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Das Urtheil des Paris.

Eine scherzhafte Erzählung nach Lucian.

1764.

 

 

                    Aus dreien Reizenden die Schönste auszuwählen,
Fand Aristipp, ein weiser Mann, nicht leicht.
Er guckte lang', und, sich an keiner zu verfehlen,
Erwählt' er alle drei; unweislich, wie mich däucht.
Der Mann verstand sich nicht auf Weiberseelen;
Sein Grund hält wenigstens nicht Stich.
Ein Kenner, Ihr, Herr Leser, oder ich,
Wir hätten uns um eine doch von dreien
Durch unsre Wahl verdient gemacht,
Anstatt, wie er, mit allen dreien
Uns ohne Vortheil zu entzweien.

Just so wie wir hat Paris einst gedacht,
Als ihm, den goldnen Preis der Schönsten zuzusprechen,
Ein Götterwink zur Pflicht gemacht.
Anstatt den Kopf sich lange zu zerbrechen,
Erklärt' er sich, um eine hübsche Nacht,
Für die gefällige Cythere.
Freund Lucian, der Spötter, sagt uns zwar
Von diesem Umstand nichts; doch, wär' er auch nicht wahr,
So macht' er doch dem Witz des Richters Ehre.

Wer kennt ihn nicht, den Spötter Lucian?
Wer bei ihm gähnt, der schnarchte wohl am Busen
Cytherens beim Gesang der Musen.
Daß Niemand feiner scherzen kann,
Daß er ein schöner Geist, ein Kenner,
Ein Weltmann war, gesteht ihm Jeder ein;
Doch wünschen Tillemont Tillemont Sebastian le Nein de Tillemont, geb. zu Paris 1637 und gest. das. 1698, hat durch seine Denkwürdigkeiten zur Kirchengeschichte der ersten sechs Jahrhunderte Zum gründlicheren Studium dieser Geschichte viel beigetragen. Ueber Lucian mußte der französische Geistliche jener Zeit wohl anders urtheilen, als Wieland. und andre wackre Männer
Mit gutem Fug, er möchte frömmer seyn.
Was uns betrifft, die gern sokratisch lachen,
Uns dient er oft zum wahren Aeskulap Aesculap Gott der Heilkunde, statt des vorzüglichsten Arztes genannt.;
Er treibt die Blähungen der Seele sanft uns ab
Und weiß die Kunst, mit Lächeln oder Lachen
Und klüger oft, vergnügter stets zu machen:
Und das ist mehr, gesteht's, als mancher große Mann
In Folio und Quarto leisten kann.
Um euch aus ihm für dieß Mal zu erbauen,
Erzähl' ich euch den Streit der schönen Götterfrauen.

Sie flammte noch, von Eris Eris Göttin der Zwietracht. Diese, erzürnt, daß man sie nicht auch mit den übrigen Göttern zur Hochzeit des Peleus mit Thetis eingeladen hatte, nahm dadurch Rache, daß sie einen goldenen Apfel auf die Tafel warf mit der Aufschrift: Der Schönsten. Daraus entspann sich der Streit zwischen Juno, Minerva und Venus, dessen Schlichtung hier dargestellt wird. Die Art, wie er geschlichtet wurde, veranlaßte den trojanischen Krieg gegen Priamus, König von Troja, des Paris Vater, in welchem Achilles von Seiten der Griechen und Hektor von Seiten der Trojaner als die Haupthelden auftraten. Menelas (Menelaos) als Gemahl der entführten Helena war am meisten dabei interessirt. angeschürt,
Die Fehde, ohne die Fürst Priam unbezwungen,
Achillens Zorn und Hektor unbesungen,
Herr Menelas am Vorhaupt ungeziert,
Und seine schöne Frau, zu ihrer größern Ehre,
Uns unbekannt geblieben wäre;
Der Zank, der Götter selbst in Hochzeitfreuden stört,
Und wahrlich nicht um Kleinigkeiten;
Nicht, was die Linien im Buch Ye-kin Ye-kin (Yeking). Das Buch von den Verwandlungen, eins der ältesten und heiligsten bei den Chinesen, entstand aus den sogenannten acht Kua des Fohi, welche aus dreifacher Zusammensetzung der ganzen und gebrochnen Linie bestehen. Diese Zusammensetzungen sind eben so viele Sinnbilder, welche durch die Verschiedenheit der Linien, die Lage derselben, und mittelst herausgefundener Vergleichungen des physischen, geistigen und sittlichen, nicht nur die Wirksamkeit der Natur in ihren Hervorbringungen und Zerstörungen, sondern auch die verschiedenen Zustände des menschlichen Lebens, die Tugenden und Laster, und alle glückliche oder unglückliche Bestimmungen des Schicksals zugleich vorstellen sollen. Das Ganze ist orakelmäßig und räthselhaft, und kann zwar sinnreiche Dichtungen veranlassen, unmöglich aber dienen, die Räthsel der Philosophie zu lösen. Der auf sinnreiche Spielerei gelenkte Geist der Chinesen zeigte sich also schon hier. bedeuten?
Ob Dudeldum, ob Dudeldei
Der Musen größrer Günstling sey?
Ob Käuzchen oder Eule besser singe?
Nicht, ob das erste Huhn am Anfang aller Dinge
Vor oder nach dem ersten Ei
Gewesen, noch wie hoch ein Floh im Dunkeln springe Das erste Ei – – ein Floh im Dunkeln springe Man sieht, daß die Laune, in der sich Wieland hier befindet, nicht allein von Lucian, sondern auch von dem noch größeren Spötter Aristophanes angeregt war, aus welchem die hier aufgeworfenen Fragen Erinnerungen sind.?
Nicht, wie Saturn zu seinem Ringe,
Noch wie der Mann im Mond zum Mond gekommen sey?
Göttinnen machten auch um nichts so viel Geschrei
Wie Philosophen und wie Kinder!
Der Streit betraf nicht mehr noch minder
Als wer die Schönste sey?

