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Kombabus.

Vorbericht

Dieses Gedicht war die Frucht einiger genialischen Stunden im Jahre 1771. Der Hauptstoff ist aus Lucians Nachrichten von der syrischen Göttin genommen, und die Vergleichung zwischen der Legende vom Kombabus, welche Lucian aus dem Munde der Priester zu Hierapolis erzählt, und dem, was unser Dichter daraus gemacht, ist nun einem Jeden, der dazu Lust und Muße hat, um so leichter, da die neueste Uebersetzung der Werke dieses anmuthigen Schriftstellers überall in Deutschland zu finden ist. Es gibt vielleicht unter allen Mährchen in der Welt keines, das Alles, was eine poetische Erzählung interessant machen kann, in einem höhern Grade in sich vereinigte, als dieses alte syrische Mährchen von Kombab. Aber, um ihm das höchste Interesse, dessen es fähig war, zu geben, mußte es nicht nur mit Zucht und Delicatesse, ohne alle Leichtfertigkeit erzählt werden; sondern es war auch nöthig, dem Kombab einen edlern Beweggrund zu seiner außerordentlichen That zu geben, als Lucian in seiner Erzählung thut. Sie mußte eine Heldenthat seyn, und dieß konnte sie nur dadurch werden, daß sie die Wirkung eines uneigennützigen Triebes war, und daß Kombab ein Opfer, das einen so schweren Grad von Selbstverleugnung erforderte, nicht der Furcht für sein Leben, sondern dem Gefühl seiner Pflicht, der Tugend brachte.

Ein ungenannter französischer Poet, dessen Kombabus mit dem unsrigen ungefähr zu gleicher Zeit ans Licht trat, dachte hierüber anders. Ohne alles Gefühl für die Schönheit dieses in seiner Art einzigen Sujets, machte er eine Erzählung im Geschmack Grecourts daraus – und reinigte dadurch wenigstens sich selbst und den deutschen Dichter von allem Verdacht, daß einer von ihnen den andern nachgeahmt habe.


Kombabus.

            Die Tugend ist, wenn wir die alten Weisen fragen,
Ich weiß nicht was – Laßt's euch von ihnen selber sagen!
Dem einen Kunst Die Tugend ist – dem Kunst u. s. w. – Wahrscheinlich schwebte dem Dichter hiebei die Frage vor, die in dem platonischen Dialog Menon und in des Aeschines Dialog über die Tugend aufgeworfen wird: ob man die Tugend durch Unterricht oder durch Uebung erlange, oder ob sie vielmehr bloß ein Geschenk der Natur an die Menschen sey?, dem andern Wissenschaft,
Dem ein Naturgeschenk, dem eine Wunderkraft;
Der Weg zu Gott Der Weg zu Gott – Ist die Tugend nach Zoroasters Lehren wohl nur in so fern, als die Diener des Ormuzd nach dem Tode in die Wohnungen der Seligen gelangen., nach Zoroasters Lehren;
Der Weg ins Nichts, nach Xekia's Xekia – Bei den Chinesen, Siaka bei den Japanern, als Philosoph und Religionsstifter in großem Ansehn, soll in seiner geheimen Lehre, die er den vertrautesten Schülern auf dem Sterbebette vortrug, erklärt haben: das Nichts sey der Urgrund aller Dinge, aus dem sich Alles erzeugt habe, und worein sich Alles wieder auflöse. Diesem Grundwesen ähnlich zu werden, sey des Menschen höchstes Ziel. Tugend und Glückseligkeit bestehen in gänzlicher Unthätigkeit und Unempfindlichkeit, in Aufhebung alles Strebens und Denkens. Chimären.
Sie ist, spricht Pyrrho Pyrrho – Aus Elis, nahm als Grundsatz an, daß es keine allgemeine gewisse Erkenntniß gebe, und begründete dadurch die Secte der Skeptiker. Wenn Wieland ihn von der Tugend sagen läßt, sie sey, was man wolle, so hatte er wohl die Nachricht des Diogenes von Laerte vor Augen, nach welcher Pyrrho behauptet haben soll, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Ehre und Schande hingen lediglich von den Staatsgesetzen und eingeführten Gebräuchen ab., was ihr wollt;
Und mir, schwört Seneca Seneca – Der Lehrer des berüchtigten Nero, war, obgleich ein stoischer Moralphisosoph, doch nichts weniger als gleichgültig gegen den Reichthum., noch theurer – als mein Gold;
Sie ist der wahre Stein der Weisen Stein der Weisen ( lapis philosophicus) – Nach der Aussage der Alchymisten ein Product ihrer geheimnißvollen Kunst, mittelst dessen man nicht nur gemeine Metalle in Gold verwandeln könne, sondern welches auch als Universalmittel gegen alle Krankheiten diene.,
Macht einen Irus Irus – Bettler bei Homer. reich, macht schwere Ketten von Eisen
Wie Blumenketten leicht und (was kaum Circe Circe – berüchtigte Zauberin. kann)
Den Krates Der Philosoph Krates wird als sehr verwachsen geschildert. zum Adon, Diogenes Diogenes, der in einer Tonne wohnte und freiwillig aufs ärmlichste lebte, ist, wie weiter unten gesagt wird, der Mann, der Alexandern bat, ihm aus der Sonne zu treten. Alexander, der ihn zu einer Bitte aufgefordert hatte, äußerte: Ich möchte Diogenes seyn, wenn ich nicht Alexander wäre. zum König! –
Doch wohl im Traume nur, ruft Spötter Lucian.
Der Weise von Stagyr Der Weise von Stagyr (Stagyra) – Aristoteles lehrt, jede Tugend sey ein Mittleres zwischen zwei Fehlerhaften, einem zu Wenig und einem zu Viel, z. B. Freigebigkeit die Mitte zwischen Knickerei und Verschwendung. Daher die Regel, daß man die goldne Mittelstraße halten solle. setzt seinen Cirkel an:
»Zieht (spricht er) mitten durch zu viel und durch zu wenig
Die Linie A B, so scharf und so gerad'
Ihr immer könnt! – sie ist der nächste Pfad
Zu ihrem Zauberschloß! nur hütet euch vorm Fallen!«

Herr Doctor (ruft der Mann, der Alexandern bat,
Ihm aus dem Licht zu gehn), den mögt Ihr selber wallen!
Ich danke meines Orts! Wir schlendern, wo Natur
Voran geht, mit: es geht gewöhnlich nur
Der Nase nach; und glitscht ihr auch zuweilen,
Was thut's? Ihr fallt doch nicht so tief wie Ikarus Ikarus – Wollte mit Flügeln fliegen, die mit Wachs angemacht waren; die Sonne schmolz das Wachs, und Ikarus stürzte in das Meer, das nach ihm das Ikarische heißen soll. Im Munde des Diogenes ist dieses Beispiel höchst passend zu einem Streben nach Dingen, zu denen die Natur die Kraft versagt hat.
Und braucht kein Pflaster, die Rippen zu heilen.

Getroffen! (singt, berauscht von junger Nymphen Kuß
Und altem Wein, der Weise von Cyrene Der Weise von Cyrene – Aristippos, das wahre Gegenstück des Diogenes, verstand sich darauf, die Tugend mit den Genüssen des Lebens auszugleichen.)
Die Tugend lieb' ich sehr! Sie ist die gefälligste Schöne,
Und wer sie finster malt, der ist mein Maler nicht!
Sie macht uns Vergnügen und Freude zur Pflicht
Und deckt den Lebensweg mit Rosen –
Falsch, falsch! (ruft Prodikus Prodikus – Ein Sophist und Verfasser der berühmten Dichtung von Hercules am Scheidewege, welche Wieland selbst zum Gegenstand eines Singspiels wählte.) das wär' ein feiner Weg,
Uns in den Labyrinth zu führen,
Worin (zumal berauscht) die Klügsten sich verlieren!
Im Gegentheil, es ist ein schmaler, rauher Steg,
Voll starrer Hecken ohne Rosen:
Wer's anders sagt, der kennt die Wege schlecht!

