die Reu' auch hier zu spät.
Was soll er thun? Sie ruhn von ihren Küssen
So reizend aus! Es wäre Grausamkeit,
Den süßen Schlaf der Glücklichen zu stören.
Soll er die Billigkeit, soll er die Rache hören?
Es kostet Müh' und innerlichen Streit;
Doch siegt zuletzt die Zärtlichkeit
Und schmelzt den Grimm in wehmuthsvolle Zähren.
Fast athemlos wirft er den letzten Blick
Auf das geliebte Weib und sein verlornes Glück;
Sieht sie – ihr Götter! welch ein Blick!
In fremdem Arm so sanft, so lieblich schlafen;
Sieht's, ächzet laut und flieht zurück,
Sein Unglück – an sich selbst zu strafen.

Nicht ferne von dem Ort, aus dem er wüthend lief,
Verbreitet sich, umkränzt mit Myrtenhecken,
Ein kleiner See, hell wie Krystall, nicht tief,
Doch tief genug, die Nymphen zu verstecken,
Die oft, bei lauer Abendluft,
Die Dämmerung zu jungfräulichen Scherzen
Und wenn sie sicher sind, zum frischen Bade ruft.
Hier sucht mein Cephalus das Ende seiner Schmerzen
In einem feuchten Tod. Verzweifelnd, ohne Sinn,
Sieht er zum letztenmal noch auf die Grotte hin,
Drückt dann die Augen zu und stürzt sich in die Wellen.

Wie wunderbar in seinen Fällen
Das Schicksal ist! Der Kampf des Tages und der Nacht
War noch nicht lang, als dieß geschah, geendet.
Aurora, die bereits den frühen Lauf vollbracht,
Erblickt, da sie den Wagen wendet,
Den kleinen See und findet ihn bequem.
Sie denkt, hier wär' ein Bad ganz angenehm,
Steigt ab, entladet sich von Schleier, Rock und Mieder
Und überläßt die Rosenglieder
Der buhlerischen Flut. – Das dachtest du wohl nicht,
Du guter Cephalus, daß deiner ird'schen Bürde
Aurora selbst die letzte Liebespflicht –
In ihrem Arm – erstatten würde?

Sein Fall erschreckt ihr lauschend Ohr;
Sie schwingt sich aus der Flut empor,
Sieht und erkennt, indem sie siehet,
Den alten Freund, der schon den letzten Athem ziehet.
Die dringende Gefahr macht, daß sie jetzt vergißt,
Wie wenig er verdient, daß sie so gütig ist.
Sie schwimmt hinzu, trägt ihn mit eignen Armen
In eine Grotte hin, wo ihm das weiche Moos
Zum Bette wird, setzt ihn auf ihren Schooß
Und läßt sein kaltes Herz an ihrer Brust erwarmen.

Das Mittel hilft. Sie fühlet bald,
Daß etwas noch in seinen Adern wallt,
Sieht seine Wangen sich mit neuen Rosen färben
Und küßt ihn bald in's Leben ganz zurück.
Zum Malen wäre das ein hübscher Augenblick;
Hier könnt' ein Boucher Boucher – Boucher, erster Maler des Königs und Director der Malerakademie zu Paris (geb. 1704, gest. 1770), den man damals den Maler der Grazien nannte, war es vornehmlich, der die Periode herbeiführte, worin die Maler ihr Heil in Darstellung des Wollüstigen suchten. Er arbeitete lediglich auf reizenden Effect hin. – Ob ihn Wieland aus dem angeführten Grunde statt Vanloo, den die erste Ausgabe hat, hier nannte, oder ob er nur einen damals bekannteren Namen setzen wollte, weiß ich nicht; jedoch ist das Erstere nicht unwahrscheinlich. Ruhm erwerben!
Er öffnet halb den neu belebten Blick,
Erkennt Auroren, sinkt an ihre Brust zurück,
Nicht vor Verzweiflung mehr, vor Dankbarkeit zu sterben.


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