Um diesen Preis kann man zu viel nicht wagen.
Die Damen schreien nicht allein.
Das Nymphenvolk aus Flüssen, Meer und Hain
Hat auch zur Sache was zu sagen;
Die Zofen kriegten sich bereits beim goldnen Haar,
Und kurz, es war nicht weit vom Schlagen,
Als Vater Zeus, dem hier nicht wohl zu Muthe war,
Weil Alle stürmend in ihn dringen,
Ihm seinen Ausspruch abzuzwingen,
Sich glücklich einer List besann.

Er spricht: Man weiß, daß ich, als dieser Göttin Mann
Und jener zwei Papa, nicht gültig sprechen kann;
Denn (was auch unsre Priester sagen)
Parteilichkeit steht Göttern übel an.
Zum Richter weiß ich euch nur Einen vorzuschlagen,
Der tauglich ist: er ist aus Ilion Ilion Troja.,
Ein junger Hirt, wiewohl ein Königssohn;
Schön wie der Tag, geübt in solchen Fragen,
Ein Dilettante und zugleich
Ein Kenner, kurz ein Mensch von ungemeinen Gaben.
Der, Kinderchen, der ist der Mann für euch!
Ihr könnet wider ihn nichts einzuwenden haben.
Doch redet frei, denn mir gilt Alles gleich.

Meinthalben (spricht mit hohem Selbstvertrauen
Saturnia) mag Momus Richter seyn!

Und ich, fällt Cytheria ein,
Ich rühme mich zwar nicht so hoher Augenbrauen,
Doch lass' ich mir vor keiner Prüfung grauen:
Ist Paris nur nicht blind, so hat's wohl keine Noth.

Minerva schweigt und läßt ihr Köpfchen schmollend hangen.
Und du, spricht Zeus, indem er in die Wangen
Die Tochter freundlich kneipt, du schweigest und wirst roth?
Doch, Jungfern machens so, wenn von dergleichen Sachen
Die Rede ist: ihr Schweigen gilt für Ja.
Wohlan, Merkur steht schon gestiefelt da;
Ihr könnt euch auf die Reise machen.
Vergeßt die Hüte nicht; der Tag ist ziemlich heiß,
Und, wie ihr wißt, macht Sonnenschein nicht weiß.

Das Reiseprotokoll, und was sie auf den Straßen
Gesehn, gehört, geschwatzt, das will ich euch erlassen.
Man hebt den einen Fuß, man setzt den andern hin
Und kommt, wie Sancho sagt, dabei doch immer weiter;
Auch kürzt den Weg der aufgeweckte Sinn
Von ihrem schwebenden Begleiter.
Der ganze Chor der Götter wird
Von Glied zu Glied anatomirt;
Man steigt herab zu Faunen und Najaden;
Selbst von den Grazien, die im Kocyt Die Grazien am Kocyt Die Furien. sich baden;
Wird viel erzählt, vielleicht auch viel erdacht,
Das ihnen nicht die größte Ehre macht;
Nur der Erweisungslast will Niemand sich beladen.

Inzwischen langt die schöne Karavan
Bei guter Zeit am Fuß des Ida Ida Berg im trojanischen Gebiet. Die Anspielungen, welche hier gegen Venus gemacht werden, erläutert am besten der homerische Hymnus auf diese Göttin. an.
Man weiß, daß Götter nicht wie Deputirte reisen.
Der Berg war hoch, mit Busch und Holz bedeckt,
Und im Gesträuch der krumme Pfad versteckt.
Hier könnte Venus uns den Weg am besten weisen,
Fängt Juno an: des Orts Gelegenheit
Muß ihr noch aus Anchisens Zeit
In frischem Angedenken liegen.
Es hieß (vielleicht aus bloßem Neid),
Sie sey auf Ida oft zu ihm herabgestiegen
Und hab' ihm da, nach Nymphenart geschürzt,
Als Jägerin die Zeit verkürzt.