Genug, genug, ihr Virtuosen Virtuosen – Scheint Wieland hier schalkhaft gebraucht zu haben, nicht in der gewöhnlichen Bedeutung, sondern als Tugendkünstler, nach der Bedeutung von virtus als Tugend. So paßt das Folgende genau.!
Ihr habt vielleicht auf einmal alle Recht;
Nur, darf ich bitten, kein Gezänke!
Der große Punkt, worin wir alle, wie ich denke,
Zusammentreffen, ist: Ein echter Biedermann
Zeigt seine Theorie im Leben.
So schön und gut sie immer heißen kann,
So wollt' ich keine Nuß um eure Tugend geben,
Wofern sie euch im Kopfe sitzt.
Warum, laßt euch den Oheim Toby sagen
Und Trim, den Corporal Oheim Toby und Trim der Corporal – Sind als die wackersten Biedermänner aus dem Tristram Shandy bekannt.! – Für jetzt
Sey mir (mit allem Respect vor euren Bärten, Kragen,
Capuzen, Mänteln, Bireten und allem Zugehör
Der Sapienz) erlaubt, euch aus der praktischen Sphär'
Ein klein Problemchen vorzutragen!
Der Fall, geehrte Herrn, ist der!

―――
Ein König, der den Antilibanus
Vordem beherrscht', und dessen Name
Uns nichts verschlägt Dessen Name uns nichts verschlägt – Die ältern Ausgaben haben:

– Er hieß Antiochus,
Wenn Lucian nicht irrt –

Dieß war nicht richtig. Lucian nennt den König gar nicht, er sagte nur, daß es derjenige gewesen, der seine zweite Gemahlin Stratonike seinem durch die verheimlichte Liebe zu seiner jungen Stiefmutter aufs äußerste gebrachten Sohne abgetreten habe, als er durch seinen Leibarzt (Erasistratus) erfahren, daß sein Sohn durch kein anderes Mittel gerettet werden könne. Daß dieser Prinz der nachmalige syrische König Antiochus (Soter), und sein Vater also Seleukus Nikanor, der Stifter der Seleukidischen Dynastie in Syrien, gewesen sey, weiß man aus andern Quellen. W. [Weiter unten scheint Wieland die Bedenklichkeit, die er hier hatte, selbst wieder vergessen zu haben.]

, – (genug es war ein Nam' in us)
Besaß ein seltnes Glück – in seiner ehlichen Dame
Cytherens Jugend und Reiz, mit strenger Tugend vereint,
Und ein noch seltners, – einen Freund.

Ein König einen Freund? Den kann kein König haben,
Sagt dort Diogenes zu Philipps großem Sohn Philipps großer Sohn – Alexander der Große..
Allein der unsre macht hiervon,
Zu seinem Glück, die Ausnahm' in Kombaben.

Schön, wie gesagt, und gut war seine Königin,
Im ersten Jugendglanz schon weise
Und zärtlich überdieß wie eine Schäferin;
Auch sehr devot, wie dessen zum Beweise
Euch ein Gelübde dient, wodurch sie sich zur Reise
In ein entlegnes Reich verband,
Der Göttin, die ins Joch der heil'gen Eh' uns spannt,
Der Schützerin (doch nicht dem Muster) guter Frauen
Den schönsten Tempel aufzubauen.

Der König, ob er wohl nicht von den jüngsten war,
Fand dieß Gelübd' ein wenig sonderbar.
Er gab ihr höflich zu verstehen,
Die Sache könnte wohl durch fremde Hand geschehen.
Mein Architekt, Madame, ist ein bewährter Mann.
»Nein, liebster Ehgemahl! Ich muß den Grundstein legen:
Dieß ist ein Punkt, wovon mich nichts entbinden kann;
An unserm Hochzeittag gelobt' ich's heilig an.
Mein armes Herz empört sich zwar dagegen;
Doch, sollt' es auch in Stücken gehn,
Der Göttin muß und soll genug geschehn!«

Der König stellt ihr zwar noch manchen Grund entgegen,
Worauf nicht viel zu sagen war;
Auch setzte sich die Dame der Gefahr
Nicht aus, ihn schwach zu widerlegen;
Sie hatt' ein Mittel bei der Hand,
Das jede schöne Frau noch immer kräftig fand,
Die männliche Vernunft zum Schweigen zu vermögen;
Sie wurde krank. Der erste Leibarzt that
Mit allen seinem Amt zuständigen Grimassen
Den Ausspruch und bewies aus seinem Hippokrat,
Man müsse sie, da sey kein andrer Rath,
In Junons Namen reisen lassen.

Ein Mann, und sollt' er zehnmal König seyn,
Kann, wie ihr wißt, in solchen Fällen
Nichts Bessers thun, als sich ein wenig blind zu stellen,
Und gibt mit guter Art sich, wenn er klug ist, drein.
Der unsre spielt für einen König
(Die Herren seiner Art geniren sonst sich wenig)
Die äußre Rolle ziemlich gut;
Doch innerlich war ihm nicht wohl dabei zu Muth.
So eine schöne Frau sich selbst zu überlassen!
Schon der Gedanke macht den guten Herrn erblassen:
Wiewohl die Frau die Tugend selber war,
So schien die Folge nur zu klar.

Zu viel Erfahrenheit ist ihrem Eigenthümer
Oft hinderlich, zum mindsten an der Ruh'.
Ein weiser Mann von sechzig zweifelt immer,
Traut wenig eurer Weisheit zu
Und eurer Tugend nichts; – und wahrlich desto schlimmer
Für euch und ihn! – Der gute König sitzt,
Indem er mit der rechten Hand die Stirne
Ganz sanft sich reibt, auf seinen Arm gestützt
In seinem Sorgestuhl. Sein königlich Gehirne
Arbeitet (eine Müh, die es sich selten gab!)
Ein Mittel aus, sich Ruhe zu verschaffen.
Der Günstling selbst aus seinen Kammer-Affen
Lockt keinen Blick durch seinen Scherz ihm ab.
Auf einmal ruft er einem Knaben
Im Vorgemach: Man hole mir Kombaben!
Kombab, sein Freund, ein junger Mann zwar noch
Und schöner als Narciß, jedoch,
Trotz allen Lockungen der Schönheit und der Jugend,
Ein junger Mann von oft bewährter Tugend,
Kombab, so denkt er, kann in diesem Fall allein
Der Schutzgeist seiner Ruh' und ihrer Ehre seyn!