Dein Spott, versetzt Idalia mit Lachen,
Kann, glaube mir, mich niemals böse machen:
Man weiß doch wohl die Damen (fällt Mercur
Sehr weislich ein) geruhen sämmtlich nur
Mir nachzugehn; das ganze Phrygerland
Und Ida sonderlich ist mir genau bekannt.
Ich ward, eh Ganymed ein Amt im Himmel fand,
Von Jupiter sehr oft hierher gesandt,
Daß ich den Weg im Dunkeln finden wollte.
Ich geh voraus Schon öffnet sich der Hain:
Soviel ich hier die Gegend kenne, sollte
Der Richter nicht mehr weit Seht ihr auf jenem Stein,
Dort, wo die Ziege grast, den schönen Hirten sitzen?
Unfehlbar wird es Paris seyn
Er ist's, beim Styx Beim Styx Dem Flusse der Unterwelt, schworen die Götter, und dieser Schwur war der unverbrüchlichste.! Der wird die Ohren spitzen,
Wenn er erfährt, was unsre Absicht ist!
Ich red' ihn an Sey mir gegrüßt,
Du junger Hirt! »Ihr auch, mein hübscher Herr!
Was führet euch in diese wilden Höhen?
Und jene Mädchen dort, die bei der Eiche stehen?
Wer sind sie? Schön, beim Jupiter!
So schöne hab' ich nie gesehen.
Die schwitzten wohl nicht oft im Sonnenschein!
Sie übertreffen ja die Schwanen selbst an Weiße!
Es müssen ja, so wahr ich Paris heiße!
Es müssen Feen seyn!«

Nah zu, mein Freund! Du kannst dich glücklich preisen,
Der ganze Himmel hat nichts Schöners aufzuweisen.
Göttinnen sind's »Göttinnen? nun, beim Pan!
Das dacht' ich gleich, ich sah es ihnen an;
Doch sind's die ersten, die ich sehe.«

Versichre dich's, wir kommen aus der Höhe;
Du siehst Gesichter hier, wie man's dort oben trägt:
Sie haben nur die Strahlen abgelegt,
Die, wie du weißt, sonst Götterköpfe schmücken
(Denn diese könntest du nicht ungestraft erblicken),
So thun sie nichts. Gib nur auf Alles Acht!
Die große hier, die über Alle raget,
Hat Jupiter vorlängst zu seiner Frau gemacht.
Doch siehst du selbst, der Morgen, wenn es taget,
Ist kaum so frisch; das macht der Götterstand!
Die vollste Rose prangt nicht prächtiger am Stocke.
Die andre dort, im krieg'rischen Gewand
Mit Helm und Speer, wird Pallas zubenannt.
Und diese da, im leichten Unterrocke,
Mit offner Brust, die unterm Spitzenrand
Des kleinen Huts hervor so schalkhaft nach uns schielet,
Ist (wenn dein Herz sie nicht bereits gefühlet)
Dem Namen nach als Venus dir bekannt.
Was zitterst du? Sey ohne Grauen!
Göttinnen, glaub' es dem Mercur,
Sind eine gute Art von Frauen;
Ihr hoher Stolz sitzt in der Miene nur.
Du kennst sie nun: betrachte sie genau;
Denn Zeus verlangt, nach vorgenommner Schau,
Den Ausspruch, welche dir die Schönste däucht, von dir.
Der Preis des Wettstreits ist der goldne Apfel hier.
Die Aufschrift sagt: Die Schönste soll mich haben.
Nun steht's bei dir, die Schönste zu begaben.

Der junge Hirt zückt, da er dieses hört,
Die Achseln und versetzt: Herr Hermes, wie ich höre,
Erweiset Jupiter mir allzu viele Ehre.
Ich bin, beim Pan! nicht so gelehrt,
Zum wenigsten nicht, daß ich's wüßte;
Auch seh' ich nicht, woher mir's kommen müßte:
Ich bin ein Hirt, der nichts gesehen hat
Als Küh' und Schafe, Fichten, Eichen
Und Mädchen, die nicht diesen gleichen.
Dergleichen Fragen sind für Leute in der Stadt.
Fragt mich ob diese junge Ziege,
Ob jene schöner sey, das weiß ich auf ein Haar.
Von euren Mädchen hier thut jede mir Genüge.
Sie sind ja alle schön und schlank und glatt;
Die Schönste, denk' ich, ist, die man gerade hat:
Und also, weil mir alle drei gefallen,
So geb' ich euern Apfel allen.

Das geht nicht an, versetzt ihm Majens Sohn:
Du kommst hier nicht so leicht davon!
Zeus will, du sollst als Richter sprechen;
Und, was er will, ist ein Gesetz,
Das ungestraft wir Götter selbst nicht brechen.

Nun, rief Saturnia, wenn endet das Geschwätz?
Die Herren wissen schlecht zu leben;
Man läßt uns stehn und schwatzt! Wohlan, versetzt der Hirt,
Zeus will; ich muß mich schon ergeben;
Man sagt uns, daß durch Widerstreben
Nicht viel an ihm gewonnen wird.
Doch müßt ihr mir die Hand drauf geben,
Daß, weil doch Eine nur die Schönste heißen kann,
Der Andern keine mich deßhalb befeinden wolle;
Sonst dank' ich für die Richterrolle;
Mich ficht der Ehrgeiz gar nicht an.