Kombab erscheint, und, ohne daß wir's sagen,
Errathet ihr, was ihm der König aufgetragen.
Der arme Liebling stand, wie angedonnert, da
Und schwieg und staunt' und hing die Ohren.
Von welcher Seit' er auch den Auftrag übersah,
Auf allen war er gleich verloren!
Allein was kann er thun? – Sein Freund, sein König spricht:
»Ich muß mich von Astarten Astarten – Die Verwandlung des unbequemen Namens Stratonike (welches der wahre Name der Königin war, der das Abenteuer mit Kombabus begegnet seyn soll) in Astarte ist eine poetische Licenz, die in einer Geschichte, die einem Mährchen so ähnlich sieht, nicht viel zu bedeuten hat. Hanc veniam damus, petimusque vicissim. W. trennen;
Zwei lange Jahre, Freund! – Wie dieser Augen Licht,
Du weißt es, lieb' ich sie und muß mich von ihr trennen!
Wem sollt' ich denn, da mich die Königspflicht
Zurück zu bleiben zwingt, sie anvertrauen können
Als meinem treuen Freund Kombab? –
Auf deine Seele wälzt mein unbegränzt Vertrauen
Die schwerste meiner Sorgen ab;
Dir übergeb' ich sie, die beste aller Frauen!
Sey ihr Beschützer, Freund und Rath
Und nimm, für deine Treu zum Lohne,
Wenn du zurück sie bringst, die Hälfte meiner Krone.«

Nun sagt, was konnt' er thun, als was erschweigend that?
Sich tief bis auf den Boden bücken
Und unvermögend seyn, sein dankbares Entzücken
Mit Worten sattsam auszudrücken,
Versprechen, schwören, – kurz, was jeder Günstling muß,
Mit Lächeln heuchlerisch des Herzens Kummer schminken
Und fliegen, wie Mercurius,
Wenn Zeus beschlossen hat, in goldnem Regenguß
In einer Nymphe Schooß zu sinken.

Kombab entfernet sich. – Wir schleichen sachte nach,
Zu hören, wie in seinem Cabinete
Der arme Mann sich mit sich selbst besprach.
Er warf sich auf ein Ruhebette
Und seufzt' und weinte laut. – »O Götter, fing er an,
Was hat Kombabus euch gethan?
O! hätte mich der Fürst zum Günstling nie erkoren!
Nichts kann mich retten! – ach! nichts, als was Dolch und Gift,
Was jeden Tod an Grauen übertrifft!«

Hier unterbrachen Thränenfluten
Den Monolog! und da er ausgeweint:
»Mein König (fuhr er fort), mein König und mein Freund,
Was thät' ich nicht für dich! – Mein Leben auszubluten
In diesem Augenblick, wär' eine Kleinigkeit!
Mit Freuden! – Aber, ach! die Tugend mit dem Leben
Zugleich für dich auf einmal hinzugeben,
Das ist zu viel!« – Hier wird er wieder stumm.

»Doch wie? (so denkt er fort) wenn ich zu schüchtern wäre?
Ich kenne mich, ich bin ein Mann von Ehre,
Und Tugend liebt' ich stets – Warum
Mir selbst so wenig zuzutrauen?
Gut! – aber auch der Königin?
Sie ist ja wohl die beste aller Frauen,
Ist fromm und keusch wie eine Priesterin;
Doch immer – eine Frau und eine Königin;
Hat Fleisch und Blut wie andre junge Schönen
Und wird sich, sind nur erst drei bis vier Monden hin,
Von Hymens Trost nicht ohne Müh' entwöhnen.
Ein junges Weib, Kombab, und eine Königin!
Den Fall gesetzt! wie willst du dich betragen?
Verhüten willst du ihn! – Sehr wohl! Allein, gesetzt,
Er käme doch? – denn, gut dafür zu sagen,
Wer, der das Herz kennt, dürft' es wagen? –
Gesetzt demnach, du würdest hochgeschätzt,
Man fänd' unschuldiges Behagen
An deinem Umgang – Nach und nach
Gewöhnt man sich, man weiß nicht wie, Kombaben
Den ganzen Tag um sich zu haben;
Man wird vertraut, man scherzt, man spielt im Schach
Und spricht nicht stets von ernsten hohen Dingen;
Der Freundschaft öffnet sich sogar das Schlafgemach,
Man braucht sich nicht vor ihr zu zwingen,
Ihr ist kein Ort und keine Zeit
Versagt; kein Argwohn stört der Unschuld Sicherheit;
Vom strengen Wohlstandszwang befreit,
Entdeckt einst ungefähr ein Arm von Alabaster,
Ein Busen, der sich halb aus seinen Fesseln drängt,
Ein schöner Fuß sich dir; und du – bliebst unversengt?
Das hätte sich selbst Zoroaster
Nicht zugetraut! Und wie (was nur zu möglich ist),
Wenn sich die Königin vergißt;
Wenn sie, dein Herz und, kann sie dieß nicht rühren,
Doch deine Sinne zu verführen,
Nichts unversuchet läßt? Was hälfen dir, Kombab,
Der längste Widerstand, die schönsten Heldenthaten?
Mit jedem Siege nimmt die Kraft zum Siegen ab,
Und endlich wird dich ihr dein eignes Herz verrathen.
Für dich kämpft Ehr' und Tugend nur,
Ihr helfen Schönheit, Reiz und Wollust und Natur!
Die Uebermacht auf Amors Seite
Ist allzu groß in einem solchen Streite!
Und hättest du noch Kraft zum Widerstehn:
Wirst du sie ungerührt in Thränen schwimmen sehn?
Ich kenne dich zu gut! – Du wirst, zu ihren Füßen
Hinsinkend, jede Thrän' aus ihren Augen küssen,
Wirst, voll des süßen Gifts, wovon ihr Auge schwillt,
Dein wallend Herz an ihren Busen drücken
Und außer ihr nichts fühlen, nichts erblicken!
Und dann? – O, rettet mich, ihr Götter!« – rief er wild
Und floh schon vor sich selbst, wie einer, der, vom Schrecken
Des bängsten Traums erweckt, sich ringsum eingehüllt
In Flammen sieht, die seine Haare lecken.