»Wir schwören dir's beim Styx!« Wohlan!
So tretet her und stellt euch an einander.
Den Kopf zurück! So! so! Beim großen Pan!
Die Schönste, die ich jemals im Skamander Skamander Fluß im trojanischen Gebiet.
In Sommernächten baden sah,
War gegen diese da ein Affe!
Doch, lieber Herr Mercur, ich bitte, macht mich klug;
Mir fällt, indem ich sitz' und gaffe,
Ein Zweifel ein. Ist's denn auch schon genug,
Sie so gekleidet zu betrachten?
Mich däucht, wenn sie sich leichter machten,
Dieß sicherte mein Urtheil vor Betrug.

»Das steht bei dir: man kann dem Richter nichts verwehren,
Was dienen kann, sein Urtheil aufzuklären.«

Nun wohl, fährt Paris fort und schneid't ein Amtsgesicht;
So sprech' ich denn, wozu mich Amt und Pflicht
Ohn' Ansehn der Person verbindet:
Weil, wie bekannt, sich zwischen Hals und Fuß
Verschiednes eingehüllt befindet,
Das in Betrachtung kommen muß,
Und das Apollo selbst durch Rathen nicht ergründet,
So zeigt euch alle drei in Naturalibus!

Wie, meinst du, würden unsre Weiber
Zu einem solchen Antrag schrein?
Der Aufruhr wär' unfehlbar allgemein.
Das gingen sie in Ewigkeit nicht ein!
Sie sollten ihre heil'gen Leiber
Vor Männeraugen so entweihn?
Sich kritisch untersuchen lassen,
Ob nichts zu groß, ob nichts zu klein,
Zu lang, zu kurz? ob alle Theile fein
Symmetrisch an einander passen,
Durch ihre Nachbarschaft einander Reize leihn,
Schön an sich selbst, im Ganzen schöner seyn?
Auch ob ihr Fell durchaus so rein
Und glatt und weiß, wie ihre Hände?
Kein schwarzer Fleck, kein stechend Bein
Den weichen Alabaster schände;
Und kurz, im ganzen Werk, von Anfang bis zu Ende,
Der Kunst gemäß, auch Alles edel, frei,
Untadelig und rund und lieblich sey?
Das thäten sie (ich rede nicht von allen)
Dem Amor selbst nicht zu Gefallen.
Gut! Aber mehr Entschlossenheit
Fand Paris bei den Götterfrauen.
Sie zeigten ihm ein edles Selbstvertrauen
Und keine Spur von Furchtsamkeit.
Nur Pallas schlägt die Augen züchtig nieder,
Wie Jungfern ziemt; sie sträubt sich lange noch,
Da Juno schon gehorcht, und hofft, man lass' ihr doch
Zum wenigsten ein Röckchen und ihr Mieder.

»Ein Röckchen? Ei, das wäre fein!
Des Richters Ernst geht keine Clauseln ein.
Nur hurtig! zieht euch ab! Was seyn soll, muß geschehen!
Ruft Hermes. Mich darf keine scheun;
Ich werd' indeß bei Seite gehen.«

Kaum ist er weg, so steht schon Cypria,
Voll Zuversicht, in diesem Streit zu siegen,
In jenem schönen Aufzug da,
Worin sie sich (das lächelnde Vergnügen
Der lüsternen Natur) dem leichten Schaum' entwand,
Sich selbst zum ersten Mal voll süßen Wunders fand
Und, im Triumph' auf einem Muschelwagen
An Paphos reizendes Gestad
Von frohen Zephyrn hingetragen,
Im ersten Jugendglanz die neue Welt betrat:
So steht sie da, halb abgewandt
(Wie zu Florenz Wie zu Florenz Der Dichter beschreibt die Attitüde der berühmten mediceischen Venus. Diese Statue, welche ehemals in der Villa Medici zu Rom stand, kam 1677 nach Florenz, wohin sie 1814 aus Paris wieder gebracht ist.), und deckt mit einer Hand,
Erröthend, in sich selbst geschmieget,
Die holde Brust, die kaum zu decken ist,
Und mit der andern was ihr wißt.
Die Zauberin! Wie ungezwungen lüget
Ihr schamhaft Aug'! und wie behutsam wird
Dafür gesorgt, daß Paris nichts verliert!

Auch Junons Majestät bequemt sich allgemach
Zu dem, was, ohne solche Gründe,
Sie ihrem Manne, selbst im ehlichen Gemach,
Noch nie gestattet hat, noch jemals zugestünde.
Gewandlos steht sie da. Nur Pallas will sich nicht
Von ihrem Unterrocke scheiden,
Bis Paris ihr zuletzt verspricht,
Wenn sie noch länger säumt, sie selber auszukleiden.