Und nun, setzt euch an seine Stell',
Ihr Epikteten, ihr Sokraten,
Und wie ihr Alle heißt! was ist dem Mann zu rathen?
Was thätet ihr? Setzt euch an seine Stell',
Und sprecht! – Don Robert Abrissel,
Wir wissen's, war bei weitem nicht so schüchtern.
Was wir berauscht nicht wagten, wagt' er nüchtern,
Und merket wohl, er war kein Maleficiat.
»Was that denn Robert?« – Was er that?
Man spricht nicht gern davon; doch könnt ihr Baylen fragen Don Robert Abrissel – Baylen fragen – Da es nicht allen unsern Lesern bequem seyn möchte, ihren Bayle zu fragen, so ist es wohl billig, daß wir uns selbst die kleine Mühe geben, ihrer Wißbegierde über diesen Punkt zu Hülfe zu kommen. Robert von Arbrissel, ein berühmter Bußprediger in Frankreich zu den Zeiten Philipps des Ersten, ist als Stifter der Abtei und des Ordens von Fontévraud (Ebraldsbronn) bekannt, der sich von allen andern Orden dadurch unterscheidet, dass sogar die Mönche desselben und ihre Klöster der Aebtissin des Frauenklosters zu Fontévraud, als dem souverainen Oberhaupt des ganzen Ordens unterworfen waren. Der Verfasser des geographischen Theils der Melanges tirées d'une grand Bibliothèque bemerkt ( Vol. 36 p. 241.) sehr richtig, daß es diesem sonderbaren Orden, » dans un siècle, où les Chevaliers se piquoient d'être si soumis aux Dames,« nicht fehlen konnte, ansehnlich und reich zu werden, so daß er noch zu unsern Zeiten (bis die zerstörende Revolution von 1789 auch ihm ein Ende gemacht hat) aus sechzig Ordenshäusern bestand, » et à la tète de chacune il y avoit une Prieure, qui avoit sous ses ordres non seulement des Religieuses, mais aussi un Supérieur et un certain nombre de Moines, le tout ressortissant de Mad. L'Abbesse générale de Fantévraud), dont la Maison valoit 100,000 Livres de Rente, et étoit ordinairement remplie par 150 Religieuses et 60 Religieux.« (Ebendaselbst.) Der besagte Verfasser wundert sich, warum der Stifter eines so glänzenden Ordens nicht kanonisirt worden sey, und meint: die Schwierigkeiten, welche seine Kanonisation erfahren habe, autorisirten den Verdacht, den man auf seine Verbindungen mit den jüngsten und schönsten seiner Nonnen habe werfen wollen; wiewohl die Briefe des Abts Gottfrieds von Vendome, eines in hohem Ansehen stehenden Zeitgenossen von Bruder Roberten, besagten, » que ces familiarités apparentes n'étoient que des arrangement faits pour préparer des Triomfes à sa Vertu.« – So zurückhaltend drückt sich der Jesuit Theoph. Raynaud in seinem Tractate de sobria alterius sexus frequentatione über diese Arrangemens nicht aus: er sagt mit Berufung auf den angeführten Abt Gottfried, geradezu von Roberten: » illum cum speciosissima quaque sacrarum Virginum nudum cum nuda in eodem lecto cubuisse, ut nequicquam frendentem et adhinnientem appetitum in tam illecebrosi objecti praesentia novo martyrii genere afficeret.« – Wirklich findet sich in den Briefen des besagten Abts ( Godofredi Vindocinencis), welche der Jesuit Sirmond aus einem Mspt. der Abtei de la Couture im Jahre 1660 herausgegeben, einer an unsern Robert, worin ihm mit Mißbilligung vorgehalten wird: Foeminarum quasdam, ut dicitur, nimis familiariter tecum habitare permittis, et cum ipsis etiam et inter ipsas noctu frequenter cubare non erubescis. Hoc si modo agis vel aliquando egisti, novun et ibauditum, sed infructuosum martyrii genus invenisti. – Mit wie viel oder wenig Wahrscheinlichkeit dem ehrwürdigen Vater Robert diese seltsame und gefährliche Art, sein Fleisch zu kreuzigen, nachgesagt worden sey, können und wollen wir hier nicht untersuchen. Man könnte vielleicht einem Mönch und Ordensstifter aus dem eilften Jahrhundert den Grad von Schwärmerei, der dazu erfordert wurde, um so eher zutrauen, da sich auch unter den Weltleuten Beispiele einer solchen heroischen Selbstverläugnung finden, und sogar ein junger König (K. Wenzel von Böhaim in der Manessischen Minnesänger-Sammlung) sich nicht wenig darauf zu gut that, eine Probe dieser Art bei der Dame seines Herzens rühmlich bestanden zu haben. S. Bodmers neue kritische Briefe, No. 53.

In den berühmten Contes de la Reine de Navarre kommt eine hieher gehörige sehr sonderbare Stelle vor, die ich bei dieser Gelegenheit nicht unbemerkt lassen kann, da ich nicht weiß, ob sie jemals der Aufmerksamkeit eines Gelehrten gewürdigt worden ist. Zu Ende der dritten Journée dieses Heptamerona wird, auf Veranlassung einer Anekdote, wie übel einer devoten Dame in Languedoc zu Ludwigs XII. Zeiten das allzugroße Vertrauen auf die Gewalt ihres Geistes über ihre animalische Hälfte bekommen sey, viel über diese Materie (wie in diesem sonderbaren Werke gewöhnlich ist) hin und her moralisirt; und da die gute alte Dame Oisille ihre Verwunderung darüber bezeigt, wie Jemand närrisch genug seyn könne, sich für so heilig zu halten, daß er sich einer solchen Gefahr, ohne Furcht zu unterliegen, aussetzen dürfe, so erwiedert ihr Dame Longarine: » Ils font bien encore autre chose. Ils disent, qu'il faut s'habituer à la chasteté, et pour éprouver leurs forces, ils parlent aux plus belles et à celles qu'ils aiment de plus; et en baisant et touchant ils éprouvent, s'ils sont dans une entière mortification. Quand ils sentent que ce plaisir les émeut, ils vivent dans la retraite, jeunent et se disciplinent; et quand ils ont matté leur chair en sorte, que ni la conversation ni le baiser ne leur causent point d'émotion, ils essayent la sotte tentation de coucher ensemble, et de s'embrasser sans aucun désir de volupté. Mais pour un qui résiste, il y a mille qui succombent. Delà sont venus tant d'inconveniens, que l'Archevêque de Milan, où cette Religion s'étoit introduite, fut d'avis de les séparer, et de mettre les femmes au convent des hommes, et les hommes dans celui des femmes.« – Wiewohl sich Dame Longarine nicht völlig so deutlich ausdrückt, als man wünschen möchte, so scheint doch aus ihren Worten, und besonders aus dem letzten Umstande, klar genug, daß die Rede hier nicht etwa von den Fratricelli Die Fratricelli (deren Geschichte übrigens ziemlich verworren und unzuverlässig ist) kamen so leicht nicht davon, als die Religiosen, von welchen die Königin Katharina spricht. Papst Clemens V. ließ das Kreuz gegen sie predigen, und es wurden ihrer fünf bis sechs hundert durch Feuer und Schwert, Kälte und Hunger ausgerottet. Dafür hatten sie sich aber freilich auch noch eines unendlich schwerern Verbrechens schuldig gemacht, denn sie hatten sich gegen die Tyrannei der Päpste und die herrschenden Mißbräuche ihrer Zeit aufgelehnt, und das konnte damals nicht gelinder als durch Feuer und Schwert gerochen werden. oder einer andern ältern Secte, welche dieser unnatürlichen Art von Kasteiung beschuldigt worden sind, sondern von irgend einem (mir unbekannten) neuern Orden, der vermuthlich bei Zeiten wieder unterdrückt wurde, die Rede seyn müsse. Was übrigens der ungenannte Erzbischof von Mailand sich dabei gedacht haben könne, daß er sich nicht begnügte, die Mönche und Nonnen von einander abzusondern, sondern die Männer ins Frauenkloster und die Frauen ins Mannskloster sperrte, ist mir so unbegreiflich, daß es mir beinahe die ganze Erzählung verdächtig machen könnte; wiewohl nicht zu glauben ist, daß die Königin Margerite von solchen Dingen als Thatsachen gesprochen haben sollte, wenn sie nicht Grund dazu gehabt hätte. – Uebrigens, und um von dieser Digression noch einmal auf den ehrwürdigen Br. Robertus de Arbuscula zurück zu kommen, könnte man, wofern ihm bloß seine besagten Keuschheitsübungen an der Heiligsprechung hinderlich gewesen wären, sich billig verwundern, warum eine solche heroische Anomalie gerade ihm so übel genommen worden, da sie doch einem andern, wegen seiner außerordentlichen Buß- und Abtödtungsübungen sehr berühmten englischen Mönch und Bischof, dem heiligen Aldhelmus, von seinem Biographen Wilhelm von Malmesbury, zu höchstem Ruhm und Verdienst angerechnet wird. » Si quando stimulo corporis ammoveretur (sagt Br. Wilhelm), non solum illecebrae denegabat effectum, sed alias insolitum reportabat triumphum. Neque tunc consortium foeminarum repudiabat, ut caeteri, qui ex opportunitate timent prolabi: immo vero vel assidens, vel cubitans aliquam detinebat, quoad, carnis tepescente lubrico, quieto et immoto discederet animo. Derideri se videtur Diabolus, cernens adhaerentem foeminam virumque, alias avocato animo insistentem cantando Psalterio.« ( Anglia Sacra, P. II. p. 13.). Vermuthlich mag es dem guten Robert nachtheilig gewesen seyn, daß er nicht auch den Psalter dazu sang! W.

.
Genug, Kombab, der nur ein armer Syrer war
Und doch, erlaubet mir's zu sagen,
Die Tugend liebte, gab nicht gern sich in Gefahr;
Und in der That, nicht Alle dürfen wagen,
Was Kinderspiel für Bruder Robert war.

Ich scherze nicht; ihr Virtuosen, rathet!
Ihr seht Kombabs Verlegenheit.
Vergeßt jetzt – was ihr selber thatet,
(Wer zweifelt, daß ihr Menschen seyd?)
Sagt nur, was soll in seiner Lage
Kombabus thun, um außer Furcht zu seyn,
Im schwächsten Augenblick von einem schwarzen Tage
Nicht Keuschheit, Treu' und Freundschaft zu entweihn?
Die Frage, glaubet mir, ist keine leichte Frage!

Fliehn soll er, ist der Rath des Klügsten unter euch Des Klügsten unter euch – Des Sokrates vermuthlich, der seinem jungen Freunde Xenophon keinen bessern Rath zu geben wußte, als die Schönen cane pejus et angue zu fliehen. ( Memor. Socr. I 3) Auch scheint Xenophon sich bei diesem Rathe so wohl befunden zu haben, daß er in der Cyropädie seinen Helden nach eben dieser Maxime verfahren, den jungen Araspes hingegen, der nicht so furchtsam von der Gewalt der Liebe dachte und sich mit der schönen Panthea unverletzt unter einem Dache zu leben getraute, seinen Uebermuth auf eine sehr exemplarische Art bezahlen läßt. W.;
Der Tugend Streit mit Liebe, Lust und Jugend
Ist, ihr gesteht's, zu wenig gleich;
»Die Flucht allein gewährt uns unsre Tugend.«
Gut, das ist leicht gesagt: doch, wär's auch leicht gethan,
Zum Unglück schlägt der Rath in unserm Fall nicht an.
Dem armen Mann verwehrt die Pflicht zu fliehen,
Verwehrt die Treu für seinen Freund und Herrn
Sich dem gefährlichen Beruf (so gern
Er ihn verbäte) zu entziehen.
Er muß! – Wohl, ruft aus einem Mund
Der Casuisten Casuisten – Nennt man die Moralphilosophen, die sich zum Geschäft machen, in moralischen Fällen, die verwickelter Umstände wegen oder aus andern Ursachen schwierig zu beurtheilen sind und daher meist Spitzfindigkeit erfordern, zu entscheiden. Chor, – so mach' er einen Bund
Mit seinen Augen und wag's! – Auch das ist schön zum Sagen:
Allein Kombab, der sich vermuthlich fühlt'
Und nichts auf Wagespiele hielt,
Kann auch die Möglichkeit des Fallens nicht ertragen.
Am schwankenden Erfolg von einem Augenblick
Hängt seine Ruh, sein Ruhm, sein ganzes Glück,
Sein Leben selbst; denn freilich, wenn er fiele,
Steht nichts Geringers auf dem Spiele.
Der Neid im Hinterhalt, die schlaue Eifersucht
Hält tausend Augen auf ihn offen;
Wie könnt' er seines Lasters Frucht
In Ruhe zu genießen hoffen?

Allein, gesetzt auch, daß um sie
Der Liebesgott die dickste Wolke zieh',
Ihr Glück so lang' als ihre Flamme daure,
Und Argus Argus – Den tausendäugigen, hatte die eifersüchtige Juno zum Wächter der unglücklichen Io gesetzt. selbst vergebens sie belaure:
So lauscht ein Zeuge, den er nicht
Betrügen kann, in seinem Busen.
Ihn schreckte weniger das tödtende Gesicht
Der schlangenhaarigen Medusen!
Was hälf' es ihm, die Welt zu hintergehn,
Wenn er erröthen muß, in sich hinein zu sehn.

In dieser äußersten Gefahr
Stellt seinem Geiste sich ein einzig Mittel dar.
Es ist entsetzlich auszusprechen,
Allein es sichert vor Verbrechen.
Er geht nicht erst mit Fleisch und Blut zu Rath;
Tief seufzend wendet er die Augen, nicht zu sehen,
Was seine Hand beginnt. – Sie ist, sie ist geschehen,
Die heldenmüthige, die große, schöne That!

Ihr, die ein rascher Schwur verpflichtet,
Die schönste Sünderin begierlos anzusehn!
Seht, welchen Zoll Kombab der Tugend hier entrichtet!
Und müsset ihr euch selbst gestehn,
Dieß sey der nächste Weg dem Satan auszuweichen,
So gehet hin und thut desgleichen!

Indessen läuft der Sand der Abschiedsstunde ab.
Kombab beurlaubt sich. Astartens Tugend spielet
In vollem Glanz. Antiochus empfiehlet
Die Dame seinem Freund – Auf einmal ruft Kombab:
Beinahe hätt' ich was vergessen!
Er fliegt davon und kommt im Augenblick
Mit einem Kästchen im Arme zurück.
Er fällt dem Herrn zu Fuß: »Darf sich dein Knecht vermessen,
Noch eine Bitte zu thun? Dieß Kästchen, Herr, enthält
Das Kostbarste von Allem in der Welt,
Was dein Kombab besaß. Um sicher es zu wissen,
Leg' ich es hier zu meines Königs Füßen.
Drück ihm dein Siegel auf und gönn' ihm einen Platz
In deinem königlichen Schatz.
Dort mög' es, bis ich einst es wieder fordre, liegen!

Der König schwört bei seinem grauen Bart',
Es soll den besten Platz in seinem Schatze kriegen;
Und in Kombabens Gegenwart
Drückt er sein Siegel auf. Mit vielen Thränengüssen
Entreißt Astarte nun sich seinen Abschiedsküssen,
Kehrt zehnmal wieder um, läßt ihr getreues Herz
Nur einmal noch an seinem Herzen schlagen
Und wird zuletzt, halb todt vor Schmerz,
In ihren Palankin getragen.

Nach dreien Monden kam die hohe Karavan'
An Ort und Stelle glücklich an.
Der Bau beginnt und geht so gut von Statten
(Dank sey Kombaben, der das ganze Werk regiert),
Daß, eh das zweite Jahr ins dritte sich verliert,
Sie nur den Wetterhahn noch aufzusetzen hatten;
Und gleichwohl schien's ein Werk, von Göttern aufgeführt.

Astarte bleibt, wie zu erachten,
Von unsers Helden Werth nicht lange ungerührt.
Verdienst und Tugend hochzuachten,
Ist eine Eigenschaft, die ihres Gleichen ziert.
Sein inneres Verdienst entbehrt zwar leicht Verstärkung
Von außen her: allein, da man ihn täglich sieht,
So macht (wiewohl sie sich's zu leugnen sich bemüht)
Ihr Auge doch allmählich die Bemerkung,
Kombab, der unvermerkt das Herz ihr abgewann,
Sey nicht der beste nur, sey auch der schönste Mann;
So schön, so tadellos vom Kopf bis auf die Füße,
Daß, hätt' ein Bildner je dieß Ideal erreicht,
Er ohne Widerspruch der erste Künstler hieße,
Und jede Göttin ihr verzeihungswürdig däucht,
Die sich von ihm ein wenig lieben ließe.
Und bei so seltnem Reiz ein Herz,
So gut, so sanft, so edelmüthig!
Sein Witz so leicht, so fein sein Scherz!
Kurz, Eines fehlt ihm nur – er ist zu ehrerbietig.
(Doch, wie ihr seht, wird dieser Vorwurf ihm
Durch Blicke nur gemacht) – Man soll in Schranken bleiben:
Allein, die Schüchternheit so weit wie er zu treiben,
Ist grillenhaft. Ein wenig Ungestüm
Ist eher Reiz an Leuten, die ihm gleichen,
Als Uebelstand. – Was braucht er auszuweichen,
Wenn ihre Augen sich begegnen? Fürchtet er
Die ihrigen? – Die Antwort war nicht schwer:
»Er liebt, der arme Mann, und kämpft mit seinen Trieben!«
Und, wenn er liebt, wen kann er lieben,
Als eine Göttin, oder – sie?
Wie könnt' es anders seyn? Er, der sie spät und früh
Zu sehen Anlaß hat, wie wär' er frei geblieben?
Dieß klärt ihr Alles auf. Er hat den Muth noch nicht,
Sich sein Geheimniß zu gestehen,
Und wird das Opfer seiner Pflicht.
Daher der Zwang, sie nur verstohlen anzusehen,
Das Seufzen, das ihm statt des Athmens ist,
Die Schwermuth seines Blicks, die Blässe seiner Wangen
Und diese Wolken, die, sobald er sich vergißt,
Um seine schöne Stirne hangen!