Nun ist's geschehn! – »O Zeus, ruft er entzückt,
O, laß mich ewig hier wie eine Säule stehen
Und, lauter Auge, nichts als diesen Anblick sehen!
Mehr wünsch' ich nicht.« Kaum ist der Wunsch geschehen,
So schließet sich, von so viel Glanz gedrückt,
Sein Auge zu, und, fast erstickt
Vom Uebermaß der Lust, schnappt er mit offnem Munde
Nach kühler Luft. Doch wird er unvermerkt
Durch jeden neuen Blick zum folgenden gestärkt;
Er schaut und schaut fast eine Viertelstunde
Und wird's nicht satt. »Was fang' ich nun, o Pan!
(Ruft er zuletzt) mit diesem Apfel an?
Wem geb' ich ihn? Bei meinem Amtsgewissen!
Ich kann, je mehr ich schau, je minder mich entschließen.
Der wollusttrunkne Blick verirrt,
Geblendet, taumelnd und verwirrt,
In einer See von Reiz und Wonne.
Die Große dort glänzt wie die helle Sonne;
Vom Haupt zum Fuß dem schärfsten Blick
Untadelig und ganz aus einem Stück;
Zu königlich, um einen schlechtern Mann,
Als den, der donnern kann,
An diese hohe Brust zu drücken!
Der Jungfer hier ist auch nichts vorzurücken.
Beim Amor, hätte sie mir nicht
So was wie nenn' ich's gleich? was Trotzigs im Gesicht',
Ich könnte wohl ins Los, ihr Mann zu seyn, mich schicken.
Doch dieser Lächelnden ist gar nicht zu entgehn!
Man hielte sie, so obenhin besehn,
Für minder schön, allein beim zweiten Blicke
Ist euer Herz schon weg, ihr wißt nicht wie,
Und holt mir's, wenn ihr könnt, zurücke!
Mir ist, vom Ansehn schon, ich fühle sie,
So groß sie ist, bis in den Fingerspitzen:
Was wär' es erst «
Nun, ruft Saturnia,
Was sollen hier die Selbstgespräche nützen?
Wir sind nicht für die lange Weile da.
Ihr werdet doch, wenn's Euch beliebt, nicht wollen,
Daß wir, bis man sich müd' an uns gesehn,
In einem solchen Aufzug stehn
Und uns den Schnupfen holen sollen?
Es ist hier kühl!
»Frau Göttin, nur Geduld!
Wir wollen uns nicht übereilen;
Und müßtet ihr bis in die Nacht verweilen,
So seyd so gut, und gebt euch selbst die Schuld.
Wer hieß euch um den Vorzug streiten
Und mich zum Richter ausersehn?
Mein Platz, ich will's euch nur gestehn,
Hat seine Ungemächlichkeiten;
So viele Augenlust wird mir zuletzt zur Qual.
Mehr sag' ich nicht Doch kurz, so ist die Wahl
Unmöglich! Eine muß sich nach der andern zeigen!
Seht, wie ihr euch indeß die Zeit vertreibt;
Ihr tretet ab, und diese bleibt:
Doch müßt ihr euch nicht gar zu weit versteigen.«

Wie viel der kleine Umstand thut,
Nicht ganz allein (denn das ist niemals gut),
Doch ohne Zeugen seyn, ist nicht genug zu sagen.
Die Einsamkeit macht einem Nönnchen Muth!
Und Schäfern, die sonst, blaß und stumm, den Hut
In beiden Händen drehn, an ihren Fingern nagen,
Mit offnem Munde kaum gebrochne Sylben wagen
Und, wenn die Sylvien sich gleich fast heißer fragen,
Was ihnen fehlt? und durch ihr Lächeln sagen:
Wie, blöder Hirt, was hält dich noch zurück?
Verspricht dir denn mein nachsichtsvoller Blick
Nicht, Alles zu verzeihn? sich noch mit Zweifeln plagen;
Selbst dieser Blöden schwachen Muth
Verkehrt sie oft in ungestüme Wuth
Und heißt sie plötzlich Alles wagen.
Sie stärkt das Haupt, sie giebt den Augen Glut
Und Munterkeit den Lebensgeistern,
Den schwächsten Armen Kraft, Heldinnen zu bemeistern,
Und selbst den Weisen Fleisch und Blut.

Saturnia, die mit verschränkten Armen
Euch kurz zuvor wie eine Säule stund,
Ist kaum allein (errathet mir den Grund),
So sieht der Hirt den Marmor schon erwarmen,
Den schönen Mund, die Wangen frischer blühn,
Die weiße Brust, die Alabaster schien,
Mit Rosen sich auf einmal überziehn
Und sanft, wie leicht bewegte Wellen,
Mit denen Zephyr spielt, sich jeden Muskel schwellen,
Kurz jeden Reiz im schönsten Feuer glühn.

Ha, rief der Hirt, da sie so plötzlich sich beseelte,
Nun merk' ich erst, was Euer Gnaden fehlte!
Ich fühlt' es wohl und wußte doch nicht was?
Ich stand erstaunt und blieb Euch kalt wie Erde:
Nun seh' ich wohl, es war nur das!
Jetzt sorg' ich nur, daß ich zu feurig werde.