Der Irrthum war Astarten zu verzeihn.
Man mußt', um richtiger zu schließen,
Nur in Kombabs Geheimniß seyn.
Uns, die wir mehr als sie von seinen Sachen wissen,
Ist Alles klar. Allein, der Orden, den er ziert,
Wird billig niemals präsumirt.
Sie wußte übrigens, daß die Semiramissen Semiramis – Berühmte Königin von Assyrien.
(Gleich den Göttinnen) sich, wenn sie ein Schäfer rührt,
Zum ersten Schritt entschließen müssen;
Zum zweiten, dritten oft, wofern der Seladon
Vor seinem Glück die Augen zuzuschließen
Beharrt. In diesem Stück muß eine Göttin schon
Den Fehler ihres Standes büßen.
Indessen gibt's der Wege ja genug,
Was man zu sagen hat, mit guter Art zu sagen.
Man braucht sich eben nicht gleich förmlich anzutragen:
Ein Mann von Lebensart, zumal bei Hof, ist klug
Und in der Redekunst der Augen wohl geübet.
Allein beim unsrigen, ist Alles, was ihr Blick
In dieser schönen Sprach' ihm zu vernehmen gibet,
Verloren. – »Wunderbar! Was hält ihn noch zurück?
Er weiß doch sonst so gut zu leben;
Und dächt' er nur ein wenig fein,
So würd' er selbst beflissen seyn,
Der Schritte sie zu überheben,
Die eine Frau sich selber zu vergeben
Stets Mühe hat, wobei er nichts gewinnt,
Und die für sie so wenig rühmlich sind.«
Schon spricht sie deutlicher. Jetzt muß er's doch verstehen!
Man ist sehr blind, nicht durch ein Sieb zu sehen.
Wenn eine Königin euch Blicke gibt, wie sie,
Die Hand euch drückt, von nichts als Sympathie
Und von der Liebe, die vom Willen
Nicht abhängt, spricht, – für sehr natürlich hält,
Daß eine Göttin, wenn auf dieser Unterwelt
Ein Cephalus, ein Acis Acis – der Geliebte der Nymphe Galathea, der, als ihn der eifersüchtige Cyklop Polyphem mit einem Felsstück erschlagen hatte, in den Fluß verwandelt wurde, der seinen Namen trug. ihr gefällt,
Sich kein Bedenken macht, den süßen Trieb zu stillen:
Ich sage, wenn sie euch so weit entgegen geht,
Und ihr sie dann noch nicht versteht,
So müßt ihr – wüthende Distractionen haben!

Dieß war nun freilich bei Kombaben
Die Sache, leider! nicht; allein
Astarte konnte das nicht wissen.
An ihrem Platz, was kann sie schließen,
Als, eine Andere müss' im Besitze seyn?
Von diesem Augenblick wird jede seiner Mienen,
Wird jeder Tritt belauscht und ausgespäht:
Kein wiederkommender Komet
Beschäftigt mehr die wachenden Cassinen Cassinen – Hier für Astronom überhaupt, von Cassini, einem der berühmtesten Astronomen des 17. Jahrhunderts, welchem seine Wissenschaft wichtige Entdeckungen verdankt..
Ein Finger, den er regt, erweckt ihr schon Verdacht.
Man weiß, wie scharf verliebte Augen sehen,
Wenn Eifersucht sie mikroskopisch macht.
Kein Zauberschatz wird wie Kombab bewacht.
Doch endlich wurde man es müde – nichts zu sehen.

Astarte, deren Glut jetzt wieder Luft bekam,
Zu ihrer ersten Hypothese
Zurück zu gehn genöthigt, glaubt, sie lese
Ganz klar in seinem Gesicht, daß nichts als falsche Scham
Die Ursach sey, warum er sich so link benahm.
Ein Pastor fido Pastor fido – Der treue Schäfer, mit Anspielung auf Guarini's Schäferspiel unter diesem Titel. ist das blödste aller Wesen.
Sie sieht, es braucht, den Zauber aufzulösen,
Was Außerordentlichs, und, ihrer beider Ruh
Zu Liebe, entschließt sie sich, wiewohl nicht gern, dazu.

Was bald darauf, im Cabinete
Der Königin, mit ihr und unserm Freund Kombab
Sich, diesem Schluß gemäß, begab –
Es gäb' ein feines Nachtstück ab,
Wofern ich Lust zum Malen hätte!
Genug, es war ein Sophastück,
Und (wenn ihr euch so weit zurück
Erinnern könnt) Aurora spielt' einst völlig
Astartens Rolle, nur mit etwas besserm Glück.
Denn, ach! Kombabens Stand macht Alles hinterstellig,
Wodurch man (ohne sich zu schmeicheln) hoffen kann
Zu siegen über einen – Mann.
Kombabus! – In der That die Lage,
Worin er war, empöret die Natur.
Auch fühlt er – was ich euch nicht ohne Röthe sage –
Nicht für Astartens Tugend nur:
Ach, für ihn selbst gehn seine Augen über!
O Tugend, ruft er aus, welch Opfer bracht' ich dir!
O! warum nahm ich mir nicht lieber
Das Leben ganz, als ich Betrogner mir – –
Ach Königin! wie soll, wie kann ich dir
Gestehn, was dein Kombab sich raubte? –
Er sah verwildert aus, indem er's sprach. Ein Schrei
Entfuhr der Königin; sie glaubte,
Daß von der Nymphenwuth Nymphenwuth – Bei den Alten herrschte der Glaube, daß, wer eine Nymphe erblicke, in Wahnsinn verfalle. Kombab ergriffen sey.
Allein sie wurde bald aus dieser Angst gerissen.
Wie außer sich sinkt er zu ihren Füßen,
Umarmt und drückt, was seinen feurigen Küssen
Am nächsten lag, ihr allzu reizend Knie –
Und wie Astart' aus einer Ekstasie,
Die ihr allmählich sich verschönerndes Gesichte
Mit Wonnelächeln übergießt,
Und wie zu süßem Tod ihr schönes Auge schließt,
In seinen Arm zurück gekommen ist,
Erzählt der arme Platonist
Von seinem Heldenthum die klägliche Geschichte.

Die Schwachheit, die er uns gezeigt,
Macht ihm (ich seh's an ihrem Achselzücken)
Die nichts verzeihenden Catonen ungeneigt.
Mein Held verliert in wenig Augenblicken,
Was noch vielleicht an seiner That
Verdienstlich war. – Wer schafft für Alles Rath?
Ich lasse der Natur gern ihre kleinen Mängel;
Und freilich macht ein Schnitt noch keinen Engel!

Wie dem auch sey, Kombab gewann
Bei seiner Königin, was er bei euch verlieret.
Sie sah, indem er sprach, aufs innigste gerühret,
Mit Wehmuth ihn und mit Bewundrung an.
»Zwei Jahre lang dich täglich sehn und hören,
Astarte, ganz Gefühl für deine Reize seyn
Und nicht abgöttisch dich verehren? –
Ich kannte mich! – und, wirst du mir verzeihn,
Wenn ich's gesteh'? – auch deinem schönen Herzen
Traut' ich zu viel Empfindung zu,
Um ungerührt zu seyn bei meinen stummen Schmerzen.
Und könnt' ich, Schönste, deine Ruh
Zu theu'r erkaufen?« – – Mehr zu sprechen,
Vermag er nicht; sein volles Herz muß brechen,
Muß brechen oder sich an ihrer schönen Brust
In einen Thränenstrom ergießen.
Sie selbst vergißt der schmerzlich süßen Lust
Zu widerstehn; – drückt ihn an ihre Brust,
Versagt sich nicht, die Wonne zu genießen,
Geliebt zu seyn, die jeden Schmerz versüßt!
Zu grausam wär' es, ihm den einz'gen Trost zu wehren,
Den schwachen Trost unaufgehaltner Zähren,
Worin ihr Herz in seines überfließt
Und, süß betäubt von einem Strom von Küssen,
Vergißt, daß etwas sey, das sie entbehren müssen.
Astarte reicht ihm ihre schöne Hand:
Dieß, spricht sie, da sie endlich seinen Küssen
Sich sanft entzieht, dieß sey das Unterpfand
Der Zärtlichkeit, die dir mein Herz gestand,
Eh' ich, wie sehr du sie verdientest, konnte wissen!
Und wenn dieß Herz, wovon du König bist,
Zum Glück dir so genug, wie mir das deinig' ist:
O! so genieß den Trost, dich so geliebt zu sehen,
Wie noch kein Sterblicher, wie kein Endymion,
Kein Cephalus, kein Attys, kein Adon
Geliebt sich sah! – Jetzt darf ich dir's gestehen:
Die Großthat, die du dich erkühnt,
Gestattet mir, untadelhaften Trieben
Mich ganz zu weihn, erlaubt mir, dich zu lieben,
Wie nur Kombab geliebt zu seyn verdient.

Sie sagten sich noch viele schöne Sachen,
Die auf den Leser nicht den hohen Eindruck machen,
Wie auf sie selbst, und die wir übergehn.
Indeß erröth' ich nicht, ganz laut es zu gestehn
(Die Rigoristen Rigoristen – Welche von der Strenge der angenommenen Grundsätze in der Beurtheilung besonderer Fälle nicht abweichen. mögen sagen,
Was ihnen wohl gefällt), ich finde das Betragen
Der Königin in diesem Falle schön.

Astarte sucht' und fand in ihrem Herzen
Und seinem Geist, in seinem Unterricht,
Oft auch in leichten muntern Scherzen
Ersatz für – etwas, das (zum mindsten, wenn die Pflicht
Es heiligt) Spröden selbst nicht allzu gern' entbehren.
Wenn Jemand fähig ist, ihr solchen zu gewähren,
So ist's Kombab. Denn von den höchsten Sphären
Bis zum Atom' herab ist nichts, wovon er nicht
Wie Salomon und Trismegistus spricht.
Auch bringt die Königin
Oft halbe Sommernächte
An seiner Seite hin,
Bedient sich, ohne Zwang, der Rechte,
Die ihr sein Zustand gibt, und kurz, behandelt ihn,
Als wären sie von einerlei Geschlechte.
Oft sitzen sie, zur Stunde, da der West
Die Mittagsruh' in Florens Arm verläßt,
Allein in wilden Sommerlauben,
Sehr unbesorgt, was wohl davon die Leute glauben.
Und in der That, es ist den Leuten zu verzeihn.
Man hüllt vergebens sich in seine Unschuld ein;
Die Welt erkennt die Tugend nur am Schein.
Wer hätt' ein paar Figuren ihrer Gattung,
So jung, so liebenswerth, so schön,
In eines Myrtenstrauchs sanft dämmernder Umschattung
Nicht für – Adon und Venus angesehn?

Bei Tage ging's noch hin. Doch halbe Sommernächte
Und stets allein, mit einem schönen Mann! –
Mit einem Mann' allein! – »Nun in der That, was man
Einander Nächte durch zu sagen haben kann,
Ist, was ich wohl einmal erfahren möchte!«
»Madame, es käm' auf eine Probe an,
Versetzt der junge Herr – die kurzen Sommernächte
Entschlüpfen leicht; – man liegt in freier Ruh'
Auf Blumen – hört den Nachtigallen zu –
Und dieß und das« – So scherzen im Vertrauen
Die Höflinge, die Kammerfrauen.

Man kennt die Vögel am Gesang.
Dieß Antichambrevolk urtheilet gern vermessen.
Gesetzt, die Königin sey oft ein wenig lang
Bei ihrem Mentor aufgesessen,
Entschuldigt dieß auch nur den leisesten Verdacht?
Man kann so leicht sich im Gespräch vergessen!
Und in der That ist einer schönen Nacht
Zum Staunen, zum Philosophiren,
Nichts anders gleich! Sie ist dazu gemacht,
Die Seelen unvermerkt den Leibern zu entführen;
Zumal wenn Lunens Schein, wie eine neue Welt
Von Schatten, welche kaum den äußern Sinn berühren,
Elysiums echtes Bild uns vor die Augen stellt,
Und über uns, bei unbewölktem Himmel,
Der Sterne prächtiges Gewimmel
Den angezognen Geist mit stolzer Ahnung schwellt.

Astarte fand unendlich viel Behagen
An Nächten dieser Art; indessen manchem Freund
Der Augenblick – dem König anzusagen,
Wie seine Königin mit ihrem schönen Freund
Die Nächte braucht, – unendlich langsam scheint.

Er kommt zuletzt. Der Bau ist nun vollendet,
Der Tempel eingeweiht, die Priesterschaft dotirt,
Und, weil man nichts, was sich gebührt,
Vergessen will, das dritte Jahr geendet.
Der König, dem, ich weiß nicht was, oft schwer
Ums Herze macht, betreibt den Rückzug sehr.
Nicht, daß er sich die Zeit indessen nicht vertrieben!
Man weiß ja, große Herren lieben
Veränderung; und wohl bekomm's den großen Herrn;
Die Kleinen haben sie trotz ihrer Kleinheit gern.
Genug, der Rückzug läßt sich länger nicht verschieben;
Und Seiner Majestät zu melden, wie beglückt
Die Reise sey, wie heftig das Verlangen,
Die königlichen Knie bald wieder zu umfangen,
Wird einer vom Gefolg dem Zug vorangeschickt.
Man glaubte zwar, den Besten auszuwählen,
Doch war es schwer, den Schlimmsten zu verfehlen.
Vergebens war Kombab ein Menschenfreund
Und stets bemüht, sich Alle zu verbinden:
Ein Günstling hoffe nicht, Erkenntlichkeit zu finden!
Sobald ein böser Stern erscheint,
Ist, wer durch seinen Fall gewinnen kann, sein Feind.