Ein allzu günstiges Geschick
(Spricht sie mit Majestät) enthüllt vor deinem Blick
Was, seit die Sphären sich in ihren Angeln drehen,
Kein Gott so unverhüllt gesehen.
Was zögerst du? Was hält dich noch zurück,
Den goldnen Preis mir zuzusprechen?
Der kleinste Zweifel ist, seit du mich sahst, Verbrechen.
Gib mir, was mir gebührt, und von dem Augenblick'
Ist nichts zu groß für deine Ruhmbegierde!
Der Juno Gunst gewährt dir jedes Glück,
Den Thron der Welt, ja selbst die Götterwürde!

Den Thron der Welt? – Frau Göttin, wenn Ihr's mir
Nicht übel nehmt, mich reizt ein Thron nur wenig.
Was mangelt mir zum frohen Leben hier?
Hier bin ich frei, und das ist mehr als König.
Ihr zählet, seh' ich, mehr auf meine Ruhmbegier
Als Euren Reiz, den Apfel zu erlangen:
Doch, wenn Ihr wollet, könntet Ihr
Mit weniger mich weit gewisser fangen.
Ihr seyd sehr schön, so schön! (die andern sind doch fort?)
Daß unser einer Kurz, Ihr merkt doch, was ich möchte?
Mehr sag' ich nicht! Frau Jupitrin, ich dächte,
So eine kluge Frau verständ' aufs halbe Wort!
Nun, wie so stumm? Bei unsern Schäferinnen
Heißt Schweigen, ja: ich denke, dieser Brauch
Gilt in der andern Welt bei Eures Gleichen auch.
Die Zeit vergeht, was nützt so viel Besinnen?
Komm, schöne Frau, ich will nicht geizig seyn!
Drei Küsse nur! dem rothen Mäulchen einen
Und auf die Backen zwei, so ist der Apfel dein.
Das ist doch wohlfeil, sollt' ich meinen?
Du gibst mir wohl noch selber einen drein.

Wie? fällt ergrimmt die stolze Göttin ein:
Verwegner, darfst du dich entblöden,
Mit mir, des Donnerers Gemahlin, so zu reden?
Gib her! der Apfel ist kraft seiner Aufschrift mein.
Gib oder zittre, Staub, vor einer Göttin Rache!

He! sachte, wenn ich bitten darf
(Fällt Paris ein), zum Wetter! nicht so scharf!
Ein Kuß ist wohl so eine große Sache!
Am Ende kommt mir's auch auf einen Kuß nicht an:
Meint Ihr, es sey zu viel für mich gethan,
So muß ich mir's gefallen lassen.
Ihr glaubtet mich beim schwachen Theil zu fassen;
Allein ein Richter soll nicht auf Geschenke sehn:
Es wird, was Rechtens ist, geschehn.
Wir wollen nun die Blonde kommen lassen!

Er ruft wohl siebenmal, bis Pallas sich bequemt,
Aus ihrem Busch' hervor zu steigen:
Das edle Fräulein war mit gutem Fug beschämt,
Sich einer Mannsperson in solcher Tracht zu zeigen.
Auch schien sie in der That ihr gar nicht anzustehn.
Man mußte sie in Stahl, mit Helm und Lanze,
Beim Ritterspiel, beim kriegerischen Tanze,
Mit Mars und Hercules ein Trio machen sehn;
Da wies sie sich in ihrem wahren Glanze.
Allein zur Kunst der feinen Buhlerei,
Der Kunst aus hinterlist'gen Blicken
Zum Herzenfang' ein Zaubernetz zu stricken,
Zu losem Scherz und holder Tändelei
Besaß die Göttin kein Geschicke.
Wir wünschen ihr zu ihrer Unschuld Glücke:
Doch hätt' ein wenig Freundlichkeit,
Und was wir sonst an Mädchen Seele nennen,
Für dieses Mal ihr wenig schaden können.

Nun? Jungfer, wie? Was soll die Schüchternheit
(Spricht unser Hirt und nimmt sich ungescheut
Die Freiheit, sie beim runden Kinn zu fassen),
Mir wär' an Ihrem Platz nicht leid,
Mich neben Jeder sehn zu lassen.
Die Augen auf!
Zurück, Verwegner! (schreit
Tritonia) drei Schritte mir vom Leibe!
Vergesset nicht den Unterscheid
Von einer Tochter Zeus' und einem Hirtenweibe!
Es scheint, zu viele Höflichkeit
Ist Euer Fehler nicht. Doch (setzt sie gleich gelinder
Hinzu) soll diese Kleinigkeit
Uns nicht entzwein; ich bleibe dir nicht minder
In Gnaden zugethan, und wenn, nach Recht und Pflicht,
Dein Mund zu meinem Vortheil spricht,
So soll die Welt, mit schimmernden Trophäen
Bis an des Ganges reichen Strand
Durch dich bedeckt, von Cäsarn und Pompeen,
Vom Schweden Karl, vom Guelfen Ferdinand,
Vom Helden jeder Zeit in dir das Urbild sehen!