Mercur mit Flügeln an den Sohlen
Vermöchte nicht den Höfling einzuholen;
So groß ist die Begier, aus pflichtgemäßer Treu
Dem alten König zu berichten,
Wie nah Kombab mit ihm verschwägert sey.
Wißt ihr, wie Höflinge in solchen Fällen malen?
Die Farben werden nicht dabei
Gespart, das glaubet mir! Mit seinem Kopf bezahlen
Will er, wofern er nur ein Wörtchen mehr gewagt,
Als was Astartens Hof aus einem Munde sagt.

Der König sträubt sich sehr; so groß war sein Vertrauen
Zu seinem Freund, zur besten aller Frauen!
Er krümmt und windet sich, bis er, gezwungen, weicht;
Denn, ach! nur nicht so viel als ein Vielleicht
Macht seine Ueberzeugung wanken;
Er kann ihm nicht entfliehn, dem schrecklichen Gedanken!
Betrogen, ruft er aus und sinkt betäubt dahin,
Von meinem Freund, von meiner Königin?

Ein Kerker schließt, sobald sie angekommen:
Astarten und den Günstling ein.
»Welch Aergerniß! – So kann der Schein
Der Tugend uns belügen!« – schrein
Aus einem Ton die Spröden und die Frommen.
Den Schlangen, die die Welt von Anbeginn verführt,
Der Schönheit und dem Witz, den Stiftern alles Bösen,
Wird, wie es sich gebührt,
Der Text dabei gelesen.
Die Häßlichkeit (die freilich nicht verführt)
Ist mächtig stolz, ihr Antlitz zu erheben,
Das Gegengift der bösen Lust;
Und Dummkopf lobet Gott aus voll geschöpfter Brust,
Der, was an Witz ihm fehlt, ihm an Verstand gegeben.

Indessen fährt der König fort,
Die Schaar der Zeugen zu verhören,
Und hundert Augenzeugen schwören,
Man sah sie tausendmal allein, wenn Zeit und Ort
Die Sache sehr verdächtig machten:
Man sah sie einst sogar (wiewohl am längsten Tag)
In einem Gartenzelt beisammen übernachten.
Was sie gethan, ist – was man schließen mag!
Denn freilich konnte man so nah' hinzu nicht gehen,
Um Alles auf ein Haar zu sehen;
Genug, die Wahl von Zeit und Ort
Ließ, was davon zu denken sey', verstehen.

Zum Unglück muß von Wort zu Wort
Kombab dieß Alles eingestehen.
Er leugnet nichts: nur bleibt er stets dabei,
Daß seine Königin dem königlichen Bette
Getreu und rein wie eine Lilie sey,
Und daß er sich nichts vorzuwerfen hätte.
Doch bessert dieß der Sachen Mißgestalt?
Der Zeugen Harmonie, sein eigenes Bekenntniß
Beweist ein sträfliches Verständniß
Nur allzu stark. Der Urtheilsspruch erschallt:
Man überliefre sie der rächenden Gewalt.
Ein schwarz behängtes Blutgerüste
Erwartet dich, Kombab, und die gerechte Wuth
Des Königs lechzt nach seines Günstlings Blut.

Der Schein ist wider mich, spricht mit gelass'nem Muth
Das Opfer seines Grimms: was kann ich thun, als schweigen?
Doch schuldlos stirbt Kombab! – Dieß tröstet mich! – und du,
Mein König, wirst, zu meines Schattens Ruh,
Was gegen eine Welt voll Zeugen
Astartens Unschuld dir und meine Redlichkeit
Beweisen kann, in jenem Kästchen finden,
Das ich – erinnre dich's, o Herr – im Reisekleid
Dir übergab. Ich bin zum Tod bereit
Und suche nicht aus Furcht mich los zu winden.
Allein, wenn Wort und Schwur auch einen König binden,
So fordr' ich hier Gerechtigkeit!
Du schworst, o Herr, bei deinem Leben,
Mein Kästchen unversehrt mir einst zurück zu geben:
Jetzt ist es Zeit, wink' es herbei!

Der König stutzt. Ein allgemein Geschrei
Des Volkes fordert ohne Säumen
Des Kästchens Gegenwart. Man rieth, was drinnen sey;
Allein das Wahre ließ sich keine Seele träumen.

Der König winkt. Das schon gezückte Schwert
Starrt in des Würgers Hand. Bald wird das Kästchen kommen!

Es kommt, es kommt! Ein Todesschauer fährt
Durch jedes Herz, Kombabens ausgenommen.
Der König nimmt es selbst in seine eigne Hand,
Besieht es um und um und sieht's im alten Stand,
Die Fugen ganz, das Siegel unversehrt.

Erinnre dich, spricht jetzt Kombab,
Als ich's, o Herr, dir übergab,
Sagt' ich: mein Kostbarstes befinde sich darin.
Jetzt sag' ich: in gewissem Sinn
Mein Schlechtestes! und doch erklär' ich hier zugleich,
Ich nähme nicht dein ganzes Königreich,
Daß, was du finden wirst, nicht wäre drin gewesen.

Das Räthsel sich und Allen aufzulösen,
Eröffnet es der Fürst, und, wie vom Blitz gerührt,
Steht er und glaubt durch Zauber sich betrogen.
Denn siehe! von Kombabens Unschuld wird,
In Byssus eingehüllt und köstlich balsamirt,
Der unverwerflichste Beweis hervorgezogen!
Nie stand, seitdem die Welt sich um die Pole dreht,
Ein Mann betroffner da – als Seine Majestät:
Und dennoch fehlt noch was, ihn ganz zu überzeugen.
Kombab erräth's und macht vorm Augenschein
Die innerlichen Zweifel schweigen,
Die gegen seinen stummen Zeugen
In manche Zirbeldrüse steigen.
Der Unglaub selbst gestand jetzt seine Unschuld ein!
Drauf wirft er sich dem Könige zu Füßen,
Erzählt der Länge nach, aus was für weisen Schlüssen
Er sich nach langem Kampf (weil er, was nun geschehn,
Nur gar zu wohl vorher gesehn)
Zu dem entschlossen, was wir wissen.
Beredter als ein Demosthen
Sprach unser Held, nicht ohne helle Zähren
Zu weinen, dergestalt, daß Allen, die ihn hören,
Und selbst dem Könige die Augen übergehn;
Wie dieß, und was wir sonst, aus Gründen, überschlagen,
Von denen, die dazu Belieben tragen,
Bei Lucian de Dea Syria
Zu lesen ist. – – Nun hört, was noch geschah!

Der König hebt mit zärtlichem Erbarmen
Den Liebling, wie's noch keinen gab
Und keinen geben wird, den treuen Freund Kombab,
Vom Boden auf, hält ihn in seinen Armen
Und bittet ihm mit Thränen ab
Das Unrecht, das er ihm, vom Anschein' hintergangen,
Gethan (auch soll dafür sein Kläger billig hangen!)
Und kurz, der würdige Kombab
Nimmt, zum Vergnügen aller Leute,
Den alten Platz an seines Königs Seite.
Auch bei Astarten geht er kühnlich aus und ein
Und darf bei Tag und Nacht, bei Mond und Kerzenschein,
Mit fremden Zeugen und allein,
Im Cabinet, im Garten und im Hain,
Ja, auf dem Sopha selbst, ihr Zeitvertreiber seyn.

Die ganze Schaar der Höflinge bedachte
(Nicht ohne Neid) die Gunst, die ihm ein Opfer brachte,
Das Manchem in besagter Schaar
Nicht halb so schwer zu machen war.
Die Wuth, sich zu kombabisiren,
Ergriff sie insgesammt. In kurzer Zeit bestand
Der ganze Hof aus einer Art von Thieren,
Die durch die Stümmlung just das Einzige verlieren,
Um dessentwillen man sie noch erträglich fand.


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