Im Ernst? (lacht Paris überlaut)
Das sind mir reizende Versprechen!
Die Jungfer denkt damit mich zu bestechen?
Allein mir ist ganz wohl in meiner Haut,
Und Händelsucht war niemals mein Gebrechen.
Meint sie, weil ich ein Fürstensöhnchen sey,
So müsse mich's gar sehr nach Wunden jücken?
Bei Nägelkriegen, ja, da bin ich auch dabei,
Wo wir, für Lorbeern, Küsse pflücken,
Der Feind in Büsch' und Grotten flieht,
Sich lächelnd wehrt, den Sieg zur Lust verzieht
Und, wenn er alle Kraft zum Widerstand vereinigt,
Dadurch nur seinen Fall beschleunigt:
In diesen Krieg, der wenig Wittwen macht,
Da lass' ich mich gleich ohne Handgeld werben.
Doch, wo man nach der heißen Schlacht
Nicht wieder von sich selbst erwacht,
Um einen Lorbeerkranz in vollem Ernst zu sterben;
Da dank' ich! Sprecht mir nichts davon!
Ich hasse nichts so sehr als Schwerter, Dolch' und Spieße;
Auch kenn' ich manchen Königssohn,
Der, eh' er sich, selbst um die Kaiserkron',
In einen Cüraß stecken ließe,
Die Kunkel selbst willkommen hieße.
So viel zur Nachricht, junge Frau!
Indeß ist Euch damit die Hoffnung nicht benommen;
Mir gilt die Eule, was der Pfau.
Doch laßt mir nun die Kleine kommen!

Sie kommt, die Lust der Welt, des Himmels schönste Zier,
Und unsichtbar die Grazien mit ihr.
Dem Hirten ist's, da er sie wieder siehet,
Als säh' er sie zum ersten Mal'.
Ihr erster Blick erspart ihm schon die Wahl;
Das Herz entscheid't; ein einzigs Lächeln ziehet,
Noch eh' er sich besinnen kann,
Und fesselt ihn an ihren Busen an.

Sie spricht zu ihm: »Du siehst, ich könnte schweigen.
Mein schöner Hirt; ich siege nicht durch List,
Die Schönheit braucht sich nur zu zeigen;
Man weiß, daß du ein Kenner bist,
Und guten Tänzern ist gut geigen.
Doch, was ich sagen will, betrifft dich selbst, nicht mich,
Schön, wie Apoll, wie kann, ich bitte dich,
Dir dieser wilde Ort gefallen?
Sey immerhin der Schönste unter Allen
Im Phrygerland, sey ein Endymion,
Sey ein Narciß, was hast du hier davon?
Du denkst doch nicht, daß deine Heerden
Von deinem Anschaun fetter werden?
Die Mädchen hier, die man im Walde find't,
Empfinden nicht viel mehr, als ihre Ziegen:
Die Liebe ist für sie Bedürfniß, nicht Vergnügen;
Sie sehn den Mann in dir und sind fürs Andre blind.
Den Hof, die Stadt, wo deines Gleichen sind,
Die solltest du zum Schauplatz dir erwählen!
Dort ist die Lieb' ein Spiel, ein süßer Scherz.
Die Schönsten würden sich dein Herz
Einander in die Wette stehlen.
Und wenn du wolltest, wüßt' ich dir
Ein junges Mädchen zuzuweisen,
Die, ohne sie zu viel zu preisen,
An jedem Reiz', an jeder Schönheit mir
In keinem Stücke weicht.« Beim Pan! die möcht' ich sehen!
(Ruft Paris aus) So schön, so hold, wie ihr?
Ihr wollt mir, hör' ich wohl, ein kleines Näschen drehen?
Wo käme mir noch eine Venus her?
So schön wie Ihr! »Du sagst vielleicht noch mehr,
Wenn du sie siehst.« Das glaub' ich nimmermehr!
Sie hätte mir so schöne lange Locken
Vom feinsten Gold und weich wie seidne Flocken?
Und einen Mund, der so verführ'risch lacht
Und, wenn er lacht, nach Küssen lüstern macht?
Und ihre schwarzen Augenbraunen
Die flössen ihr so fein und sanft verloren hin?
Und solch ein Aug' und solche Blicke drin,
Die einem durch die Seele schauen?
In jedem Backen und im Kinn'
Ein Grübchen, wo ein Amor lächelt,
Und Arme, die Auror' nicht schöner haben kann,
Und eine Hand wie Marcipan,
Und Hüften »Still! nichts weiter, junger Mann,«
Fällt Venus ein. Sagt mir nur dieß noch fächelt
Denn auch so schön, wie hier, in ihrer Lilienbrust
Die Wollust selbst den Geist der Jugendlust?
In diesem Stück, erwiedert sie mit Lachen,
Kann mir Helene noch den Vorzug streitig machen.«
Ihr flößt mir fast ein wenig Neugier ein.
Helene nennt Ihr sie? Ich lass' es mir gefallen.
Doch, um nur halb so schön als Ihr zu seyn,
Muß wahrlich Götterblut in ihren Adern wallen.

»Du irrest nicht, erwiedert Paphia
(Die der gelungnen List und ihres Siegs sich freute),
Sie ist mein Schwesterchen (zwar von der linken Seite),
Ein Kind von Zeus, der ihrer Frau Mama
Zu Lieb' ein Schwanenfell sich borgte
Und seinen Vortheil einst bei ihr im Bad' ersah.
Frau Leda wußte nicht, wie ihr dabei geschah,
Und sah dem Schwan, von dem sie nichts besorgte,
Und seinem Scherz' in unschuldvoller Ruh,
Nicht ohne Lust, mit süßem Wunder zu:
Doch wenig Monden drauf wird, wider alles Hoffen,
Die gute Frau von Tyndar, ihrem Mann,
Beim Eierlegen angetroffen.
Ein Weiser trägt, was er nicht ändern kann.
Die Schuld blieb auf dem Schwan' ersitzen:
Doch zeigte schon die That genüglich an,
Der Schwan, der dieß gekonnt, sey kein gemeiner Schwan.
Man fand in einem Ei zwei wunderschöne Knaben,
Und aus dem andern kroch das schönste Mädchen aus.
Herr Tyndar machte sich (wie billig) Ehre draus,
Den wundervollen Schwan so nah zum Freund zu haben,
Und Alles endigte mit einem Kindbett-Schmaus.
Nach fünfzehn oder sechzehn Lenzen
War Leda's Töchterchen das Wunder von Mycen.
Schon macht ihr Ruhm sich immer weitre Gränzen;
Die Dichter finden schon mich selbst nicht halb so schön.
Man sieht um sie die Schönen und die Erben
Vom festen Land' und von den Inseln werben.
Doch Alles dieß, und was noch mehr geschah,
Verschlägt uns nichts; genug, sie ist nun da,
Macht ihrem Vater Schwan viel Ehre,
Ist weiß und roth, als wie ein wächsern Bild,
Ist jung und reizend, wie Cythere,
Und dein, mein Prinz, sobald du willt.«

Beim Pan! (ruft Paris aus) wenn's hier nur Wollen gilt,
So wollt' ich, daß sie schon in meinen Armen wäre!
Doch zweifl' ich »Zweifle nicht und trau Cytheren mehr!
Ich und mein Sohn, wir können vieles machen.
Wir brachten, glaube mir, wohl ungereimtre Sachen
Zu Stand als dieß. Die Frage ist
Nur bloß, ob du entschlossen bist,
Um sie nach Sparta hinzureisen?
Den Weg soll dir mein Amor selber weisen:
Er ist, so klein er ist, so schlau,
Du kannst dich ganz auf ihn verlassen.
Nur mußt du zu dir selbst auch mehr Vertrauen fassen.
Ein feiges Herz freit keine schöne Frau.«

Der Vorschlag, Göttin, läßt sich hören,
Versetzt der Hirt der lächelnden Cytheren:
Wenn sie nur halb so reizend ist, als Ihr,
So ist, wer sie besitzt, ein Jupiter auf Erden.
Allein was soll indessen hier
Aus diesem goldnen Apfel werden?

»Dem Apfel? Gut, mein Sohn, den gibst du mir.
Bekommst du nicht das schönste Weib dafür?«

Frau Göttin (spricht der Jüngling), darf ich reden?
Ich gäb' um einen Kuß von Euch, ich sag' es frei,
Gleich eine ganze Welt voll Leden
Und Ledeneiern hin, wenn auch aus jedem Ei
Ein Mädchen wie ein Rosenknöspchen schlüpfte
Und ungelockt mir auf die Schultern hüpfte.
Ein Wort für tausend, Göttin doch, verzeih',
Es muß heraus, und gält' es gleich mein Leben!
Mit Freuden will ich's dir sammt diesem Apfel geben,
Wofern du diese Nacht, nur bis zum Hahnenschrei,
Ein Stündchen nur wie bald ist das vorbei!
Dich überreden willst, daß ich Anchises sey.
Wie sollt' ich nicht den Glücklichen beneiden?
Er war ein Hirt, wie ich; und eben dieser Hain
War einst ein Zeuge seiner Freuden!
Sprich, Göttin, soll er's nicht auch von den meinen seyn?

Cythere fand die Frag' ein wenig unbescheiden
Und sieht ihn, glaubt sie, zürnend an:
Doch, weil ihr lachend Aug nicht sauer sehen kann,
So wird's ein Zorn, der ihn so wenig schrecket,
Daß ihr sein Blick nur feuriger entdecket,
Was Venus selbst nicht ohne Röthe hört.
Sie hätte gern sich längre Zeit gewehrt;
Doch Ort und Zeit verbot ein langes Sträuben.
Der Jüngling sieht, und, sie so weit zu treiben,
Als man Göttinnen treiben kann,
Die nicht von Marmor sind, fängt er zu weinen an.
Das mußte seine Wirkung haben!

»Nun, sprich mein Urtheil nur kein Nein!«

Sie beut dem ungestümen Knaben
Die schöne Hand und sagt nicht Nein.

Der Schlaue will noch mehr Gewißheit haben:
»Beim Styx, mein Täubchen?« Sey's! Willst du nun ruhig seyn?
»Hier, Göttin, nimm! der Preis ist dein!«


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